Schwerpunkt: Neue Bewertungsstandards

Automatische Bewertung von Wohnimmobilien

Die Prozesse der deutschen Finanzdienstleister stehen auf dem
Prüfstand seitdem die Wettbewerbsfähigkeit insbesondere im
internationalen Vergleich durch zu hohe Sach- und Personalkosten,
knappe Margen und zu geringe Erträge zunehmend gefährdet war.
Selbstverständlich hat die Suche nach Optimierungspotenzialen in den
Abläufen längst auch das Immobilienfinanzierungsgeschäft erfasst, das
auf der Basis intelligenter IT-Prozesse mit zunehmendem Erfolg auch
von innovativen Internet-Anbietern oder im Processing von
Kreditfabriken betrieben wird.
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Nach dem Vorbild der Industrie haben sie damit begonnen,
Hypothekenprozesse im Vertrieb wie auch bei der Kreditbearbeitung zu
standardisieren und somit kostengünstiger zu gestalten. Das System
Wertweiser fokussiert in diesem Zusammenhang auf den Teilprozess der
Bewertung von Eigentumswohnungen sowie Ein- und Zweifamilienhäusern.
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Industrialisierung der Finanzwirtschaft
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Wo der Hebel anzusetzen ist, haben mehrere Untersuchungen der jüngeren
Vergangenheit deutlich gezeigt. Mehr als die Hälfte, so die Umfrage
unter 129 der 500 größten deutschen Kreditinstitute, sind nicht
zufrieden beziehungsweise indifferent in Bezug auf die Gestaltung des
Kreditprozesses; 64 Prozent gaben sogar an, dass sie nicht jedem
Teilprozess Kosten zuordnen können (Quelle: E-Finance Lab 2005).
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Entsprechend haben die Finanzdienstleister Handlungsbedarf ausgemacht:
Industrialisierungspotenzial in der Kreditautomatisierung im eigenen
Unternehmen sowie damit verbundene Investitionen planen 66 Prozent der
Sparkassen, 74 Prozent der Genossenschaftsbanken und 59 Prozent der
Kreditbanken (Quelle: Steria Mummert Consulting Branchenkompass
Kreditinstitute 2005). Zweifellos bietet also die Kreditabwicklung das
interessanteste Potenzial in der Industrialisierung der
Finanzwirtschaft.
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Neben dem zentralen Motiv der Kosteneinsparungen - hier ist laut
renommierten IT-Beratern wie IDS Scheer durchschnittlich 20 Prozent
bis zum Teil 60 Prozent Kostenreduzierung möglich sind folgende Ziele
nicht aus dem Blickfeld zu verlieren:
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- die rasche Bereitstellung von relevanten Informationen zur
Kreditvergabe für den (mobilen) Vertrieb,
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- die Entlastung des Vertriebs von Routineabläufen, um mehr Zeit für
die Kundenbetreuung und Neukundengewinnung investieren zu können,
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- die Optimierung, sprich Herstellung der Durchgängigkeit der Prozesse
in Markt und Marktfolge, sobald es zum Finanzierungsantrag kommt.
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Diese Anforderungen werden auch an den Bewertungsprozess von
standardisierten Wohnimmobilien gestellt. Zudem gilt es, die wachsende
Komplexität, die die erhöhten regulatorischen Anforderungen wie sie
Basel II und das neue Pfandbriefgesetz mit seiner
Beleihungswertermittlungsverordnung (BelWertV) mit sich bringen,
möglichst aufwandsneutral zu bewältigen. Ein teilautomatisiertes
System hat also mindestens diese Aspekte zu berücksichtigen:
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- Basel II fordert beispielsweise zusätzlich zum Beleihungswert die
Ermittlung von Marktwerten, das Monitoring mit jährlicher
Wertfortschreibung sowie wird der fortgeschrittenen Ansatz gewählt -
zusätzlich Marktwertprognosen.
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- Von der neuen BelWertV ist mittelfristig zu erwarten, dass sie nicht
nur für die Pfandbrief emittierenden Institute den Rahmen steckt,
sondern eine vereinheitlichende Wirkung im Sinne der
Allgemeinverbindlichkeit bei der Ermittlung von Markt- und
Beleihungswerten auch für Bausparkassen und Versicherungen entfalten
wird.
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- Nicht zuletzt soll im Sinne eines effizienten Risikomanagements die
Nachvollziehbarkeit des Bewertungsergebnisses verbessert und die
Transparenz erhöht werden. Dies setzt allerdings die aktuelle und
rasche Verfügbarkeit des relevanten und integrierten Wissens über
Märkte und Objektarten voraus.
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Prozessunterstützung
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Die vielfältigen Anforderungen hat Wertweiser berücksichtigt, ein
System zur effizienten Abwicklung von Teilprozessen der
Immobilienbewertung von Wohnimmobilien. Über eine
Internetschnittstelle kann nach einmaliger Datenerfassung - je nach
gewünschtem Prozessumfang - die Unterstützung von Einzelschritten oder
aber ganzen Prozessketten - vom System übernommen werden. Hinter dem
System steht ein Joint Venture von MacDonald, Dettwiler and Associates
Ltd. (MDA), Vancouver, sowie HVB Expertise GmbH, München.
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Finanzdienstleistern bietet das Tool zunächst für deutsche Ein- und
Zweifamilienhäuser sowie Eigentumswohnungen und Ertragswertobjekte
intelligente Prozessunterstützung bei der Ermittlung
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- eines angemessenen Kaufpreises durch den Vertrieb,
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- des Marktwertes,
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- des Beleihungswertes,
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- des Markt- und Objektratings sowie
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- die Marktwertfortschreibung und
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-prognose. Diese basiert zum einen auf der IT-gestützten Optimierung
aufwändiger Arbeitsschritte (zum Beispiel die Vergleichsdatensuche und
das marktnahe Einordnen in ihren relevanten Teilmarkt) und zum anderen
auf der Standardisierung von Teilprozessschritten der Bewertung im
Vertrieb (Markt) und der Krediterst- beziehungsweisewiederbearbeitung
(Marktfolge).
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Hedonischer Bewertungsansatz
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Das Konzept basiert auf dem hedonischen Bewertungsansatz. Die
Immobilie wird bezüglich ihrer wesentlichen Wert beeinflussenden
Eigenschaften (Objektdaten zu Lage, Größe, Zustand) erfasst. Diese
Erhebung wird traditionell im Rahmen von Besichtigung und Analyse der
Objektunterlagen vorgenommen. Dabei erfolgt mit Hilfe des Markt- und
Objektratings (Morix) - siehe Immobilien & Finanzierung 04-2002 - die
qualitative Bestimmung des regionalen Teilmarktes auf der einen und
der Objekteigenschaften auf der anderen Seite.
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Danach werden sämtlichen Eigenschaften automatisch (implizite) Preise
zugeordnet. Die Eigenschaftspreise wurden vorher mittels hedonischer
Regressionsanalysen bestimmt. Den Input für die dahinter liegenden
Modelle bildet eine Datenbank mit Marktdaten, Preisen und Mieten,
Markt- und Objektratings, Bodenwertansätzen und Angaben zu
Normalherstellungskosten. Auf der Basis der Preise können nun
ebenfalls automatisch Wertvorschläge für den Markt- und Beleihungswert
berechnet werden. Um ein derartiges Verfahren allerdings anwenden zu
können, bedarf es folgender Voraussetzungen:
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- Zum einen muss eine kritische Masse auswertbarer Transaktionsdaten
zur Verfügung stehen. Der Datenpool von Wertweiser
(Expertix-Datenbank) enthält aktuell etwa eine Millionen Bewertungen
mit 22 Millionen Daten zu Objekteigenschaften.
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- Zum anderen müssen die qualitativen Eigenschaften der einzelnen
Immobilien transparent erfasst werden, was mit Hilfe des Markt- und
Objektratings Morix erfolgt.
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Durch die Verknüpfung der Transaktionsdaten mit den objektbezogenen
Preisbestimmenden Faktoren in einem ökonometrischen Modell gelingt nun
die Bewertung einer individuellen Immobilie in ihrem unmittelbaren
Marktumfeld.
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Je nach Objektart ist der Anteil der hedonischen Regressionsanalyse
unterschiedlich. Bei Eigentumswohnungen erfolgt die Ermittlung der
Eigenschaftspreise anhand der internen Transaktionsdatenbank.
Unterschieden wird zwischen eigennutzungsfähigen Eigentumswohnungen,
deren Wertermittlung rein auf den hedonischen Eigenschaftspreisen
basiert und nicht-eigennutzungsfähigen, bei denen für die Ermittlung
des Ertragswertes neben den aus der Transaktionsdatenbank ermittelten
Vergleichsmieten noch Zinsen, Bewirtschaftungskosten und die
Restnutzungsdauer erforderlich sind.
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Für die Objektarten der Ein- und Zweifamilienhäuser wird dagegen das
Sachwertverfahren angewendet, wobei hier der differenzierte Ansatz von
Boden- und Gebäudewert gewährleistet ist. Für die Beschaffung der
Einzelparameter wird auch auf hedonische Schätzungen zurückgegriffen.
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Das seit Anfang 2005 in der Hypovereinsbank und seit Herbst auch bei
der Vereinsbank Victoria Bausparkasse im Pilot erprobte System zeigt
im Plausibilitätscheck eine hohe Treffgenauigkeit. Als erstes
Unternehmen hat die Hypovereinsbank im April dieses Jahres die
flächendeckende Einführung begonnen.
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Kosten der Dienstleistungen
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Um ein System wie Wertweiser zu betreiben, ist ein hoher technischer
Aufwand und die Pflege umfassender Datenbanken notwendig. Diese
Aufwendungen fallen unabhängig davon an, ob nur wenige oder sehr viele
Immobilien durch das System laufen. Deshalb werden die
Dienstleistungen vor allem in Abhängigkeit von der Anzahl der
Bewertungsanfragen vergütet, und zwar in der Form, dass der Preis je
Bewertungsanfrage schrittweise mit der Anzahl der Anfragen sinkt.
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Darüber hinaus bewirkt insbesondere die Dauer der Vertragslaufzeit
Preisanpassungen. Je länger der Vertrag mit dem Kunden abgeschlossen
wird, desto niedriger ist der Preis je Bewertungsanfrage. Hierdurch
wird sowohl Planungs- als auch eine Kostensicherheit gewährleistet. Im
Fall einer längeren Vertragslaufzeit bleiben bei einer unveränderten
Anzahl an Bewertungen pro Jahr die Preise je Bewertung über die
komplette Vertragslaufzeit konstant.
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Diese Preise liegen nach konservativen Kalkulationen bereits heute in
etwa bei der Hälfte der Kosten, die für eine entsprechende
herkömmliche Bearbeitung aufzubringen sind. Nimmt man an, dass die
Aufwendungen für die Bearbeitung ohne Teilautomatisierung in den
kommenden Jahren - mit den höheren regulatorischen Anforderungen und
der allgemeinen Lohn- und Preisentwicklung weiter steigen werden, wird
sich der Kostenvorteil mit der Zeit noch deutlich erhöhen.
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Flexible IT-Anbindung
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Die Finanzwirtschaft verlangt auch im Hinblick auf die heterogene
IT-Infrastruktur Flexibilität. Das System ist mit seiner offenen
Architektur grundsätzlich in der Lage, an jede EDV anzudocken. Die
Berechnung erfolgt stets auf dem Server des Auftraggebers. Im
Grundsatz ist jede vorhandene Oberfläche möglich, da neben der Vergabe
der Ratingnoten für die qualitativen Objekteigenschaften nicht einmal
zehn Pflichtdatenfelder befüllt werden müssen.
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Was die technische Umsetzung angeht, bringt MDA, das zusammen mit
Freddie Mac über seine Tochtergesellschaft Data Quick zu den Pionieren
der automatischen Bewertung in den USA gehört, mit dem Produkt Freddie
Mac Home Value Explorer (HVE) profunde Erfahrung ein.
Data-Quick-Dienstleistungen basieren auf einer Datenbank, die
Informationen zu 87 Millionen Immobilien in den USA enthält.
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Datenschutz und Sicherheit
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Das Thema Datenschutz undsicherheit verlangt nach den Vorgaben des
Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) höchste Sensibilität beim Umgang mit
den personenbezogenen Daten von Finanzdienstleistern und ihrer Kunden.
Als einzige personenbezogene Daten fließen Straße und Hausnummer in
die Berechnung ein, die aber bei Wertweiser nicht abgespeichert
werden. Eine Einwilligung des Endkunden ist nicht nötig, da es sich um
Auftragsdatenverarbeitung nach § 11 BDSG handelt.
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Der Auftraggeber bleibt stets Eigentümer seiner Daten, die Wertweiser
zwecks Datenoptimierung in anonymisierter Form nur so lange verwendet
wie eine Geschäftsbeziehung besteht. Mandantentrennung ist
gewährleistet, das heißt kein Kunde sieht die Daten eines anderen.
Nicht zuletzt wird maximale Leitungs- (SSL-Verschlüsselung) und
Datensicherheit durch Backups beziehungsweise
Disaster-Recovery-Maßnahmen garantiert.
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Wertweiser versetzt Banken, Sparkassen, Bausparkassen und
Versicherungen mit Hilfe einer Internetschnittstelle in die Lage,
Einzelschritte (zum Beispiel den Markt- und/oder Beleihungswert) wie
auch ganze Prozessketten im Rahmen der Bewertung von Wohnimmobilien
kostengünstig zu erledigen und somit auch die neuen Anforderungen aus
Basel II hinsichtlich Monitoring, Wertüberprüfung und
Marktwert-Prognose und Markt-wert-Default zu erfüllen. Eine
systematische Aufbereitung der Markt- und Objektdaten ermöglicht zudem
die transparente Darstellung von Immobilienportfolios zu Zwecken der
Risikosteuerung sowie im Rahmen der Ausplatzierung.

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