MITARBEITER

Homeoffice versus Nachhaltigkeit

Ursprünglich war das Arbeiten von zu Hause aus in der Pandemie aus der Not geboren. Nach mehr als zwei Jahren Pandemie haben jedoch die Unternehmen gemerkt, dass die Zusammenarbeit auch aus dem Homeoffice heraus funktioniert. Und viele Mitarbeiter haben die dadurch gewonnene Flexibilität und den Zeitgewinn durch ersparte Arbeitswege zu schätzen gelernt. In vielen Unternehmen ist das Homeoffice deshalb gekommen, um zu bleiben.

Positiver Nebeneffekt der neuen Arbeitsmodelle schien bislang ein Beitrag zu mehr Klimaschutz zu sein, da die ersparten Wege die klimaschädlichen CO2-Emissionen senken. Doch diese Rechnung wird langfristig nicht aufgehen, so eine Analyse des Ifo-Instituts. Denn langfristig wirkt sich ein stärkerer Anteil des mobilen Arbeitens auch auf andere ökonomische Entscheidungen der Menschen aus, die den Emissionsrückgang konterkarieren könnten.

Mehr Homeoffice führt nämlich zum einen dazu, dass Menschen aus den Städten ins Umland ziehen und weitere Pendelwege in Kauf nehmen, weil sie diese Wege ja deutlich seltener zurücklegen müssen. Gleichzeitig steigt der Wohnraum pro Kopf, da Wohnraum außerhalb der Innenstädte günstiger ist und die Menschen natürlich auch Platz für den Arbeitsplatz zu Hause einplanen. Dieser höhere Flächenbedarf wiederum lässt die Gebäudeemissionen steigen, zumal auch Unternehmen durch neue Homeoffice-Modelle nicht unbedingt Flächen einsparen, sondern häufig vorhandene Flächen nur anders nutzen.

Zudem reduzieren sich mit einer größeren Zahl von Homeoffice-Tagen die Vorteile von Fahrzeugen mit niedrigem Kraftstoffverbrauch. Bei dauerhaftem Arbeiten von zu Hause aus wird der Fahrzeugbestand so über die Jahre im Durchschnitt weniger verbrauchseffizient und die CO2-Emissionen steigen zusätzlich an. Das gilt dann nicht nur beim Pendeln zur Arbeit, sondern auch bei allen anderen Fahrten im Alltag. Bei einem Homeoffice-Anteil von 30 Prozent beispielsweise errechnet Ifo einen Rückgang der Autoemissionen nach den beiden Anpassungen der Fahrzeugwahl und des Wohnorts um lediglich 1,6 Prozent. Die ohnehin größeren Gebäudeemissionen steigen aber zugleich um 10 Prozent. So kann Telearbeit die Gesamtemissionen sogar erhöhen, statt sie zu senken. Weiter gibt das Ifo-Institut mögliche Auswirkungen auf den ÖPNV und deren Wechselwirkungen mit dem Autoverkehr zu bedenken: Wenn nämlich durch den Trend zu mehr Homeoffice die ÖPNV-Auslastung sinkt, die Kosten dadurch auf weniger Schultern verteilt und in der Folge die Fahrpreise erhöht werden, dann senkt dies die Attraktivität des ÖPNV und trägt wiederum dazu bei, den Autoverkehr zu erhöhen.

In der Summe stellt der Umstieg von der Präsenzarbeit zu flexibleren Modellen im günstigsten Fall ein Nullsummenspiel in Sachen Nachhaltigkeit dar, kann seinen Effekt allerdings auch ins Gegenteil verkehren. Für die Unternehmen der Finanzbranche, die sich quasi durchweg dem Klimaschutz verschrieben haben, ergibt sich daraus ein Konflikt, der nicht leicht zu lösen sein wird: Einerseits wird es angesichts des Fachkräftemangels, in dem flexible Arbeitsmodelle zu einem zunehmend wichtigen Faktor in Sachen Arbeitgeberattraktivität werden, kaum möglich sein, das Rad wieder zurückzudrehen und die Mitarbeiter komplett ins Büro zurückzubeordern. Gleichzeitig haben die Arbeitgeber natürlich keinen Einfluss auf die Wohnsituation oder Fahrzeugwahl ihrer Beschäftigten. Die einzige Möglichkeit, wenn sie negative Folgen für den Klimaschutz minimieren wollen, bleibt wohl die Förderung der ÖPNV-Nutzung oder die Bereitstellung von Dienstfahrrädern. Red.

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