Noch nicht ausgeträumt

Swantje Benkelberg, Chefredakteurin, Foto: Fritz Knapp Verlag GmbH

Es ist noch gar nicht so lange her, da schaute man in Europa leicht befremdet nach China mit seinen gigantischen Internetunternehmen wie Alibaba oder Tencent, die praktisch als "Universalanbieter" auftreten. Eine Plattform, über die quasi das gesamte Leben läuft, auf der man mit Freunden kommuniziert, einkauft, seine Freizeit gestaltet, aber eben auch Finanzangebote nutzt, alles aus einer Hand? So etwas war vielleicht im Reich der Mitte mit seiner Parteidiktatur vorstellbar, die ohnehin das gesamte Leben beeinflusst und in der der Staat seine Bürger auf Schritt und Tritt überwacht und gängelt - aber doch nicht bei uns in Europa, wo wir solchen Wert auf Individualität und Datenschutz legen und wo die Vorstellung vom gläsernen Verbraucher für viele noch immer ein echtes Schreckgespenst ist, obwohl die eigenen digitalen Aktivitäten mit dieser Auffassung nicht immer zusammenpassen!

Dennoch wird, wer so dachte, zunehmend eines Besseren belehrt. Auch in Europa ist der Trend zur Super-App unübersehbar, die möglichst viele Elemente des Alltags auf sich vereint, um den Nutzer zu binden. Natürlich sind Anbieter wie Klarna oder Revolut, die sich in diese Richtung auf den Weg gemacht und dies auch exakt so kommuniziert haben, noch sehr weit von der Dominanz im Alltagsleben ihrer Nutzer entfernt, die ihre chinesischen Vorbilder haben, von deren Marktmacht ganz zu schweigen. Und wenn diese Internetgiganten, die im Grunde schon eher Megatechs als Bigtechs sind, allmählich schon den chinesischen Behörden zu gewaltig werden, obwohl ihre Omnipräsenz im Leben ihrer Nutzung dem Überwachungsstaat das Leben vermutlich stark erleichtert, dann wird man wohl davon ausgehen können, dass europäische Super-Apps schon aus wettbewerbsrechtlichen Gründen eine vergleichbare Dominanz nie erreichen werden. Dennoch prägt der Trend zur Super-App das Umfeld, in dem sich Banken auf ihrem Weg in die Plattformökonomie bewegen.

Wenn etwa Klarna auf dem Weg zur Super-App beispielsweise die Vergleichsplattform Pricerunner übernimmt, mit einer Browsererweiterung die Nutzung der eigenen Dienste in jedem beliebigen Online-Shop ermöglicht und ein eigenes Festgeldangebot bietet, falls die Nutzer einmal nicht einkaufen und finanzieren, sondern lieber sparen wollen, dann ist damit die Latte schon ziemlich hoch gehängt. Mit einem solchen Ansatz werden bestenfalls sehr wenige europäische Banken mithalten können. Nicht umsonst sehen die Experten aus der Finanzbranche, die Ibi Research für seinen Report Banking Trends 2022 befragt hat, das Marktpotenzial für Banken und Sparkassen im Kontext von Embedded Finance eher sinken als steigen. Typischerweise kommen Plattformen mit einer großen Anziehungskraft auf die Nutzer eher von der Nichtbankenseite und binden Finanzdienstleistungen nur als einen Bestandteil ihres Angebots ein.

Der Traum der Banken, von der Plattformökonomie profitieren oder zumindest mithalten zu können, muss deshalb nicht zwingend ausgeträumt sein. Die Möglichkeit, mit den eigenen Angeboten auf fremden Plattformen präsent zu sein, bietet sich in jedem Fall, auch wenn das in aller Regel mit einem harten Preiswettbewerb verbunden sein dürfte. Solchermaßen zum Produktgeber reduziert zu werden, dessen eigene Marke zumindest stark in den Hintergrund gedrängt wird und der nicht den Zugriff auf die Kundenschnittstelle hat, braucht allerdings nicht alles zu sein. Wer keine Aussichten hat, zur Super-App zu werden, der kann den Giganten und Datenkraken seine eigenen Stärken entgegensetzen. Wenn beispielsweise die zentrale Website der VR-Banken, vr.de, in Sachen Sichtbarkeit im Internet besonders gut dasteht, dann ließe sich daran vermutlich so manches andocken. Auch ein regionaler Marktplatz, wie ihn die Kreissparkasse Ludwigsburg und die VR Bank Ludwigsburg gemeinsam für ihren Landkreis aufgebaut haben (siehe Beitrag Häberle/Schulte auf Seite 13) und der Angebote aus ganz verschiedenen Bereichen bündelt, hat durchaus das Zeug dazu, zu einer wichtigen Anlaufstelle für viele Menschen zu werden. Sollte eine große Anzahl von Sparkassen und Volksbanken an solchen übergreifenden Ansätzen Interesse haben, könnten sie dabei vermutlich auch mit Unterstützung ihrer Rechenzentren rechnen - und dann ginge vermutlich noch einiges mehr.

Swantje Benkelberg , Chefredaktion, bank und markt, Cards Karten Cartes , Fritz Knapp Verlag
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