Zur Zukunft des Zahlungsverkehrs

Zahlungsverkehr aus Bankensicht: den Anschluss nicht verlieren

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Bei den Veränderungen im Zahlungsverkehr scheint es tatsächlich so, als hätten Banken den Start in die neue Welt verpasst. Das betrifft den Privatkundenbereich ebenso wie das Geschäft mit Firmen- und Geschäftskunden. Nun gilt es, möglichst schnell das Geschäftsmodell an die neuen Rahmenbedingungen an zupassen, um den Anschluss wiederzugewinnen. Dabei, so Sven Korschinowski, gilt es unter anderem, gute Innovationen zu adaptieren und nach Kooperationspartnern Ausschau zu halten. Außerdem hat jetzt Schnelligkeit Priorität vor der perfekten Lösung. Red.

Am Markt hört man ständig den Vorwurf, die Banken würden - wieder einmal - die aktuellen Entwicklungen verpassen. Auf den ersten Blick scheint es 2015 tatsächlich so, als würden innovative Fintechs und etablierte Unternehmen aus anderen Branchen den Banken zeigen, wie man heute Zahlungsverkehr macht.

Sie setzen schlanke, kostengünstige und performante IT-Infrastrukturen ein und entwickeln Software agil bei schnellem Time-to-Market. Für Banken ist es essenziell, diesen Herausforderungen zu begegnen - mit festem Blick auf die eigenen Interessen.

Globalisierung und Regulierung sind im Bankengeschäft die bekannt starken Einflussfaktoren. Seit relativ kurzer Zeit mischen sich nun durch die technische Entwicklung weitere Faktoren darunter. Die Regulatoren fördern den Wettbewerb nicht mehr nur zwischen den Banken, sondern auch zwischen Banken und Unternehmen.

Die neuen Herausforderer: Fintechs und Internetgiganten

Diese neuen Herausforderer teilen sich in zwei Kategorien:

- Die sogenannten "Fintechs", kleine Unternehmen, meist noch in der Start-up-Phase, die, befeuert von technologischem Fortschritt und dem sich ändernden Nutzerverhalten technikaffiner Verbraucher, innovative Ideen und Techniken entwickeln.

- Die sogenannten "Internet Giants" wie Apple, Amazon, Alibaba, Tencent, Facebook oder Google, die ihrer gigantischen Nutzerbasis seit Neuestem verschiedene Zahlungsdienste anbieten.

Großer Einfluss auf Digital Natives

Diese Unternehmen streben im Kern einen Paradigmenwechsel im Zahlungsverkehr an, um am Ertrag der Banken massiv teilzuhaben. Ihr Engagement hat zudem großen Einfluss auf die klassischen Zahlungsverkehrsabwickler im Privatkundenbereich. Denn die jungen Erwachsenen - die gerne zitierten "Digital Natives" - sind mit Smartphone, Gaming, Wearables & Co. im Kinderzimmer aufgewachsen. Sie sind in ihrem Leben noch nie in einer Bank gewesen und erledigen ihre Bankgeschäfte komplett online. Die Folgen für klassische Banken sind erheblich.

- Sinkende Wahrnehmung im täglichen Umgang mit Geld: Wo es früher noch absolut normal war, Zahlungen über die Bank im persönlichen Kontakt mit dem Mitarbeiter abzuwickeln, schalten sich heutzutage immer mehr Dritte ein. Auf Tablet und Smartphone verfügt insbesondere die junge Kundschaft über verschiedene Wege zur Initiierung von Zahlungen und den Abruf von Kontoständen.

- Weniger direkter Kundenkontakt: Durch dritte Zahlungsdienstleister wird der klassische Zahlungsdienstleister nicht mehr direkt angesprochen. Lediglich bei der Eingabe von Kontodaten in Apps und Portalen erscheint die Bank. Eine direkte Ansprache fällt weg und damit die Gelegenheit zum Kundendialog.

- Weniger Bargeldnutzung: Besonders bei kleinen Beträgen entsteht ein Trend zur direkten bargeldlosen Übertragung, beispielsweise im Freundes- und Bekanntenkreis. Für die sogenannten "Peer-to-Peer-Zahlungen", sinngemäß Zahlungen zwischen "Gleichen", gibt es inzwischen zahlreiche Anbieter und Anwendungsfälle.

- Sinkende Erträge: Die Wertschöpfungskette der Banken wird durch die neuen Teilnehmer aufgebrochen und der ohnehin geringe Ertrag pro Zahlung zwischen den verschiedenen Beteiligten weiter aufgeteilt. Man spricht auch vom "Unbundling" der Banken.

Und auch eine zweite Gruppe ändert ihre Zahlungsgewohnheiten massiv. Die "Digital Immigrants", die spät, aber intensiv mit der Nutzung moderner Technik begonnen haben. Sie sind meist viel beschäftigt und viel unterwegs. Wer zu den normalen Geschäftszeiten einer Bank selbst arbeitet, hat weder Zeit noch Gelegenheit, sich eingehend mit "Offline-Geschäften" zu befassen. Was bleibt, sind diejenigen, die sich der Technik verweigern oder den Umgang damit nicht kennen und sogar scheuen. Diese Zielgruppe nimmt durch die demografischen Effekte rapide ab.

Instant Payments beeinträchtigen das Firmenkundengeschäft

Doch nicht nur die Folgen für das Privatkundengeschäft werden tief greifend sein. Auch das Angebot für Firmen- und Geschäftskunden steht vor einem Wandel.

Der technologische Fortschritt ermöglicht inzwischen eine Abkehr von der althergebrachten Batch-Verarbeitung. Wesentlich höhere Bandbreiten in Computernetzen und leistungsfähigere Maschinen erlauben heutzutage eine exponentiell schnellere Nachrichtenübertragung und -verarbeitung als noch vor wenigen Jahren. Selbst die immer noch als neu betrachteten, deutlich umfangreicheren XML-Formate tun dem keinen Abbruch.

Dass dies funktioniert, zeigt England bereits seit mehreren Jahren mit "Faster Payments", einer Near-Realtime-Übertragung von Zahlungen. In diversen anderen Ländern wird mit der Umsetzung ähnlicher und sogar schnellerer Verfahren begonnen (USA) oder sie sind bereits umgesetzt (Australien).

Im März dieses Jahres hat auch die European Banking Association (EBA) eine Taskforce zur Entwicklung von "Instant Payments" auf europäischer Ebene ins Leben gerufen. Hiermit sollen Zahlungen innerhalb weniger Sekunden an den Empfänger übertragen werden. Firmenkunden könnte dadurch beispielsweise ermöglicht werden, ihr Cash Management mit deutlich weniger Beteiligung der Banken zu erledigen. Wenn Zahlungen günstig und in Echtzeit von den Cash-Management-Abteilungen der Unternehmen selbst initiiert werden können, sind komplexe Cash-Pooling und Cash-Concentration-Engines von Banken nicht mehr nötig.

Sowohl die Einflussfaktoren als auch die beeinflussten Bereiche sind mannigfaltig. Vom Austausch von Kleinstbeträgen zwischen einzelnen Personen über die Zahlung von Rechnungen im Internet bis hin zu Treasury-Zahlungen im dreistelligen Millionenbereich wird der Zahlungsverkehr beeinflusst. Außerdem verschiebt sich die Zielgruppe für Bankgeschäfte generell, was der Konkurrenz neue Möglichkeiten beschert.

Bank-IT lässt sich nicht kurzfristig weiterentwickeln

Wie können sich die Banken nun auf den Wandel einstellen? Zunächst gilt, dass das Bild von den schlafenden Banken zwar gern gebraucht, aber nicht immer zutreffend ist. Es greift schlicht zu kurz. Eine Bank ist üblicherweise eben nicht ein explosionsartig gewachsenes Technologie-Unternehmen, das gerade einmal zehn oder 15 Jahre hinter sich hat. Banken sind oft traditionsreiche Häuser mit einer Geschichte von mehreren hundert Jahren. Als diese Institute mit der elektronischen Zahlungsverarbeitung anfingen, waren die meisten CEOs der heutigen Herausforderer noch gar nicht geboren.

Banken müssen zu ihrem großen Nachteil lange gewachsene und für heutige Verhältnisse rückständige IT-Infrastrukturen für die Zahlungsabwicklung betreiben. Da diese Systeme eng mit dem Kernbankensystem verbunden sind, lassen sie sich nicht kurzfristig ausschalten und weiterentwickeln. Ein Tag Ausfall des Zahlungsverkehrssystems bedeutet für eine Bank nicht tragbare finanzielle und Reputationsschäden.

Strategien auf dem Prüfstand

Die klassischen Zahlungsdienstleister sollten gerade deswegen ihre Strategie im Bereich Zahlungsverkehr überprüfen und anpassen, um in einem ohnehin margenarmen Markt nicht weitere Anteile zu verlieren. Können wenig profitable Bereiche sinnvoll remodelliert werden oder konzentriert man sich auf aussichtsreichere Angebote? Kann ein Institut seine Prozesse und Technologien schnell genug anpassen oder ist es wirtschaftlicher, Kooperationen einzugehen? Sind Bankberater mit den traditionellen Öffnungszeiten und der Standortgebundenheit überhaupt in der Lage, genügend Kunden zum Gespräch zu bitten? Diese Fragen muss jedes Institut für sich selbst beantworten.

Betrachtet man die Lage eher strategisch und mit etwas Distanz, sind es die klassischen Einflussfaktoren, die greifen:

- Wie beeinflusst die unterschiedliche Interpretation der Regulatorik das länderübergreifende Geschäft?

- Was sind die Zielmärkte und wie groß ist das Know-how über diese Märkte?

- In welchen Märkten betreiben die Zielkunden ihr Geschäft und was ist nötig, um es erfolgreich zu unterstützen?

- Ist im eigenen Haus genügend Wissen für die Einleitung einer Transformation vorhanden?

- Falls die letzte Frage mit "Ja" beantwortet wird: Haben die Wissensträger die nötigen Kapazitäten?

Folgen der Regulatorik: Freiräume oder Barrieren?

Das Ziel der aktuellen Regulatorik im Zahlungsverkehr ist die Förderung des Wettbewerbs. Die Umsetzung der neuen Regelungen wie PSD II (Payment Services Directive II), MaSIn (Mindestanforderungen an die Sicherheit von Internetzahlungen) oder die Zahlungskontenrichtlinie kosten in der Umsetzung viel Geld und viele Ressourcen.

Dagegen stehen keine sichtbaren strategischen Möglichkeiten, geschweige denn Ertragspotenziale, um die teure Implementierung wenigstens halbwegs wieder wettzumachen. Es muss analysiert werden, ob die Regulatorik für das eigene Geschäft Freiräume schafft oder Barrieren errichtet. Daran muss das Geschäft so schnell wie möglich angepasst werden. Die Möglichkeiten sind da, wenn man die Regulatorik richtig anwendet. Allerdings springen sie nicht direkt ins Auge, sondern müssen individuell für jedes Institut herausgearbeitet werden.

Möglichkeiten der Anpassung

Auch das kostet Zeit und kann nicht neben Tagesgeschäft und zusätzlicher Belastung durch die Umsetzungsprojekte geschehen. Grundsätzlich sollten Banken aber über folgende Optionen nachdenken.

1. Mit der Zeit gehen. Banken können von anderen lernen. Es muss nicht jede Bank eine Transformation zu einem Software-Unternehmen vollziehen, aber gute Innovationen und profitables Geschäftsgebaren sollten anerkannt und adaptiert werden. Egal, woher sie kommen.

2. Meinungen bilden. Die Regulatorik ist keine präzise Wissenschaft. Viele Punkte bedürfen der "richtigen" Auslegung, die sich meist erst im Laufe der Zeit am Markt entwickelt. Dieser Prozess muss intensiv beobachtet werden, damit schnell reagiert werden kann.

3. Finden eines geeigneten Geschäftspartners. Dies kann in der Praxis durch Partnerschaften mit den als Konkurrenz gesehenen Unternehmen geschehen. Oftmals sind diese gar nicht daran interessiert, den Banken zu schaden. Sie wollen an deren Geschäft teilhaben, haben gute Ideen und sind schnell in der Umsetzung. Partnerschaftlich kann man hierbei die Wertschöpfungskette wieder schließen.

4. Externalisierung. Es ist eine betriebswirtschaftliche Grundregel, dass man fehlende Ressourcen verschiedentlich ersetzen kann. Wenn also die eigenen Kräfte zu stark gebunden sind, holt man sich das Wissen und die Erfahrung aus anderen Unternehmen. Wer derzeit solche oder ähnliche Investitionen scheut, kann sich sicher sein, dass andere sie tätigen und sich Vorsprünge erkaufen.

Wieder den Anschluss finden

Neben Regulatorik und branchenfremder Konkurrenz machen auch Preisdruck und Niedrigzinsen das Geschäft immer schwieriger. Und man sollte nicht darauf wetten, dass es in den nächsten Jahren besser wird. Es wird viel eher eine große Transformation in der Branche geben. Die Banken dürfen ihre Kritiker nicht ignorieren. Denn diese haben Recht, wenn sie fordern, die Banken müssen aktiv werden und sich neu ausrichten. Sonst droht ihnen tatsächlich eine Verdrängung in die Rolle des Abwicklers im Hintergrund, der im täglichen Zahlungsverkehr kaum wahrgenommen wird.

Ob nun morgen der oft vorausgesagte Durchbruch von Mobile Payments kommt oder übermorgen Zahlungen innerhalb weniger Sekunden ihr Ziel erreichen, spielt dabei zunächst keine Rolle. Die Richtung steht fest, die Geschwindigkeit ist groß. Und während andere bereits mit hohen Drehzahlen gestartet sind, scheinen die Banken vielfach noch in der Werkstatt zu stehen. Es sollte jetzt nicht unbedingt auf ein komplett fertiges und luxuriös ausgestattetes Fahrzeug gewartet werden. Besser, man fährt erst einmal los und schraubt unterwegs weiter. Der Start ist wohl tatsächlich verpasst. Jetzt gilt es den Anschluss wiederzuerlangen.

Zum Autor

Sven Korschinowski, Partner, KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Frankfurt am Main

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