Produkte im Retail

Die Baufinanzierung als Ankerprodukt

"Die Baufinanzierung ist mehr als eine Kreditrate" - diese prägnante Erkenntnis hat sich allerdings noch nicht überall durchgesetzt, stellt für Banken im Baufinanzierungsgeschäft aber sehr wohl einen Auftrag dar. Denn eine Baufinanzierungsberatung ist nur dann vollständig, wenn sie auch die Vorsorge- und Absicherungsaspekte einschließt - das ist ganz im Interesse des Kunden.

Die Baufinanzierung ist für die meisten Menschen die größte und häufig auch die einzige große Investition in ihrem Leben. Was müssen die Bauherren beachten und warum ist dieses Geschäft für die Banken und Finanzdienstleister so wichtig? Insbesondere der Umgang mit den Kunden und die Strahlkraft der Baufinanzierung auf andere Geschäftsfelder werden häufig noch unterschätzt. Nach den Erfahrungen der Sparda-Bank Hessen ist die Treue zur Bank deutlich höher als von Kunden ohne Baufinanzierung. Dieser Zusammenhang zwischen Kundenloyalität und Produktnutzung ist in schwierigen Zeiten besonders wichtig.

Baufinanzierung als zusätzlicher Zugangsweg

Kunden schätzen den Kontakt zu ihrer Bank und erwarten in erster Linie, dass die Bank auf sie zukommt, wenn es sich um Themen handelt, die für die Geschäftsbeziehung relevant sind. In der Standortanalyse von Victor 2011, die von Emotion Banking für Banken im deutschsprachigen Raum erstellt wird, erwarten beispielsweise etwa 50 Prozent der Kunden der Spar-da-Bank Hessen eine monatliche Kontaktaufnahme. So ist es selbstverständlich, dass ein Kunde, der eine Geschäftsbeziehung durch die Baufinanzierung hat, Informationen rund um die Baufinanzierung wünscht beziehungsweise diese sogar erwartet.

Das gilt auch für potenzielle Kunden, die an bestimmten Themen interessiert sind. Menschen, die sich gerade mit der Planung eines Wintergartens oder eines Bades beschäftigen, werden Werbung dazu nicht ablehnen - ganz im Gegenteil. Dazu gehört selbstverständlich auch die Frage, wie diese Vorhaben finanzierbar sind.

Das Internet bekommt als Zugangsweg eine besondere Bedeutung. Es ist möglich, potenzielle Kunden themenspezifisch anzusprechen und die eigenen Kunden dazu in einer Frequenz zu informieren, die andere Zugangswege nicht bieten - monatliche Kontakte werden so problemlos möglich. Finanzierungsanfragen müssen selbstverständlich auch über die Homepage gestellt werden können.

Um Kontakt zu Neukunden zu bekommen, kooperiert die Sparda-Bank Hessen mit dem Online-Finanzierungsportal Interhyp. Hierdurch werden Kunden aufmerksam, die auf der Suche nach günstigen Finanzierungslösungen über Interhyp den Kontakt zur Bank bekommen. Schon heute machen diese Vermittlungen etwa zehn Prozent der Baufinanzierungen der Bank aus.

Als weiteren Zugangsweg zu Kunden nutzen viele Kreditinstitute externe Vermittler. Um die Qualität noch besser steuern und eine konsequente Arbeitsweise im Sinne der Bank sicherstellen zu können, hat die Sparda-Bank Hessen 2005 eine eigene Tochtergesellschaft gegründet - die Deutsche Privatfinanz AG. Derzeit akquirieren und beraten sieben Angestellte und elf freie Handelsvertreter der Deutsche Privatfinanz AG Kunden auch in Fragen der Baufinanzierung und baufinanzierungsnahen Dienstleistungen. Dabei spielt das Angebot der Bank eine besondere Rolle.

Weiterhin Potenzial

Das Potenzial an Baufinanzierungskunden ist weiter gegeben. In einer eigenen Forsa-Untersuchung aus dem Jahr 2005 hat sich noch jeder zweite Hesse zwischen 19 und 49 Jahren für den Kauf eines Eigenheims beziehungsweise für eine Finanzierung rund um die eigene Immobilie interessiert. Mittlerweile, nach der Finanzmarkt- und der Staatenkrise, ist die Nachfrage gegenüber 2005 deutlich angestiegen.

Dabei handelt es sich um besonders interessante Kunden. Ab dem dreißigsten Lebensjahr und mit steigender Kinderzahl nimmt die Affinität zu Immobilien deutlich zu. Für die Besserverdiener mit einem monatlichen Haushaltsnettoeinkommen ab 3 000 Euro (im Jahr 2005) ist ein Eigenheim fast schon Standard.

Instrument für Kundentreue

In diesem Zusammenhang wird häufig von Kundenbindung oder Abwanderungsbar rieren gesprochen - wir halten diese Begriffe für falsch. Kunden, die "gebunden" werden müssen, sind immer abwanderungsgefährdet. Besser ist es, die Kunden während der Laufzeit der Baufinanzierung von der eigenen Leistungskraft zu über zeugen und zu treuen Kunden zu machen.

Im genossenschaftlichen Denken ist das ein systemimmanentes Ziel: Der Miteigentümer der Bank muss von "seiner" Bank über zeugt sein. Dies ist aus unserer Sicht der Hauptgrund dafür, dass die Sparda-Banken seit 19 Jahren in Folge die Bankengruppe mit den zufriedensten Kunden sind.

Wegen der vergleichsweise langen Laufzeit einer Baufinanzierung und der wichtigen Absicherungs- und Vorsorgeaspekte im Zusammenhang mit der Baufinanzierung lässt sich die eigene Leistungskraft hier gegenüber dem Kunden am besten dokumentieren: Gute Konditionen, sehr gute und freundliche Beratung, passende Absicherungs- und Vorsorgeprodukte und ein guter Service nach Vertragsabschluss das zeichnet einen vollständigen Baufinanzierungsprozess aus. Wer das konsequent beachtet, der hat treue Kunden.

In der Regel werden alle zehn bis 15 Jahre Modernisierungs- und Renovierungsarbeiten notwendig. In Zeiten, in denen die Menschen ihr Geld lieber in Sachwerte investieren, werden diese Intervalle auch unterboten. Häufig ist für diese Maßnahmen die Aufnahme eines oder mehrerer Darlehen notwendig, die in der Regel immer beim Erstfinanzierer angefragt werden.

Durch gute Konditionen für die Baufinanzierung, mit attraktiven Angeboten zu Anschlussfinanzierung und Forward-Darlehen, mit günstigen Förderfinanzierungen und Modernisierungskrediten ist man hier gut aufgestellt und kann so zu hohen Cross-Selling-Quoten im originären Finanzierungsgeschäft kommen.

Baufinanzierung als Ertragsbringer ein Paradigmenwechsel

Noch vor wenigen Jahren hatte insbesondere das kleinteilige Baufinanzierungsgeschäft den Ruf, mühsam, zeitaufwendig und wenig ertragreich zu sein. Ebenso galt das Privatkundengeschäft bei vielen Banken als unrentabel - das Investment-Banking war unbestritten der Ertragsbringer der Banken.

Mittlerweile hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Baufinanzierungsgeschäft durchaus interessant sein kann. Für die Aussage, dass man besser bekannten Kunden das Geld leiht, als anderen Instituten, wurden wir noch vor einigen Jahren belächelt. Nach Finanzmarkt- und Staatenkrise, die die Sparda-Bank aufgrund ihrer restriktiven Risikopolitik und der Orientierung am Privatkundengeschäft mit sehr guten Ergebnissen gemeistert hat, hat die Bedeutung der Baufinanzierung auch für andere Institute wieder deutlich zugenommen.

Baustein der Altersvorsorge

Offensichtlich werden Instrumente der Altersvorsorge noch sehr selten in die Baufinanzierung eingebaut - obwohl das für die Kunden sehr häufig sinnvoll ist und deshalb unbedingt in ein Beratungsgespräch gehört. Dass die Sparda-Bank Hessen nach einer Untersuchung von Focus Money vom April 2012 die einzige Bank am Bankenstandort Frankfurt war, die einen Wohn-Riester in einen Finanzierungsvorschlag einbezog, ist ein Indiz für diese These.

Im Alter mietfrei leben - das ist für viele Menschen ein wichtiges Motiv für die Anschaffung eines Eigenheimes. Damit dieser Wunsch Wirklichkeit wird und der Beitrag der eigengenutzten Immobilie für die Altersvorsorge deutlich wird, gehört dieser Aspekt unbedingt in ein Beratungsgespräch. Zu oft erleben wir die negativen Konsequenzen für Menschen, die sich bewusst oder unbewusst gegen die Absicherung ihres Bauvorhabens entscheiden. Bevor man über Altersvorsorge oder Vermögensaufbau spricht, muss die Absicherung der Vermögenswerte sichergestellt werden.

Versicherungen sind der Kern der Beratung

In Banken ist der Verkauf von Versicherungen häufig ein Geschäftsfeld, das vernachlässigt wird - mit fatalen Folgen für Kunden und Bank. Denn das ungeliebte Versicherungsgeschäft ist der Kern der seriösen Baufinanzierungsberatung. Die Eingangsthese, dass die Baufinanzierung mehr als eine Kreditrate ist, gilt besonders in Bezug auf die Versicherungsbeiträge. Kunden, die sich diese nicht leisten können, sollten die Finanzierung noch einmal grundsätzlich überdenken - und die finanzierende Bank sollte prüfen, ob sie solche Finanzierungen unter Risikogesichtspunkten überhaupt gewähren will.

Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang die Lebensversicherung - und dabei ist der Risikoaspekt entscheidend, denn wer sich ein Eigenheim zulegt, erwirbt dieses in den seltensten Fällen für sich allein. Deshalb stellt sich immer die Frage, was mit dem Haus oder der Wohnung wird, wenn der Hauptverdiener aufgrund von Krankheit oder Unfall seinen Beruf nicht mehr ausüben kann. Selbstverständlich hat auch die grundlegende Veränderung der Lebensumstände eines anderen Menschen in dem betreffenden Haushalt weitreichende finanzielle Folgen, gegen die man sich absichern kann.

Außer einem Brand, Frostschäden oder Rohrbruch an den Wasserleitungen können beispielsweise auch Sturm, Hagel, Überschwemmung, Erdrutsch und Schneedruck große Schäden am Gebäude verursachen. Besonders Starkregen ist in der Praxis zunehmend die Ursache für kostspielige Zerstörungen. Selbstverständlich können noch weitere Elementarschäden in den Versicherungsschutz einbezogen werden. Weitere Sachversicherungen wie Grundstückshaftpflichtversicherung, Bauherrenversicherung oder Kreditausfallversicherung sind wichtige Produkte, die im Bedarfsfall das Angebot und die Beratung abrunden. Die Quantität und Qualität dieser Themen zeigt deutlich, welches Potenzial sich für das Cross-Selling ergibt und wie groß das Interesse des Kunden an diesen Themen sein muss.

Positionierungsinstrument der Marktstrategie

Vor wenigen Jahren wäre bezüglich der Marktstrategie noch eine Einteilung in Marktführer, Nischenanbieter, Kostenführer oder Innovator vorgenommen worden. Diese Modelle entsprechen jedoch nicht mehr dem Denken der Kunden und sind damit nur bedingt marktrelevant. Vielmehr ist es für die Kaufentscheidung wichtig, dass das Gesamtpaket der Baufinanzierung stimmig ist. Wenn das Gesamtpaket Orientierung stiftet, preisbewusst gestaltet ist, leicht abzuschließen ist und der Service stimmt, dann kann die Baufinanzierung zum entscheidenden Ankerprodukt mit den größten Cross-Selling-Potenzialen werden - die Produkt- und Dienstleistungsvielfalt im Zusammenhang mit der Baufinanzierung belegt dies auf beeindruckende Weise.

Kostenführerschaft ist in allen relevanten Märkten nicht mehr konsequent zu erreichen. Dennoch ist der Preis für das Produkt ein entscheidender Hygienefaktor im Kaufprozess. Wer hochpreisige Produkte ohne besondere Leistungskomponenten anbietet, wird nicht erfolgreich sein. Wer aber ein günstiges Produkt anbietet, das nicht das preiswerteste am Markt ist, und damit besondere Leistungskomponenten verbindet, wird damit erfolgreich sein.

Beratung ist Erfolgsfaktor Nummer eins

Ein weiterer Paradigmenwechsel in der Baufinanzierung besteht darin, sich nicht mehr am Kunden zu orientieren, sondern ihm Orientierung zu geben. Der orientierte Kunde, der genau weiß, was er will, wird bei abnehmender Markttransparenz und Produktvielfalt immer seltener. Die etwa 20 Prozent Kunden, für die dies zutreffen kann, werden schon heute häufig Kunden der Direktbanken. Nur wer dem Kunden die relevanten Entscheidungshilfen gibt, die Orientierung bieten, kann zukünftig noch erfolgreich sein. Deshalb wird im Baufinanzierungsgeschäft die Beratung in den Filialen weiterhin eine große Rolle spielen - ohne dass andere Vertriebs- und Kommunikationswege vernachlässigt werden dürfen.

Eine gute Beratung, die es dem Kunden einfach macht, ist daher auch der Erfolgsfaktor Nummer eins im Baufinanzierungsgeschäft. Immer häufiger sehnen Menschen sich nach Einfachheit - weil das Leben viel zu komplex und unübersichtlich geworden ist und weil es immer seltener echte Tugenden gibt.

Woran aber erkennt man, dass eine Bank verantwortungsbewusst ist - woran er kennt man die gute Bank? Man erkennt sie vor allem an ihrer Einfachheit - an ihrem Engagement, der Transparenz der Entscheidungen, der Offenheit, der Ehrlichkeit, der Ausdrucksweise, an ihrer Freundlichkeit und Fairness, an der Redlichkeit des Verhaltens eines jeden Mitarbeiters.

Das Einfache kompliziert machen, das kann jeder - und viele tun es. Die Kunst, dem Kunden wirklich zu dienen, liegt aber vielmehr darin, komplizierte Sachverhalte so zu durchdringen, dass man sie dem Kunden einfach darstellen kann, um klare finanzielle Entscheidungshilfen und Produktlösungen zu bieten, auf die einfach Verlass ist - das spürt der Kunde und honoriert es.

Diese Haltung zum Kunden ist der Schlüsselfaktor für den Erfolg. Nur wer die Perspektive des Kunden einnimmt und den gesamten Prozess einfach und orientierend gestaltet, wird erfolgreich sein. Die Baufinanzierung braucht viel mehr als andere Geschäftsfelder die Beziehungsmanager und Kundenspezialisten für bestimmte Lebensthemen. Geringe Cross-Selling-Quoten deuten in der Regel auf produktorientiertes Denken der Vertriebseinheiten hin.

Die Banken, die den Prozess der Baufinanzierung in den nächsten Jahren anders gestalten als in den vorangegangenen Jahren üblich, werden sich erfolgreich entwickeln. Für die Baufinanzierung ist das von besonderer Bedeutung, denn kein anderes Geschäftsfeld bietet so viele Möglichkeiten für Cross-Selling und als Positionierungsinstrument im Markt - mit den entsprechenden Effekten für Wachstum und Ertrag.

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