Die am 28. Juni 2023 von der EU-Kommission vorgelegten Legislativvorschläge zum Zahlungsverkehr, Entwürfe einer dritten Zahlungsdiensterichtlinie (PSD3-E) und einer neuen EU-Zahlungsdiensteverordnung (Payment Services Regulation – PSR), erregen weiter die Gemüter.
Bereits im Oktober 2023 hatte die DK ihre Stellungnahme vorgelegt und dabei weiter reichende Vorgaben in Bezug auf Haftung kritisiert, die über die generelle Abwicklung von Zahlungen hinausgehen, darunter die Haftung der Zahlerbank für aufgrund betrügerischer Manipulation des Zahlers („Social Engineering“) autorisierte Zahlungen nach Art. 59 PSR-E. Damit würde ein allein in der Sphäre des Zahlers liegendes Risiko auf sein Kreditinstitut verlagert. Kreditinstitute würden damit verpflichtet, unbegrenzte Haftungsrisiken außerhalb ihrer Sphäre zu tragen. Im März 2024 haben sich nun auch Händlerverbände und -Dienstleister mit einer gemeinsamen Erklärung zu Wort gemeldet. Ihnen geht es um die in der PSR vorgesehenen gestärkten Erstattungsrechte für händlerinitiierte Transaktionen (Merchant-Initiated Transactions, kurz MITs) durch die Ausweitung des bedingungslosen Erstattungsrechts nach Artikel 62 Absatz 1 von Lastschriften auf alle MIT-Transaktionen. Im Wesentlichen bedeutet dies, dass die Zahler innerhalb von acht Wochen nach einer Transaktion von den Zahlungsdienstleistern eine bedingungslose Rückerstattung verlangen können.
Unerwünschte Nebenwirkungen
Hier bitten die insgesamt 12 unterzeichnenden Vereinigungen, darunter Euro Commerce, E-Commerce Europe, die European Association of Payment Service Providers for Merchants (EPSM) und die European Fintech Association, die Regulatoren, die Abschaffung dieser Verpflichtung zu bedingungslosen Erstattungsrechten bei händlerinitiierten Transaktionen, mit Ausnahme von Lastschriften, in Betracht zu ziehen. Mit den laufenden Verhandlungen zwischen den Mitgliedstaaten und dem EU-Parlament wollen sie die Aufmerksamkeit der Politik auf die unbeabsichtigten Folgen einer solchen Regelung richten.
Zum einen verweisen sie auf die Unterschiede zwischen händlerinitiierten Zahlungen und Lastschriften, die es rechtfertigen, beide Transaktionstypen auch weiterhin nicht über einen Kamm zu scheren. Während Lastschriften in der Regel für die Bezahlung grundlegender Dienstleistungen verwendet werden, gibt es bei den händlerinitiierten Transaktionen, über die bereits rund 30 Prozent aller E-Commerce-Transaktionen abgewickelt werden, eine Vielzahl von Anwendungsfällen. Dabei und gemäß den EBA-Anforderungen erfolgt die starke Kundenauthentifizierung bei der Einrichtung des Mandats, die Zahlungen werden später eingezogen.
Anfällig für „Friendly Fraud“
Die meisten traditionellen Anwendungsfälle beziehen sich auf das Gastgewerbe, einschließlich Autovermietungen. MIT-Funktionen werden etwa regelmäßig eingesetzt, um die Abrechnung mit den Anbietern zu ermöglichen und die Auswirkungen von „No-Shows" abzumildern, wenn Kunden Reservierungen nicht rechtzeitig storniert haben. Am zweithäufigsten sind wiederkehrende Transaktionen, vor allem von Abonnementdiensten wie Streaming. Bei der Heimlieferungsoption von Lebensmittelgeschäften wird an der Kasse eine SCA durchgeführt, um die Karte zu validieren; die Zahlung wird jedoch erst ausgelöst, wenn die Bestellung ausgeführt wurde. Andere Anwendungsfälle sind der Online-Handel und Prepaid-Wallets, bei denen automatisch neues Guthaben aufgeladen wird, sobald ein Schwellenwert erreicht ist.
Aufgrund dieser Einsatzgebiete sind MITs naturgemäß anfälliger für sogenannten „Friendly Fraud“ als Lastschriften. Die Einführung eines achtwöchigen bedingungslosen Rückerstattungsrechts hat zumindest das Zeug dazu, Betrüger dazu zu veranlassen, systematisch Gelder für bereits verbrauchte digitale Waren und Dienstleistungen anzufordern. Doch auch echte Kunden könnten versucht sein, sich die ordentliche Kündigung eines Vertrags zu sparen oder sich bei Streitigkeiten nicht direkt an die Händler zu wenden, sondern stattdessen eine Rückerstattung zu verlangen. Tendenzen dazu werden bereits bei Lastschriften beobachtet. Bei einer Ausweitung des Erstattungsrechts auf händlerinitiierte Zahlungen dürfte sich dergleichen aber vervielfachen.
Konkret kann das dazu führen, dass Betrüger gleichzeitig eine Rückbuchung bei ihrer Bank und eine Rückerstattung beim Händler beantragen. In Anbetracht der verzögerten Abwicklungszeiten kann eine abgelehnte Transaktion vom Händler jedoch erst bemerkt werden, wenn die Erstattung bereits erfolgt ist. Dann hätten die Händler die operative und finanzielle Belastung durch zusätzliche Rückbuchungen zu tragen.
Wohlgemerkt, es geht den Verbänden nicht darum, Rückbuchungen restlos auszuschließen. Schon im Rahmen der PSD2 haben Verbraucher Möglichkeiten, MIT-Transaktionen, mit denen sie nicht einverstanden sind, anzufechten, einschließlich eines 8-wöchigen bedingten Rückerstattungsrechts. Diese Regelungen werden gar nicht beanstandet. Doch es geht zu Recht darum, dem Missbrauch keinen Vorschub zu leisten.