Leitartikel

Hoffen auf "Plan B"

sb Die Uhr tickt. 85 Prozent der Zeit für die Sepa-Umstellung ist vorbei - und erst drei Prozent der Unternehmen sind entsprechend vorbereitet. Dass das so ist, liegt nach Erkenntnissen der Commerzbank primär an einer Reihe von Missverständnissen: Nach wie vor wird Sepa nicht als Chance, sondern als Aufwand verstanden, dem kein Nutzen gegenübersteht. Die Wahrnehmung als "Zahlungsformat" führt dazu, dass die Komplexität des Verfahrens, das nahezu alle Unternehmensbereiche betrifft, nicht wahrgenommen wird. Vielmehr herrscht die Auffassung vor, dass es sich um ein Projekt von Buchhaltung, IT oder Banken handelt und entsprechend schnell eingeführt wird. Und last not least ist der Irrglaube verbreitet, dass nur Auslandszahlungen betroffen sind.

Im Ergebnis führt das dazu, dass erst sieben Prozent der kleineren und größeren Mittelständler und nur vier Prozent der Großkunden (fast) vollständig auf Sepa umgestellt haben, so das Ergebnis einer Kundenbefragung der Commerzbank. 34 Prozent der kleinen und 14 Prozent der größeren mittelständischen Unternehmen sowie sieben Prozent der Großunternehmen haben sich mit der Thematik noch gar nicht beschäftigt. Und Klaus Windheuser, Global Head Cash Management & International Business der Commerzbank ist sich sicher, dass all diejenigen, die noch nicht damit begonnen haben, es bis zum Stichtag auch gar nicht mehr schaffen können. Ihnen allen droht nach heutiger Rechtslage zum 1. Februar nächsten Jahres der Zahlungsstillstand. Die Commerzbank rechnet deshalb fest mit einem Plan B: Letzten Endes werde der Regulator wohl ein Einsehen haben und sich entschließen (müssen), den Kreditinstituten für eine Übergangsphase zu erlauben, Konvertierungsservices anzubieten. Die Commerzbank bereitet sich deshalb schon jetzt darauf vor und wird damit auch nicht allein stehen - aufseiten der Kreditinstitute, aber auch aufseiten der Unternehmen. Gerade da aber liegt die Crux: Denn wer sich auf den Plan B verlässt, der kann am Schluss schnell verlassen sein. Denn die Haltung der Bundesbank bei der Bargeldlogistik hat gezeigt, dass die Obrigkeit auch hart sein kann und sich nicht zwingen lässt, immer noch ein Schlupfloch offen zu halten.

Für die Unternehmen heißt das: Selbst wenn absehbar ist, dass der Stichtag nicht in allen Einzelheiten zu halten sein wird, muss die Umstellung vorangetrieben werden. Ein großer Teil der Betriebe hat sich auch bereits mit dem Thema beschäftigt, wenngleich noch nicht mit der Umsetzung begonnen wurde. Das wiederum hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass es bei vielen Fragestellungen noch keine Rechtssicherheit gibt. So ist beispielsweise bei der Lastschrift unklar, was "schriftlich" bedeutet: Muss das Mandat wirklich in Papierform vorliegen? Und welche Rechtsauffassung wird sich bezüglich elektronisch eingeholter Mandate herausbilden, mit denen es viele Unternehmen zweifellos versuchen werden? Hier auf Rechtssicherheit zu warten, verbietet sich. Unternehmen werden damit leben müssen, ein gewisses Risiko zu fahren und ihre Prozesse anzupassen, noch ehe die Details wirklich bekannt sind - wenngleich dies gerade der deutschen Mentalität zutiefst widerspricht.

Hilfsangebote von Dienstleistern gibt es zuhauf, täglich werden neue gemeldet. Zweifellos unterscheiden sich die Angebote in ihrer Qualität erheblich; und auch die Qualität des Ausgangsdatenbestands beeinflusst die Trefferquoten. Wer hier seine Hausaufgaben in der Vergangenheit nicht gemacht und sich auf automatische Korrekturen verlassen hat, könnte jetzt dafür büßen müssen. So ist es gut möglich, dass manche Lösungen zur automatischen Konvertierung von Kontoinformationen in die neuen Formate letztlich nur zu Straight-Through-Processing-Quoten von 80 Prozent führen. Der Rest muss manuell nachgearbeitet werden. Keine Frage: Je nach Zahlungsverkehrsaufkommen kann das ein gewaltiger Aufwand werden. Und doch auch hier gilt das gleiche wie beim Thema Rechtssicherheit: Eine noch so unsaubere Lösung ist zum Stichtag besser als keine.

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