Ausland

Das Kartengeschäft in der GUS

Das Schicksal der Bankkarten in den ehemaligen Republiken der Sowjetunion ist voller Ironie. Von einem Attribut des kapitalistischen Westens wurden sie in den neunziger Jahren zu dem begehrten Statussymbol der Neurussen. Im Laufe der nachfolgenden Reformen des Bankwesens und der Modernisierung des Zahlungsverkehrs verloren die Karten ihren Stellenwert als Luxusobjekt. Immer mehr Menschen kamen in den Besitz einer Bankkarte.

Seit 2001entwickelt sich der Kartenmarkt in einem beeindruckenden Tempo. Allein 2008 stieg die Kartenzahl in der GUS1) durchschnittlich um 40 Prozent. Innerhalb von sieben Jahren wurde in den meisten GUS-Ländern eine breite Infrastruktur für bargeldlose Kartenzahlung ausgebaut. Die noch vor Kurzem seltenen Geldautomaten gehören bereits zum Alltag. Dennoch ist der Markt weit davon entfernt, gesättigt zu sein, sein Potenzial ist enorm.

Für das weitere Wachstum der Branche ist ein solides Fundament bereits gelegt. Der Markt hat jedoch in der Zukunft noch viele Probleme zu lösen: Die meisten Bankkarten werden in der GUS lediglich für Bargeldabhebung eingesetzt. Die Anzahl der bargeldlosen Kartenzahlungen bleibt gering. Auf dem Land sowie bei der älteren Generation findet das Plastikgeld immer noch keine Akzeptanz.

Spitzenreiter Ukraine

Zu Beginn des zweiten Halbjahres 2009 befanden sich in der GUS etwa 194,4 Millionen Karten im Umlauf, was im Mittelwert sieben Karten pro zehn Einwohner ausmachte. Regional war die Verbreitung der Karten jedoch sehr ungleichmäßig. Während im europäischen Teil der GUS inklusive Russland auf zehn Einwohner 8,7 Karten entfielen, betrug die Kennzahl in den kaukasischen Republiken und in Zentralasien jeweils 4,9 und 2,2 Karten. Unter allen GUS-Ländern nimmt derzeit die Ukraine die Spitzenposition nach der Kartenverbreitung ein, gefolgt von Russland und Georgien (siehe Abbildung 1). In Zentralasien ist Kasachstan der absolute Leader im Kartengeschäft. 2008 stieg die Kartenzahl in Kasachstan um 28 Prozent und erreichte knapp 4,7 Karten pro zehn Einwohner. Am wenigstens entwickelt bleiben die Kartenmärkte Tadschikistans und Kirgistans, obwohl der Letzte 2008 den größten Zuwachs auswies (plus 91 Prozent).

Rückläufiger Trend beim Revolving Credit

Die meisten in der GUS emittierten Karten gehören den internationalen Systemen Visa und Mastercard an. Ihr Anteil beträgt in Georgien, Kasachstan und Moldau über 93 Prozent, in Belarus 89 Prozent und in Russland 85 Prozent. Der Aufbau eines eigenen Kartenzahlungssystems erfordert beträchtliche finanzielle Ressourcen und spezifische Fachkenntnisse, die zurzeit in der GUS fehlen. Lediglich Armenien und Kirgistan gaben den Vorrang ihren nationalen Zahlungssystemen Arca und E-Card, die die heimischen Kartenmärkte mit jeweils 55 und 61 Prozent beherrschen.

Der in den letzten Jahren in der GUS stattgefundene Kreditboom gab in einigen Ländern den Anstoß zur Verbreitung von Kreditkarten. So stieg 2007 die Anzahl der Kreditkarten in der Ukraine um 65 Prozent. In Georgien wuchs 2008 der Marktanteil der Kreditkarten von 7,9 Prozent bis auf 15,4 Prozent. In den ersten sechs Monaten 2009 wechselte sich jedoch die Tendenz. Der Kreditkartenanteil ging in Geor gien auf elf Prozent und in der Ukraine von 25 Prozent auf 20 Prozent zurück. Der Rückgang ist auf die Verteuerung der Kredite sowie die gesunkene Kaufkraft der Bevölkerung zurückzuführen.

Regulative Maßnahmen treiben Akzeptanz voran

Die Ausbreitung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs wurde in allen GUS-Ländern zu einem der primären geldpolitischen Ziele erklärt. Deswegen erfolgt der Ausbau der Infrastruktur für Kartenzahlungen unter der direkten Patronage seitens der nationalen Zentralbanken, die den Prozess häufig mittels regulativer Maßnahmen vorantreiben. So werden zum Beispiel Handelsunternehmen oft verpflichtet, ab einem gewissen Umsatzvolumen Kartenakzeptanzstellen zu installieren. Diese administrative Lenkung brachte für den Kartenmarkt positive Er gebnisse.

Innerhalb von wenigen Jahren wurden in der GUS Tausende Akzeptanzstellen (PoS) eingerichtet. Allein 2008 erhöhte sich ihre Anzahl um 40 Prozent.2) Am stärksten wuchs der PoS-Bestand in Usbekistan (plus 55 Prozent) sowie in Aserbaidschan (plus 53 Prozent). Derzeit sind unter den GUS-Ländern Russland und die Ukraine am besten mit den PoS gedeckt, wo deren Zahl jeweils 24 und 22 PoS pro 10 000 Einwohner beträgt. In Kirgistan und Tadschikistan ist dagegen das PoS-Netz kaum entwickelt (siehe Abbildung 2).

Karteninfrastruktur überwiegend in den Hauptstädten

Im Gleichschritt mit dem Anstieg der Kartenmenge nimmt auch die Zahl der Geldautomaten in der GUS zu (2008: plus 30 Prozent). Die beste Versorgung genießen Karteninhaber in der Ukraine, Russland und Kasachstan mit je 62, 50 und 45 Geräten pro 100 000 Einwohner. Die Bargeldabhebung im restlichen Zentralasien bleibt problematisch. In Tadschikistan und Usbekistan gab es Ende 2008 lediglich 98 beziehungsweise 172 Geldausgabeautomaten, was einen enormen Nachholbedarf des zentralasiatischen Kartenmarkts widerspiegelt.

Neben den insgesamt positiven Fortschritten weist die Entwicklung der Karteninfrastruktur in der GUS einen negativen Trend auf. Die meisten Geldautomaten und PoS-Terminals im Einzelhandel sind in Haupt-

beziehungsweise Großstädten konzentriert. In Armenien und Tadschikis tan befinden sich 65 Prozent aller ATM in der Hauptstadt, in Aserbaidschan entfallen 57 Prozent der Geldautomaten sowie 91 Prozent der PoS-Terminals auf Baku, in Russland sind 42 Prozent aller Geldautomaten und PoS in Moskau und der Moskauer Region platziert.

Vorwiegend Bargeldtransaktionen

Laut dem World Payments Report 2009 von Capgemini stieg 2008 die Zahl der Kartentransaktionen in den USA um 7,7 Prozent und in Westeuropa um 11,2 Prozent. Die Länder der GUS übertrafen weit den internationalen Wachstumstrend. Die Zahl der Karteneinsätze stieg hier durchschnittlich um etwa 40 Prozent. Besonders stark wuchs die Zahl der Transaktionen in Georgien (plus 77 Prozent) und Armenien (plus 49 Prozent). Auch der Umfang der Kartentransaktionen nahm in der GUS beachtlich zu. Der Zuwachs betrug in der Ukraine 65 Prozent, in Kirgistan 62 Prozent, in Armenien und Georgien jeweils 53 Prozent und 50 Prozent.

Die Häufigkeit der Karteneinsätze weist innerhalb der GUS dimense Unterschiede auf. Während im ersten Halbjahr 2009 in den meisten GUS-Ländern jede Bankkarte im Durchschnitt 8,2-mal eingesetzt wurde, war jede georgische Karte lediglich 4,8mal im Einsatz. Hingegen benutzten in Belarus die Karteninhaber ihre Karten sogar öfter als in Deutschland, nämlich 29,5-mal (siehe Abbildung 3). So eine große Kluft entsteht vor allem dadurch, dass in vielen GUS-Ländern der Anteil nicht aktiver Karten im Umlauf sehr hoch ist. Allein in der Ukraine wurden 14,7 Millionen Karten (33 Prozent aller Karten) seit einem Jahr niemals verwendet.

Trotz dynamischer Entwicklung der Infrastruktur für Kartenzahlungen beschränken sich die meisten Karteneinsätze in der GUS auf Bargeldabhebung. Im ersten Halbjahr 2009 belief sich der Anteil der Bargeldabhebungen im Durchschnitt auf 84 Prozent aller Kartentransaktionen. In Kirgistan und Moldau lag der Anteil sogar über 95 Prozent. Lediglich in Belarus wur den die Karten für bargeldlose Zahlungsabwicklung aktiv verwendet. Die bargeldlosen Kartenzahlungen machten hier 45 Prozent aller Kartentransaktionen aus.

Probleme und Zukunftsaussichten

Ein Vergleich der Kartenmärkte der Balti-kum-Länder und Deutschlands mit den GUS-Märkten offenbart eine deutliche Diskrepanz in ihrer Entwicklung und weist gleichzeitig auf einen hohen Nachholbedarf in der GUS hin.

Trotz guter Fortschritte bleibt die Infrastruktur für bargeldlose Kartenzahlungen in der GUS unzureichend ausgebaut.

Der Karteneinsatz erfolgt zwei- bis dreimal seltener als im Baltikum. Die Bevölkerung will auf Bargeld nicht verzichten. Insbesondere der älteren Generation sowie der ländlichen Bevölkerung fällt der Übergang zur bargeldlosen Zahlungsabwicklung sehr schwer.

Viele Handelsbetriebe bemühen sich schon, das Interesse der Karteninhaber an einer bargeldlosen Kartenzahlung durch diverse Discountaktionen zu wecken. Dennoch existieren noch in der GUS mehrere Handelsfirmen, welche die Verbreitung von PoS-Terminals bewusst bremsen. So bevorzugen viele Geschäfte in Zentralasien traditionell die Bargeldzahlung. Einige Unternehmen verzichten auf Zahlungsterminals, um ihre wahren Erträge der Finanzbehörde zu verheimlichen: Barumsätze sind schwerer kontrollierbar.

Meist nicht international akzeptiert

Negativ wirkt sich auf die Popularität der Bankkarten in der GUS ihre eingeschränkte Einsetzbarkeit aus, der das Misstrauen ausländischer Kreditinstitute gegenüber den in der GUS emittierten Karten zugrunde liegt. Mit den meisten Karten kann man im Ausland keine Zahlung vornehmen und kein Bargeld abheben. Sogar innerhalb der GUS werden die Bankkarten aus benachbarten Ländern häufig nicht akzeptiert. Auch internationale Online-Händler nehmen Kartenzahlungen aus der GUS selten an.

Eine regionale Ausweitung des Kartenmarkts auf Kleinstädte und das Land ist in der absehbaren Zukunft in der GUS nicht zu erwarten. Zum einen erfordert es enorme finanzielle Investitionen, die heutzutage fehlen. Zum anderen akkumulieren sich

das Gesamteinkommen der Bevölkerung sowie ihre Konsumausgaben größtenteils in Haupt- und Großstädten. Deswegen wird sich das Kartengeschäft weiterhin auf diese Städte konzentrieren.

Dynamische Entwicklung zu erwarten

Der derzeit erstarrte Kreditkartenmarkt er hofft sich nach einer Verbesserung der Konjunkturlage in der GUS eine Wiederbelebung. Insbesondere in den Ländern mit überwiegend städtischer Bevölkerung wie Belarus oder Russland (etwa 70 Prozent) ist infolge zunehmender Internetverbreitung mit einem Anstieg der Nachfrage nach Kreditkarten zu rechnen.

Das Kartengeschäft im Ganzen wird sich turelle Besonderheiten der Region, er in den nächsten Jahren trotz sämtlicher schwert. Probleme vor allem im europäischen Teil der GUS sowie im Kaukasus und Kasachs tan dynamisch weiterentwickeln, weil in den Ländern gute wirtschaftliche sowie informationstechnologische Prämissen dafür bestehen. Beitragen zum Marktwachstum werden mit ihren Fachkenntnissen auch ausländische Banken, die ihre Präsenz in den Ländern nachhaltig erweitern.

Das Gedeihen des Kartengeschäfts in Zentralasien wird jedoch durch mehrere Bremsfaktoren, wie Dominanz ländlicher Bevölkerung (61 Prozent), schwache wirtschaftliche Entwicklung sowie sozio-kul-

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