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Interchange-Regulierung: Kreditkarte auf dem Rückzug?

sb - Noch liegen die Vorschläge der EU-Kommission für eine Richtlinie zur Interchange-Regulierung nicht auf dem Tisch, da gibt es bereits einen Fingerzeig, wie die Lage künftig aussehen könnte. Am 14. Mai veröffentlichte die Kommission den Kompromissvorschlag von Visa Europe in Sachen Interchange. Nachdem bereits 2010 die Visa-Debit-Interchange auf 0,2 Prozent gesenkt worden war, stehen nun 0,3 Prozent für nationale und grenzüberschreitende Kreditkartenzahlungen zur Debatte.

Damit kommt Visa der EU-Kommission zuvor, die ja noch für diesen Sommer ein Richtlinienentwurf angekündigt hatte. Dieser soll Erleichterungen im grenzüberschreitenden Acquiring beinhalten, indem es Acquirern erlaubt sein soll, günstigere Interchange-Sätze aus ihrem Heimatmarkt auch ausländischen Kunden anzubieten. Auch das müsste (wie jetzt von Visa zugestanden) eine flächendeckende Senkung der Sätze zur Folge haben, um Acquirer aus teureren Märkten nicht aus dem Wettbewerb zu verdrängen.

Für die Kartenakzeptanten ist das zunächst einmal eine gute Perspektive. Anders als in Spanien wird es der Wettbewerb von 16 Acquirern in Deutschland kaum zulassen, dass sie die Interchange-Senkung zur Aufbesserung ihrer Marge nutzen. Vielmehr werden sie die Reduktion in vollem Umfang über ein niedrigeres Händlerentgelt an ihre Kunden weitergeben müssen. Wie viel davon in Form von Preissenkungen beim Endkunden ankommen wird, wie es die Regulatoren erhoffen, ist eine ganz andere Frage.

Die Geschäftsmodelle in der Kartenbranche werden in jedem Fall ganz deutlich tangiert. 300 Millionen Euro hat allein Concardis im vergangenen Jahr an Interchange an die Emittenten weitergereicht, 220 Millionen an deutsche und 80 Millionen an ausländische Kreditinstitute. Davon werden unter den neuen Rahmenbedingungen rund drei Viertel wegfallen, und das bereits im kommenden Jahr, prognostiziert Manfred Krüger, Vorsitzender der Geschäftsführung von Concardis. Die Emittenten werden sich also überlegen müssen, ob unter diesen Umständen das Kreditkartengeschäft überhaupt noch profitabel zu betreiben ist. Besonders kritisch werden könnte das für Stand-Alone-Portfolien jenseits einer Hausbankbeziehung, bei denen eine Quersubventionierung durch andere Produkte ausgeschlossen ist und die obendrein bislang ohne Jahresgebühr auskommen.

Verschiebung Richtung Debitkarte?

Generell sind verschiedene Szenarien denkbar: Zum einen ist mit einer starken Verschiebung Richtung Debitkarte zu rechnen. Denn das eine oder andere Portfolio könnte durchaus eingestellt werden. Andere Emittenten könnten sich entscheiden, nur noch auf den Travel & Entertainment-Bereich oder Firmenkarten zu setzen. Auch die Anhebung der Jahresgebühren, wie sie schon in Spanien zu beobachten war, ist trotz des intensiven Wettbewerbs keineswegs unwahrscheinlich. Vielleicht wird auch versucht werden, den Kunden für Zusatzleistungen, Sicherheitsmerkmale oder innovative Anwendungen zur Kasse zu bitten.

Eine Kompensation der Ertragsausfälle durch höhere Gebühren für den Karteninhaber könnte dann natürlich mit Kartenrückgaben in größerem Ausmaß verbunden sein. Concardis-Geschäftsführer Rainer Sureth rechnet damit, dass die Anzahl der Kreditkarten um zehn bis 15 Prozent zurückgehen könnte. Weil dies aber vermutlich vor allem sogenannte "Schläfer" oder wenig genutzte Karten sein dürften, müssen die Auswirkungen auf den Umsatz nicht ganz so drastisch sein.

Kompensation durch neue Volumina?

Denkbar wäre auch ein ganz anderer Effekt: Da die Konditionen für Händler attraktiver werden, lässt sich möglicherweise das Akzeptanznetz deutlich erweitern. So wäre etwa vorstellbar, dass sich die Lebensmitteldiscounter unter den neuen Rahmenbedingungen endlich für Kreditkarten öffnen - zumal die Karte bei sinkenden Händlerentgelten und steigenden Bargeldkosten dem Vergleich mit dem Bargeld leichter standhalten kann.

Neue Akzeptanzstellen wiederum haben in der Regel auch zusätzliche Transaktionen zur Folge. Ob das ausreichen wird, um die zu erwartenden Ertragsausfälle zu kompensieren, ist eine ganz andere Frage. Denn die stagnierenden Kreditkartenanteile am Umsatz des deutschen Einzelhandels zeigen, dass der Deutsche Güter des täglichen Bedarfs nach wie vor nur ungern per Kreditkarte bezahlt.

Die aktuelle Mastercard-Kampagne, mit der die Kartengesellschaft den häufigeren Einsatz der Kreditkarte im täglichen Leben stärker verankern will, kommt da in jedem Fall gerade recht. Das ist vermutlich genau die Kerbe, in der Kreditkartenemittenten künftig hauen müssen.

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