WOHNUNGSWESEN

FRAGE AN GABRIELE HEINRICH: WIE REGELT DAS NEUE WEGESETZ DAS VERHÄLTNIS ZWISCHEN WEG, VERWALTER UND BEIRAT?

Gabriele Heinrich, Foto: Fotostudio S2

Das Wohnungseigentumsgesetz (WEGesetz) aus dem Jahr 1951 wurde umfassend reformiert und ist seit 1. Dezember 2020 in Kraft. Von den gravierenden Änderungen sind die Eigentümer von bundesweit rund zehn Millionen Wohnungen betroffen. Mit der Reform erhält die Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) die gesamte Verantwortung für die Verwaltung des Gemeinschaftseigentums. Das neue System ist in seiner Struktur stärker an das Gesellschaftsrecht angelehnt, was rechtstheoretisch zwar konsequent sein mag, für die Eigentümer aber auch Nachteile bei der Durchsetzung ihrer Rechte bringen dürfte. Viele Auswirkungen werden sich erst in der Praxis und gegebenenfalls nach Klarstellung durch den Bundesgerichtshof bewerten lassen.

Systemwechsel mit eindeutiger Rollenverteilung

Das neue System zeichnet sich durch eine neue, eindeutige Rollenverteilung aus. Zuständig für alle Angelegenheiten des Gemeinschaftseigentums ist jetzt die Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband, sie ist Träger der Verwaltung des Gemeinschaftseigentums. Die Eigentümerversammlung ist nun immer beschlussfähig, unabhängig davon, wie viele Eigentümer anwesend oder vertreten sind. Beschlüsse können nach der neuen Rechtslage also einfacher zustande kommen. Neu definiert wurde auch die Verwalterstellung. Der Verwalter ist handelndes Organ der WEG. Das neue Wohnungseigentumsgesetz räumt Verwaltern nun mehr Befugnisse ein. Diese können im Innenverhältnis, das heißt im Verhältnis zur Wohnungseigentümergemeinschaft, ohne Beschluss der Eigentümerversammlung nun Maßnahmen von untergeordneter Bedeutung treffen, die nicht zu erheblichen Verpflichtungen der WEG führen (§ 27 WEGesetz).

Damit korrespondiert, dass die WEGs nach der neuen Rechtslage die Aufgaben und Befugnisse ihres Verwalters durch Beschluss oder im Verwaltervertrag beschränken oder erweitern können (§ 27 Absatz 2 WEGesetz), zum Beispiel indem sie Wertgrenzen oder Maßnahmenkataloge aufstellen. Von diesem Recht sollten Wohnungseigentümergemeinschaften unbedingt Gebrauch machen. Regelungen hierzu gehören auch in jeden neuen Verwaltervertrag. Es ist wichtig, dass sich Wohnungseigentümer nun sehr detailliert und kritisch mit der Ausgestaltung ihres Verwaltervertrags befassen und sich hierzu gegebenenfalls fachkundig beraten lassen.

Unbeschränkbare Vertretungsmacht des Verwalters nach außen

Im Außenverhältnis vertritt der Verwalter die Wohnungseigentümergemeinschaft ohne Wenn und Aber gegenüber allen Geschäftspartnern, das heißt er kann jetzt alle möglichen Verträge - bis auf Grundstücks- und Kreditgeschäfte - mit Wirkung für die WEG abschließen. Diese unbeschränkte Vertretungsmacht hat Wohnen im Eigentum (WiE) von Beginn des Gesetzgebungsverfahrens an kritisiert.

Für die Wohnungseigentümer bedeutet dies: Auch wenn der Verwalter eigenmächtig einen Dienstleister beauftragt oder Verträge abschließt, ohne zuvor einen Beschluss der Eigentümergemeinschaft eingeholt zu haben, muss die WEG dafür geradestehen, dafür haften. Erst im Nachhinein, also wenn "das Kind bereits in den Brunnen gefallen" ist, kann die WEG ihren Verwalter für einen Schaden aus einem unerwünschten Vertrag in Regress nehmen. Früher lag das Risiko, dass der Verwalter einen Vertrag ohne Beschluss nicht eingehen durfte, beim Geschäftspartner. Dieser konnte sich wegen der Bezahlung dann nur an den Verwalter halten, nicht an die WEG.

Verwaltungsbeirat wird Kontrollorgan

Einhergehend mit der Stärkung der Verwalterstellung wird die Position des Verwaltungsbeirats gestärkt. Er hat jetzt auch die Aufgabe, den Verwalter zu überwachen, und wird somit zum Kontrollorgan aufgewertet. Für die Stärkung des Verwaltungsbeirats hatte sich WiE von Beginn des Gesetzgebungsprozesses an eingesetzt. Damit wurden die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen, dass der Verwaltungsbeirat kein "zahnloser Papiertiger" ist - was bisher in der Praxis häufig bemängelt wurde. Unklar bleibt jedoch, wie der Verwaltungsbeirat diese Kontrolle tatsächlich ausüben soll. Verbände wie Wohnen im Eigentum werden dazu Empfehlungen entwickeln, die Rechtsprechung wird weitere Klärung bringen.

Wie viele Beiratsmitglieder die WEGs berufen wollen, ist ihnen jetzt freigestellt - eine positive Änderung, da kleine WEGs andere Bedürfnisse haben als große. Damit sich mehr Eigentümer finden, die sich in den Verwaltungsbeirat wählen lassen, wurde im neuen Wohnungseigentumsgesetz die Haftung von ehrenamtlich tätigen Verwaltungsbeiratsmitgliedern auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt. Zuvor war die Haftung im Gesetz gar nicht geregelt, was in der Vergangenheit immer wieder Eigentümer abschreckte, dieses verantwortungsvolle Ehrenamt zu übernehmen. Der Gesetzentwurf wurde zugunsten der Rechte der Wohnungseigentümer noch deutlich nachgebessert. Nach massiver Kritik von Wohnen im Eigentum und weiterer Verbraucherverbände wurden noch wichtige Korrektive eingefügt - bevor der Bundestag am 17. September 2020 das Gesetz beschloss:

1. Anspruch auf Verwalter-Zertifizierung: Ein Eigentümer in WEGs mit mehr als acht Sondereigentumseinheiten darf verlangen (nach einer längeren Übergangsfrist), dass ein von der IHK zertifizierter Dienstleister als Verwalter bestellt wird.

2. Verwaltervertrag endet spätestens sechs Monate nach Abberufung: Dies ist ein wichtiges Gegengewicht zur Verwalterstärkung, denn für Wohnungseigentümergemeinschaften ist es nun deutlich einfacher, sich von ihrem Verwalter zu trennen. Sie können diesen jederzeit abberufen, was nach der alten Rechtslage auf "wichtige Gründe" beschränkt werden konnte und wurde. Der Verwaltervertrag endet dann spätestens sechs Monate nach der Abberufung.

Neue Unsicherheiten in der Praxis

Zwar bringt der Systemwechsel eine eindeutige Rollenverteilung. Jeder weiß jetzt, dass sämtliche Ansprüche auf Beschlussumsetzung, ordnungsgemäße Jahresabrechnung, Abwehr von unerlaubten Eingriffen ins Gemeinschaftseigentum et cetera oder auch auf Einsichtnahme in die Verwaltungsunterlagen an die WEG - und nur an diese - zu richten sind. Jedoch ist unklar, welche Auswirkungen der Wechsel in der Praxis tatsächlich haben wird. Denn die WEG ist ein abstrakter, rechtsfähiger Verband. Bekommt der Verband mehr Verantwortung, müssen sich die Wohnungseigentümer fragen, wie sie das Sagen behalten - damit die Geschicke der WEG jetzt nicht noch stärker als bisher von externen Dienstleistern gelenkt werden. Denn eines bleibt: Am Ende des Tages sind es die einzelnen Eigentümer, die alles bezahlen, was die WEG tut oder was sie unterlässt.

Vor diesem Hintergrund sind für die Wohnungseigentümer noch viele formale Abläufe und Verfahrenswege nach neuem Recht unklar, gerade auch im Zusammenhang mit Forderungen an Verwalter, mit den neuen "Baurechten" für die einzelnen Wohnungseigentümer und mit der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegen "Schädiger" - seien es Verwalter, Miteigentümer oder andere. Noch ist unklar, wie Schäden ausgeglichen werden können und nicht einfach "sozialisiert" werden, also - mangels Vorgehen, zum Beispiel gegen Verwalter - von der Eigentümergemeinschaft bezahlt werden.

Die vom Gesetzgeber mit der Reform bezweckte Rechtssicherheit und Rechtsklarheit ist also (noch) nicht gegeben. Mit Fragen der Umsetzung aus der Eigentümersicht hat sich das Bundesjustizministerium anscheinend kaum befasst.

DIE AUTORIN GABRIELE HEINRICH Vorstand, Wohnen im Eigentum e.V., Bonn
Gabriele Heinrich , Vorstand, Wohnen im Eigentum e.V., Bonn
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