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Die USA entdecken den Chip

sb - Von einer gemeinsamen Anstrengung der Kreditwirtschaft in Sachen Chip-Migration sind die USA noch weit entfernt. Seit Mitte der neunziger Jahre, als American Express die Blue Card mit Chip ausstattete - damals mehr oder weniger noch ein Marketing-Gag - gab es immer wieder einmal zaghafte Ansätze. Zu mehr reichte es aber nicht. Nun scheint aber Bewegung in das Thema zu kommen. Am 9. August hat Visa angekündigt, die Chipmigration in den USA vorantreiben zu wollen.

Liability Shift ab 2015

Dazu soll zum einen ab 1. Oktober 2012 das Technology Innovation Program (TIP) auf die USA ausgedehnt werden. Händler müssen dann nicht mehr jährlich ihre PCI-Kompatibilität nachweisen, sofern mindestens 75 Prozent der bei ihnen generierten Visa-Transaktionen an chipfähigen Terminals abgewickelt werden, die zugleich mit dualem Interface für kontaktbehaftete und kontaktlose Transaktionen ausgestattet sein müssen.

Zweitens sollen Processingdienstleister verpflichtet werden, bis spätestens zum 1. April 2013 Chiptransaktionen zu unterstützen. Und schließlich soll bis zum 1. Oktober 2015 der Liability Shift auch in den USA greifen. Damit sind die USA das letzte Land weltweit, das sich der Haftungsumkehr anschließt.

Die Begründung mag Europäer sonderbar anmuten: An erster Stelle wird die Vorbereitung der Zahlungsverkehrsinfrastruktur aufs mobile Zahlen genannt. An zweiter Stelle folgt die Gewährleistung der inter nationalen Interoperabilität. Und die verbesserte Sicherheit wird erst zuletzt genannt.

Bei denjenigen Kreditinstituten in den USA, die bereits Chipkartenprogramme aufgelegt oder angekündigt haben (allein drei Meldungen dazu gab es im Juni im Wochentakt), sieht dies freilich ein wenig anders aus. Deren wichtigste Begründung lautet in allen Fällen gleich: die bessere Akzeptanz der Karte bei Reisen im Ausland. Das mag zum einen einer reisefreudigen Klientel zu verdanken sein. Vielleicht aber ist es auch einfach nur ehrlicher. Für eine Kartenorganisation macht es sich aber besser, mit neuen Möglichkeiten zu locken, als die Keule des Zurückbleibens hinter weltweiten Standards zu schwingen.

Die Genossenschaftsbank für die Mitarbeiter der Vereinten Nationen mit Mitgliedern aus 200 Ländern, von denen 60 Prozent außerhalb der USA leben oder die USA zumindest regelmäßig mit Zielen im Ausland verlassen, ist darauf angewiesen, dass ihre Karten weltweit akzeptiert werden. Die in New York ansässige United Nations Federal Credit Union (UNFCU) war deshalb im Herbst 2010 Vorreiter in Sachen Chip mit der Visa-Elite-Card. Daraufhin nahm die Zahl der Kartenanträge von Oktober 2010 bis Februar 2011 um 153 Prozent zu, weshalb im ersten Quartal 2012 eine weitere Kreditkarte mit EMV-Chip aufgelegt werden soll. Auch eine Debitkarte mit Chip ist geplant, so meldete es der Kartenhersteller Gemalto im Juli.

Für eine Silicon Valley Bank wäre es geradezu ehrenrührig, ihre Kunden mit Karten auf Reisen zu schicken, die im Ausland mit Hinweis auf die veraltete Technologie zurückgewiesen werden. Sie hat deshalb die, eigenen Angaben zufolge, erste Firmenkarte mit Chip in den USA eingeführt.

Die US Bank stattet zunächst 20000 Karteninhaber mit Visa-Chipkarten einschließlich kontaktloser Technologie aus und will das Angebot 2012 auf weitere Kundensegmente ausbauen.

Und Chase Card Services kündigte an, die J. P. Morgan Select Visa Signature Card als zweite Karte im Portfolio mit Chip auszustatten, nachdem im April 2011 zunächst die Platin-Karten auf Chip umgestellt worden waren.

Mastercard unter Druck

Wie auch immer die Begründung lauten mag: Die Kreditwirtschaft in Europa wird mit Befriedigung zur Kenntnis nehmen, dass der Chip endlich die USA erreicht. 80 Prozent der Skimming-bedingten Verluste stammen schließlich laut Europol aus Einsätzen von Kartendubletten in den USA. Bis die Vereinigten Staaten wirklich ein Chipland werden, wird es zwar noch eine Weile dauern. Doch die Chipfähigkeit und damit ein endgültiger Abschied vom Magnetstreifen in Europa rückt zumindest in greifbare Nähe. Seitens Mastercard gibt es zwar noch keine entsprechenden Initiativen. Doch das dürfte nur noch eine Frage der Zeit sein.

Für Visa Europe (und die V -Pay emittierenden Banken) ergibt sich noch ein netter Nebeneffekt: Mit der Chipmigration in den USA muss auch V -Pay keine europäische Marke mehr bleiben und würde damit einen Makel los, den zumindest die deutsche Öffentlichkeit in diesem Sommer nachdrücklich festgestellt hat.

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