Vergütung

Aufklärung zu Kickbacks: Der BGH schafft Klarheit

Lange war umstritten, wie weit die Offenheit gegenüber Kapitalanlegern gehen muss: Ist jede Art der Vergütung aufklärungspflichtig? Oder sind es möglicherweise nur Innenprovisionen? Und wer muss überhaupt aufklären? Mit einem Beschluss vom 9. März dieses Jahres (Az. XI ZR 191/10) legt der Bundesgerichtshof (BGH) eindeutig fest, was und wer aufklärungspflichtig ist - eine Entscheidung, die manchem Kreditinstitut noch Probleme bereiten könnte. Sie steht am Ende einer längeren Entwicklung der Rechtsprechung zugunsten der Anleger.

Geraume Zeit stellte sich überhaupt nur die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Innenprovisionen ausgewiesen werden müssen. Dies war höchstrichterlich nicht geklärt und im Schrifttum sowie in der Rechtsprechung der Instanzgerichte umstritten. Während zunächst eine Aufklärungspflicht über Innenprovisionen wohl erst ab der Grenze der Sittenwidrigkeit bejaht wurde, führte der BGH mit Grundsatzurteilen (Az. III ZR 355/02 und III ZR 359/02) zur Vermittlung geschlossener (Immobilien-) Fonds im Jahre 2004 einen Schwellenwert von 15 Prozent der Beteiligungssumme ein. Ab diesem Wert sollte die Pflicht bestehen, über Innenprovisionen zu informieren.

Mit Beschluss vom 20. Januar 2009 (Az. XI ZR 510/07) erklärte der BGH unter Verweis auf ein Urteil aus dem Jahr 2006 (Az. XI ZR 56/05) sodann, dass ein Beratungsvertrag bei der Vermittlung einer Kapitalanlage grundsätzlich zu einer Aufklärung über Rückvergütungen verpflichte, und zwar unabhängig von der Rückvergütungshöhe. Diese Rechtsprechung über raschte vor allem die Banken, von denen in der weiteren Folge regelmäßig argumentiert wurde, dass diese "neue" Pflicht jedenfalls nicht für "Altfälle" von vor 2009 gelten könne.

Mit Beschluss vom 29. Juni 2010 (Az. XI ZR 308/09) stellte der BGH aber klar, dass diese Pflicht bereits seit dem Jahr 1990 bestand. Für Kreditinstitute sei - so der BGH in seiner Entscheidung - auch bereits auf der Grundlage von zwei Urteilen des Bundesgerichtshofs aus den Jahren 1989 und 1990 (Urteil vom 28. Februar 1989, Az. XI ZR 70/88; Urteil vom 6. Februar 1990, Az. XI ZR 184/88) eine entsprechende Aufklärungspflicht erkennbar gewesen.

Nachdem der BGH in dieser Hinsicht Klarheit geschaffen hatte, entbrannte ein Streit über die Frage, was denn nun eigentlich unter Innenprovisionen und was unter Rückvergütungen - auch Kickbacks genannt - zu verstehen sei.

Mit dem aktuellen Beschluss des BGH wurde nunmehr auch diese Frage unmissverständlich beantwortet. Da der Beschluss noch nicht öffentlich ist, werden bei der folgenden Skizzierung des Sachverhalts die Namen der Beteiligten anonymisiert. Der Beschluss wird ansonsten zum Teil wörtlich wiedergegeben.

Im konkreten Fall hatte die Ehefrau eines Fondsanlegers aus abgetretenem Recht ihres Mannes gegen dessen beratende Bank auf Rückabwicklung und Schadensersatz geklagt. Der Anleger hatte im März 2003 einen größeren Geldbetrag erwartet, den er gewinnbringend anlegen wollte. Deshalb stellten ihm die Angestellten der beklagten Bank in mehreren persönlichen Gesprächen die Fonds V3 und V4 vor. (...) Gegenstand der beiden als "Garantiefonds" beworbenen Fonds war die Finanzierung von Filmproduktionen und deren Vermarktung.

Der Anleger, der wegen des Geschäfts auch seinen Steuerberater kontaktiert hatte, zeichnete dann Anteile an beiden Fonds in Höhe von 25000 Euro zuzüglich fünf Prozent Agio.

Der Prospekt zu V3 sagt aus, dass ein Vertrag zur Eigenkapitalbeschaffung - also zum Einwerben von Anlegergeldern - mit einem Unternehmen bestehe. Für die Vermittlung von Anlegern sollte dieses Unternehmen laut Prospekt eine Vergütung von 8,9 Prozent inklusive Umsatzsteuer und zusätzlich das Agio von fünf Prozent der Zeichnungssumme erhalten. Außerdem besagt der Fondsprospekt, dass das Unternehmen das Recht habe, seine "Rechte und Pflichten aus dieser Vereinbarung auf Dritte zu übertragen".

Für V4 ist im Fondsprospekt ebenfalls festgelegt, dass das besagte Unternehmen die Eigenkapitalbeschaffung übernimmt. Dafür soll es eine Vergütung von 4,9 Prozent des Beteiligungskapitals sowie das Agio von fünf Prozent der Zeichnungssumme erhalten. Darüber hinaus habe das Unternehmen eine Platzierungsgarantie in Höhe von fünf Millionen Euro abgegeben und für diese Garantie zusätzlich ein Honorar von zwei Prozent des Beteiligungskapitals erhalten. Auch für den Fonds V4 sieht der Prospekt vor, dass das Unternehmen berechtigt ist, Dritte als Vertriebspartner einzusetzen.

Nach Erwerb der Fondsanteile durch den Anleger leitete das Unternehmen laut BGH "8,25 Prozent der vereinnahmten Provisionen bei V3 und bei V4 zwischen 8,45 und 8,72 Prozent" an die Bank weiter. Darüber, dass die Bank diese Zahlungen erhalten würde, war der Anleger von der Bank bei den Beratungsgesprächen nicht informiert worden. Auf diese fehlende Information werden nun die Ansprüche gestützt.

Klage wegen mangelnder Aufklärung

Das Oberlandesgericht (OLG) Celle hatte der Klägerin mit einem Urteil vom 21. April 2010 in der Sache Recht gegeben - eben weil die Bank den Anleger nicht über die Provision aufgeklärt habe, die das Unternehmen ihr bei Zeichnung der Anteile durch den Anleger gewähren würde. Auch die Fondsprospekte hätten keinen Aufschluss darüber erlaubt, dass beziehungsweise wie hoch die Provision sei, die die Bank zu erwarten habe. Weiter führte das OLG Celle aus, es sei zu vermuten, dass der Anleger sein Geld anders angelegt hätte, wenn ihm bekannt gewesen wäre, dass und wie sehr die Bank von seinem Investment profitiert.

Gegen dieses Urteil des OLG Celle hatte die beklagte Bank beim BGH Revision eingelegt. Mit Beschluss vom 9. März 2011 weist der BGH aber darauf hin, dass er beabsichtigt, diese Revision zurückzuweisen. Zur Begründung heißt es unter anderem, dass zwischen der Bank und dem Anleger ein Beratungsvertrag zustandegekommen sei und nicht lediglich ein Auskunftsvertrag. Eine Bank sei regelmäßig Anlageberaterin und nicht nur reine Anlagevermittlerin. Hieraus ergebe sich, dass die Bank verpflichtet war, über Rückvergütungen aufzuklären. In seinem aktuellen Beschluss liefert der BGH sodann eine Definition der Begrifflichkeiten, die eine Unterscheidung zwischen Innenprovision und Rückvergütungen zweifelsfrei möglich macht.

Worüber müssen die Kreditinstitute aufklären?

Der BGH definiert Innenprovisionen als "nicht ausgewiesene Vertriebsprovisionen, die bei einem Fonds aus dem Anlagevermögen bezahlt werden." Über sie, so besagt der Beschluss "muss bei einem Fonds (...) unter bestimmten Umständen aufgeklärt werden, weil sie Einfluss auf die Werthaltigkeit der vom Anleger erworbenen Anlage haben und deswegen bei diesem insoweit eine Fehlvorstellung herbeiführen können".

Rückvergütungen sind demgegenüber immer aufklärungspflichtig. Der BGH definiert sie als "regelmäßig umsatzabhängige Provisionen, die im Gegensatz zu Innenprovisionen nicht aus dem Anlagevermögen, sondern aus offen ausgewiesenen Provisionen wie zum Beispiel Ausgabeaufschlägen und Verwaltungsvergütungen gezahlt werden, sodass beim Anleger zwar keine Fehlvorstellung über die Werthaltigkeit der Anlage entstehen kann, deren Rückfluss an die beratende Bank aber nicht offenbart wird, sondern hinter dem Rücken des Anlegers erfolgt, sodass der Anleger das besondere Interesse der beratenden Bank an der Empfehlung gerade dieser Anlage nicht erkennen kann".

Maßgeblich für die Aufklärungspflicht ist, "dass der Anleger ohne diese Aufklärung nicht das besondere Interesse der beratenden Bank erkennen kann, gerade diese Anlage zu empfehlen".

Im konkreten Fall gab der BGH damit der Klägerin Recht, weil der Kunde eben nicht wissen konnte, welches eigene Interesse die Bank daran hatte, ihm gerade diese Fonds als Kapitalanlage zu empfehlen.

Selbst wenn die Fondsprospekte rechtzeitig übergeben worden seien, sei dies nicht als ordnungsgemäße Aufklärung zu verstehen. Denn der Anleger hätte auch den Prospekten nicht entnehmen können, ob und in welcher Höhe die Bank eine Provision erhalten würde. Hierzu reiche die Aussage, dass "Dritte" als Vertriebspartner eingeschaltet werden dürfen, nicht aus - zumal, wenn die

Höhe der Vergütung, die die Bank erhält, weiterhin unklar sei.

Wie das OLG Celle nimmt auch der BGH zugunsten des Anlegers an, dass das Geld anders angelegt worden wäre, wenn der Anleger um die Vergütung der Bank gewusst hätte. Die Beweislast, dass dem nicht so ist - dass der Anleger also in jedem Fall das Investment getätigt hätte -, liegt laut BGH beim Kreditinstitut. Dieser Beweis dürfte für die Bank regelmäßig nur schwer zu erbringen sein.

Banken stärker in der Pflicht als freie Berater

Weiter stellt der BGH in seinem Beschluss klar, dass Banken noch deutlicher über Vergütungen aufklären müssen als freie Anlageberater. Denn üblicherweise unterhalten Bankkunden langfristige Beziehungen zu ihrer Bank. Sie nehmen dabei unterschiedliche Dienstleistungen und Produkte in Anspruch, die sie auch bezahlen. Deshalb vermuten Kunden bei der Beratung zu Kapitalanlagen nicht, dass die Bank von dritter Seite Provisionen erhält.

Dass sich andererseits freie Berater über Provisionen finanzieren, davon gehe laut BGH ein Anleger aus. Diese Eindeutigkeit in der Unterscheidung von Kreditinstituten und freien Beratern ist neu.

Das OLG Düsseldorf hatte in einer Entscheidung vom Sommer 2010 (Urteil vom 8. Juli 2010 - Az. I-6 U 136/09) noch ausgeführt, dass ein Beratungsvertrag auch einen freien Anlageberater - nicht nur eine Bank - verpflichten würde, seinen Kunden über die Höhe seiner Vergütung aufzuklären. Damit stützte das OLG Düsseldorf ein Urteil des Landgerichts (LG) München vom 25. Februar 2010 (Az. I 22 O 1797/09). Eine solche Aufklärungspflicht folge bereits aus allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen, die insbesondere einem Beratungsvertrag immanent sind und nach denen jeder Vertragspartner zur Aufdeckung vertragswidriger Interessenkonflikte verpflichtet ist. Diese Grundsätze sollten nicht nur für Banken, sondern auch für andere Finanzdienstleister gelten.

Ausweis von Rückvergütungen ohne Wenn und Aber

Der aktuelle Beschluss des BGH verwirft diese Argumentationen. Zumindest Banken und Sparkassen werden in Zukunft ohne Wenn und Aber Transparenz darüber herstellen müssen, dass und in welcher Höhe sie Rückvergütungen erhalten. Hieran lässt der BGH mit dem neuen Beschluss keinen Zweifel.

Das stellt den Vertrieb vor neue Herausforderungen: Sobald der Kunde weiß, wie sehr die Bank monetär von seiner Geldanlage profitiert, wird er sicherlich mit Skepsis reagieren und das Investment umso kritischer hinterfragen.

Beschluss mit Sprengkraft

Für die Kreditinstitute hat der aktuelle BGH-Beschluss weitreichende Konsequenzen. Folgende Festlegungen sind neu, beziehungsweise wurden in dieser Eindeutigkeit bisher nicht formuliert:

1. Kreditinstitute müssen transparenter kommunizieren als freie Berater, weil sie eine andere Art der Geschäftsbeziehung zum Anleger haben.

2. Grundsätzlich aufklärungspflichtig sind Rückvergütungen, die regelmäßig umsatzabhängige Provisionen sind und die im Gegensatz zu Innenprovisionen nicht aus dem Anlagevermögen, sondern aus offen ausgewiesenen Provisionen wie zum Beispiel Ausgabeaufschlägen und Verwaltungsvergütungen gezahlt werden. Rückvergütungen verursachen zwar beim Anleger keine Fehlvorstellung über die Werthaltigkeit der Anlage. Aber wenn der Rückfluss an die beratende Bank nicht offenbart wird, sondern hinter dem Rücken des Anlegers erfolgt, kann der Anleger das besondere Interesse der beratenden Bank an der Empfehlung gerade dieser Anlage nicht erkennen.

3. Nicht nur die Tatsache, dass Rückvergütungen fließen, sondern auch die Höhe derselben muss dem Anleger ungefragt mitgeteilt werden.

4. Es reicht nicht aus, wenn im Fondsprospekt auf die mögliche Einschaltung Dritter verwiesen wird, sondern dem Prospekt muss klar zu entnehmen sein, wer welche Rückvergütungen enthält.

Banken und Sparkassen müssen sich nun im schlimmsten Fall auf eine Welle von Klagen geschädigter Anleger einstellen. Denn der neue BGH-Beschluss gibt vielen von ihnen Anlass zur Hoffnung: Oft sind Ansprüche gegen Initiatoren bereits ver jährt, wenn klar wird, dass das Investment nicht die versprochenen Gewinne einbringt. Einzig die beratenden Banken können dann noch haftbar gemacht werden.

Doch bisher war zumindest fraglich, wie weit deren Aufklärungspflicht geht. Insofern haben Anleger, die nicht über Rückvergütungen der beratenden Bank informiert wurden, jetzt gute Karten. Viele Betroffene werden ihre Ansprüche prüfen lassen. Dabei ist möglicherweise schnelles Handeln gefragt. Die neue Rechtsprechung ist zwar auch auf Altfälle ab 1990 anwendbar, doch den Anlegern droht zum 31. Dezember 2011 auch gleich wieder die Verjährung ihrer Ansprüche.

Für die Zukunft bedeutet der Beschluss, dass ganz klare Richtlinien zur Aufklärung der Anleger gelten: Eine Bank muss jeden Anleger im Beratungsgespräch darüber informieren, ob und wenn in welcher Höhe sie für die Vermittlung der Kapitalanlage eine Rückvergütung erhält. Nur wenn der Anleger über mögliche Rückvergütungen ausreichend aufgeklärt wurde, besteht in dieser Hinsicht Rechtssicherheit.

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