Im Blickfeld

Mit aller Gründlichkeit

Die deutsche Einzelhandelslandschaft ist im Umbruch und das betrifft auch die Handelsimmobilien. Vier von zehn Shoppingcentern bedürfen einer Revitalisierung. Bei Fachmarktzentren, Warenhäusern und weiteren Immobilienformaten sieht die Situation nicht besser aus. Das Problem: Eigentümer reagieren häufig zu spät und bleiben bei der Problemlösung oft nur an der Oberfläche.

Allerdings verkennen viele Eigentümer von Einzelhandelsimmobilien die Signale, dass eine Immobilie in Schieflage geraten könnte. Mit starrem Blick auf die Rendite werden Investitionen häufig zu lange herausgezögert. Investiert wird oft erst dann, wenn die Immobilie ihre Spitzenleistung längst erreicht oder sogar überschritten hat - und damit zu spät. Hinzu kommen fehlende Rückstellungen, die von Anfang an gebildet werden müssten, um auch zu einem späteren Zeitpunkt entsprechende Revitalisierungsmaßnahmen durchführen zu können.

Außerdem mangelt es vielen Eigentümern an Handelsaffinität: Sie wissen nicht, wie der Handel tickt, wie er sich entwickelt und welche Konsequenzen das für die Immobilien hat. Spielen die drei Faktoren zusammen, kann daraus eine fatale Kettenreaktion resultieren: Unterbliebene Revitalisierungsmaßnahmen führen zu mangelnder Umsatzperformance, dem Auszug von Mietern, Leerstand, Mietausfall und Wertverlust.

Natürlich ist Vorsorge auch hier immer besser als Nachsorge. Doch auch wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist, lassen sich Lösungswege entwickeln. Auf eine möglichst kostengünstige Zwischenlösung zu setzen, wäre jedoch falsch. Die traurige Wahrheit: Der Trading-Down-Prozess einer Handelsimmobilie lässt sich nicht schnell und einfach stoppen. Wichtig ist es deshalb, die Gesamtsituation zu analysieren: Wo steht die Immobilie? Wann läuft der Hauptmietvertrag aus? Welche Szenarien drohen ihr? Bewegt sie sich inzwischen vielleicht sogar in einem Umfeld, in dem sie der Wettbewerb schon überholt hat?

Standort, Branchenmix, Mieterqualität, Serviceleistungen, Marktkommunikation, Preisniveau - die Liste der möglichen Problemquellen ist lang. Kernpunkt ist dabei immer die Wettbewerbsfähigkeit der Immobilie. Die Konkurrenz auch zwischen verschiedenen Handelsimmobilien ist hoch. Ist ein Objekt hier nicht klar positioniert und hebt sich nicht von der Konkurrenz ab, hat es schlechte Karten.

Auf Basis der Analyse gilt es, zwei grundsätzliche Fragen zu beantworten: Kann die Immobilie sich überhaupt am Markt behaupten? Und kann sie ihre Handelsnutzung behalten? Vor allem beim zweiten Punkt wird nicht weit genug gedacht. Eigentümer müssen sich klar machen, dass die beste Lösung auch sein kann, dass die Immobilie in Zukunft nicht mehr für den Handel genutzt wird, weil dieser an einen an deren Standort innerhalb der Stadt gewandert ist und die notwen digen Besucherströme und Umsätze nicht mehr generiert werden können. Es kann dabei aber auch herauskommen, dass man eine weitere gute Immobilie arrondieren muss, mit der ein größerer Standort geschaffen wird, um Größenvorteile gegenüber einer möglichen Konkurrenz ausspielen zu können.

Fest steht nur: Es gibt definitiv keine pauschalen Nachnutzungsmöglichkeiten. Um die Probleme zu lösen, muss man in die Tiefe gehen und nicht nach oberflächlichen Zwischenlösungen suchen.

Joachim Stumpf, Geschäftsführer, IPH Handelsimmobilien, München

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