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Kontensperrung für Wikileaks richtig oder überzogen?

sb - Als erstes hat Moneybookers Stellung bezogen. Schon im August 2010 hatte der Internet-Bezahldienst den Account der Internetplattform Wikileaks gesperrt. Erst im Dezember zogen Paypal, Mastercard und Visa nach. Die offiizielle Begründung ist in allen Fällen ähnlich: Es werde geprüft, ob Wikileaks gegen geltendes Recht verstoßen habe. Verdächtige Zahlungen müssen den jeweiligen Regularien oder Nutzungsbestimmungen ausgesetzt werden, bis die Zulässigkeit geklärt ist.

Eben solche Begründungen nähren zweifellos den Verdacht der Wikileaks-Anhänger, dass diejenigen Unternehmen, die die Geschäftsbeziehungen zu der Plattform abgebrochen, Konten gelöscht oder stillgelegt haben, sich politischem Druck beugen. Denn inwieweit die Veröffentlichung interner Dokumente, an der sich die aktuelle Kritik entzündet, illegal oder vom Grundsatz der Informationsfreiheit gedeckt ist, ist derzeit noch keineswegs geklärt.

Welcher Grundsatz zählt?

Die Unternehmen befinden sich also in einem Konflikt, der in der klassischen Literatur als tragisch definiert ist. Sie müssen zwischen zwei Vorwürfen wählen, denen sie sich aussetzen: der Beschneidung der Informationsfreiheit in vorauseilendem Gehorsam gegenüber der Politik einerseits, wenn die Geschäftsbeziehungen stillgelegt werden oder dem Vorwurf, auf den Hinweis, dass hier strafbare Handlungen unterstützt werden, nicht reagiert zu haben, sollte die Justiz letztlich zu dem Urteil kommen, dass Wikileaks gegen geltendes Recht verstoßen hat. Hier galt es abzuwägen, was von beiden schwerer wiegt wohlgemerkt, noch ehe die Juristen in den verschiedenen Ländern die Sachlage geklärt haben.

Unbestritten: Wikileaks ist offenbar am Aufstöbern der Dokumente nicht beteiligt, sondern veröffentlicht sie nur. Inwieweit dies - im Wissen, dass vieles von dem, was da veröffentlicht wird, vermutlich illegal beschafft ist - zulässig ist, werden die Gerichte entscheiden müssen. Für die Nutzung der Steuersünder-CDs durch die Steuerbehörden hat die deutsche Gerichtsbar keit dies bereits getan und befunden, dass sie - ungeachtet der dahinterstehenden Verstöße gegen geltendes Datenschutzrecht - genutzt werden dürfen, weil dies der Rechtsdurchsetzung und damit dem Interesse der Allgemeinheit dient. Ob aber Wikileaks diese Begründung eins zu eins auf sich übertragen darf, ist zumindest ungewiss.

Insofern ist die Entscheidung von Moneybookers, Paypal, Visa, Mastercard, Ebay und Amazon, die Geschäftsbeziehungen zu der Plattform abzubrechen oder einzufrieren, sicher nachvollziehbar. Dass im jüngsten Fall nach Meinung vieler europäischer Kommentatoren keine wirklichen Geheimnisse veröffentlicht wurden und das Vorgehen insofern als überzogen gewertet werden kann, muss für diese grundsätzliche Erwägung keine Rolle spielen. Schließlich können durchaus auch einmal brisante Dokumente dabei sein, deren Ver öffentlichung Menschen in Gefahr bringt. Insofern geht es ums Prinzip.

Dass sich Unternehmen dem möglichen Vorwurf, Straftaten zu begünstigen, nicht aussetzen wollen, muss man respektieren. Die Nutzung der jeweiligen Dienstleistungen für strafbare Zwecke ist in den Nutzungsbedingungen schließlich ausgeschlossen.

Ein "G'schmäckle" bleibt

Ein "G'schmäckle", wie der Schwabe sagt, bleibt gleichwohl. Schließlich ist es nicht von der Hand zu weisen, dass gerade die Kartenorganisationen mitunter des politischen Wohlwollens bedürfen. Und so hat die Empörung insbesondere der US-amerikanischen Politik die Entscheidung, die Geschäftsbeziehungen zu Wikileaks abzubrechen, vermutlich erleichtert, auch wenn man den Unternehmen glaubt, dass politischer Druck keine Rolle gespielt habe.

Die Angriffe auf die Websites der schwedischen Staatsanwaltschaft, auf die Schweizer Postfinance, die die Konten des der Vergewaltigung beschuldigten Julian Assange eingefroren hat, sowie auf Paypal, Mastercard und Visa scheinen im Übrigen - so ärgerlich sie auch sein möge die Entscheidung der betroffenen Unternehmen zu rechtfertigen. Ganz gleich, ob sich die Unternehmen, die sich weigern, weiterhin Spenden an die Plattform weiterzuleiten, damit indirekt der Zensur schuldig gemacht und den Grundsatz der Unschuldsvermutung bis zum Beweis der Schuld außer Acht gelassen haben: Vergeltung zu üben, wie es die Bezeichnung der Hacker-Aktion ausdrückt, ist in jedem Fall rechtswidrig. Dadurch setzen sich die Verantwortlichen selbst ins Unrecht. Und die Massivität der Angriffe im Internet zeigt, dass zumindest ein Teil der Wikileaks-Nutzer eben nicht nur informationssuchende Bürger sind, sondern über eine gehörige Portion krimineller Energie verfügt.

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