Märkte

Zahlverhalten: Deutschland bleibt eine Ausnahme

Die 2009 von der deutschen Bundesbank veröffentlichte Studie über Zahlungsverkehr hat den Ausnahmestatus des deutschen Kartenmarktes unter den Industrieländern bestätigt. Die ausführliche Studie über das Zahlungsverhalten deutscher Konsumenten hat gezeigt, dass Bargeld immer noch die überwiegend bevorzugte Zahlungsmethode ist. Bargeld erfüllt am besten die Kriterien der Konsumenten bei der Entscheidung über die vorteilhafteste Zahlungsmethode.

Somit bleibt Deutschland eine Ausnahme vom allgemeinen Trend zu Kartenzahlung in entwickelten Märkten. Obwohl die Studie der Bundesbank auch gezeigt hat, dass sich die Lage mit der kontinuierlich steigenden Kartenakzeptanz von Einzelhändlern und der wachsenden Vertrautheit der Konsumenten mit der Kartenzahlung langsam ändert, ist diese Entwicklung nicht so rasant wie in anderen Märkten. Sogar das kleinere Nachbarland Schweiz hat in den letzten Jahren schnelleres Wachstum bei den Kartenzahlungen gezeigt.

Was muss noch passieren, bevor deutsche Konsumenten die Kartenzahlung völlig annehmen? Und wann kommt der zwangsläufige Wendepunkt? Ein internationaler Vergleich von Trends im Konsumentenzahlungsverkehr gibt einen Einblick in die Faktoren, die ein zukünftiger "Boom" in deutscher Kartenbenutzung vorantreiben könnten.

Karten von der Krise kaum beeinflusst

In den USA, Großbritannien und Frankreich ist die Nutzung von Debitkarten auf ein jährliches Niveau von über 60 Transaktionen pro Karte angestiegen. Die südlichen Nachbarn der Deutschen, Österreich und die Schweiz, haben auch einen deutlichen Wachstumstrend gezeigt: auf über 30 Transaktionen pro Debitkarte 2009. Der deutsche Markt hat hingegen eine im Vergleich niedrigere, stagnierende Entwicklung gesehen. Der jährliche Durchschnitt von Transaktionen pro Kreditkarte (Revolving) ist zwischen 2005 und 2009 sogar gesunken, von 9,2 auf 8,4, während sich der jährliche Durchschnitt von Transaktionen pro Debitkarte kaum entwickelt hat, von 22,4 im Jahr 2005 auf 22,6 Transaktionen 2009.

Der Anstieg von Kartenzahlungen in den anderen Industrieländern hat sich als praktisch unaufhaltsam erwiesen. Besonders in den USA und Großbritannien nahmen Faktoren wie aggressives Wachstum von revolvierenden Kreditkarten vor der Finanzkrise und ein blühendes Angebot von Rewards-Karten eine Schlüsselrolle für diesen Trend ein. Während einige Marktbeobachter einen möglichen Rückwärtstrend im Kartenzahlungsverhalten während der Rezession prognostiziert haben, hat sich die Anzahl von Kartentransaktionen fast unbeeinflusst weiterentwickelt. PoS-Transaktionen mit Debitkarten wiesen im Jahresvergleich in allen großen Ländern sogar ein positives Wachstum auf, während die Anzahl von PoS-Transaktionen mit Kreditkarte nur in ein paar Märkten gesunken ist - größtenteils zugunsten vermehrter Debitkartennutzung.

Infolge dieser Entwicklungen hat sich in den meisten Industrieländern auch das Verhältnis zu Bargeldabhebungen kontinuierlich verändert. In der Schweiz ist zum Beispiel die Anzahl von Geldautomaten von einem Höchststand von 6228 zum ersten Mal gesunken - auf 6212 im Januar 2010. Der sinkende Anteil von Bar geldabhebungen an allen Kartentransaktionen ist unzweifelhaft ein Faktor in dieser Entwicklung gewesen. So sind Bar geldabhebungen von einem Anteil von 18 Prozent an allen Kartentransaktionen in der Schweiz im Jahr 2008 auf 17 Prozent 2009 gesunken; Euromonitor erwartet einen weiteren Rückgang auf 16,5 Prozent bis Ende 2010. Im Vergleich dazu waren in Deutschland 2009 noch über 45 Prozent aller Kartentransaktionen Bargeldabhebungen.

Quasi kostenlose Karten in den angelsächsischen Märkten

Welche Faktoren treiben Zahlungsverhalten in anderen Märkten? Ein genauerer Blick auf die Unterschiede im Zahlungsverhalten zeigt, dass Industrieländer in verschiedene Gruppierungen aufgeteilt werden können.

Zum Beispiel waren lockere Kreditkonditionen in vielen angelsächsischen Ländern für das Zahlungsverhalten in der "Pre-crisis"-Periode ein großer Faktor. Viele Kartenemittenten in den USA haben sich auf komplexe Gebührensysteme gestützt, um "kostenlose" und zinsfreie Kreditkarten anzubieten. Sie konnten sich solche Low-Margin-Portfolios und verbundene Prämienprogramme durch Einnahmen beispielsweise von Säumniszuschlägen und Overlimit-Gebühren leisten. Man könnte sogar behaupten, dass das Konzept einer Kreditkarte mit einer fixen jährlichen Gebühr vor der Finanzkrise in den USA die Ausnahme gegenüber der scheinbar "kostenlosen" Karte war.

Während diese quasi kostenlose Zahlungsflexibilität - oft mit attraktiven Prämien verbunden - viele Konsumenten dazu getrieben hat, Ausgaben außerhalb ihrer eigentlichen Zahlungskapazität zu machen, hat es auch zu einem deutlich schnelleren Wachstum von Kartenzahlungen während der letzten 20 Jahre in diesen Ländern geführt. Konsumenten in den USA, Großbritannien, Kanada und Australien generierten im Jahr 2009 nicht nur ungefähr doppelt so viel PoS-Transaktionen pro Kreditkarte wie deutsche Konsumenten, sondern auch deutlich mehr PoS-Transaktionen pro Debitkarte. Die Kanadier führen diese Gruppe an mit über 103 PoS-Transaktionen pro Debitkarte 2009.

Schweiz und Frankreich: Co-Branding als Treiber

Die Schweizer sind von noch anderen Faktoren motiviert worden, um immer häufiger mit Karte zu bezahlen. Schweizerische Konsumenten zeigten eine noch höhere Intoleranz für Schulden als deutsche, mit unter 2 000 Euro in ausstehenden Konsumentenkreditschulden pro Kopf Ende 2009. Das führt dazu, dass die Schweiz kein natürliches Brutgebiet für kreditgebundenes Wachstum in Kartenzahlungen gewesen ist. Auf der anderen Seite hat sich der schweizerische Markt verglichen mit benachbarten Märkten als offenes Co-Branding-Konzept erwiesen. Tatsächlich war die Einführung von Co-Branded-Karten der Finanzinstitute mit den großen Einzelhändlern Migros-Gruppe und Coop Genossenschaft 2006 ein Wendepunkt für das Zahlungsverhalten in der Schweiz. Infolgedessen ist die Anzahl von PoS-Transaktionen mit Kreditkarten im Markt im gleichen Jahr im Vorjahresvergleich um beeindruckende 17 Prozent gestiegen. Dieser Entwicklung folgte ein Anstieg der PoS-Transaktionen mit Debitkarte um elf Prozent im nächsten Jahr. Auch die Anzahl von Kreditkarten in der Schweiz stieg 2006 um 13 Prozent auf fast 3,7 Millionen Karten. Die Migros-Gruppe hat mittlerweile durch die Beliebtheit der Co-Branded-Karten einen Anteil von fünf Prozent aller Karten in der Schweiz aufgebaut (Stand Ende 2009).

Ähnliche Entwicklungen sind auch in Frankreich seit dem Ende des nationalen Co-Branding-Verbotes 2007 beobachtet worden. Es waren wieder die großen Einzelhändler im Markt und deren Finanzinstitute, die die größte Rolle für den Erfolg von Co-Brandings spielten. Die Société des Paiements PASS (S2P), das Joint Venture von Carrefour SA und BNP Paribas Personal Finance und die Banque Accord von Groupe Auchan sind durch ihre schon große Basis von Private-Label-Kartennutzern ziemlich schnell führend im Bereich der Co-Branded-Karten geworden. Der französische Markt sah dementsprechend 2008 im Jahresvergleich ein zehnprozentiges Wachstum in der Anzahl von PoS-Transaktionen mit Kreditkarten. Weiteres Wachstum der Kartennutzung durch Co-Branding-Programme ist in Frankreich zu erwarten, da besonders S2P und Banque Accord ihre Portfolien noch weiter ausbauen.

Japan: Das asiatische Deutschland im Zahlverhalten

Auf der anderen Seite des Spektrums und viel weiter entfernt als die schon erwähnten europäischen Nachbarn ist der japanische Markt ein Beispiel einer klassischen Bar geldkultur. Japanische Konsumenten sind den Deutschen im Zahlverhalten auffallend ähnlich, abgesehen von der Tatsache, dass Kreditkarten in Japan als Hauptkartenzahlungsmethode bevorzugt sind. Während deutsche Konsumenten 2009 pro Person 27,7 PoS-Transaktionen mit Debitkarte und 0,7 PoS-Transaktionen mit Kreditkarte getätigt haben, waren es bei den Japanern 27,6 PoS-Transaktionen mit Kreditkarte und 0,1 Transaktionen mit Debitkarte.

Es ist allerdings zu beachten, dass japanische Konsumenten überwiegend ihre Kreditkartenrechnungen in voller Höhe monatlich bezahlen statt die Revolving-Credit-Funktion zu benutzen. Schuldenaversion ist immer noch tendenziell ein gemeinsamer Charakterzug von japanischen und deutschen Verbrauchern.

Das Debitzahlungsverfahren hat sich in Japan relativ spät entwickelt: Das heimische Debitnetzwerk J-Debit (Japan Debit Card Promotion Association), das Äquivalent des deutschen Girocard-System, ist erst 1999 eingeführt worden. J -Debit hat nur langsam und mit Schwierigkeiten die allgemeine Kartenakzeptanz aufgebaut, mit Ende 2009 nur 300 000 Terminals im Land. Vor allem die wöchentliche Abwicklung und mangelnde Prämien oder andere Promotions sind angeblich daran schuld. Insofern sind Kreditkarten praktisch die "Default"-Kartenzahlungsmethode. Eine Tatsache, die dazu führt, dass Kartenzahlung für jüngere und finanziell benachteiligte Konsumenten eher unmöglich ist, während Konsumenten mit einer generellen Aversion gegen Schulden noch einen Grund mehr dafür haben, mit Bargeld zu bezahlen.

In diesem Umfeld spielt Bargeld noch die klare Hauptrolle im Zahlverhalten. Noch 2009 machten Bargeldabhebungen über 35 Prozent der gesamten Kartentransaktion (ohne Prepaid) in Japan aus - nicht weit hinter dem deutschen Anteil von 45 Prozent an allen Transaktionen (mit Ausnahme von Prepaid).

Die deutsche Erfahrung im Kontext

Obwohl das Kartenzahlungsverhalten in Deutschland hinter den Entwicklungen in einigen benachbarten Ländern zurückliegt, ist der deutsche Markt natürlich nicht ganz von den allgemeinen Wachstumstrends in Kartenzahlungen isoliert geblieben. Das erfolgreiche Payback-Kundenbindungsprogramm ist zum wichtigen Co-Branding-Partner für die WestLB geworden, während das "Miles and More"-Co-Branding-Programm von Lufthansa und Deutscher Kreditbank sich zu einer der führenden Travel-Rewards-Karten in Europa entwickelt hat.

Nichtsdestotrotz, das Wachstumsmomentum für Kartenzahlungen, das durch solche Entwicklungen in anderen Märkten erfahren worden ist, hat sich im deutschen Markt nicht ganz wiederholt. Obwohl die Anzahl von PoS-Transaktionen mit Kreditkarten 2006 einen deutlichen Anstieg von neun Prozent im Jahresvergleich gesehen hat - höchstwahrscheinlich zum Teil angetrieben durch die Einführung der Co-Branded-Payback-Karte mit Zahlungsfunktion -, schwankt das jährliche Wachstum von PoS-Transaktionen seitdem um die fünf Prozent oder leicht darunter.

Während aber die deutliche Präferenz für Barzahlung sowohl seitens der Konsumenten als auch der meisten Einzelhändler der grundlegende Faktor hinter der langsameren Entwicklung von deutschen Kartenzahlungen ist, spielt die heutige Struktur der Kartenemission in Deutschland ebenfalls eine Rolle.

Zurückhaltung des deutschen Einzelhandels

Mit der Ausnahme der Karstadt-Quelle Bank (jetzt Valovis Commercial Bank) haben sich wenige deutsche Einzelhandelskonzerne vom gleichen Niveau wie Migros in der Schweiz oder Auchan und Carrefour in Frankreich für die Emission von Zahlungskarten interessiert. Obwohl die Metro AG eine Rolle in der Einführung des Pay-back-Programms gespielt hat, hat sich der Konzern von Investitionen in die Emission von Zahlungskarten ferngehalten.

Ohne die Markenstärke und Präsenz der Einzelhändler, um die Verteilung von Karten und deren aktive Nutzung im täglichen Geschäft zu unterstützen, wird es diesen Anschub von Kartenzahlungen, ausgelöst durch den Co-Branding-Trend, wie er in der Schweiz und in Frankreich zu beobachten war, in Deutschland wohl nicht geben.

Außerdem haben die Berichte über Probleme mit der Kartensicherheit im ver gangenen Jahr dazu beigetragen, das Wachstum von Kartenzahlungen in Deutschland weiter zu bremsen. Darüber hinaus kommt die Tatsache zum Tragen, dass deutsche Einzelhändler im internationalen Vergleich ohnehin mit niedrigeren Margen zu kämpfen haben und daher ver suchen werden, alle möglichen kartenbezogenen Zusatzkosten zu vermeiden, selbst wenn sich die Märkte in den nächsten Jahren bessern sollten.

Während also die allgemeine Kartennutzung aufgrund der ständigen Bemühungen der Kartennetzwerke und Emittenten voraussichtlich kontinuierlich steigen wird, bleibt der deutsche Markt in vorhersehbarer Zeit eine Ausnahme.

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