Im Blickfeld

Falsche Bequemlichkeit

Man stelle sich vor, es müsste ein neuer Sessel angeschafft werden. Doch statt sich hineinzusetzen, um ihn auszuprobieren, wird er sich nur angeschaut und dann nach nur einem Kriterium ausgewählt: dem Preis. Das klingt absurd? Bei der Wahl von WEG-Verwaltern ist aber genau das der Fall. Zumindest bei kleineren und mittelgroßen Eigentümergemeinschaften mit 20 bis 100 Wohneinheiten. Denn die Wahl der Verwalter reduziert sich hier in der Praxis fast ausschließlich auf den Preis. Dabei wäre ein "Probesitzen" mehr als einfach - es gibt Checklisten im Internet, die selbst WEG-verwaltungsfachfremde Eigentümer problemlos anwenden können. Die meisten Punkte sind ziemlich banal, aber deshalb nicht minder wichtig für die Einschätzung. Drei Beispiele hierzu:

Erstens: Eigentümergemeinschaften fragen keine Referenzen ab. Die Erfahrung zeigt, dass nur in zehn Prozent der Fälle potenzielle Kunden tatsächlich zum Hörer greifen und beim Referenzgeber nachfragen. Dabei sind die Informationen von unschätzbarem Wert - denn Referenzgeber lügen nicht, sie beschönigen nicht. Das ist ein ungeschriebenes Gesetz.

Zweitens: Stimmen die Rahmenbedingungen? Die Größe des Verwalters ist hier ein wichtiges Kriterium. Bei Unternehmen, die weniger als vier bis fünf Mitarbeiter beschäftigen, besteht die Gefahr, dass Anliegen der WEG-Gemeinschaft nicht immer sofort abgearbeitet werden. Dass die Mitarbeiter beim Verwalter auch fachlich qualifiziert sind (in technischer und kaufmännischer Hinsicht), dass der Verwalter in einem der großen Berufsverbände organisiert ist, dass das Unternehmen eine gewisse Beständigkeit am Markt vorweisen sollte (also kein Neuling ist) sind weitere Punkte, die sich eigentlich von selbst verstehen. In der Praxis sind aber auch das Kriterien, die nicht erhoben werden.

Drittens: Interessenten sollten persönlich beim WEG-Verwalter vorbeischauen. Ist das Büro aufgeräumt? Wie sehen die Schränke der Mitarbeiter aus? Wenn jeder Schrank anders geordnet ist, jedes Ablagesystem unterschiedlich aussieht, dann sind das Hinweise darauf, dass es keine einheitlichen Prozesse beim Verwalter gibt. Hat der Mitarbeiter ein Prozesshandbuch auf dem Schreibtisch liegen oder nur das WEG-Gesetz - und jeder macht daraus, was er will? Nur wenn die Prozesse definiert und gelebt werden, ist die WEG-Gemeinschaft unabhängig von der Qualität einzelner Mitarbeiter. Im Urlaubsfall, Krankheitsfall oder beim Austritt aus dem Unternehmen will der Auftraggeber ja sicher sein, dass der nachfolgende Bearbeiter einen ähnlich guten Job macht.

Aber wie gesagt - statt etwas mehr in die Tiefe zu gehen, wird in der Praxis überwiegend auf die Verwaltervergütung geschaut. Grund ist die Bequemlichkeit. Der Preis liegt als "harter" Fakt sofort auf dem Tisch. Wer jedoch weniger bequem ist, bekommt den besseren Verwalter.

Michael Wintzer, Geschäftsführer, Bayerische Hausbau Immobilien Management GmbH, München

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