Sepa im Kartenzahlungsverkehr - europäisch denken und handeln

Abbildung 1: Bedeutung des Kartenzahlungsverkehrs Quelle: Bank für internationalen Zahlungsausgleich

Vier wesentliche Aufgaben sieht Dirk Schrade zur Erreichung eines einheitlichen europäischen Zahlungsverkehrsraums auch in Sachen Karten. Das ist zum einen die Harmonisierung von Geschäftspraktiken wie dem Surcharging, zum anderen die Angleichung technischer Standards, der Sicherheit und nicht zuletzt der Interchange-Deckelung. Bei letzterer sieht Schrade das Hauptproblem im 7-Cent-Deckel für Debitzahlungen, sollte auch das Girocard-System trotz der neuen wettbewerblichen Strukturen unter die Regulierung fallen. Beim Thema Innovation mahnt er die Banken, nicht ins Hintertreffen zu geraten. Strategische Kooperationen mit Nichtbank-Anbietern müssten deshalb an Bedeutung gewinnen. Red.

Großes Aufatmen bei allen Beteiligten im europäischen Zahlungsverkehr: Ein ganz wichtiger Meilenstein im Sepa-Umstellungsprozess - die Sepa-Migration des Überweisungs- und Lastschriftverkehrs zum 1. August 2014 - wurde ohne wirkliche Probleme passiert. Aber das Ziel eines funktionierenden europäischen Binnenmarktes im Zahlungsverkehr ist damit noch nicht erreicht.

Zum einen gibt es in fast allen Ländern des Euroraums noch Sonderregelungen, die noch bis zum 1. Februar 2016 fortgeführt werden können. In Deutschland sind davon das elektronische Lastschriftverfahren (ELV) und die Möglichkeit für Verbraucher betroffen, statt der internationalen Bankkontonummer IBAN noch die herkömmlichen Formate Bankleitzahl und Kontonummer verwenden zu können. Zum anderen - und das ist der wichtigere Faktor - ist der Kartenzahlungsverkehr bislang von der Sepa-Migration ausgeklammert.

Mit einem Anteil von knapp 44 Prozent sind Kartenzahlungen in der EU (Euroraum: 37,5 Prozent)1) mittlerweile das volumenmäßig bedeutendste unbare Zahlungsinstrument. Und bei einem Blick auf die globale Perspektive wird erst recht klar, dass das Produkt "Zahlungskarte" eine echte Erfolgsgeschichte ist: Weltweit 2) sind fast sechs von zehn Bezahlvorgängen Kartenzahlungen (siehe Abbildung 1). Dabei lagen die Wachstumsraten bei Karten in den letzten Jahren mit durchweg 10 Prozent deutlich über den Werten für den "klassischen" Zahlungsverkehr. Während die Nutzungsintensität der Karten in den USA und Kanada am höchsten ist, entfallen überraschenderweise rund 65 Prozent der ausgegebenen Zahlungskarten auf die vier BRIC 3) -Staaten. Dieses unterstreicht die Bedeutung des Kartenzahlungsverkehrs für die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes. Zudem spielt in diesen Ländern der Kartenzahlungsverkehr eine Schlüsselrolle, wenn es um die Einbeziehung breiter Bevölkerungsschichten in den Zahlungsverkehr geht.

Sepa for Cards - Wunsch ... und Wirklichkeit

Schaut man sich die nationalen Märkte im Euroraum an, so zeigen sich große Unterschiede in der Kartenaffinität. Finnland steht mit durchschnittlich 225 Transaktionen pro Kopf im Jahr 2013 an der Spitze. Dies liegt deutlich über dem Euroraum-Durchschnitt von 76 Transaktionen pro Kopf. Aber auch in Frankreich bezahlen die Einwohner mit 136 Transaktionen pro Kopf fast dreimal mehr mit Karte als in Deutschland (45 Transaktionen pro Kopf). Sicherlich lassen diese Unterschiede zum Teil durch unterschiedliche Mentalitäten und länderspezifische Nutzerpräferenzen begründen. Die Frage ist allerdings, ob nicht zum Beispiel auch durch einen Binnenmarkt im europäischen Kartenzahlungsverkehr - der "Sepa for Cards" - noch ungenutztes Potenzial erschlossen werden kann.

Ein wesentliches Ziel von Sepa ist, dass Verbraucher im Ausland genauso bequem, sicher und effizient bezahlen können wie im Inland. Aber es geht bei Sepa auch um mehr - und zwar um mehr Wettbewerb im europäischen Zahlungsverkehr durch Beseitigung geografischer, rechtlicher und technischer "Barrieren". Dieses hatte auch die europäische Kreditwirtschaft im Jahre 2005 mit dem "Sepa Cards Framework" (SCF) im Visier.

Ziel sollte sein, dass von europäischen Kreditinstituten herausgegebene Kredit- und Debitkarten europaweit an allen Kassenterminals und Geldautomaten genutzt werden können. Kartensysteme sollten den Händlern eine freie Wahlmöglichkeit hinsichtlich der Händlerbanken (Acquirer) bieten - und zwar ohne technische, rechtliche oder prozedurale Einschränkungen. Sie haben nach dem SCF außerdem strikt ihre Unternehmenssteuerung (Governance) von der Abwicklung (Processing) zu trennen. Für Händler und Händlerbanken sieht das SCF eine freie Wahlmöglichkeit hinsichtlich der akzeptierten Kartensysteme vor. Und für Sepa-Kartentransaktionen sollte der EMV-Chip standardmäßig genutzt werden (siehe Abbildung 2). Auch wenn alle Kartensysteme für sich beanspruchen, dass sie diese Kriterien bereits heute erfüllen, zeigt der Blick auf die aktuelle Landschaft im europäischen Kartenzahlungsverkehr, dass von einem Binnenmarkt noch nicht die Rede sein kann. Einzig wirklich greifbarer Erfolg - und quantitativ überprüfbarer Aspekt - ist der Umstieg auf den EMV-Chip.

Die Kartenakzeptanz hat aber in vielen Ländern - auch in Deutschland - durchaus noch Verbesserungspotenzial. Transaktionen mit nationalen Kartensystemen funktionieren vielfach nur über die zusätzlich auf den Karten aufgebrachten internationalen Kartenmarkten ("Co-Badging"). Und auch ein grenzüberschreitender Wettbewerb im Acquiring ist eher selten, da in den großen Euroländern nationale Systeme mit verschiedenen Regeln, Standards und Verfahrensabläufen dominieren. Händler, die europäisch handeln wollen, müssen im Ergebnis ihre Kartenzahlungsstrategie nach wie vor entlang nationaler Grenzen ausrichten. Neben dem zweifelsohne vorhandenen europäischen Denken ist deshalb jetzt auch konkretes, europäisches Handeln gefragt - und zwar durch eine stärkere Harmonisierung.

1. Aufgabe - Harmonisierung von Geschäftspraktiken

Die zurzeit noch im EU-Rat diskutierte Verordnung über "Interbankenentgelte für kartengebundene Zahlungsvorgänge" 4) enthält verschiedene Vorschriften zur Geschäftspraxis von Kartensystemen. Demnach dürfen Kartensysteme im Hinblick auf Kartenausgabe und Lizenzen für Händlerbanken innerhalb der EU nicht mehr geografisch differenzieren. Zudem müssen sie für eine klare Trennung zwischen ihrer eigenen Organisation und der Abwicklung sorgen. Wie erwähnt hatte dies auch das SCF vorgesehen. Doch eine gesetzliche Vorschrift erhöht hier den Handlungsdruck für die Kartensysteme, eine klare Abgrenzung nachweisen zu können. Wünschenswert wäre dabei eine klare Trennung, bei der die unterschiedlichen Funktionen in verschiedenen rechtlichen Einheiten angesiedelt werden müssen. Während Kommission, EU-Parlament und Eurosystem sich in dieser Hinsicht klar positioniert haben, ist die Diskussion im Rat noch nicht abgeschlossen.

Ein weiterer Themenkomplex zielt auf die Schaffung von mehr Gebührentransparenz und die verbindliche Regelung von Surcharging ab. Hier sieht der Vorschlag der EU-Kommission unter anderem vor, dass der Handel auf Transaktionen mit Karten von Dreiparteiensystemen und Firmenkunden Preisaufschläge erheben kann, während dieses bei "Konsumentenkarten" von Vierparteiensystemen nicht mehr erlaubt sein soll. Während dieser Vorschlag von manchen Akteuren für wettbewerbsverzerrend gehalten wird, erscheint er doch insoweit ausgewogen, als künftig bei "Konsumentenkarten" von Vierparteiensystemen 3) die Interbankenentgelte gedeckelt werden und deshalb die Notwendigkeit entfallen sollte, mittels Preisaufschlägen an der Ladenkasse eine Lenkungswirkung zu erzeugen. Zudem dürfte bei vielen Karteninhabern nur eine geringe Bereitschaft bestehen, Preisaufschläge bei Kartenzahlungen zu akzeptieren.

Außerdem ist vorgesehen, künftig bestimmte lenkende Maßnahmen der Kartensysteme bei Kartenausgabe und -einsatz zu unterbinden. So dürfen die Kartensysteme den Herausgebern zum Beispiel keine Vorschriften machen, welche Marken auf einer Karte angebracht werden dürfen. Auch Händler müssen eine freie Wahlmöglichkeit haben, welche Marken sie akzeptieren. Diskussionswürdig ist allerdings der Vorschlag, dass künftig nicht mehr der Kartenherausgeber eine standardisierte Reihenfolge für den Einsatz verschiedener auf einer Karte vorhandener Marken festlegen darf; dieses soll künftig der Zahler an der Handelskasse entscheiden. Unklar ist in diesem Zusammenhang, ob der Karteninhaber eine solche Wahl wirklich zu schätzen weiß und nicht doch eher einen einfachen und schnellen Zahlungsvorgang bevorzugt. Zudem steht zu befürchten, dass einige Herausgeber ihre Karten nur noch mit einer Marke ausstatten werden. Eine solche Verfahrensweise würde die grenzüberschreitende Nutzung von Zahlungskarten, die heute in der Regel durch eine zusätzlich aufgebrachte internationale Kartenmarke ermöglicht wird, einschränken und die Entfaltung eines Wettbewerbs zwischen verschiedenen Kartenmarken eher begrenzen.

2. Aufgabe - Harmonisierung von technischen Standards

Die Vereinheitlichung der Geschäftspraktiken alleine wird aber noch nicht zu einer Harmonisierung des Kartenmarktes in Europa führen. Denn auch die mangelnde technische Standardisierung steht dieser Zielsetzung im Wege. Die Vielzahl der Beteiligten im Kartengeschäft, deren unterschiedliche Geschäftsinteressen sowie die nennenswerten Investitionserfordernisse machen Fortschritte in diesem Bereich besonders mühevoll. Entscheidend ist dabei zum einen, dass - wie im Sepa-Überweisungs- und Lastschriftverkehr - gemeinsame, offene und europaweite Standards genutzt werden. Erst eine solche Standardisierung schafft die Basis, um Wettbewerb über Ländergrenzen zu ermöglichen.

Zum anderen muss die Standardisierung die gesamte Prozesskette umfassen, das heißt die Karte, die Schnittstellen zwischen Karte und Händlerterminal sowie Händlerterminal und Händlerbank sowie letztlich auch das Kartenclearing zwischen Händlerbank und Kartenherausgeber. Dabei ist positiv herauszustellen, dass sich in den verschiedenen Bereichen bereits Standardisierungsinitiativen etabliert haben. So arbeitet zum Beispiel die Oscar-Initiative 5) an einheitlichen Spezifikationen und Zertifizierungsverfahren. Damit könnten Terminals künftig mit nur einem Zertifikat automatisch für alle Kartenzahlungssysteme in Sepa genutzt werden. Und an der Schnittstelle zwischen Händlerbank und Kartenherausgeber wird derzeit in Deutschland das Sepa Cards Clearing (SCC) etabliert. Ab Frühjahr 2015 wird die Abwicklung der Kartenzahlungen in Deutschland schrittweise auf diesen neuen europäischen Standard überführt (siehe Abbildung 3).

Gerade die Aussicht, Hindernisse für den grenzüberschreitenden Wettbewerb und Eintrittsbarrieren für neue Anbieter in neue Märkte zu beseitigen, erklärt auch einen Teil der Schwierigkeit bei der Standardisierung im Kartengeschäft. Aber es geht kein Weg dran vorbei: Die Standardisierung muss weiter vorangetrieben werden, konkurrierende Standardisierungsinitiativen müssen dabei zumindest vollständig interoperabel ausgestaltet werden. Vor allem müssen die neuen Standards auch umgesetzt, also implementiert werden. Wie sich der Fortschritt im Markt zur Einführung neuer Standards an den verschiedenen Schnittstellen entwickelt, ist ein Thema, das vom neu gegründeten Euro Retail Payments Board (ERPB) beobachtet werden wird. Hier sind Nutzer und Anbieter von Zahlungsdiensten unter dem Vorsitz der EZB gleichermaßen vertreten. Der Markt in Form der Cards Stakeholder Group (CSG) 6) soll hier weiterhin die Führungsrolle übernehmen und dem ERPB regelmäßig berichten. Sollte sich hier kein Fortschritt abzeichnen, ist ein regulatorischer Eingriff aber nicht auszuschließen.

3. Aufgabe - Harmonisierung der Sicherheitsanforderungen

Bei der Harmonisierung der Sicherheitsanforderungen hat sich die Devise "Europäisch denken und handeln" demgegenüber schon ausgezahlt. Denn die verpflichtende Umstellung vom Magnetstreifen auf die EMV-Chiptechnologie hat zu einem spürbar höheren Sicherheitsniveau geführt. Und die Tatsache 7) , dass zwar nur 2 Prozent aller Kartentransaktionen außerhalb des Sepa-Raumes initiiert werden, aber rund 25 Prozent der gesamten Schäden ausmachen, zeigt deutlich, dass es im Zweifel richtiger ist, sich an eigenen, ehrgeizigeren Maßstäben zu orientieren als am globalen Durchschnitt. Doch auch hier gilt: Ausruhen ist keine Option. Besorgniserregend ist insbesondere der Betrug mit Zahlungskarten ("card not present"), der mittlerweile für 60 Prozent aller Schadensfälle mit innerhalb von Sepa ausgegebenen Karten steht. Dieses spiegelt sich auch in den im Vergleich mit Debitkarten signifikant höheren Schadensquoten bei Kreditkarten wider.

Regulierungsarbitrage verhindern

Die Sicherheit im Zahlungsverkehr ist dabei den Zentralbanken ein besonderes Anliegen. Vor diesem Hintergrund wurde das SecuRe Pay Forum gegründet, eine freiwillige Kooperation von Bankenaufsehern und Zahlungsverkehrsüberwachern aus ganz Europa unter dem Vorsitz der EZB und mit der Europäischen Kommission und Europol als Beobachtern. Ziel des SecuRe Pay Forums ist die Identifizierung von sicherheitsrelevante Schwachstellen im Zahlungsverkehr und, daran anknüpfend, die Erarbeitung harmonisierter Mindestanforderungen. Damit soll die Sicherheit im Massenzahlungsverkehr verbessert, gleiche Wettbewerbsbedingungen gefördert und Regulierungsarbitrage verhindert werden. Das Forum macht Zahlungsdienstleistern keine Vorgaben zu technischen Lösungen, sondern greift auf das Prinzip des "Comply or explain" zurück. Die Implementierung der Empfehlungen erfolgt auf nationaler Ebene durch Bankenaufsicht und Zahlungsverkehrsüberwachung, die in Deutschland bei der Bundesbank angesiedelt ist.

Bis zum 1. Februar 2015 sollten beispielsweise die Empfehlungen für die Sicherheit von Internetzahlungen umgesetzt sein, die auch Kartenzahlungen im Internet betreffen. Dieser ursprüngliche Zeitplan könnte allerdings durch eine mögliche grundsätzliche Verankerung der Empfehlungen in der PSD II oder eine verbindliche Vorgabe der Europäischen Bankenaufsicht EBA für die nationalen Behörden in Gefahr geraten. Inhaltlich wird besonders die Anforderung nach starker Kundenauthentisierung unter Verwendung zweier unterschiedlicher und unabhängiger Faktoren sowie - fast noch mehr - über die zulässigen Ausnahmetatbestände diskutiert.

Sowohl für Anbieter wie auch für Regulatoren ist es wichtig, die richtige Balance zwischen Sicherheit und Nutzerfreundlichkeit zu finden. Denn nahezu alle Studien zeigen, dass ein hohes subjektives Sicherheitsgefühl und hoher Nutzerkomfort wesentliche Faktoren für den Erfolg eines Zahlungsproduktes darstellen.

4. Aufgabe - Harmonisierung der Interbankentgelte bewältigen

Sehr unterschiedlich zeigt sich Europa auch im Hinblick auf die Interbankenentgelte. Die EU-Kommission zieht daraus eindeutige Schlussfolgerungen: Die Preise seien zu hoch, ein Preiswettbewerb innerhalb der Länder und im europäischen Binnenmarkt bestehe praktisch nicht und neue Anbieter mit weniger attraktiveren Entgeltmodellen für kartenausgebende Institute seien außen vor. Der europäische Kartenmarkt bliebe damit weit hinter seinen Möglichkeiten zurück.

Da die Zentralbanken in Europa keine wettbewerbspolitische Kompetenz haben, tun sie gut daran, sich in diesen komplexen Fragestellungen zurückzuhalten. Dennoch ist der Vorschlag der EU-Kommission für eine Verordnung über "Interbankenentgelte für kartengebundene Zahlungsvorgänge" grundsätzlich zu begrüßen. 8)

Denn die Investition in die Modernisierung oder den Aufbau neuer Infrastrukturen im Zahlungsverkehr macht hohe Investitionen notwendig, die sich schlecht mit dem Risiko in Einklang bringen lassen, dass Zulässigkeit oder Höhe von Interbankenentgelten erst im Nachhinein und einzelfallbezogen durch die zuständigen Behörden oder Gerichte geklärt werden. Stabile regulatorische Rahmenbedingungen sind für die Zahlungsverkehrsindustrie unverzichtbar. Die nun diskutierten Regeln sollten hier zumindest die notwendige Klarheit schaffen.

Trotz noch laufender Verhandlungen dürfte es auf einen Höchstsatz von 0,2 Prozent für Debit- und 0,3 Prozent für Kreditkarten hinaus laufen. Dabei geht in der Diskussion aber häufig unter, dass wohl die erst spät vom EU-Parlament vorgeschlagene absolute Obergrenze für Interbankenentgelte bei Debitkartenzahlungen die größeren Auswirkungen haben dürfte. Hier will das EU-Parlament ein Maximum von 7 Cent. Im ec-cash-System waren bisher 8 Cent als Minimum vorgesehen. Bezogen auf den Durchschnittsbetrag von 56,54 Euro je Transaktion mit Debitkarten in Deutschland würde den Kartenherausgebern statt der ursprünglich postulierten Deckelung bei 0,2 Prozent nur noch ein Entgelt von 0,12 Prozent zugestanden.

Ob die Regelungen in jedem Fall auf nationale Debitkartensysteme anwendbar sind, wird in manchen Ländern - so auch in Deutschland - bezweifelt. Denn hier hat das Bundeskartellamt im deutschen Debitkartensystem ec-cash die systemeinheitlichen Händlerentgelte aufgebrochen. Ab Anfang November 2014 werden nur noch bilateral ausgehandelte Entgelte - zum Teil auch unter Bündelung auf Händler- und Issuer-Seite - möglich sein. Die Umsetzung dieser Regelung ist für alle Beteiligten zwar sehr aufwendig, schafft aber wettbewerbliche Strukturen. In jedem Fall werden die EU-einheitlichen Regelungen über den europäisch gewünschten Wettbewerb eine Benchmark-Wirkung entfalten. Und die Richtung ist klar: Die Erträge aus der Interchange Fee reduzieren sich für Kartenherausgeber deutlich. Dabei kann offen bleiben, ob es sich letztlich um die von der EU-Kommission genannten 1,1 Milliarden Euro handeln wird oder "nur" um mittlere dreistellige Millionenbeträge, die sich aus manchen Expertenschätzungen ableiten lassen.

Handlungsbedarf besteht deshalb für jeden Emittenten und jedes Kartenzahlungssystem. "Europäisch denken und handeln" heißt: Aktiv die eigene Rolle im europäischen Kartenzahlungsverkehr gestalten.

Die Zukunft im Zahlungsverkehr - wer hat künftig das Sagen?

Ihre inzwischen erreichte große Bedeutung bietet eine günstige Ausgangssituation für die "Karte" im Zahlungsverkehr der Zukunft. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass die Zahlungskarte - wenn auch nicht mehr unbedingt in Form der traditionellen physischen Plastikkarte - häufig die Basis für innovative Zahlungsprodukte darstellt:

- schnelles kontaktloses Bezahlen mit einer Zahlungskarte,

- Integration von Zahlungskarten in elektronische Geldbörsen; zum Beispiel die Geldkarte in Deutschland oder Apple Pay in den USA und

- Nutzung von Mobiltelefonen als Akzeptanzterminal, um insbesondere die Nutzung von Kartenzahlungen bei kleineren Händlern beziehungsweise Dienstleistern zu steigern.

Alle drei Beispiele zeigen, dass noch weiteres Wachstumspotenzial im Kartenzahlungsverkehr besteht. Das gilt angesichts der weit unterdurchschnittlichen Nutzungszahlen in Europa gerade auch in Deutschland. Und ein höheres Transaktionsvolumen könnte helfen, die unter Druck geratene Ertragslage zu stabilisieren.

Banken drohen ins Hintertreffen zu geraten

Bislang werden solche Investitionen allerdings stark von den internationalen Kartengesellschaften getrieben. Hier muss die deutsche beziehungsweise europäische Kreditwirtschaft darauf achten, mit ihren Produkten nicht ins Hintertreffen zu geraten. Insofern ist es unbefriedigend, dass die kontaktlose Nutzung der Girocard oder die Nutzungsmöglichkeit der Girocard im Internet noch nicht über das Planungsstadium hinausgekommen sind. Denn gleichzeitig hat sich in den letzten Jahren die Dynamik im Zahlungsverkehr deutlich verstärkt (Abbildung 4).

Dabei spielen Nichtbank-Anbieter eine immer größere Rolle 9). Aus Sicht der traditionellen Anbieter mag es versöhnlich klingen, dass die Nichtbanken ihre Dienste häufig "nur" im Zugangskanal des traditionellen Zahlungsverkehrs anbieten. Damit nutzen sie für ihre Angebote Kartenzahlungen oder andere Zahlungsinstrumente, ersetzen sie aber nicht. Gleichzeitig bleibt aber festzuhalten, dass sie auch (potenzielle) Ertragsbestandteile, die bisher den klassischen Anbietern vorbehalten waren, absaugen. Und sie zielen mit ihren Angeboten auf den direkten Kontakt zum Kunden; das als Basis fungierende Zahlungsprodukt tritt immer mehr in den Hintergrund. Zudem können einige Nichtbanken wie etwa Telefongesellschaften mit ihrer großen Kundenbasis die notwendige kritische Masse generieren, ohne die im Zahlungsverkehr Innovationen nicht erfolgreich am Markt positioniert werden können. Insoweit spricht viel für eine weiter steigende Bedeutung von Kooperationsmodellen zwischen traditionellen und neuen (Nichtbank-)Anbietern im Zahlungsverkehr.

Spannend wird auch die Diskussion um die Einführung einer Echtzeit-Abwicklung im Massenzahlungsverkehr. In zahlreichen Ländern sind solche Systeme in Planung oder schon im Einsatz; in Europa sind hier etwa UK und Schweden zu nennen. Es ist wahrscheinlich, dass der revolutionäre Umbruch in der Kommunika tionstechnik während der letzten 20 Jahre nicht ohne Auswirkung auf den Zahlungsverkehr bleiben wird. Denn mit der sekundenschnellen Versendung von E-Mails und SMS steigt die Erwartungshaltung der Zahler auch an das Ausführungstempo im Zahlungsverkehr. Im Sepa-Zahlungsverkehr sucht man bislang aber noch erfolglos nach Antworten auf diese Herausforderung.

Schließlich ist nicht ganz auszuschließen, dass sich ganz neue alternative Bezahlsysteme etablieren. Dieses könnte zum Beispiel eine Folge der Strukturumwälzungen durch die Internetwirtschaft und den sich dabei herausbildenden neuen Ökosystemen sein. Nicht wenige erwarten auch, dass sich durch technologische Weiterentwicklungen neue, innovative Bezahlsysteme herausbilden, die Zahlungsverkehr schneller und günstiger abwickeln können.

Nach der bisherigen Erfahrung in Deutschland verändern sich Zahlungsgewohnheiten nur langsam. Doch der boomende Online-Handel hat in den letzten Jahren für eine ganz neue Herausforderung im Zahlungsverkehr gesorgt. Vor diesem Hintergrund haben in den letzten Jahren etablierte Anbieter in verschiedenen Wirtschaftszweigen die schmerzhafte Erfahrung machen müssen, dass doch schneller als erwartet neue Nutzungsgewohnheiten entstehen können.

Gerade angesichts dieses Strukturwandels geht es bei "Sepa for Cards" nicht nur um ein europäisches Harmonisierungs- oder Integrationsprojekt, sondern generell um die die Förderung von mehr Wettbewerb, Innovation und Effizienz. Dieses steht im Übrigen nicht nur in Europa, sondern auch in vielen anderen Ländern (zum Beispiel USA, Australien) auf der Agenda. "Statt Gewohntes zu bewahren Neues erschließen" - dieser Ruf hallt nicht nur in Europa. Zu hoffen ist, dass er die Marktteilnehmer erreicht - denn letztlich können nur sie für Wettbewerb, Innovation und Effizienz sorgen.

Fußnoten

1) Quelle: Payment Statistics, ECB, August 2014 (Basis 2013).

2) In den Zahlenangaben enthalten sind die Committee on Payments and Market Infrastructure (CPMI) vertretenen Länder, das bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich angesiedelt ist. Quelle: Red Book statistical update, BIS, December 2013 (Basis 2012).

3) BRIC: Brasilien, Russland, Indien, China.

4) Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Interbankenentgelte für karten gebundene Zahlungsvorgänge/COM/2013/0550 final - 2013/0265 (COD).

5) Open Standard for Cards.

6) In der CSG sind alle am Kartenzahlungsverkehr beteiligten Parteien vertreten: Handel, Hersteller von Karten und Terminals, Prozessoren, Kartensysteme und vom EPC benannte Bankenvertreter.

7) Vergleiche Third Report on Card Fraud, ECB, Februar 2014

8) Vergleiche dazu auch Card Payments in Europe - A renewed focus on Sepa for cards, ECB, April 2014.

9) Vergleiche Non Banks in Retail Payments, BIS, September 2014.

Der Beitrag basiert auf einem Vortrag des Autors auf dem Bankkarten-Forum 2014 und gibt die persönliche Meinung des Verfassers wider, die nicht notwendigerweise mit der Meinung der Bundesbank oder des Eurosystems übereinstimmen muss.

Zum Autor Dirk Schrade, Ständiger Vertreter des Zentralbereichsleiters Zahlungsverkehr und Abwicklungssysteme, Deutsche Bundesbank, Frankfurt am Main.
Dirk Schrade , Ständiger Vertreter des Zentralbereichsleiters Zahlungsverkehr und Abwicklungssysteme , Deutsche Bundesbank

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