Im Blickfeld

Baustelle Schwäbisch Hall?

Die Bausparkasse Schwäbisch Hall ist quasi eine Institution. Fest verankert in der genossenschaftlichen Finanzgruppe ist sie Marktführer im Bausparen und liegt in der Baufinanzierung hinter der Deutschen Bank/Postbank auf Platz zwei der deutschen Bausparkassen. Sie erfreut die Mutter DZ Bank regelmäßig mit feinen Ausschüttungen, noch mehr aber die vermittelnden Volks- und Raiffeisenbanken mit üppigen Provisionszahlungen für deren Absatzerfolge. Marktanteilsgewinne und Rekordjahre sind die Folge. "Perle des Verbunds" nennt man die Haller denn auch nicht ohne Stolz. Und auch das laufende Jahr wird sich zweifelsohne allen Prognosen der Verantwortlichen nach in die Reihe der außerordentlich guten Jahre einsortieren, mit einem Neugeschäftsvolumen von erneut über 30 Milliarden Euro.

Und doch muss man sich fragen, ob Schwäbisch Hall nun selbst zur Baustelle wird, wo man doch eigentlich von den Baustellen anderer so gut lebt. Der neue Vorstandsvorsitzende Reinhard Klein hat sich die Situation zwei Monate angeschaut und zieht nun erste Schlüsse. Die Folge: Ein Einsparungsprogramm von 60 bis 70 Millionen Euro in den kommenden beiden Jahren und eine teure, aber notwendige Erneuerung des inzwischen rund 30 Jahre alten IT-Systems. Hintergrund sind drei Entwicklungen, die nicht nur die Bausparkasse Schwäbisch Hall, sondern alle Bausparkassen betreffen. Das niedrige Zinsniveau, die demografische Entwicklung und die Regulatorik. Zusammengenommen führt das zu Belastungen, die über Volumens- und damit Ertragswachstum nicht mehr auszugleichen sind. Es muss also über die Kostenseite gehen.

10 bis 15 Prozent der Gesamtkosten hat Klein als groben Rahmen gemeinsam mit den anderen Verantwortlichen im Institut herausgearbeitet. Der Großteil davon erfolgt über Einsparungen bei den Sachkosten. Doch um einen Stellenabbau kommt man in Schwäbisch Hall nicht herum, auch wenn dieser ohne Kündigungen vonstattengehen soll. 200 bis 250 Stellen sollen im genannten Zeitraum wegfallen, dem stehen in den kommenden drei Jahren etwa 1 000 Mitarbeiter gegenüber, die in den Ruhestand gehen. Man kann also die Fluktuation ausnutzen, auch wenn in Bereichen wie der IT oder der Regulatorik Stellen aufgebaut werden müssen. Gleichzeitig wird aber investiert. Für einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag wird das Kernbanksystem komplett erneuert. Das alte funktioniere zwar hervorragend, so Klein, aber die Instandhaltung würde nun von Jahr zu Jahr schwieriger, intensiver und damit teurer. So sei auch das erfolgreiche organische Wachstum sichergestellt, denn eine Strategie ähnlich der des Stuttgarter Wettbewerbers W & W mit Akquisitionen die Geschäftsgrundlage zu verbreitern lehnt der Vorstandsvorsitzende ab. Man sei zu eng in den genossenschaftlichen Finanzverbund eingebettet und wolle nicht künftig Geschäfte für die Commerzbank machen.

Reinhard Klein, im Hessischen geboren, in Süddeutschland groß geworden und nun nach einigen Jahren Erfahrung sammeln in der hanseatischen Hauptstadt Hamburg nach Schwäbisch Hall zurückgekehrt, analysiert dies bei seinem ersten öffentlichen Auftritt vor Journalisten außergewöhnlich nüchtern, messerscharf und sympathisch. Und er lässt auch an der Notwendigkeit keinen Zweifel. Mit diesem Programm werde man nun das niedrige Zinsniveau mindestens die kommenden fünf Jahre aushalten. Gleichzeitig weiß er aber auch um die Befindlichkeiten: Schwäbisch Hall spiele immer auf Sieg, der zweite Platz sei der Erste der Verlierer. Daran werde sich bestimmt nichts ändern. Auch das glaubt man ohne zu Zögern. Hier ist ein neuer, der das Haus kennt und daher weiß, wo er ansetzen muss. Nein, eine Baustelle wird Schwäbisch Hall sicherlich nicht. 80 bis 85 Prozent bleiben unverändert, so Klein. Eben so wie es immer war, immer ist, und immer sein wird. P.O.

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