GELDANLAGE

Zehn Jahre unabhängige Vermögensverwaltung - ein Boom

Prof. Dr. Hartwig Webersinke, Foto: V-Bank AG_Erik Schumacher photography

Rund zehn Jahre nach dem Aufkommen der unabhängigen Vermögensverwalter hat sich die Branche nicht nur etabliert, so Hartwig Webersinke. Sondern die Studienergebnisse seines Instituts deuten auch darauf hin, dass die bankenunabhängige Finanzverwaltung auch in Zukunft weiter florieren und sich gegenläufig zur tendenziell eher schrumpfenden Bankenbranche entwickeln werde. Als Erfolgsgeheimnis macht der Autor das Geschäftsmodell aus, das ohne Interessenkonflikte aufseiten der Berater auskomme. Red.

Die bankenunabhängige Vermögensverwaltung in Deutschland ist im Vergleich zu den USA oder der Schweiz eine noch recht junge Branche. So richtig ins Rollen kam der Trend zur unabhängigen Vermögensverwaltung in den Jahren 2000 bis 2010. Nach dem Platzen der Internet-Blase und schließlich mit Ausbruch der Finanzkrise wurde immer mehr Anlegern klar, dass ihre Banken eine eigene Agenda haben, die sich nicht mit ihren Interessen decken muss. So machten viele Anleger die Erfahrung, dass Fonds, die ihr Berater zuvor wärmstens empfohlen hatte, nun verkauft werden sollten - am besten umgehend: Diese Finanzprodukte, so hieß es, müssten durch risikoärmere Fonds ersetzt werden, um Vermögensverluste zu vermeiden.

Bei vielen nervösen Anlegern ging der Plan auf - und bei den Geldinstituten klingelte die Kasse: Wenn eine Million Euro bei einem Agio von 4 Prozent umgeschichtet wird, verdienen Banken beziehungsweise Fondsgesellschaften mit wenig Arbeit 40 000 Euro. Kleinere Depots mit sechs- und fünfstelligen Volumen wurden ebenfalls massenhaft ins Visier genommen, da die Erfolgsquote dieser "Beratung" dank der allgemeinen Verunsicherung hoch war.

Problematische Anreizsetzung bei Banken

Bald lagen bei den so beratenen Kunden statt Technologiefonds sogenannte Wertsicherungsfonds, Risk- Parity-Fonds und andere Produkte mit beruhigenden Namen im Depot. Dumm leider, dass oft nahe der Zyklustiefs umgeschichtet wurde. Dadurch nahmen diese Anleger am nächsten Aufschwung nur verhalten teil.

Dieses provisionsgetriebene Modell führte bei ethisch orientierten Mitarbeitern im Asset Management und im Kundenkontakt zu immer stärkeren Bauchschmerzen. Sie waren es leid, Finanzprodukte verkaufen zu müssen, bei denen nicht klar war, ob sie nicht nur für ihren Arbeitgeber, sondern auch für die Kunden einen Nutzen stifteten. Bereits nach der Jahrtausendwende zogen die ersten erfolgreichen Asset Manager und Top-Berater daher die Konsequenzen: Sie machten sich als unabhängige Vermögensverwalter mit einer Zulassung nach § 32 Kreditwesengesetz (KWG) selbstständig. Andere taten diesen Schritt in den folgenden Jahren oder schlossen sich einer bestehenden, gut beleumundeten Vermögensverwaltung an.

Vertrauen ohne Interessenkonflikte

Ihr Motiv lag auf der Hand: Im Kern der Beziehung der unabhängigen Vermögensverwalter zu ihren Kunden sollte und soll das Vertrauen stehen. Vertrauen aber setzt voraus, dass sich die Interessen von Vermögensverwalter und Kunden decken und sie sich sozusagen im selben Boot befinden. Das funktioniert, wenn der Preis dieser Dienstleistung klar benannt und nicht in den Produkten versteckt wird. Nur auf diese Weise werden keine bedenklichen Anreize, etwa zum häufigen Umschichten des Depots, gesetzt. Zudem werden eventuelle Vergütungen der Anbieter an die Kunden weitergegeben. Diese Kostenklarheit ist und bleibt für die laut BaFin rund 400 bankenunabhängigen Häuser ein tragendes Prinzip der Kundenbeziehung. Sie wissen genau: Neben guten Leistungen ist Verlässlichkeit die beste Basis für dauerhaftes Vertrauen!

Mit diesem Rückblick lässt sich leicht überspitzt beschreiben, wie der recht junge, aber überaus erfolgreiche Sektor die Finanzbranche seit Jahren bereichert und umgestaltet. Ich gehe davon aus, dass sich die bankenunabhängige Finanzverwaltung nach § 32 KWG in den nächsten Jahren noch stärker etablieren wird. Darauf weisen sehr prägnant die Forschungsarbeiten hin, mit denen das Institut für Vermögensverwaltung (InVV) an der Technischen Hochschule Aschaffenburg seit 2013 die unabhängige Vermögensverwaltung begleitet. In seiner Forschung wird das InVV von der V-Bank, der Bank für Vermögensverwalter, finanziert und vom Verband unabhängiger Vermögensverwalter (VuV) unterstützt.

Kern der Arbeit an unserem Institut ist die jährliche Umfrage unter allen von der BaFin nach § 32 Kreditwesengesetz registrierten Vermögensverwaltungen. Mit diesem Instrument erheben wir seit nunmehr acht Jahren relevante Daten über die Entwicklung der Branche im jeweiligen Vorjahr. Das reicht von der Struktur und Entwicklung bei den Kunden und Mitarbeitern über die wirtschaftliche Lage und den Zeitaufwand für regulatorische Anforderungen bis hin zu den Ergebnissen der Anlagestrategien und zur aktuellen Asset Allocation. Beleuchtet werden auch neuere Entwicklungen, etwa inwieweit die befragten Häuser bereits eine digitale Vermögensverwaltung oder eine umfassende Finanzplanung anbieten.

Institut schafft seit Jahren Markttransparenz

Wir freuen uns sehr, dass sich inzwischen regelmäßig etwa 40 Prozent der bankenunabhängigen Vermögensverwaltungen an dieser Umfrage beteiligen. Das entspricht einem sehr guten Rücklauf. Und unserem Institut erlaubt es repräsentative Aussagen, mit dem wir als unabhängige Instanz ohne spezifische Eigeninteressen eine gewisse Transparenz im Markt schaffen können. Der Öffentlichkeit gibt die empirische Forschung Antworten auf Fragen wie: Wie entwickelt sich die Branche derzeit? Welche Dienstleistungen bieten unabhängige Vermögensverwalter genau an? Und wie erfolgreich sind

diese Unternehmen in der Vermögensverwaltung für ihre Kunden? Die teilnehmenden Vermögensverwalter wiederum erhalten wichtige Informationen, wo sie bei wichtigen Parametern wie der Eigenkapitalrendite oder dem Erfolg ihrer Anlagestrategie im Vergleich zu Mitbewerbern stehen. Auch erfahren sie, welche geschäftlichen Optionen sie eventuell noch tiefer ausloten könnten.

Eine Neuheit bei der jüngsten Erhebung war die Panel-Gruppe. Seit dem Start der Studie im Jahr 2014 wurden erstmals eigens die Antworten jener unabhängigen Vermögensverwalter ausgewählt, die an mindestens sieben der bislang acht Umfragen teilgenommen haben. Dank dieser Panel-Gruppe lassen sich nach einem knappen Jahrzehnt der Forschung nun erste wissenschaftlich begründete Aussagen über längerfristige Entwicklungen und Trends im Markt machen. Diese Gruppe umfasst im Durchschnitt 43 Unternehmen, was einem guten Viertel der jährlich antwortenden Häuser entspricht. Die Assets under Management verteilen sich bei diesen Vermögensverwaltungen recht repräsentativ auf die Kategorien "50 bis 150 Millionen Euro" (12 Häuser), "150 bis 500 Millionen Euro" (17) und "über 500 Millionen Euro" (11). Drei Firmen hatten dazu keine Angaben gemacht.

Branche verdoppelt das verwaltete Vermögen

Was sind die wesentlichen Erkenntnisse aus unserer Längsschnitt-Panel-Studie?

Besonders ins Auge sticht der starke Anstieg des verwalteten Vermögens in der Panel-Gruppe. Deren Mitglieder begannen 2014 im Median mit einem Vermögen von je 110 Millionen Euro. Sieben Jahre später erreichten sie im Mittel die Marke von 232 Millionen Euro, was einem Zuwachs von 111 Prozent entspricht. Im Vergleich dazu wuchs das Geldvermögen in Deutschland in diesem Zeitraum lediglich um 36 Prozent.

Für das hohe Wachstum bei den Vermögensverwaltern gibt es mehrere Gründe:

  • Zum einen wussten die unabhängigen Finanzprofis den Anstieg der Aktienmärkte klug zu nutzen.
  • Zum anderen legen immer mehr Kunden ihr Geld bei einem Vermögensverwalter an und Altkunden stockten ihre Bestände auf.

Krisen als Wachstumsmotor

Interessant ist, dass die Assets under Management (AuM) mit Ausnahme eines Jahres stets zulegten. Von einem zyklischen Auf und Ab kann somit nicht die Rede sein - im Gegenteil. Zunächst in der Finanzkrise, dann in der Euro- Krise und schließlich in der Corona- Krise zeigte sich, dass Krisen für diese Branche ein Wachstumsmotor sind.

Der Grund: In solchen Phasen suchen die Menschen einen kompetenten Gesprächspartner für Geldthemen - und den finden sie bei einer unabhängigen Vermögensverwaltung offenbar eher als im Retail-Geschäft. Zudem wirken im Hintergrund Themen wie Altersvorsorge oder Strafzinsen auf Guthaben bei den Banken. Und nicht zu vergessen: In einer vermögenden Gesellschaft wie der unseren benötigen immer mehr Menschen kompetente und unparteiische Beratung.

Auch die Kundenzahlen stiegen spürbar an. So betreuten die Vermögensverwaltungen der Panel-Gruppe zu Beginn im Durchschnitt 321 und im Median 215 Kunden. In unserer jüngsten Studie waren es durchschnittlich 500 und im Median 360 Kunden. Somit wuchs die durchschnittliche Zahl der Kunden pro Vermögensverwaltung seit 2014 um beachtliche 56 Prozent. Dabei zeigte sich, dass persönliche Weiterempfehlungen über all die Jahre der wesentlichste Faktor für die Gewinnung von Neukunden waren. Zudem schätzen neben Privatkunden auch Unternehmen und Stiftungen die Kompetenz der unabhängigen Vermögensverwalter. Gleichwohl machten Privatkunden mit einer Quote von 82 bis 87 Prozent stets den Löwenanteil der Mandanten aus. Wir gehen davon aus, dass sich dies in den kommenden Jahren nicht maßgeblich ändern wird.

Nachhaltig attraktive Renditen für die Kunden

Von 2013 bis 2018 haben die Vermögensverwaltungen der Panel-Gruppe über alle Strategien hinweg durchschnittliche Renditen zwischen 4,5 und 7,8 Prozent vor Kosten erzielt. Im Anlagejahr 2018 wurde die Rendite mit minus vier Prozent negativ, bevor sie 2019 gut 13,5 Prozent erreichte. Im Corona-Crashjahr 2020 verbuchte die Panel-Gruppe ein durchschnittliches Plus von gut 4,7 Prozent. Die entsprechenden Renditen nach Kosten liegen etwa 0,8 bis 0,9 Prozentpunkte unterhalb dieser Werte.

Damit erzielten die Kunden der Panel Gruppe von 2013 bis 2020 eine kumulierte Rendite von 52,6 Prozent vor Kosten. Das entspricht über die acht Jahre einer annualisierten Rendite von 5,34 Prozent.

Man könnte geneigt sein, diese Werte mit einem Mix aus defensiven, ausgewogenen und chancenreichen Portfolios zu vergleichen. Realistischer ist es aber, sie an der tatsächlichen Alternative unerfahrener Anleger zu messen: Wenn diese keine größeren Verluste erleiden wollen, bleibt ihnen im Grund nur die Anlage in Fest- oder Tagesgeld. Dort gibt es null Prozent. Und bereits ab 50 000 Euro drohen vielerorts Gebühren für die Verwahrung des Geldes. Bezieht man noch die Inflation von derzeit drei bis vier Prozent ein, wird deutlich, dass die Kaufkraft des Vermögens schon in einem Jahr über vier Prozent abschmelzen kann. Spätestens hier leuchtet ein, dass ein erfahrener Vermögensexperte sein Geld wert ist.

Mit einem Anteil von zuletzt 41 Prozent verwenden die unabhängigen Vermögensverwalter so viel Zeit am Tag wie kaum zuvor für den direkten Kundenkontakt. In den ersten fünf Jahren der Panel-Studie hatte sich dieser Anteil noch zwischen 33 und 36 Prozent bewegt. Für die Stabilisierung bei klar über 40 Prozent dürften zwei Gründe ausschlaggebend sein:

Zum einen können die unabhängigen Vermögensprofis damit in Zeiten, in denen immer mehr Bankfilialen schließen, bei bestehenden und potenziellen Kunden punkten, sofern letztere über Weiterempfehlung davon erfahren. Zum anderen war der Anstieg erst möglich, nachdem die Firmen die regulatorischen Anforderungen von MiFID II in den Alltag integriert hatten. Wie die Panel-Studie zeigt, bewegt sich der Anteil der täglichen Arbeitszeit für regulatorische Aufgaben seit 2018 zwischen 23 und 25 Prozent. Wir sprechen deshalb von einem 25-Prozent-Turm, in dem die Branche wohl dauerhaft gefangen ist.

Eigenkapitalrenditen über 30 Prozent dominieren

Die positiven Entwicklungen bei Vermögen, Kundenakquise und Performance schlagen sich natürlich in den Unternehmenszahlen nieder. Besonders beachtenswert ist die Entwicklung der Eigenkapitalrendite vor Steuern, wie die Studienergebnisse zeigen: 2014 wies noch keine einzige Vermögensverwaltung eine Eigenkapitalrendite von über 30 Prozent aus. Seit 2018 gelingt dies Jahr für Jahr mindestens einem Drittel der 43 Panel Unternehmen. In der jüngsten Studie überwanden sogar 45 Prozent der Panel-Unternehmen diese Schwelle. Weitere 14 Prozent erwirtschafteten zuletzt eine Rendite zwischen 20 und 30 Prozent. 18 Prozent der Unternehmen kamen auf 10 bis 20 Prozent. Damit erzielen insgesamt fast acht von zehn Vermögensverwaltungen zweistellige Eigenkapitalrenditen.

Als Fazit lässt sich festhalten: Die unabhängige Vermögensverwaltung in Deutschland ist seit Jahren eine florierende Branche. Seit 2013 sind das verwaltete Vermögen, die Zahl der Kunden sowie die Eigenkapitalrenditen in der Branche stark angestiegen. Damit entwickelt sich die Branche klar im Gegensatz zur klassischen Finanzbranche, die eher schrumpft.

Die Studienergebnisse der InVV-Panel-Studie in Kürze - Die untersuchten 43 bankenunabhängigen Vermögensverwaltungen legten von 2013 bis 2020 bei ihren Assets under Management um 111 Prozent zu.- Die Kundenzahl wuchs in dieser Zeit um 56 Prozent.- Die Vermögensverwalter erzielen über acht Jahre eine annualisierte Rendite von gut 5,3 Prozent vor Kosten. Das entspricht einer Gesamtrendite von 52,6 Prozent.- Der Anteil der Kundenkontakte an der täglichen Arbeitszeit beträgt nun stabil über 40 Prozent.- Fast 80 Prozent der Vermögensverwaltungen erzielen Eigenkapitalrenditen von mehr als 10 Prozent. Beinahe jedes zweite Unternehmen (45 Prozent) erwirtschaftet Renditen über 30 Prozent.

Prof. Dr. Hartwig Webersinke , Leiter des Instituts für Vermögensverwaltung (InVV) und Dekan für Wirtschaft und Recht , Technische Hochschule Aschaffenburg

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