LEASING

Mitteilungspflicht für Steuergestaltungen (DAC 6)

Leasing wohl nur in Ausnahmefällen betroffen

Dr. Martin Vosseler, Foto: Illing & Vossbeck Fotografie

Seit Sommer dieses Jahres unterliegen grenzüberschreitenden Steuergestaltungen einer Mitteilungspflicht. Das soll Finanzämter dabei unterstützen, unerwünschte Steueraktivitäten möglichst frühzeitig zu identifizieren und entsprechend dagegenzuwirken. Fraglich ist, ob die Leasing-Branche ebenfalls dieser Pflicht unterliegt. Und wenn ja, unter welchen Bedingungen. Der Beitrag möchte die damit entstehenden Verunsicherungen auflösen. Dabei wird neben einigen grundlegenden Aspekten auch auf die entsprechenden Anwendungshinweise des Bundesministeriums für Finanzen eingegangen. (Red.)

Mit Wirkung zum 1. Juli 2020 ist eine Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen in Kraft getreten. Diese geht auf die EU-Richtlinie 2018/822 ("DAC 6")1) zurück, die in Deutschland durch die Einführung der neuen §§ 138d bis 138k Abgabenordnung (AO) umgesetzt wurde.

Laut Gesetzesbegründung verfolgt die Mitteilungspflicht das Ziel, den Finanzbehörden "Informationen über gesetzlich nicht vorgesehene Steuergestaltungen" bereitzustellen. Diese Informationen sollen "die Behörden in die Lage versetzen, zeitnah gegen schädliche Steuerpraktiken vorzugehen [und] ungewollte Gestaltungsspielräume durch Rechtsvorschriften oder durch geeignete Risikoabschätzungen und die Durchführung von Steuerprüfungen zu schließen".2)

Es liegt auf der Hand, dass es sich bei der langjährig etablierten Finanzierungsalternative Leasing selbstverständlich nicht um eine unerwünschte oder gar schädliche "Steuergestaltung" handelt. Mit Blick auf die Zielsetzungen des Gesetzes hätte also zunächst kein Anlass für die Leasing-Branche bestanden, sich um eventuelle Auswirkungen der Mitteilungspflicht zu sorgen. Gleichwohl gab es im Gesetzgebungsverfahren große Verunsicherung darüber, ob Leasing-Unternehmen nicht doch - und möglicherweise gegen die Intention des Gesetzgebers - mit Teilen ihres Standardgeschäfts in erheblichem Umfang von der Mitteilungspflicht erfasst werden könnten. Der Bundesverband Deutscher Leasing-Unternehmen e. V. (BDL) hat sich deshalb intensiv in das Verfahren eingebracht, um eine zu weitgreifende Anwendung und davon ausgehende ungerechtfertigte Belastungen für die Leasing-Branche zu verhindern.

Hohe Rechtsunsicherheit

Die Ursachen der Verunsicherung liegen im Wesentlichen in dem hohen Abstraktionsniveau und der Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe, die sowohl die besagte EU-Richtlinie als auch das deutsche Umsetzungsgesetz aufweisen. Der Gesetzgeber stand vor der Schwierigkeit, potenziell "schädliche" Steuergestaltungen, von denen er bisher keine Kenntnis hat und die unter Umständen noch gar nicht existieren, für Zwecke der Mitteilungspflicht inhaltlich abstrakt abzugrenzen. Es liegt in der Natur der Sache, dass entsprechende Rechtsvorschriften erheblichen Auslegungsbedarf und breite Interpretationsspielräume mit sich bringen. Sie sind deshalb für den Rechtsanwender mit einem hohen Maß an Unsicherheit verbunden. Erschwerend kommt hinzu, dass Verstöße gegen die Mitteilungspflicht gemäß § 379 Absatz 2 und 7 AO als Ordnungswidrigkeiten mit Bußgeldern von bis zu 25 000 Euro belegt werden können.

Auch jetzt, nachdem die Mitteilungspflicht bereits seit einigen Monaten gilt, ist die Rechtsunsicherheit der potenziell Meldepflichtigen noch nicht beseitigt. Ein umfangreiches Schreiben des Bundesfinanzministeriums (BMF), in dem zu Anwendungs- und Auslegungsfragen Stellung genommen wird, wurde bisher nur als Entwurf mit Stand vom 14. Juli 2020 auf der Homepage des Bundeszentralamtes für Steuern (BZSt) veröffentlicht.3) Dem Vernehmen nach scheiterte die endgültige Verabschiedung des Schreibens bisher an Meinungsverschiedenheiten zwischen den obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder über eine Verschiebung des verbindlichen Erstanwendungszeitpunkts der Mitteilungspflicht. Zur Vermeidung einer übermäßigen Belastung der coronageschädigten Unternehmen wurde auf EU-Ebene eigens die rechtliche Möglichkeit für einen Anwendungsaufschub um bis zu sechs Monate eröffnet. Auch der deutsche Gesetzgeber hatte bereits die Voraussetzungen für eine entsprechende Umsetzung per BMF-Schreiben geschaffen. Völlig überraschend und entgegen früheren Signalen hat der Bundesfinanzminister dann jedoch unter dem Protest zahlreicher Ländervertreter gegen einen Aufschub entschieden.

Derzeit kann also nur auf der Grundlage des besagten Entwurfs - und demnach von vornherein ohne Obligo - der Versuch unternommen werden, eine mögliche Betroffenheit des Standardgeschäfts der Leasing-Unternehmen von der Mitteilungspflicht zu beurteilen. Wie die nachfolgenden Betrachtungen zeigen, spricht jedoch vieles dafür, dass am Ende nur bei einer relativ geringen Zahl von grenzüberschreitenden Transaktionen unter bestimmten Umständen Handlungsbedarf besteht.

Wann liegt eine Steuergestaltung vor?

Die Grundproblematik von DAC 6 zeigt sich schon beim Begriff der Steuergestaltung. Dieser wird im Gesetz selbst nicht definiert, jedoch in der Gesetzesbegründung sehr weit ausgelegt. Eine Steuergestaltung ist demnach ein "Schaffensprozess, bei dem durch den Nutzer oder für den Nutzer eine bestimmte Struktur, ein bestimmter Prozess oder eine bestimmte Situation bewusst und aktiv herbeigeführt oder verändert wird und diese Struktur, dieser Prozess oder diese Situation dadurch eine steuerrechtliche Bedeutung bekommt, die ansonsten nicht eintreten würde".4) Exemplarisch nennt die Gesetzesbegründung unter anderem "die Schaffung, die Zuordnung, den Erwerb oder die Übertragung von Einkünften oder deren Quellen auf einen bestehenden Rechtsträger".5)

Nach dieser Definition wäre wohl jedes Leasing-Geschäft als Steuergestaltung anzusehen. Denn es findet eine "Zuordnung" von Einkunftsquellen statt, in diesem Fall in Gestalt der verleasten Investitionsgüter. Dasselbe gilt aber beispielsweise auch für alle Kaufgeschäfte oder für die bloße Anmietung eines Wirtschaftsguts. Es fällt schwer, überhaupt Geschäftsvorfälle zu finden, die nicht von dieser Definition erfasst würden. Nach Auffassung des Autors grenzt dieses Verständnis des Begriffs "Steuergestaltung" den potenziellen Anwendungskreis der Mitteilungspflicht viel zu undifferenziert und ausufernd ab, sodass die Definition für die Praxis unbrauchbar erscheint. Es kann nicht Sinn der Sache sein, praktisch bei jedem Rechtsgeschäft die Möglichkeit einer potenziell unerwünschten Steuergestaltung zu unterstellen, sodass in eine vertiefende Prüfung der weiteren Voraussetzungen für eine eventuelle Mitteilungspflicht eingestiegen werden muss.

Wann Mitteilungspflicht?

Um aus der Vielzahl der so definierten Steuergestaltungen diejenigen herauszufiltern, für die das Gesetz eine Mitteilungspflicht vorsieht, sind zwei weitere Voraussetzungen zu prüfen: Zum einen müssen bestimmte Kennzeichen erfüllt sein, zum anderen muss ein grenzüberschreitender Bezug bestehen.

Die besagten Kennzeichen ergeben sich aus § 138e AO. In Absatz 1 dieser Vorschrift sind die so genannten bedingten Merkmale aufgeführt. Sie lösen nur dann eine Mitteilungspflicht aus, wenn ein nachgeschalteter Relevanztest indiziert, dass die Erlangung eines steuerlichen Vorteils zu den Hauptvorteilen der gewählten Gestaltung gehört (dazu später mehr). Für die in Absatz 2 genannten unbedingten Merkmale ist ein solcher Relevanztest nicht vorgesehen. Sie führen bei grenzüberschreitendem Bezug ohne weitere Voraussetzungen stets zur Mitteilungspflicht.

Während des Gesetzgebungsverfahrens haben sich drei Kennzeichen herauskristallisiert, die aus Sicht des Leasings einer näheren Betrachtung bedürfen. Davon gehören zwei zu den bedingten, zusätzlich dem Relevanztest unterliegenden Merkmalen: Das Kennzeichen der standardisierten Dokumentation oder Struktur (§ 138e Absatz 1 Nummer 2 AO) und das Kennzeichen der zirkulären Vermögensverschiebung (§ 138e Absatz 1 Nummer 3 Buchstabe c AO). Als unbedingtes Merkmal ohne nachgeschalteten Relevanztest kommt das Kennzeichen der Inanspruchnahme von Absetzung für Abnutzung (AfA) in mehr als einem Steuerhoheitsgebiet (§ 138e Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe b Doppelbuchstabe aa AO) in Betracht. Daneben existiert noch eine Vielzahl weiterer Kennzeichen in § 138e AO, bei denen jedoch bislang keine besondere Relevanz für das Leasing zu erkennen ist.

Laut Gesetzesbegründung zu § 138e Absatz 1 Nummer 2 AO sind unter dem Begriff der standardisierten Dokumentation Vertragswerke oder sonstige mandatsbezogene Dokumente zu verstehen, die ohne wesentliche Anpassungen an den Einzelfall für die Nutzer musterartig vorbereitet sind.6) Unter dem Eindruck der ausufernden Definition der Steuergestaltung hatte dies im Gesetzgebungsverfahren zu der Besorgnis geführt, dass bereits der im Leasing-Mengengeschäft übliche Einsatz von Formularverträgen Anlass zur Annahme einer schädlichen standardisierten Dokumentation geben könnte.

Standardisierte Dokumentation oder Struktur

Im Lichte der Ausführungen des BMF-Entwurfs kann diesbezüglich Entwarnung gegeben werden. Denn dort wird klargestellt, dass es entscheidend auf den steuerlichen Bezug der standardisierten Dokumentationen ankommt. Werden nur außersteuerliche Zwecke verfolgt, so ist das Kennzeichen nicht erfüllt. Als unschädliche außersteuerliche Dokumentationen werden exemplarisch Emissionsbedingungen und Verkaufsprospekte für Finanzinstrumente genannt, in denen die zivilrechtlichen Rechte und Pflichten der Parteien geregelt oder Chancen und Risiken dargestellt werden.7) Für formularmäßige Leasing-Verträge dürfte dies im Ergebnis demnach erst recht gelten.

Für weitere Klarheit sorgt eine Liste von "Standardvorgängen der Rechts- und Steuerberatung" in Randziffer 130 des BMF-Entwurfs, bei deren isolierter Verwendung regelmäßig nicht von einem schädlichen steuerlichen Bezug auszugehen ist. In diese Liste wurden - einem Petitum des BDL folgend - auch "formularmäßige Standardleasing-Verträge (zum Beispiel Finanzierungsleasing-Verträge über Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens)" sowie "die Vornahme der sonstigen in § 1 Absatz 1, 1a und 3 des Kreditwesengesetzes (KWG) genannten Geschäfte, Dienstleistungen und Tätigkeiten" aufgenommen, die demnach regelmäßig unschädlich sind.8) Eine andere Beurteilung kann geboten sein, wenn zu den besagten Vorgängen weitere (Teil-)Schritte hinzutreten und sich in einer zusammenhängenden Betrachtung ein steuerlicher Bezug des Standardvorgangs ergibt.9)

Zirkuläre Vermögensverschiebung

Die Gesetzesbegründung zu § 138e Absatz 1 Nummer 3 Buchstabe c AO setzt für potenziell mitteilungspflichtige zirkuläre Vermögensverschiebungen voraus, dass mindestens zwei Transaktionen vorliegen und dass das betroffene Vermögen nach Abschluss der Transaktionen wertmäßig wieder zum ursprünglichen Steuerpflichtigen zurückgelangt. Wesentlich ist dabei, dass die Transaktionen einem planmäßigen Ablauf folgen.10) Weiter heißt es in der Gesetzesbegründung, "dass sämtliche Gestaltungen, bei denen durch das planmäßige Ineinandergreifen der einzelnen Transaktionen tatsächlich keine Unsicherheit darüber besteht, ob und zu welchem risikogewichteten Wert das verschobene Wirtschaftsgut (oder ein wertidentisches Surrogat) wieder zum Veräußerer zurückkehrt, als zirkulär angesehen werden müssen, denn in diesem Fall wird das betroffene Vermögen nach Abschluss der Transaktionen wertmäßig beziehungsweise ohne Änderungen der Zugriffsmöglichkeiten wieder zum ursprünglichen Steuerpflichtigen zurückgelangen".11)

Angesichts dieses Begriffsverständnisses hatte es überrascht, dass in einer früheren Fassung des BMF-Entwurfs mit Stand vom 2. März 2020 ausgerechnet "Sale-und-Lease-Back" explizit als eine Transaktion bezeichnet wurde, die grundsätzlich die Voraussetzungen für eine zirkuläre Vermögensverschiebung erfüllt. Bei den nach gebräuchlicher Leasing-Nomenklatur als Sale-and-lease-back bezeichneten Transaktionen wird bekanntlich im Zuge des Sales neben dem zivilrechtlichen auch das wirtschaftliche Eigentum auf den Leasing-Geber übertragen, sodass ihm das Leasing-Objekt nach § 39 AO zuzurechnen ist.

Dies setzt wiederum voraus, dass die Frage einer späteren Rückübertragung auf den Kunden zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gerade im Ungewissen bleibt. Denn wenn keine Unsicherheit darüber bestünde, dass das Leasing-Objekt wieder zum Kunden zurückgelangt, könnte der Kunde den Leasing-Geber als zivilrechtlichen Eigentümer "für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen", sodass es ihm - dem Kunden - zuzurechnen wäre (§ 39 Absatz 2 Ziffer 1 AO). Nachdem der BDL in seiner Stellungnahme zu dem Entwurf vom 2. März 2020 auf diesen inhaltlichen Widerspruch hingewiesen hatte, wurde jegliche Bezugnahme auf Sale-and-lease-back aus den BMF-Erläuterungen zu zirkulären Vermögensverschiebungen gestrichen.

Im Lichte der vorstehenden Überlegungen könnte man zu der Einschätzung gelangen, dass Sale-and-Mietkauf-back-Geschäfte - anders als Sale-and-lease-back-Transaktionen - die inhaltlichen Merkmale einer zirkulären Vermögensverschiebung erfüllen. Denn hier erfolgt im Zuge des Sales kein Übergang des wirtschaftlichen Eigentums auf den Erwerber und es besteht aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen von vornherein die Gewissheit, dass auch das zivilrechtliche Eigentum an dem Mietkaufgegenstand bei planmäßigem Verlauf am Ende wieder zum Kunden gelangt. Gegen diese Beurteilung ließe sich jedoch einwenden, dass Sale-and-Mietkauf-back Ähnlichkeiten zu einer Darlehensgewährung aufweist, bei der gemäß Randziffer 130 des BMF-Entwurfs regelmäßig nicht von einem "steuerlichen Bezug" auszugehen ist. Wenngleich sich Randziffer 130 unmittelbar nur auf das Merkmal der standardisierten Dokumentation und Struktur bezieht, spricht doch einiges dafür, vergleichbare Maßstäbe auch beim Merkmal der zirkulären Vermögensverschiebung anzulegen.

Selbst wenn man die inhaltlichen Merkmale als gegeben ansehen würde, wäre das Kennzeichen der zirkulären Vermögensverschiebung nur dann tatsächlich erfüllt, wenn auch der bereits erwähnte Relevanztest positiv ausfällt. Dass dies nicht der Fall ist, zeigen die folgenden Betrachtungen.

Relevanztest

Bei dem sämtlichen bedingten Kennzeichen des § 138e Absatz 1 AO nachgeschalteten Relevanztest wird die Steuergestaltung daraufhin überprüft, ob "ein verständiger Dritter unter Berücksichtigung aller wesentlichen Fakten und Umstände vernünftigerweise erwarten kann, dass der Hauptvorteil oder einer der Hauptvorteile die Erlangung eines steuerlichen Vorteils" ist (§ 138d Absatz 2 Nummer 3 Buchstabe a AO). Nur wenn dem so ist, sind die entsprechenden Kennzeichen erfüllt.

Ein steuerlicher Vorteil liegt gemäß der gesetzlichen Definition in § 138d Absatz 3 Satz 1 AO vor, wenn durch die Steuergestaltung Steuern erstattet, Steuervergütungen gewährt oder erhöht, Steueransprüche entfallen oder verringert sowie die Entstehung von Steueransprüchen verhindert, in andere Besteuerungszeiträume oder auf andere Besteuerungszeitpunkte verschoben werden soll.

Zur Frage der Einwertung präzisiert der BMF-Entwurf, dass die Nachrangigkeit eines steuerlichen Vorteils dadurch hinreichend dokumentiert werden kann, dass derart überwiegende außersteuerliche (insbesondere wirtschaftliche) Gründe für die konkrete Strukturierung einer Transaktion dargelegt werden, durch die der steuerliche Vorteil in den Hintergrund rückt. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Steuervorteil nur ein Reflex oder eine Randerscheinung ist.12)

Gemessen an diesen Kriterien dürfte ein gegebenenfalls durchzuführender Relevanztest bei herkömmlichen Leasing-Verträgen des Mengengeschäfts, bei Sale-and-lease-back- und auch bei Sale-and-Mietkauf-back-Geschäften stets zu dem Ergebnis führen, dass ein eventueller steuerlicher Vorteil nicht zu den Hauptvorteilen gehört. Denn diese Geschäfte erfüllen sämtlich den aufsichtsrechtlichen Kriterienkatalog des Finanzierungsleasings entsprechend § 1 Absatz 1a Satz 2 Nummer 10 KWG.13) Folglich steht bei ihnen definitionsgemäß die Finanzierungsfunktion im Vordergrund.14) Neben diesem dominierenden außersteuerlich-wirtschaftlichen Grund für die Transaktion treten eventuelle steuerliche Aspekte klar in den Hintergrund. Diesen Befund bestätigen auch Marktstudien, die von dem renommierten Marktforschungsinstitut Kantar (vormals TNS Infratest) im Auftrag des BDL in regelmäßigen Abständen durchgeführt werden. Dort rangiert das Motiv "Leasing ist steuerlich vorteilhaft" spätestens seit der Unternehmenssteuerreform 2008 nicht mehr unter den Top 5 der von Kundenseite genannten Beweggründe für den Abschluss von Leasing-Verträgen.15)

Als Zwischenfazit kann an dieser Stelle festgehalten werden, dass herkömmliche Leasing-Verträge des Mengengeschäfts die hier betrachteten bedingten Kennzeichen des § 138e Absatz 1 AO in aller Regel nicht erfüllen dürften. Dies betrifft auch Lease- und Mietkauf-back-Geschäfte. In den meisten Fällen sind bereits die inhaltlichen Merkmale nicht gegeben. Sofern dies ausnahmsweise doch der Fall sein sollte, wird der obligatorische Relevanztest zu einem negativen Ergebnis führen. Denn steuerliche Motive zählen nicht zu den Hauptvorteilen.

Mehrfache AfA

Aus dem Katalog der unbedingten Kennzeichen, bei denen kein Relevanztest nachgeschaltet ist, wurde bereits im Gesetzgebungsverfahren das Merkmal der AfA-Inanspruchnahme in mehr als einem Steuerhoheitsgebiet gemäß § 138e Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe b Doppelbuchstabe aa AO als kritisch identifiziert. Hier nennt die Gesetzesbegründung als Musterbeispiel den Fall eines grenzüberschreitenden Flugzeug-Leasings, bei dem beiden Parteien das Flugzeug von ihrem jeweiligen Ansässigkeitsstaat aufgrund der nationalen Regelungen bilanziell zugerechnet wird.16) Angesichts dessen dürfte bei Cross-Border-Leases wenig Argumentationsspielraum bestehen, falls es zu den beschriebenen Qualifikationskonflikten kommt. Da jedoch deutsche Leasing-Gesellschaften ihr Auslandsgeschäft bevorzugt als Domestic-Leases über verbundene Unternehmen im Zielland realisieren, sind Cross-Border-Leases - zumal solche mit Qualifikationskonflikten - wohl nur selten anzutreffen. Die zahlenmäßige Betroffenheit von diesem Kennzeichen dürfte demnach gering sein.

Gleichwohl wäre es wünschenswert gewesen, wenn der (EU-)Gesetzgeber hier etwas differenzierter vorgegangen wäre, indem er beispielsweise auch für dieses Kennzeichen einen Relevanztest oder eine Bagatellgrenze vorgesehen hätte. Häufig tritt trotz der doppelten AfA-Inanspruchnahme kein nennenswerter Steuervorteil auf und wird erst recht nicht im Sinne eines Hauptvorteils von den Vertragsparteien angestrebt. Denn in der Regel wird im Gegenzug zur AfA-Berechtigung des Leasing-Nehmers die steuerliche Abzugsfähigkeit der Leasing-Raten auf den Zinsanteil beschränkt. In der Summe wird daher annähernd genau so viel Aufwand verrechnet wie im herkömmlichen Fall ohne Qualifikationskonflikt. Dies gilt umso mehr bei vergleichsweise geringen Objekt- und Vertragswerten im Standard- und Mengengeschäft.

Grenzüberschreitender Bezug

Selbst wenn die Kennzeichen des § 138e AO erfüllt werden, kommt es nur dann zu einer Mitteilungspflicht, wenn zusätzlich ein grenzüberschreitender Bezug besteht. Die Beurteilung erfolgt nach den Kriterien des § 138d Absatz 2 Ziffer 2 AO, die im Wesentlichen auf die Ansässigkeit beziehungsweise die Entfaltung von Geschäftstätigkeiten der an der Gestaltung Beteiligten in mehr als einem Steuerhoheitsgebiet abstellen. Als Beteiligte kommen der "Nutzer", der "Intermediär" und "andere Beteiligte" in Betracht.17)

Im Fall der erwähnten Leasing-Verträge mit AfA-Inanspruchnahme in mehreren Steuerhoheitsgebieten dürfte regelmäßig von einem grenzüberschreitenden Bezug auszugehen sein. Denn zwei Beteiligte - der Leasing-Geber und der Leasing-Nehmer - sind in unterschiedlichen Steuerhoheitsgebieten ansässig (§138d Absatz 2 Ziffer 2 Buchstabe a AO). Der Leasing-Nehmer wird wohl als Nutzer anzusehen sein, weil ihm die betreffende Gestaltung bereitgestellt wird beziehungsweise er diese umsetzt (§ 138d Absatz 5 AO). Unklar ist hingegen die Einordnung des Leasing-Gebers, für den in diesen Fällen ein Status als Intermediär oder als anderer Beteiligter in Betracht kommen könnte.

Nach der gesetzlichen Definition des § 138d Absatz 1 AO ist Intermediär, wer eine grenzüberschreitende Steuergestaltung vermarktet, für Dritte konzipiert, organisiert oder zur Nutzung bereitstellt oder ihre Umsetzung durch Dritte verwaltet. Der BMF-Entwurf präzisiert indes, dass nicht Intermediär ist, "wem die steuerliche Bedeutung des Schaffensprozesses nicht bewusst ist".18) Gleiches soll grundsätzlich gelten, wenn lediglich an der Verwirklichung einzelner Teilschritte einer grenzüberschreitenden Steuergestaltung mitgewirkt wird. Exemplarisch nennt der BMF-Entwurf hier die Vergabe eines Darlehens als Teilschritt einer grenzüberschreitenden Steuergestaltung durch ein Kreditinstitut, das in die Vermarktung, Konzeption, Organisation oder Verwaltung der Umsetzung weiterer Teilschritte der Steuergestaltung nicht eingebunden ist. Allein durch die Darlehensvergabe wird das Kreditinstitut demnach nicht zum Intermediär, sondern hat den Status eines anderen an der Steuergestaltung Beteiligten.19)

Nach Ansicht des Autors ist der bloße Abschluss eines grenzüberschreitenden Leasing-Vertrages mit dem vorstehenden Darlehens-Beispiel des BMF-Entwurfs durchaus vergleichbar. Deshalb spricht einiges dafür, dass der Leasing-Geber dadurch nicht ohne Weiteres zum Intermediär wird. Der Leasing-Geber hat oft gar keine Kenntnis von der steuerlichen Behandlung im Zielland, sodass ihm insoweit die steuerliche Bedeutung des Schaffensprozesses nicht bewusst ist. Insofern dürfte allenfalls von einem Status als anderer an der Gestaltung Beteiligter auszugehen sein. Als solchen qualifiziert der BMF-Entwurf insbesondere Geschäfts- oder Vertragspartner des Nutzers, wenn sie in die jeweilige Steuergestaltung aktiv eingebunden sind. Neben Darlehensgeber und -nehmer werden unter anderem Leasing-Geber und -Nehmer explizit als Beispiele für andere an der Gestaltung Beteiligte genannt.20)

Wer muss gegebenenfalls melden?

Neben der Prüfung eines möglichen Auslandsbezugs hat der Status eventueller Beteiligter an einer Steuergestaltung auch maßgeblichen Einfluss darauf, wen eine gegebenenfalls bestehende Mitteilungspflicht unmittelbar trifft. Eine besondere Rolle kommt hier dem Intermediär als vorrangig Mitteilungspflichtigem zu (§ 138d Absatz 1 AO).

Angenommen, es liegt eine grenzüberschreitende Steuergestaltung in Form eines aus Deutschland heraus erfolgenden Cross-Border-Leasings mit AfA-Inanspruchnahme in mehreren Steuerhoheitsgebieten vor. Würde man in diesem Fall den inländischen Leasing-Geber entgegen den vorstehenden Überlegungen als Intermediär einstufen, so wäre vorrangig er zur Mitteilung an das BZSt verpflichtet. Kommt man hingegen zu dem hier vertretenen Ergebnis, dass der Leasing-Geber als anderer Beteiligter anzusehen ist, und existiert auch sonst niemand, der die Intermediärsdefinition erfüllt, liegt die Mitteilungspflicht beim Nutzer. Sie ist dann in dessen Ansässigkeitsstaat nach dem dort geltenden Recht zu erfüllen.21)

Für gewöhnlich keine Mitteilungspflicht

Die vorstehende Analyse auf der Grundlage des BMF-Entwurfs vom 14. Juli 2020 zeigt, dass das Standardgeschäft von Leasing-Unternehmen wohl nur in vergleichsweise wenigen Ausnahmefällen von der Mitteilungspflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen betroffen sein dürfte. Nach dieser vorläufigen Einschätzung scheint der während des gesamten Entstehungsprozesses geführte konstruktive Dialog des BDL mit Politik und Verwaltung zu einem weitgehend sachgerechten Ergebnis geführt zu haben.

Dies setzt jedoch zunächst eine Bestätigung der hier vertretenen Auffassung in der Anwendungspraxis voraus, wonach die bedingten Kennzeichen des § 138e Absatz 1 AO im Standard-Leasing wegen Nichterfüllung der inhaltlichen Merkmale oder wegen eines negativen Relevanztests sämtlich nicht erfüllt sind. Auch muss sich erst noch zeigen, ob das in seiner Struktur ausgesprochen unübersichtliche und extrem auslegungsbedürftige Gesetz nicht womöglich an anderer Stelle Fallstricke enthält, die in den Analysen des BDL und anderer Experten bislang verborgen geblieben sind.

Als Wermutstropfen bleibt jedenfalls die leider zu undifferenziert ausgestaltete Regelung zur AfA-Inanspruchnahme in mehr als einem Steuerhoheitsgebiet. Sie kann in Leasing-Fällen zu einer Mitteilungspflicht führen, selbst wenn mit der betreffenden Transaktion kein Steuervorteil erzielt, geschweige denn im Sinne eines Hauptvorteils angestrebt wird. Folgt man der hier vertretenen Auffassung, so wäre der Leasing-Geber in diesen Fällen jedoch regelmäßig nicht als Intermediär anzusehen. Eine eventuelle Mitteilungspflicht geht somit auf den Nutzer über.

Fußnoten

1) Richtlinie (EU) 2018/822 des Rates vom 25.5.2018 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/ EU bzgl. des verpflichtenden automatischen Informationsaustauschs im Bereich der Besteuerung über meldepflichtige grenzüberschreitende Gestaltungen, ABlEU L 139 vom 5.6.2018, S. 1.

2) Vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drs. 19/14685, S. 21.

3) https://www.bzst.de/SharedDocs/Downloads/DE/Steuergestaltung/dac6_entwurf_bmf_schreiben.pdf?__blob=publicationFile&v=2. Zitiert als "Entwurf BMF-Schreiben mit Stand vom 14.7.2020" bzw. "BMF-Entwurf". Das BZSt betont, dass der Entwurf noch nicht final abgestimmt sei, man jedoch im Hinblick auf die Auslegung der §§ 138d ff. AO entsprechend dem darin zum Ausdruck kommenden Diskussionsstand verfahren werde.

4) Gesetzesbegründung zu § 138d AO, BT-Drs. 19/14685, S. 28.

5) s.o.

6) Vgl. Gesetzesbegründung zu § 138e AO, BT-Drs. 19/14685, S. 32.

7) Vgl. Entwurf BMF-Schreiben mit Stand vom 14.7.2020, Rz. 127.

8) Vgl. Entwurf BMF-Schreiben mit Stand vom 14.7.2020, Rz. 130.

9) Vgl. Entwurf BMF-Schreiben mit Stand vom 14.7.2020, Rz. 131.

10) Vgl. Gesetzesbegründung zu § 138e AO, BT-Drs. 19/14685, S. 35.

11) Gesetzesbegründung zu § 138e AO, BT-Drs. 19/14685, S. 35.

12) Entwurf BMF-Schreiben mit Stand vom 14.7.2020, Rz. 108.

13) Vgl. BaFin-Merkblatt Finanzierungsleasing vom 19.1.2009.

14) Vgl. Gesetzesbegründung zu § 1 Abs. 1a S. 2 KWG, BT-Drs. 16/11108, S. 54 f.

15) Vgl. zuletzt Kantar, Marktstudie Leasing in Deutschland 2020, S. 34f.

16) Vgl. Gesetzesbegründung zu § 138e AO, BT-Drs. 19/14685, S. 37.

17) Vgl. Entwurf BMF-Schreiben mit Stand vom 14.7.2020, Rz. 11.

18) Entwurf BMF-Schreiben mit Stand vom 14.7.2020, Rz. 48.

19) Vgl. Entwurf BMF-Schreiben mit Stand vom 14.7.2020, Rz. 62.

20) Vgl. Entwurf BMF-Schreiben mit Stand vom 14.7.2020, Rz. 19.

21) Vgl. Entwurf BMF-Schreiben mit Stand vom 14.7.2020, Rz. 46 f., sowie bezüglich einer Mitteilungspflicht des Nutzers Rz. 85 ff.

DR. MARTIN VOSSELER ist seit 2010 Geschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Leasing-Unternehmen e.V., Berlin. Er arbeitet seit 20 Jahren für den Verband, zunächst als Referatsleiter Bilanzierung und Steuern.
Dr. Martin Vosseler , Geschäftsführer, Bundesverbandes Deutscher Leasing-Unternehmen e.V., Berlin
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