50 Jahre Konsumentenkredit

Banken profitieren von Daten aus anderen Bereichen

Das Marktumfeld von Banken bleibt angespannt. Die nachhaltige Renaissance des Privatkundengeschäfts hält die Intensität des Wettbewerbs auf hohem Niveau. Eine Folge hiervon sind weiterhin erodierende Margen. Durch die aktuelle Finanz- und Konjunkturkrise ist für die kommenden Jahre mit einer Zunahme von Zahlungsausfällen zu rechnen. Die Auswirkungen der Krise werden von vielen Volkswirten vor dem Hintergrund des hohen Wachstums im Konsumentenkreditgeschäft in den letzten Jahren mit Sorge beobachtet.

Es wird deutlich, dass künftig - sowohl in Krisenzeiten wie auch in Wachstumsphasen - die Qualität des Risiko- und Forderungsmanagements von Banken noch stärker ihren unternehmerischen Erfolg beeinflussen wird.

Die effektive Unterstützung der Geschäftsphasen über den gesamten Kundenlebenszyklus hinweg durch das Risiko- und Forderungsmanagement sind allerdings durch hohe und vielseitige Anforderungen geprägt. So sind gerade im Massengeschäft die Schnelligkeit und eine hohe Prognosegüte der Risikoeinschätzung und der Forderungsbewertung von hoher Bedeutung. Insoweit sind die Verfügbarkeit und Methodik zur Verarbeitung und Auswertung der entsprechenden Daten erfolgskritische Faktoren. Im Zusammenhang mit der Datenverfügbarkeit sind technische Aspekte der automatisierten Datenzusammenführung und -verarbeitung entscheidend. Dies gilt umso mehr, je verteilter die Daten in einem Unternehmen vorgehalten werden (zum Beispiel unterschiedliche Systeme für die Antragsbearbeitung, Kernbankensystem, Abwicklungssystem, CRM-System).

Finanzierungen am Point of Sale: keine Erfahrungen mit dem Antragsteller

Da sich die Rahmenbedingungen auf den Märkten kontinuierlich ändern, wird die Flexibilität in der schnellen Anpassung der Schnittstellen, Regelwerke, Prozesse und Verfahren im Risiko- und Forderungsmanagement zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor.

Zudem sind (aufsichts-) rechtliche Anfor derungen im gesamten Systemkomplex zu beachten. Hierzu seien die aktuellen Diskussionen und Veränderungen im Bundesdatenschutzgesetz (insbesondere zum Scoring) sowie im Risikobegrenzungsgesetz genannt.

In diesem Umfeld stellen Kreditfinanzierungen von Konsumgütern im Handel (sogenannte Point-of-Sale-Finanzierungen) besondere Anforderungen an das Risikomanagement der Bank. Anders als bei einer "Hausbank" liegen in der Regel zum Zeitpunkt der Kreditanfrage keine Erfahrungswerte zum Antragsteller vor. Die PoS-Finanzierung birgt einerseits für die finanzierende Bank ein "Buy & Hold"-Risiko: Ist der Kredit einmal vergeben, steht die Bank im Obligo und hat kaum Möglichkeiten, auf Veränderungen der Risikosituation zu reagieren.

Andererseits stellt der Handel einen attraktiven Vertriebskanal für die Bank dar, um neue Kunden für Kredite und auch für weitere Cross-Selling-Angebote zu gewinnen. Vor diesem Hintergrund sind objektive und qualitativ hochwertige Bonitätsprodukte von hohem Wert, um die Antragsrisiken schnell und zuverlässig zu kalkulieren und daran anknüpfend werthaltige Kundenbeziehungen aufzubauen.

Die Anzahl der zukünftigen Zahlungsstörungen hängt somit vereinfacht ausgedrückt von der Qualität des Risikomanagements ab. Jedoch sind Zahlungsstörungen und Ausfälle im Massenkreditgeschäft unvermeidlich. Die geringe Marge im Kreditgeschäft macht es offensichtlich, dass der Verlust durch einen Kreditausfall die Gewinnerwartungen laufender Kredite um ein Vielfaches "auffrisst". Die Höhe des Ausfalls zu begrenzen, ist also vorrangiges Ziel im Forderungsmanagement. Durch die beschriebene "Buy & Hold"-Problematik erhält somit das effiziente Forderungsmanagement eine zentrale Bedeutung für die Bank. Hierbei beginnt das Management von Zahlungsstörungen bereits bei der ersten Mahnung und hört im schlimmsten Fall bei der Forderungsbearbeitung im gerichtlichen Inkassoverfahren auf (siehe Abbildung 1).

Forderungsmanagement spielt integrale Rolle in der Kundenbeziehung

Das moderne Forderungsmanagement ist im Rahmen der flankierenden Begleitung des Kundenengagements gefordert, für das Unternehmen werthaltige Kundenbeziehungen zu erhalten. Dies beginnt bereits im kaufmännischen Mahnwesen mit dem Versand der ersten Zahlungsaufforderung. Angesichts eines hoch-kompetitiven Marktumfeldes und einer hohen Bereitschaft der Kunden, die Bank zu wechseln, ist die Abstimmung der Instrumente im Forderungsmanagement auf die spezifische Kundenlebenszyklusphase auszurichten und in Einklang mit der Risikostrategie zu bringen.

Zu "harte" Verfahren mit werthaltigen Kunden können die Kundenbeziehung empfindlich gefährden und eine (vermeidbare) Abwanderung zur Konkurrenz provozieren. Zu nachlässige Verfahren in Bezug auf Risikokunden können jedoch zu einer verminderten Beitreibungswahrscheinlichkeit beziehungsweise zu einem Kreditausfall führen. Somit hängt der Erfolg des Forderungsmanagements von der "richtigen", das heißt kundenwertabhängigen und am jeweiligen Einzelfall orientierten Auswahl der Instrumente und Frequenz in der Kundenansprache ab.

Im Nichtbanken-Bereich ist diese Sichtweise bereits mit Erfolg etabliert. In der Telekommunikationsbranche, die in etwa durch eine vergleichbare Wettbewerbsintensität und Wechselbereitschaft der Kunden charakterisiert ist, hat sich eine kundenwertabhängige Forderungsbeitreibung durchgesetzt; auch nach Kündigung des Vertrages mit dem Kunden. Eines der Ziele hierbei ist die Reaktivierung rückständiger Kunden. Das Forderungsmanagement spielt somit eine integrale Rolle in der Betrachtung der Kundenbeziehung.

Im Folgenden sollen zentrale Aufgabenstellungen des Forderungsmanagements erläutert sowie Methoden und Produkte der Schufa vorgestellt werden, mit deren Hilfe Ziele in der jeweiligen Phase des Kundenlebenszyklus erreicht werden können (siehe Abbildung 2). Dazu zählen:

Kundenwertabhängige Mahnsteuerung,

Gezielte Inkassoübergaben beziehungsweise eigene Bearbeitung zur Reaktivierung/Sanierung,

Forderungsverkauf nach Kreditkündigung (Non Performing Loans) und

rückfluss-abhängige Inkassobearbeitung. Kundenwertabhängige Mahnsteuerung:

Wie bereits angedeutet, erfüllt das kaufmännische Mahnwesen eine wichtige Aufgabe im Kundenmanagement. Das vorrangige Ziel im Mahnwesen ist somit, Kunden mit Potenzial und Wert für das Unternehmen zu identifizieren und mit geeigneten Mitteln (insbesondere positive Ansprache) zur Rechnungsbegleichung anzuhalten. Zudem sollen Kunden mit hohen Ausfallrisiken frühzeitig erkannt und hierfür risikobegrenzende Maßnahmen getroffen werden (zum Beispiel Verlängerung/Verkürzung von Mahnzyklen, eigene Bearbeitung versus zügige Inkassoübergabe).

Gerade im Massengeschäft stehen Unternehmen vor der Herausforderung, hohe Stückzahlen im Mahnwesen zu bearbeiten und hierbei die vorgenannte Kundenklassifizierung erfolgreich umzusetzen. Die Standardisierung von Mahnprozessen ist eine wichtige Voraussetzung für die Qualität der Bearbeitung. Das Scoring hat sich als erfolgreiche Methodik erwiesen, um unter diesen Rahmenbedingungen eine optimale Entscheidungsunterstützung zu liefern.

Für die kundenwertabhängige Mahnsteuerung hat die Schufa das sogenannte "Pre-Collection-Scoring" entwickelt. Hierdurch wird der Kundenwert in standardisierten und weitestgehend automatisierten Prozessen zu einem möglichst frühen Zeitpunkt, zum Beispiel bei der ersten oder zweiten Mahnung, ermittelt.

Durch die Implementierung von geeigneten Regelwerken in den Prozessen können die vorher festgelegten Mahnverfahren je Kundenwert/-typ angestoßen werden. Die daraus resultierende Kundensegmentierung ist die Basis für die Auswahl der geeigneten Anspracheverfahren und optimiert gleichzeitig die eingesetzten Verfahren inklusive der anfallenden Kosten.

Der Pre-Collection-Score gewinnt an Trennschärfe, wenn sowohl eigene Kundendaten (zum Beispiel Erfahrungen mit dem Kunden in der Vergangenheit, aktueller Kundenwert) als auch externe Bonitätsdaten der Schufa (insbesondere Negativdaten bei anderen Unternehmen der gleichen und anderer Branchen) in die Entwicklung der Scores einfließen. Die Informationslage der Bank bei der Kundenbewertung wird durch die branchenübergreifenden Daten der Schufa zur Vor hersage des künftigen Zahlungsverhaltens erheblich verbessert.

Banken können insbesondere von Negativmeldungen aus dem Nichtbanken-Bereich profitieren, da Forderungen aus Branchen wie Versandhandel, E-Commerce, Telekommunikation et cetera in der Regel deutlich früher ausfallen. Über die Hälfte aller negativen Ersteinträge in dem Schufa-Datenbestand kommen aus dem Nicht-banken-Bereich.

Somit können Negativdaten der Nicht-Banken die Früherkennung von Risiken entscheidend unterstützen. Auch wenn Banken durch die beschriebene "Buy & Hold"-Problematik kaum Instrumente zur Risikoprävention nach Vertragsabschluss haben, besteht dennoch die Möglichkeit, die Mahnverfahren auf Basis des Pre-Collection-Scores zu steuern, zum Beispiel die Vereinbarung von Stundungen, Auswahl und Fortsetzung des Mahnverfahrens (siehe Abbildung 3).

Grundsätzlich sind unterschiedliche Einsatzarten für den Pre-Collection-Score denkbar. So kann die Steuerung der Mahnverfahren durch die Auswahl des Mediums (Brief, SMS, E-Mail, Telefon et cetera), der Tonalität (weich, mittel, bestimmt) und der Frequenz (kurze Frist, Verkürzung des Mahnverfahrens für zügige Inkassoabgabe et cetera) erfolgen.

Gezielte Inkassoübergaben (Treuhand-Inkasso): Ist eine Forderung zahlungsgestört, stehen Banken vor der Entscheidung der weiteren Verfolgung. Die Wahrscheinlichkeit, ob und in welcher Höhe der einzelne Schuldner zahlt, sowie die Kosten der weiteren Bearbeitung sind von hoher Bedeutung für die Auswahl der weiteren Verfahren (eigene Bearbeitung, Beauftragung eines Inkassobüros, Forderungsverkauf). Gerade Fremdkosten sind "sunk costs" in Fällen ohne Rückzahlungen seitens des Schuldners.

Für die jeweilige Entscheidungssituation in der Inkassobearbeitung wurde der In-kasso-Score entwickelt. Der Inkasso-Score ist im Forderungsmanagement sowohl beim Vertragspartner als auch bei einem Inkassounternehmen einsetzbar.

Die Entscheidungsstellen in den Prozessen fangen bereits beim Vertragspartner an. Hier wird entschieden, ob und ab welchem Zeitpunkt der zahlungsgestörte Fall durch Vertragspartner selbst bearbeitet oder an ein Inkassobüro ausgelagert wird.

Auch die einzelnen Entscheidungsstellen in der Inkassobearbeitung (insbesondere außergerichtliche versus gerichtliche Mahnverfahren, Beantragung eines Mahnbescheids ja/nein, Einleitung von Zwangsmaßnahmen ja/nein) kann durch das Inkasso-Scoring bedeutend vereinfacht werden (siehe Abbildung 4).

Mit dem Inkasso-Score lässt sich die Effizienz des gesamten Beitreibungsverfahrens erhöhen. Einerseits lassen sich Arbeitsabläufe und Entscheidungsfindungen in den Inkassoprozessen deutlich beschleunigen. Andererseits werden etwaige Bearbeitungsaufwände (Zeit und Kosten) bei Forderungen mit niedriger Zahlungswahrscheinlichkeit vermieden. Analog zur bereits gelebten Praxis der Cut-Off-Festlegung in der Antragsprüfung kann auch im Inkassofall verfahren werden. In Abhängigkeit der Kosten und der erwarteten Rückflüsse aus der Inkassobearbeitung kann der Cut-Off festgelegt werden (siehe Abbildung 5).

Alle Fälle, die unter einem festgelegten Cut-Off-Niveau liegen, werden entweder nicht weiter bearbeitet oder zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgenommen. Letztere Bearbeitungsoption ist insbesondere im Falle einer titulierten Forderung sinnvoll, da sich die Bonität eines Schuldners im Laufe der Jahre ändern kann (beispielsweise kann der Schuldner nach langer Arbeitslosigkeit eine neue Arbeitsstelle gefunden haben).

Forderungsverkauf sowie chancenabhängige Inkassobearbeitung: Gerade Portfolien mit Verbraucherforderungen weisen meist sehr hohe Stückzahlen auf. Eine Bewertung der einzelnen Fälle ist somit schwer möglich, daher werden in der Regel nur Stichproben analysiert. Jedoch kann diese Methodik gegebenenfalls ein falsches Bild des Portfolios abliefern, das heißt zu positiv/zu negativ. Fehleinschätzungen und hierdurch bedingte Wertabweichungen können schon im geringen Prozentbereich verheerende Auswirkungen auf die Profitabilität des NPL-Kaufs haben.

Umgekehrt können zu hohe Risikoabschläge (zum Beispiel infolge von vereinfachten Stichprobenverfahren) zu Kaufpreisen unterhalb des Marktwertes für den NPL-Verkäufer führen. Die zuverlässige Bewertung von Forderungsportfolien ist somit insbesondere im Rahmen von Verkaufstransaktionen für beide Parteien, NPL-Verkäufer und Käufer, von kritischer Bedeutung.

Für eine marktnahe Bewertung der Portfolien hat die Schufa mit der "Portfolio-Struk-tur-Analyse (PSA)" ein Verfahren zur Portfoliobewertung entwickelt, die beiden Parteien wesentliche Kennzahlen zur Portfoliobewertung liefert und damit eine wichtige Entscheidungsunterstützung darstellt.

Mit der PSA werden Forderungsportfolien nach bestimmten (vorgegebenen) Kenngrößen (beispielsweise Inkasso-Scores, Negativbelastung, Adressqualität) untersucht. Hat der Vertragspartner zu den übergebenen Forderungen keine Vertragsbeziehung, ist eine anonymisierte und aggregierte Darstellung aus datenschutzrechtlicher Sicht zwingend (dies betrifft vorrangig den NPL-Käufer und weniger die verkaufende Bank).

Die PSA spart Analysezeiträume, sie reduziert die finanziellen Aufwendungen für die Wertermittlung und basiert auf einer deutlich verbesserten Informationslage im Vergleich zu bisherigen Stichproben-/Aktensichtungsverfahren, da alle Forderungen analysiert werden können. Rückfluss-abhängige Inkassobearbeitung: Die Vorteile für Banken und Inkassounternehmen in der Optimierung der Forderungsbearbeitung mit Hilfe des In- kasso-Scoring wurden bereits beschrieben.

Hierneben kann der Einsatz eines individuell entwickelten Realisierungs-Scores die erwartenden Rückflüsse eines bestehenden oder zukünftigen zahlungsgestörten Portfolios genauer ermitteln.

Im Unterschied zum Inkasso-Score, der sich für die Steuerung von Inkassoaktivitäten eignet, hilft der Realisierungs-Score bei der automatisierten Wertbestimmung von einzelnen Forderungen in einem Portfolio. Es wird hierbei die konkrete Realisierungsquote beziehungsweise der Realisierungsbetrag prognostiziert - der Inkasso-Score hingegen prognostiziert, ob es sich beim Schuldner um einen Zahler oder Nicht-Zahler handelt.

Insofern geht der Realisierungs-Score einen deutlichen Schritt weiter. Dies ist auch ein Grund, warum die Entwicklung des Reali-sierungs-Scores ausschließlich in enger Zusammenarbeit mit dem Vertragspartner erfolgt.

Die Kombination der Daten des Vertragspartners und der Schufa schafft eine hochwertige Informationsbasis für die Entwicklung des Scores und trägt gleichzeitig zu einer hohen Prognosegüte bei. Für die erfolgreiche Score-Entwicklung ist eine genaue Abstimmung über Einsatz- und Prognoseziele erforderlich.

Im Übrigen eignet sich der Realisierungs-Score ebenfalls für das Bewertungsverfahren im Rahmen von NPL-Transaktionen. Das prinziphafte Vorgehen in der Entwicklung und die generellen Einsatzfelder des Realisierungs-Scores sind in Abbildung 6 nochmal verdeutlicht.

Die neuen Produkte und Dienstleistungen der Schufa wurden für die Herausforderungen und Aufgabenstellungen im Forderungsmanagement bei Banken und Handel entwickelt. Der Einsatz der Produkte bei Vertragspartnern konnte bereits Erfolge nachweisen, insbesondere bei der Optimierung des Mahnwesens, objektiven Bewertung von Forderungen, Beschleunigung von Bearbeitungsprozessen sowie nachhaltigen Senkung von Prozesskosten.

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