Mobile Payment

"Wir befinden uns im Übergang zu interoperablen Verfahren"

Sie sind Vorstandmitglied im Mobey-Forum. Was tut diese Arbeitsgemeinschaft?

Das Mobey-Forum wurde 2000 gegründet, und zwar als Industrieverband mit dem Ziel, sich über neue Entwicklungen und Möglichkeiten für mobiles Bezahlen und mobile Bankanwendungen auszutauschen. Damals kamen gerade die ersten Mobiltelefone mit Internetverbindung und WAP-Browser auf den Markt und die einhellige Meinung war damals: Finanztransaktionen per SMS - nie. Geführt wird das Mobey-Forum von Banken, aber auch alle führenden Hersteller von Mobiltelefonen sind dabei. Das Mobey-Forum repräsentiert das gesamte Wirtschaftssystem aus Netzwerkbetreibern, Servicemanagern, Issuern, Geräten und Anwendungen.

Mitglieder sind zum Beispiel die Deutsche Bank, HSBC, UBS, La Caixa, DNB Nor und die Bank of America. Insgesamt hat das Forum 65 Mitglieder und ist heute, was Mobilität angeht, der führende Industrieverband. Addiert man die Retailkunden der beteiligten Banken, repräsentiert er 500 Millionen Kunden weltweit. Als inter nationales Forum repräsentieren die Mitglieder aus China, Dänemark, England, Finnland, Frankreich, den Niederlanden, den USA, der Schweiz, Spanien und Peru die weltweiten Entwicklungen. Aus Deutschland ist bisher nur die Deutsche Bank vertreten. Es wäre schön, wenn wir auch hier noch weitere Mitglieder mit aufnehmen könnten.

Im Forum behandelt wird die gesamte Fragestellung, wie sich Mobilität ins Ser viceangebot der Kreditwirtschaft integrieren lässt. Viermal im Jahr treffen sich die Mitglieder in verschiedenen Arbeitsgruppen, in denen es beispielsweise um Marketing, technische Fragen oder Sicherheit geht. Und auch im Member-Bereich tauschen sich die führenden Köpfe der Industrie miteinander aus. Die in den Arbeitsgruppen erarbeiteten White Paper werden veröffentlicht. Darüber hinaus gibt es eine Menge Daten, die für die Mitglieder exklusiv zur Verfügung gestellt werden.

Welche Ergebnisse hat das Forum bereits erarbeitet?

Es wurde bereits eine breite Basis von verschiedensten Informationen und Daten sowie öffentlichen White Papern erarbeitet. In einem White Paper wurde beispielsweise ausführlich beleuchtet, wie sich die Mobilfunknummer für das Onlinebanking nutzen lässt. Denn kein Kunde kennt IBAN und BIC, seine Mobilfunknummer aber sehr wohl. Es wäre also durchaus denkbar und wird nun bereits umgesetzt, diese Mobilfunknummer als Identifikation für Bezahlvorgänge zu nutzen. Ein anderes Beispiel ist der Bereich Sicherheit: Wie sicher sind welche Verfahren? Und was brauchen wir zur Identifizierung?

Wie bewerten Sie den Status quo beim Mobile Payment?

Das Mobile Payment ist gerade dabei, die Phase des Early Market zu verlassen. Derzeit befinden wir uns im Übergang von Phase eins mit geschlossenen Systemen zu Phase zwei, in der die Anwendungen interoperabel werden.

Die ersten Massenmärkte für das Bezahlen mit dem Handy waren die Klingeltöne. Zwischen 2002 und 2005 wurde mit dem digitalen Verkauf 30 Milliarden Euro an Jahresumsatz getätigt. Waren die Mobiltelefone anfangs noch proprietäre Systeme, änderte sich das etwa ab 2004. Damals gab es die ersten Anwendungen, die man heute landläufig als Apps bezeichnet. 2004/2005 fingen die meisten Banken an, ein mobiles Banking-Angebot aufzubauen, damals noch beschränkt auf Kontostandsabruf, Alarmmeldungen oder Überweisungen an vorgegebene Empfänger. Bis die Industrie akzeptierte, dass das Mobiltelefon sicher war, hat es noch ein paar Jahre gedauert.

Etwa 2007 entwickelte sich das Bezahlen mittels NFC-Technologie für den Nahbereich (sogenannte Proximity-Payments), also am Point of Sale. Hier kann man auf dem Handy eine Anwendung nutzen, die Auskunft über den Kontostand gibt.

Parallel dazu kam ab 2008/2009 die Frage nach dem Einsatz des Mobiltelefons für das Bezahlen über Entfernungen hinweg (Remote-Payments) auf. Dabei geht es zum einen um Versand-/Internethandel, aber auch um Zahlungen zwischen Privatpersonen. Für solche Geld-Versende-Services gibt es vor allem in Entwicklungsländern einen großen Markt, weil es dort nur wenige Bankstellen, PCs und Karten gibt. In Indien sind beispielsweise bei 1,2 Milliarden Menschen rund 700 Millionen Handys am Markt - aber weniger als 100 Millionen PCs. Online-Payments, wie wir sie kennen, spielen deshalb eine untergeordnete Rolle.

Doch auch hierzulande werden die Entwicklungen mobiler Zahlverfahren sowohl im Nahbereich als auch für Remote-Payments stärker. Es gibt die ersten Piloten und immer mehr kontaktlose Terminals europaweit schon rund 60000. Mit zunehmender Verbreitung von NFC-Handys wird dies auch für die Händler immer interessanter. Und wenn der Adressat dann noch über die Mobilfunknummer angewählt werden kann, kann es einen Durchbruch geben.

Werden die Banken beim mobilen Zahlen überflüssig?

Nokia arbeitet beim Zahlungsverkehr grundsätzlich so mit den Banken zusammen, dass die Produkte von der Bank geführt sind. Ein Beispiel: In Indien fand 2010 der Rollout von Mobile Money statt. Über die National Payment Corporation of India (NPCI) haben alle großen Banken des Landes ein Real-Time-Netzwerk implementiert, über das jeder Handybesitzer mit der Mobilfunknummer und einem Real-Time-Identifier Geld transferieren kann - von Handy zu Handy oder auch aufs Bankkonto. Das Branding und Marketing kommt aber von der jeweiligen Bank. Grundsätzlich arbeiten verschiedene Industrien mit verschiedenen Taktfrequenzen. Und die Mobilfunkindustrie bewegt sich sehr schnell, Handys haben eine Lebensdauer von 18 bis 24 Monaten. Banken müssen sich die Frage stellen, wie sie sich hier positionieren wollen.

Wird das Handy die Karte ersetzen oder wird die Kartenfunk tion ins Handy hineinwandern?

Nokia hat bereits 2003/2004 mit Mastercard und Visa rund um die Welt Projekte und Piloten durchgeführt, bei der die Karte ins Handy integriert wurde. Die Technik ist da, die Benutzerakzeptanz ist da, jetzt sind die Issuer und Acquirer am Zug, die Händler mit der kontaktlosen Einheit für das PoS-Terminal auszustatten. Sobald das verfügbar ist, kommt das mobile Zahlen ins Laufen.

Heute hat der Kunde eine Karte mit Chip und PIN, als nächstes kommt die kontaktlose Karte, dann das Mobiltelefon. Der direkte Übergang von Chip und PIN nur zum Handy funktioniert nicht.

Bei den bestehenden Projekten gibt es solche, die direkt über die Karte funktionieren und andere, die eine Registrierung voraussetzen, wie etwa Touch & Travel von der Deutschen Bahn. Sind solche Systeme, für die eine Registrierung erforderlich ist, nur eine Übergangserscheinung? Können Sie überhaupt den Durchbruch bringen?

Beide Arten von Systemen werden koexistieren. Solche, die nur einen Bezahlvor gang abdecken, und andere, die eine stärkere Kundebindung erfordern oder umsetzen.

Aber gerade für die Zielgruppen der Auswärtigen wären Handybasierte Systeme, bei denen man sich nicht mit Fahrkartenautomaten auseinandersetzen muss, sondern lediglich an den Touch-Points ein- und auscheckt, doch besonders interessant ...

Das ist richtig. Mobilcom und die Österreichischen Bundesbahnen haben deshalb ein Verfahren, das ohne Registrierung auskommt. Dabei fungiert im Grunde der Mobilfunkbetreiber als Verkäufer der Fahrkarte. Denn die Abrechnung erfolgt über die Handyrechnung. Natürlich ließe sich an den kontaktlosen Tags auch eine Kartenzahlung anstoßen. Das wäre eine sogenannte kundengenerierte Transaktion, die der Kunde am Handy per PIN-Eingabe autorisieren könnte, auch wenn das System im Hintergrund erst nach Fahrtende den Fahrpreis berechnet. Ob sich das im Kartenumfeld übliche Vier-Parteien-System realisieren lässt, ist allerdings fraglich.

Ein Gegenargument gegen mobile Zahlungen, die über die Telefonrechnung oder Prepaid-Karte abgerechnet werden, ist die Rückabwicklung bei Reklamationen ...

Diese Problematik ließe sich sicher lösen. In manchen Ländern kann ein Operator aber aus rechtlichen Gründen ohnehin nur Minuten verrechnen. Andere Mobilfunkbetreiber fürchten, bei der Abrechnung von Waren und Dienstleistungen mit zu hohen Rechnungen ins Kreditrisiko hineinzulaufen. Dann bräuchte man eine Banklizenz.

Ist es ein Trend, dass Mobilfunkbetreiber eine Banklizenz er werben - oder Kreditinstitute eine Operator-Lizenz?

Es gibt einige wenige Kreditinstitute, die einen mobile Netzwerkbetreiber besitzen, beispielsweise die Rabobank mit Rabo mobil. Umgekehrt hat beispielsweise Mobilkom Austria mit der A1-Bank eine eigene Bank. Einen wirklichen Trend sehe ich hier aber zurzeit nicht.

Können Sie sich vorstellen, dass das Mobiltelefon zusammen mit einem Bankprodukt verkauft wird?

Ja, durchaus. Vergangene Woche haben wir begonnen, zum Beispiel in Indien die ersten Mobiltelefone mit Money on Board auszustatten. Das heißt, die Funktionalität ist bereits im Standard auf dem Gerät vorhanden. Die Banken haben damit keine Arbeit mehr. Der Kunde muss die Funktion nur noch gegen Vorlage der entsprechenden Ausweisunterlagen (KYC) aktivieren lassen. Dafür muss er nicht einmal zur Bank gehen. Nokia hat zum Beispiel in Indien 200000 Telefongeschäfte. Ein guter Anteil davon kann als Mobile Money Agent (in Indien werden sie Banking Correspondents genannt), zertifiziert werden. Diese können dann die Aktivierung vornehmen. Auch die Aufladung, Cash-in und auch Auszahlungen, Cash-out, kann dort vorgenommen werden.

Welche Chancen haben solche Anwendungen im deutschen Markt?

60 bis 65 Prozent aller Transaktionen in Deutschland laufen in bar. Mobile Anwendung wären sehr gut dafür geeignet, einen Teil dieser Transaktionen zu er setzen. Auf der anderen Seite sind die Verbraucher hierzulande mit Girokonten und Karten bestens ausgestattet. Bankautomaten und Zweigstellen findet man überall, Onlinebanking ist eine Selbstverständlichkeit. Insofern sind derartige Anwendungen als solches sicher nicht so dringend. Für den privaten, zwischenmenschlichen Bereich oder in Verbindung mit Verkehrsbetrieben kann es aber interessant sein.

Mittlerweile gibt es auch in Deutschland bereits eine ganze Reihe Projekte zum mobilen Bezahlen. Mit m-Pass oder der Deutschen Bahn gibt es durchaus sehr gute Ansätze. Andere sind aber schon schneller.

Barclays zum Beispiel war die erste Bank in Großbritannien, die alle Karten mit kontaktloser Technologie ausgerüstet und als größter Acquirer im Land mit 45 Prozent Marktanteil auch im Händler bereich den Markt vorangetrieben hat.

In den Niederlanden arbeiten die drei größten Banken mit den drei größten Mobilfunkanbietern bereits zusammen. Grundsätzlich hätte Deutschland ein riesen Potenzial zur Technologieführerschaft. Wenn sich verschiedene Banken beteiligen würden, ließe sich ein Echtzeit-Bezahlverfahren implementieren. Bislang ist aber noch keiner der deutschen Bankenverbände im Mobey-Forum vertreten.

Woran liegt dieses geringe Interesse der Deutschen?

Man kann es positiv sehen: Wir Deutschen setzen Dinge um, wenn sie stabil und sicher laufen. Auf der anderen Seite wäre es schön, wenn auch Deutschland mitunter zeigen könnte, dass es bei Innovationen führend sein kann. Die Bereitschaft, Projekte umzusetzen, die ein gewisses Risiko bergen, ist hierzulande begrenzt. Viele andere setzen - auch im Wissen um das damit verbundene Risiko - stärker auf die Vorreiter rolle.

Wie sind die Risiken beim mobilen Zahlen zu bewerten? Das Bundeskriminalamt hat ja in jüngster Zeit wiederholt darauf hingewiesen, dass Hackerangriffe auf Mobiltelefone zunehmen und die wenigsten Verbraucher darauf vorbereitet sind ...

Risk- und Fraud-Management sind für alle Transaktionen notwendig und nicht nur für mobiles Bezahlen. Die heute bekannten Risiken in dem Bereich des mobilen Bezahlens sind in der Industrie bereits weit diskutiert und untersucht worden. Allgemein kann man sagen, dass zum einen durch die Handys viele neue Sicherheitsverfahren möglich sind und durch entsprechende Angebote wie zum Beispiel reine Prepaid-Angebote oder "No Frills Debit" Risiken klar begrenzt werden können. Hierdurch sind die derzeit bekannten Risiken im mobilen Umfeld meistens kleiner als mit anderen heute im Verkehr befindlichen Verfahren.

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