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Abschlussgebühren liegen im Interesse aller Bausparer

In erster und zweiter Instanz sind die Klagen der Verbraucherschützer gegen drei Bausparkassen mit dem Ziel, die Abschlussgebühr bei Bausparverträgen für unzulässig zu erklären, gescheitert. Das Echo auf diese Entscheidungen ist, von der unterlegenen Partei abgesehen, ganz überwiegend zustimmend; sogar aus dem Kreis der Bausparer, also der Verbraucher selbst, ist so gut wie keine Kritik zu hören. Als erstes wurde das Urteil des OLG Stuttgart vom 3. Dezember 2009 bekannt, das sich schwergewichtig mit den AGB-rechtlichen Zusammenhängen befasst und keinen Grund erkennt, die jahrzehntelange Praxis der Erhebung von Abschlussgebühren zu Vertragsbeginn zu beanstanden. Erst gegen Ende der Urteilsbegründung erörtert das Gericht einige Sachverhalte, die von bauspartechnischem Belang sind. Wenn die richterlichen Erwägungen im Ergebnis auch nicht ausschlaggebend waren, sind dazu doch einige Anmerkungen aus der Sicht des für das Funktionieren des Systems verantwortlichen Bausparmathematikers angebracht. Vorausgeschickt seien einige Grundsatzbemerkungen über die Bedeutung des Neuzugangs für das Bausparen.

Zur Bedeutung des Neugeschäfts im Bausparen

Im Bausparen fallen bei neu abgeschlossenen Bausparverträgen Abschlussgebühren an, welche die Verbraucherschützer für unwirksam halten, die aber die bisher ergangenen Urteile von Land- und Oberlandesgerichten nicht beanstanden. Der jetzt beim Bundesgerichtshof anhängige Streit über die Abschlussgebühren hat die Frage nach der Bedeutung des Neugeschäfts im Bausparen aktualisiert. Wie funktioniert das für den dauernden Neuzugang offene deutsche Bausparen? Was hat es mit der Einbeziehung des Neugeschäfts in das bausparmathematische Denkmodell des statischen Beharrungszustandes auf sich? Wie unterscheidet sich das Finanzierungsinstrument Bausparvertrag von den Spar- und Darlehensmodellen der übrigen Kreditinstitute? Diesen Fragen soll zunächst nachgegangen werden.

Im Bausparwesen wird mit dem Bausparvertrag ein Vertragstyp angeboten, der in einem einzigen Vertrag Sparen und Kreditaufnahme vereinigt, eine Koppelung, die sonst in der Finanzwelt nicht anzutreffen ist. Darüber hinaus bekennt sich das Bausparen zu festen, tariflich garantierten Zinssätzen für Bausparguthaben und Bauspardarlehen. Diese Besonderheiten setzen die Bildung einer Bauspargemeinschaft, auch Bausparkollektiv genannt, voraus, weil ohne die Kollektivbindung marktunabhängig und ab Vertragsbeginn garantierte Zinssätze für die Bauspardarlehen nicht geboten werden könnten. Die Kollektiveinbettung ermöglicht auch die Durchsetzung der niedrigen Guthabenverzinsung, die im Blick auf den bei Zuteilung des Bausparvertrages realisierbaren Rechtsanspruch auf das zinsgünstige Bauspardarlehen in Kauf genommen wird. Bevor die Besparung beginnt, hat der Bausparer eine Abschlussgebühr in Höhe von meist einem Prozent der Bausparsumme zu entrichten, die man als "Eintrittsgeld" in die Bauspargemeinschaft bezeichnen kann.

Das Denkmodell der Bausparmathematik

In der Bausparmathematik wird das künftige Neugeschäft als auf die Dauer gewährleistet einbezogen, und zwar in gleichbleibender Höhe. Bei konstantem Neuzugang strebt der Bausparbestand in einen statischen Beharrungszustand, in dem alle Umsatz- und Statusgrößen von Periode zu Periode unverändert bleiben. Dieser stationäre Zustand unter Zugrundelegung der Merkmale des jeweiligen Bauspartarifs (Guthaben- und Darlehenszinssätze, Spar- und Tilgungsbeiträge und anderes) steht im Mittelpunkt des bausparmathematischen Denkmodells. Darauf basiert beispielsweise der für das Bausparen zentrale Begriff des Sparer-Kassen-Leistungsverhältnisses3).

Keineswegs trifft die zuweilen geäußerte Meinung zu, das Bausparen sei auf einen dauernd wachsenden Neuzugang angewiesen und gleiche einem Schneeballsystem. Die mathematische Tarifkalkulation ist solide und vorsichtig; sie zeigt die dauernde Erfüllbarkeit der Verträge, die der Gesetzgeber im § 8 des Bausparkassengesetzes (BSpKG) fordert. In den Bausparkollektiven vollzieht sich ein fortwährender Neuzugang von Bausparern, die zunächst ihr Bausparguthaben ansammeln und damit die Refinanzierung der Bauspardarlehen früher zugegangener und inzwischen zugeteilter Verträge sichern, bis sie selbst zur Zuteilung anstehen und mit der Auszahlung des Bauspardarlehens vom Gläubiger- in den Schuldnerstatus wechseln. Dies wiederum wird nicht nur durch die Tilgungsrückflüsse ausstehender Bauspardarlehen, sondern vor allem durch die Sparzahlungen nachfolgender Generationen neuer Bausparer ermöglicht.

Singuläre Besonderheiten des Bausparens

Ein Bausparvertrag durchläuft demnach zunächst das Sparstadium das spätestens mit der Zuteilungsannahme endet. Für die Zuteilung sind bestimmte Voraussetzungen zu erfüllen. In erster Linie muss das tarifliche Mindestsparguthaben von oft 40 oder 50 Prozent der Bausparsumme angespart und eine hinreichend hohe Bewertungszahl3) erreicht sein, in der die Sparerleistung nach einem Zeit-mal-Geld-System gemessen wird. Die niedrigste noch für die Zuteilung ausreichende Bewertungszahl heißt Zielbewertungszahl. Diese bewirkt den Ausgleich zwischen Angebot an verfügbaren Zuteilungsmitteln und Nachfrage der Zuteilungsanwärter, welche die Mindestbedingungen für eine Zuteilung erfüllen. Die Fixierung der Zinssätze im Haben und im Soll setzt die grundsätzlich unbestimmte Länge der Sparzeit, auch als Wartezeit bezeichnet, voraus. Dem trägt der § 4 Abs. 5 BSpKG Rechnung, der die Verpflichtung der Zuteilung zu einem festen Zeitpunkt verbietet.

Die geschilderten Essenzialien des Bausparens gelten im übrigen Finanzwesen nicht. Dort existiert keine prinzipielle Identität von Sparern und Darlehensnehmern, keine Kollektivbildung, keine tarifliche Garantie der Konditionen und auch kein im Voraus festliegender Darlehensanspruch. Vielmehr stellen die mehr oder weniger frei gestaltbaren Konditionen den Ausgleich zwischen Angebot auf der Passiv- und Nachfrage auf der Aktivseite der Bilanz her.

Zurück zum Bausparen und zur Abschlussgebühr. Ein neu zugehender Bausparer hat bei Vertragsabschluss, also in zeitlichem Zusammenhang mit dem Eintritt in die Bauspargemeinschaft beziehungsweise mit dem Beginn der Sparphase die Abschlussgebühr aufzubringen, die oft uno actu mit der Unterschrift unter den Bausparantrag geleistet wird. Ist der betreffende Bausparvertrag eingelöst, das heißt die Abschlussgebühr voll bezahlt, zählt er zu den Bestandsverträgen. Bereits der rasche Übergang vom Neu- zum Bestandskunden sollte davor warnen, einschneidende Unterschiede zwischen der Bedeutung der Abschlussgebühr für Bestands- und Neukunden, verallgemeinert zwischen den Intentionen von Neu- und Altbausparern, zu vermuten.

Das Interesse von Neu- und Bestandskunden am Neugeschäft

Die Entscheidung des OLG Stuttgart vom 3. Dezember 2009 kreist in ihren Ausführungen unter II 3 b) bis d) um die Frage, in wessen Interesse es liege, dass der Neukunde eine Abschlussgebühr zu entrichten hat. Dort heißt es eingangs (mit vom Verfasser stammender Durchnummerierung der dann besser zitierbaren Sätze):

1 Anders als in einem (klassisch) genossenschaftlich organisierten Bausparverein auf Gegenseitigkeit kann bei einer (gesetzeskonform) gewerblichen, gewinnorientierten Bausparkasse schon schwerlich begründet werden, dass sie im Interesse des Bestandskunden versuche, neue Bausparverträge abzuschließen. 2 Sie versucht es zur Förderung ihres eigenen Unternehmens. 3Der Bestandskunde profitiert davon nur mittelbar.

Die Argumentation in den Sätzen 1 bis 3 irritiert den Kenner des innersten Gefüges von Bauspargemeinschaften insbesondere hinsichtlich des angeblichen Auseinanderklaffens der Interessen von Bausparern und Bausparkasse. In Wahrheit sind die Interessen völlig gleich gerichtet. Die Bausparkasse ist Organisator des Bausparkollektivs, das sie zu bilden und auf Dauer aufrecht zu erhalten hat. Das deutsche Bausparsystem ist für den ununterbrochenen Neuzugang von Bausparverträgen offen und auf dieses Neugeschäft auch angewiesen.

Wenn sich die Bausparkasse mithin um die Gewinnung von Neukunden bemüht, fördert sie natürlich ihr eigenes Geschäft, das im Übrigen nach dem im Bausparkassengesetz kodifizierten Spezialitätsprinzip hauptsächlich auf das Bauspargeschäft beschränkt ist; gleichzeitig und untrennbar erfüllt sie damit ihre Pflicht gegenüber der Bauspargemeinschaft, das Kollektiv weiterzuführen. Je erfolgreicher die Kasse dabei ist, um so besser ist es wiederum für beide Beteiligten: Die Bausparkasse kann Erträge aus einem größeren Vertragsbestand erwirtschaften, für die Bausparer können die Zuteilungsverhältnisse verbessert werden. Bei dieser Sachlage kann man die Interessen der Bausparerschaft und die der Bausparkasse nicht auseinanderdividieren, gegeneinander ausspielen oder gewichten.

In dem erwähnten Urteil ist gleich anschließend zu lesen:

4 Um so weniger liegt es im Interesse des Neukunden, dass er, der die Abschlussgebühr bezahlen soll, als Kunde gewonnen wird. 5 Aus seiner Sicht versucht die Bausparkasse durch diese Klausel, Aufwendungen für ihre eigenen Zwecke auf ihn abzuwälzen. 6 Auch dass durch ein gutes Neukundengeschäft die Zuteilung von Bausparverträgen tendenziell günstig beeinflusst wird, kommt neben der Bausparkasse, die damit werbend auftreten kann, den Bestandskunden zugute. 7 Dies ändert aber nichts daran, dass die dem Neukunden gegenüber entfaltete Werbe- und Beratungstätigkeit ein eigennütziges Verhalten der Bausparkasse ist.

Hier ist ernsthaft zu fragen, ob Satz 4 den Intentionen eines Neukunden gerecht wird. Auch wenn Bausparen ein Holgeschäft und kein Bringgeschäft ist, das Neugeschäft mithin akquiriert wird, so kommt ein Vertragsabschluss nur mit Zustimmung des Interessenten zustande. Damit bekundet er seinen Willen, der Bauspargemeinschaft beizutreten und die dafür erforderliche Abschlussgebühr aufzubringen. Wie das Gericht zu der Ansicht kommen kann, es liege nicht im Interesse des Neukunden, als Kunde gewonnen zu werden, ist rätselhaft.

Ebenso unverständlich ist die Bemerkung in Satz 7, dass die gegenüber dem Neukunden entfaltete Werbe- und Beratungstätigkeit (ausschließlich?) dem eigennützigen Verhalten der Bausparkasse zuzurechnen sei. Eine solche Behauptung hat mit der Bausparwirklichkeit wenig gemein. Ohne Werbung würden viele Interessenten gar nicht auf das Bausparen aufmerksam. Beratung ist bei den Besonderheiten des Bausparens unerlässlich. Werbung wie Beratung liegen somit sehr wohl im Interesse des Neukunden. Hier gilt das Gleiche wie im Verhältnis Bausparkasse zu Bestandskunde: Ein Interessengegensatz zwischen Bausparkasse und Neukunden existiert nicht.

Auch der weitere Satz im OLG-Urteil bedarf der Korrektur:

Selbst wenn man aus der vertragsimmanenten Systematik des Bausparens auf eine Nebenpflicht der Bausparkasse (vgl. BGHZ 146, 377, 382) schließen wollte, Neukundenwerbung zu betreiben, bestünde diese doch nur gegenüber Bestandskunden, nicht aber gegenüber dem mit der Abschlussgebühr belasteten Neukunden.

Zunächst kann nach dem Vorstehenden keineswegs von der Werbung um Neugeschäft als einer Nebenpflicht der Bausparkasse die Rede sein. Allein schon die Bezeichnungsweise Nebenpflicht erweckt die Besorgnis, dass die Bedeutung des Neugeschäfts im Bausparen, die dargelegt worden ist, verkannt wird.

Unnötige Unterscheidung

Bei dieser problematisierten Nebenpflicht unterscheidet das Gericht unverständlicherweise zwischen Bestands- und Neukunden. Dazu ist zu sagen, dass alle Bestandskunden auch einmal Neukunden und zur Zahlung einer Abschlussgebühr verpflichtet waren. Ein Neukunde wird mit der Einlösung seines Bausparvertrags, das heißt sobald er die Abschlussgebühr gezahlt hat, zum Bestandskunden. So gesehen hat die Unterscheidung etwas künstliches. Vor allem kann man nicht bestreiten, dass auch der Neukunde, der diese Eigenschaft bei voller Begleichung der Abschlussgebühr zu Vertragsbeginn sofort verliert, darauf baut, dass die Bausparkasse Neugeschäft erzielt. Die theoretische Differenzierung zwischen Bestands- und Neukunden besitzt somit keinen Erkenntniswert. Genau besehen sind die Interessen aller drei Partner, Bausparkasse, Bestandskunden und, wenn man sie nun einmal einer besonderen Betrachtung für wert hält, Neukunden völlig gleich gelagert.

Insbesondere sind die Interessen der "neuen" und der "alten" Bausparer völlig gleichgerichtet. Beide wünschen sich ein florierendes Bausparkollektiv, das keine langen Wartezeiten verlangen muss, sondern Zuteilungen zu niedrigen Zielbewertungszahlen aussprechen kann. Beide sind auch aufeinander angewiesen. Ein schrumpfender oder gar völlig ausbleibender Neuzugang führt unaufhebbar zu steigenden Zielbewertungszahlen mit hinausgeschobenen Zuteilungen und am Ende zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Bausparkasse zum Nachteil aller dann noch nicht zugeteilten Bausparer.

Nicht entscheidungsrelevant

Glücklicherweise waren die nicht überzeugenden Erwägungen des OLG Stuttgart zu der Interessenlage von Bausparkasse sowie Neu- und Bestandskunde hinsichtlich des Neugeschäfts und der Abschlussgebühr nicht entscheidungsrelevant. Ausschlaggebend waren vielmehr die Besonderheiten der Bauspargemeinschaft, die bei keinem anderen Spar- oder Kreditprodukt anzutreffen sind, ferner Äußerungen des Gesetzgebers zum Bausparen, aus denen die Anerkennung der Abschlussgebühr als fester Vertragsbestandteil des Bausparvertrages zu ersehen ist.

Gleichwohl sei betont, dass entgegen den Ausführungen in dem Stuttgarter OLG-Urteil ein Interessengegensatz weder zwischen Bausparkasse und Bauspargemeinschaft noch zwischen Neu- und Bestandskunden gegeben ist. Allen Teilnehmern am Bauspargeschäft ist gleichermaßen an einem ungestörten Neugeschäft gelegen, dessen Akquisition im Wesentlichen durch die Abschlussgebühr finanziert wird. Mittlerweile hat das OLG Hamm4) wie auch das LG Hamburg 5) zutreffend verdeutlicht, dass die Gewinnung von Neukunden jedenfalls auch, unter Umständen sogar "primär", im Interesse der Bauspargemeinschaft liegt.

Fußnoten

1) Laux, Hans, "Sind die Abschlussgebühren im Bausparen notwendig?", I&F 2008, S. 868 und "Die Behauptung, Abschlussgebühren seien unzulässig, ist falsch", I&F 2009 S. 544.

2) Urteil vom 3. Dezember 2009, 2 U 30/09; vergleiche auch I&F 2009, S. 832.

3) Wegen einer Beschreibung der bausparspezifischen Begriffe und Bezeichnungsweisen siehe Laux, Hans, "Die Bausparfinanzierung": "Die finanziellen Aspekte des Bausparvertrages als Spar- und Kreditinstrument", Verlag Recht und Wirtschaft, Frankfurt/M., 7. Auflage 2005, 236 Seiten.

4) Urteil vom 1. Februar 2010, I-31 U 130/09.

5) Urteil vom 22. Mai 2009, 324 O 777/08.

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