PAYMENT-DIENSTLEISTER

"Auf lange Sicht wäre Payone allein massiv unter Druck geraten" / Interview mit Niklaus Santschi

Niklaus Santschi, Foto: Payone

Die Abkehr vieler Verbraucher vom Bargeld hat in der Pandemie nur einen Teil der Umsatzausfälle bei Payone kompensiert. Dennoch kann Niklaus Santschi den Pandemie-Effekten etwas Positives abgewinnen. Denn Corona habe sich als Booster für das Omnichannel-Payment erwiesen. Exakt beziffern lassen sich diese Effekte jedoch nicht - auch deshalb, weil sie mit dem Umbau und der Integration in den Worldline-Konzern zusammenfielen. Abgeschlossen ist sie noch nicht, vor allem die Zusammenführung der IT-Systeme wird wohl noch zwei Jahre dauern. Schon heute kann Niklaus Santschi jedoch sagen: Aus der strategischen Perspektive ist es eine sehr gute Partnerschaft. Red.

Wie haben Sie bei Payone die Corona-Pandemie bisher erlebt?

2020 wurden wir durch den Konzern schon ganz früh mit dem Thema konfrontiert. Weil unser damaliger Shareholder Ingenico eine große Terminalproduktion in China hat, war Corona seinerzeit schon im Januar ein sehr großes Thema im Konzern. Deshalb haben wir bereits im Februar damit begonnen, uns darauf einzustellen, dass die Pandemie auch Europa erreichen wird. Wir haben sehr schnell mit einer täglich tagenden Taskforce und daraus abgeleiteten Maßnahmen darauf reagiert: Ab etwa Anfang April haben wir alle - damals 1 200 Mitarbeiter - komplett ins Homeoffice transferiert. Aus der innerbetrieblichen Perspektive haben wir diese Aufgabe gut bewältigt und viel Flexibilität gezeigt. Das zeigt sich auch in Mitarbeiterumfragen, die uns bestätigen, dass die Mitarbeiter mit dem Corona-Management sehr zufrieden sind.

Aus der Marktsicht ging vieles ebenfalls einfacher als erwartet. Wenn es tatsächlich sein muss, merkt man, wie wenig wirklich gereist werden muss. Vieles lässt sich mit den mittlerweile guten digitalen Tools erledigen. Austausch und persönliche Kontakte werden jedoch geschwächt. Das sieht man bei der Kundenbindung, aber auch oftmals bei der Zusammenarbeit der Mitarbeiter und Teams untereinander.

Am Markt hat Payone mit neuen Produkten und Angeboten reagiert, um den vielen kleinen Händlern Hilfe an die Hand zu geben, sich an die Pandemie-Situation anzupassen, eigene Online- Shops aufzubauen und ihr Geschäft neu auszurichten. Unter anderem wurden beispielsweise viele portable sowie mobile Geräte verkauft, die den neuen Hygiene- und Abstandsregeln im stationären Geschäft Rechnung trugen. Dies trug maßgeblich dazu bei, Kumulierung an der Kasse zu vermeiden sowie das Außer-Haus-Geschäft zu stimulieren.

Als Unternehmen hat uns der Wirtschaftsfaktor Lockdown sehr hart getroffen. Allerdings haben wir auf der anderen Seite durch die Vorsichtsmaßnahmen und die Empfehlungen der Händler an ihre Kunden, bargeldlos und nach Möglichkeit kontaktlos zu bezahlen, einen deutlichen und ungeahnten Aufschwung an Transaktionen erlebt - auch und gerade von Nutzern, die die Karte vorher nicht oder nur sehr wenig eingesetzt hatten.

Ich schätze, dass jetzt etwa 15 bis 20 Prozent mehr Kartennutzer unterwegs sind als vor der Pandemie. Das hat sich jedoch naturgemäß vor allem in denjenigen Bereichen bemerkbar gemacht, die nicht von den Lockdowns betroffen waren wie etwa Lebensmittler, Drogeriemärkte oder Apotheken. Sehr zugelegt haben natürlich die Lieferdienste. Im Gegenzug leiden nach wie vor all diejenigen Betriebe, die vom Tourismus abhängen oder in starkem Maße ausländische Kunden ansprechen. Das schlägt sich in den Transaktionszahlen und -volumina nieder. Gemessen daran, wie viele unserer Kunden monatelang nicht öffnen durften, sind wir aber bisher verhältnismäßig gut durch die Pandemie gekommen. Doch natürlich hinterlässt sie deutliche Spuren.

Summa summarum erleben wir Corona als sehr einschneidend, sehen aber auch sehr viel Potenzial zu positiven Veränderungen für die zukünftigen Arbeitsweisen bei uns, aber auch im Umfeld und in der Anwendung neuer Technologien aufseiten der Händler.

In welchem Ausmaß konnte die Veränderung des Bezahlverhaltens die Umsatzausfälle durch die Lockdowns und andere Einschränkungen kompensieren?

Das ist recht schwierig zu sagen. In kritischen Phasen haben wir mehr als die Hälfte unseres Geschäfts verloren, weil alles geschlossen war. Wie viel davon durch die erhöhte Kartennutzung kompensiert werden konnte, haben wir nie im Detail geprüft. Die massive Veränderung des Bezahlverhaltens ist jedoch mit deutlich höherem Einsatz von Kartenzahlungen auf der einen Seite, andererseits aber auch an den deutlich gesunkenen Durchschnittsbeträgen je Transaktion ablesbar. Insofern würde ich sagen: Die Abkehr vom Bargeld hat sicher einen Teil der Umsatzausfälle kompensiert, wenn auch nicht in ganz großem Ausmaß. Auf die Gewinnmarge hat sie sich kaum ausgewirkt.

Auch die Tatsache, dass viele kleine Händler Online-Shops eingerichtet haben, war eher eine emotionale Angelegenheit, als dass es sich im Transaktionsumsatz niederschlägt. Das Geschäft im E-Commerce wird nun einmal im Wesentlichen von den großen Playern gemacht, den Plattformen und Marktplätzen. Diejenigen, die durch den E-Commerce-Boom aufgrund von Covid-19 gewachsen sind, waren diejenigen, die auch vor der Pandemie schon groß waren beziehungsweise ihr Geschäft verstanden haben.

Allgemein betrachtet hat Corona eine viel höhere Durchlässigkeit der Kanäle bewirkt, mit der Folge, dass das Bezahlen in viel mehr Facetten angeboten wird. Das bringt natürlich mehr Komplexität für den Händler mit sich. Es war jedoch ein "Booster" für die Entwicklung im Omnichannel-Payment.

Kann also die Payment-Branche der Pandemie in der langfristigen Betrachtung auch etwas Positives abgewinnen?

Zweifellos. Beim kontaktlosen Zahlen sind wir einen großen Schritt vorangekommen, sowohl in der Anzahl der Nutzer als auch mit Blick auf die Nutzungshäufigkeit je Verbraucher.

Auf Deutschland bezogen würde ich sagen: Wir hätten mindestens fünf Jahre gebraucht, um auf das Niveau zu kommen, das wir jetzt erreicht haben. In den vergangenen Jahren hat der Bargeldanteil am Umsatz des Einzelhandels immer um etwa einen Prozentpunkt abgenommen. Jetzt ist der Kartenanteil um fast 10 Prozent nach oben geschnellt. Das ist ein enormer Schritt.

Wenn die Komplexität für Händler zugenommen hat - wie sehr hat sich das im Vertrieb bemerkbar gemacht?

Die Komplexität im Vertrieb ist gar nicht so sehr gewachsen. Diese ist eher in den Abläufen und Prozessen der Kundenberatung oder auch in Vertragsabschlüssen zu suchen. Zudem ist wie fast überall ein deutlicher Schritt im digitalen Ausbildungsstadium und -willen der Gesellschaft zu beobachten: Produkte sind immer einfacher zu handhaben und können von Kunden gemeinsam mit dementsprechenden downloadbaren Tools und Updates erworben werden. Das geht einher mit immer mehr Möglichkeiten, sich direkt Hilfe zu holen, von interaktiven Videochats bis hin zu Chatbots.

In diesem Kontext waren Vertrieb und Kundenbetreuung durch das Social Distancing natürlich eine Herausforderung. Andererseits hat gerade der Online-Vertrieb enorm profitiert. Denn die Corona-Situation hat dazu geführt, dass die Kunden sich viel mehr mit der Online-Thematik und Payment in seinen verschiedenen Ausprägungen auseinandergesetzt haben als zuvor.

Hat sich durch die Pandemie auch der Mix aus großen und kleinen Händlern verändert?

Ja und nein. Es kamen viele kleinere Händler dazu, die bisher allein auf Bargeld gesetzt hatten. Andererseits sind viele andere aus dem Markt ausgeschieden, weil sie die Lockdowns nicht durchgehalten haben. Während der Pandemie haben Tausende Händler keine Transaktionen getätigt, weil ihr Laden geschlossen hatte. Insofern hat sich der Mix vielleicht ein wenig in Richtung der kleinen Händler verändert, jedoch nicht in einem Maße, das stark spürbar wäre. Wenn man ehrlich ist, haben auch hier wieder die Großen gewonnen, da sie über die Mittel verfügten, sich schnell und flexibel auf die neue Situation einzustellen.

Waren die Lebensmittelhändler eine Art Booster für Ihr Geschäft - Aldi Süd zum Beispiel?

Aldi Süd ist ein sehr großer Kunde, dessen Präsenzgeschäft wir damals von Wirecard übernommen haben. Natürlich war das ein substanzieller Zuwachs. Daneben haben wir sehr viele weitere große Lebensmittelhändler und Discounter unter Vertrag. Weil wir in diesen Branchen sehr stark sind, haben wir hier natürlich vom veränderten Bezahlverhalten profitiert.

Umgekehrt haben wir in anderen Bereichen überproportional verloren, weil wir zum Beispiel ebenfalls sehr stark in der Gastronomie, dem Hotelleriegewerbe und der Mineralölindustrie vertreten sind. Denn natürlich waren Restaurantbesuche oder Reisen schlicht nicht möglich. Die Lust auf den Erwerb von Produkten im Luxussegment war gedämpft und im Homeoffice wurde dementsprechend auch deutlich weniger getankt. Das sind Bereiche, die noch immer massiv weniger Umsätze machen als vor der Pandemie.

Wie würden Sie die Corona-Auswirkungen in der Summe beziffern?

Das ist nicht ganz einfach zu beantworten, weil wir ja zudem noch immer im Umbau und Umstrukturierung des Unternehmens sind und auch Geschäftsteile verkauft haben. Geschätzt hat die Pandemie einen negativen Umsatzeffekt von rund 20 Prozent für das Jahr 2020 hinterlassen. Langfristig wird sie uns aufgrund des veränderten Nutzerverhaltens jedoch etwas zurückgeben.

Dabei spielt natürlich eine Rolle, dass wir genau in dieser Phase sehr stark in unsere Transformation investiert haben. Durch die zahlreichen Übernahmen und Merger haben wir es mit einer Parallelität von Systemwelten zu tun. Hier haben wir die Harmonisierung von Systemen und die Vereinfachung von Prozessen weiter vorangetrieben und dadurch dem negativen Effekt auf den Gewinn ein Stück weit entgegengewirkt. Denn natürlich erlaubt uns das, unsere Kosten zu senken.

Allein 2021 haben wir über 200 neue Mitarbeiter eingestellt, zum einen, weil unser Geschäft wächst, vor allem aber aufgrund des Umbaus und des Angebots neuer Produkte. Diese Kosten konnten wir durch das Wachstum kompensieren. Dennoch bleiben wir durch den Ausfall ganzer Kundensegmente natürlich hinter den Erwartungen zurück.

Stichwort Transformation: Wie wichtig ist die Zugehörigkeit zu einem Konzern gerade im Geschäft mit Großkunden?

Die Frage lässt sich nicht pauschal beantworten. Im Präsenzgeschäft in Deutschland haben wir heute schon eine sehr starke Marktposition. Wir wickeln über vier Milliarden Transaktionen ab - das entspricht im Worldline-Kontext etwa 20 bis 25 Prozent des gesamten Transaktionsaufkommens. Insofern sind wir als Payone per se nicht klein.

Wo die Konzernzugehörigkeit indessen deutlich spürbar ist, ist die Backoffice- Verarbeitung, wo sich durch die gemeinsame Systemnutzung natürlich ganz andere Skaleneffekte erzielen lassen. Wir sprechen hier von einem Skalierungsfaktor "fünf". Dazu kommen diejenigen aus der fortschreitenden Verschmelzung und Bündelung von derzeit noch vier technischen Parallelinfrastrukturen.

Der zweite Bereich ist die Innovationskraft für neue Produkte und Prozesse, die ein großer Konzern wie Worldline mit sich bringt. Auch die geografische Reichweite und die Einflüsse durch Geschäfte in anderen Märkten spielen eine wichtige Rolle. Nicht zuletzt sind die Investitionen in Technologie im Sinne von Sicherheit, E-Commerce oder Mobile Payment nicht zu unterschätzen. Die Brücken, die sich uns durch Worldline in andere Teile der Welt eröffnen, bieten unseren großen Kunden Chancen der Expansion: Hier nutzen beziehungsweise vertreiben wir Produkte von Worldline, um Großkunden ein Cross-Border-Geschäft in vielen Märkten zu ermöglichen. Das ist für die Kunden eine große Vereinfachung.

Die in Europa sehr schnell voranschreitende Payment-Konsolidierung zeigt, dass wir zum einen ein internationales Geschäft haben, das relativ stark standardisiert ist, wenn man von Schemes wie Mastercard und Visa spricht, und das sich in großen Skalen grenzüberschreitend abwickeln lässt. Gerade in Europa ist mit der PSD2 vieles möglich. Damit lassen sich große Kostenvorteile generieren, die an den Kunden weitergegeben werden können.

Umgekehrt gibt es immer noch viele lokale Spezifika, die national geprägt sind. In diesem Umfeld sehen wir uns mit Worldline sehr gut positioniert als "glocal Player", weil wir lokal, aber auch global aufgestellt sind. Das ist deshalb eine signifikante Positionierung, weil viele Kunden genau diesen Mix verlangen: Sie wollen von der Globalisierung profitieren, jedoch gleichzeitig ihre lokale Umgebung wider gespiegelt sehen. Auf lange Sicht wäre Payone deshalb in diesem Kontext allein massiv stärker unter Druck geraten.

War die Integration in den Wordline-Konzern auch für die Sparkassen ein guter Deal?

Der Deal mit Ingenico war damals ein minutiös geplanter Prozess, dem - getrieben von den Sparkassen - ein systematisches, professionelles Auswahlverfahren vorausging. Im Vorfeld haben wir auch das "Was wäre, wenn?" für den Fall eines weiteren Mergers diskutiert. Denn angesichts des Verlaufs der Konsolidierung im Markt der Payment-Dienstleister war es absehbar, dass dieser Fall eintreten könnte. Worldline versteht sich als Partner der

Banken - gerade der europäischen Banken. Das war für die Sparkassen wichtig und ein sehr großer Vorteil. Überdies waren die Kollegen bei Worldline dem Joint Venture Payone gegenüber sehr positiv eingestellt. Denn hier kam die Grundidee, Banken durch Allianzen, Joint Ventures oder Vertragsangebote im Payment zu unterstützen, bereits zum Tragen.

Nach einem Jahr lässt sich sagen: Wir pflegen eine gute und sehr intensive Zusammenarbeit, die sich nicht auf eine Aufsichtsratssitzung viermal im Jahr beschränkt, sondern in der markt- und kundennah viel über Produktentwicklung und Geschäft gesprochen wird. Durch die Marke, aber auch ein eigenes Produktportfolio hat Payone eine gewisse Unabhängigkeit im Konzern und ist ein wichtiger Teil der Gruppe.

In Bezug auf Wachstum, Profitabilität und Perspektive hat sich Payone sehr gut entwickelt. Das gilt auch und gerade für das Sparkassengeschäft, das von allen Marktsegmenten 2021 trotz Corona bei den Neukunden am stärksten gewachsen ist. Summa summarum sind die Sparkassen sehr zufrieden. Aus der strategischen Perspektive der Sparkassen ist es eine sehr gute Partnerschaft.

Wie weit sind Sie mit der Integration in den Worldline-Konzern gekommen beziehungsweise was steht noch an?

Die Integration in den Konzern im Sinne der Einbettung in die Konzernabläufe, Prozesse und Regularien haben wir zu 65 bis 70 Prozent geschafft. Bis Mitte des Jahres werden wir an dieser Stelle aller Wahrscheinlichkeit nach einen Haken setzen können.

Technisch gesehen haben vier parallele Infrastrukturen. Das liegt in der Tatsache begründet, dass wir schon vor der Integration in den Worldline-Konzern in einer Merger-Situation zwischen Ingenico und B+S Payone waren. Zudem haben wir jetzt noch das Österreich- und Deutschland-Geschäft der Worldline hinzubekommen, die ihrerseits jeweils wiederum auch aus Übernahmen entstanden sind. Die Zusammenführung dieser vier Infrastrukturen wird wohl noch bis Ende 2024 dauern.

Stichwort Europa: Wie beurteilen Sie die Perspektiven von EPI?

Ich wage nicht zu beurteilen, ob das Projekt am Ende doch noch gelingt. Dass die Europäer jegliche gemeinsamen Assets aus der Hand gegeben haben, die ein europäisches Zahlungssystem ermöglichen würden, und dass dies rückblickend ein strategischer Fehler war, ist bekannt. Eine übergreifende, von allen getragene europäische Zahlungsinfrastruktur fände ich wichtig. Sepa hat gezeigt, wie wertvoll so etwas ist.

Ich würde es befürworten, EPI für einen Technologiesprung zu nutzen, anstatt das Kartengeschäft von einem Scheme auf ein anderes Scheme zu transferieren. Es ist aber klar, dass letzteres vermutlich der Anfang für die europäischen Banken sein wird. Zu er Frage, ob sich EPI durchsetzen kann, möchte ich keine Prognose abgeben. Ich sehe das Bemühen, das Interesse und auch die Relevanz für viele - aber ich sehe auch die Schwierigkeiten, die sich nicht zuletzt daraus ergeben, dass es so lange gedauert hat. In der Zwischenzeit haben viele Händler und Banken (zum Beispiel in Spanien) eigene gute Lösungen entwickelt. Jetzt muss man diese Lösungen und auch die damit verbundenen Verhaltensentwicklungen beim Bezahlen wieder auf einen Nenner bringen. Das wird nicht einfach. Wenn man dafür schon viel Geld in die Hand nimmt und die Zeit drängt, sollten wir den Schritt in die nächste technische Evolutionsstufe wagen und uns dort positionieren.

Wenn die Politik ein europäisches Payment Scheme will - müssten dann nicht auch öffentliche Gelder für den Aufbau der Infrastruktur fließen?

Möglich. Grundsätzlich hätte ich nichts gegen Unterstützung vonseiten der Politik. Ich bin jedoch generell kein großer Freund staatlicher Subventionen von Innovation - allenfalls im Sinn einer Anschubfinanzierung. Wenn man einen großen Milliardentopf anzapfen will, ist es nur legitim, dass diejenigen, die die Mittel zur Verfügung stellen, auch über die Verwendung mitreden wollen. Und ich bin mir nicht sicher, ob es gut wäre, wenn jetzt auch noch die Politik über die Ausgestaltung des europäischen Payment Scheme mitreden würde.

In fünf Jahren soll es den digitalen Euro geben. Braucht es EPI dann überhaupt noch?

Das ist eine gute Frage! Letztlich kommt es vermutlich darauf an, wie der digitale Euro konkret ausgestaltet wird. Durch die Parallelität der verschiedenen Use Cases kann jedoch vermutlich nicht von heute auf morgen auf etwas verzichtet werden. Deshalb glaube ich nicht, dass EPI durch den digitalen Euro obsolet wird, sondern dass das Investment sich durchaus lohnt.

Ich persönlich finde die Relevanz des digitalen Euro als Ergänzung zum Bargeld interessant. Im globalen Kontext ist es in jedem Fall wichtig, ein solches Zahlungsmittel zu schaffen, auch wenn man davon ausgehen darf, dass es Jahre dauern wird, bis sich der digitale Euro durchsetzen wird.

Was würde der digitale Euro für das Geschäftsmodell von Payment-Dienstleistern wie Payone bedeuten?

Sicher ist das Geschäft in Teilen bedroht, ganz klar. Bereits durch den Sepa Credit Transfer braucht es die klassische Acquiring-Dienstleistung, bei der der Acquirer als Intermediär eine Zahlungsgarantie abgibt und die Transaktion abwickelt, nicht mehr.

Allerdings: Auch beim digitalen Euro muss jemand die Zahlungen abwickeln und bestätigen, dass die Zahlung angekommen ist. Vor allem aber bei der Rückabwicklung von Zahlungen und der Unterstützung der verschiedenen technologischen Kanäle werden Dienstleister weiterhin gebraucht werden.

Darüber hinaus sehe ich sehr großes Potenzial über das reine Bezahlen hinaus. Payone hat über 260 000 Kunden mit nahezu 500 000 Verkaufspunkten. Da ist es schon vorstellbar, Dienstleistungen über reines Payment hinaus zu verkaufen, die über unsere Plattformen angeboten werden können - seien es Finanz-, Service- oder auch Marketingdienstleistungen.

Verändern müssen wir uns auf jeden Fall. Denn das Payment wird immer stärker standardisiert und gleichzeitig aufgrund der Fülle neuer Anbieter immer komplizierter für den Händler. Gewisse Dinge werden einfacher und günstiger, andere dafür umso komplexer. Auf diese Transformation müssen sich Payment-Dienstleister einstellen.

Bei allen Entwicklungen gilt es aber im Auge zu behalten, dass die Menschen dahinter mitgenommen werden müssen. Deshalb wird Aufklärung, Beratung und Erläuterung sehr stark gefragt sein. Möglicherweise werden wir uns in der Zukunft - gerade bei den kleinen Händlern - stärker als Berater positionieren denn als Payment-Verkäufer. Denn unsere Kunden sollen sich auch in Zukunft darauf verlassen können, in uns einen Sparringspartner zu haben, der sie bei ihren Entwicklungsschritten begleitet und gleichzeitig die Balance zwischen Notwendigkeit und rapidem Fortschreiten der Technologie zu halten weiß.

Niklaus Santschi , Geschäftsführer, PAYONE GmbH, Frankfurt am Main

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