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Altersvorsorge übers Internet- Widerspruch oder Chance?

Ein erfolgreicher Internetvertrieb wird maßgeblich von der Art und Qualität der in diesem Vertriebskanal abgebildeten Beratungs- und Verkaufsprozesse beeinflusst. Durch das Aufzeigen geeigneter Informationen und die Gestaltung von interaktiven Elementen und Beratungstools wird der Kunde über die Phasen seines Kaufentscheidungsprozesses hinweg begleitet. Gleichzeitig müssen diese Gestaltungsmerkmale durch eine geeignete Aufbereitung einfach zugänglich und nutzbar gemacht werden. Zusammenfassen lassen sich diese Anforderungen in die beiden Kategorien Beratungsqualität und Usability, die gleichermaßen für den vertrieblichen Erfolg einer Website verantwortlich sind.

Mit über 230 Einzelkriterien untersucht das Forschungsinstitut Ibi Research GmbH seit mittlerweile elf Jahren die vertriebliche Qualität von Banken-Websites in diesen beiden Ausprägungen. Dabei wird ermittelt, inwieweit die Websites der Banken die geforderten Kriterien eines erfolgreichen Internetvertriebs bereits erreichen. Die aktuellen Ergebnisse des Ibi Website Rating 2009 zeigen, dass die untersuchten 150 Institute die gestellten Anforderungen in Teilbereichen gut bis sehr gut umsetzen. Allerdings lassen sich auch Mängel in den Beratungs- und Verkaufsprozessen erkennen. Deutlich wird dies im Schwerpunktthema Altersvorsorge/Riester-Rente, bei dem in der Beratungsqualität erhebliche Optimierungspotenziale erkennbar sind.

Anforderungen an den Internetvertrieb

Beim Angebot von Vorsorgeprodukten ist der Übergang des Kanals Internet vom Informations- zum Vertriebsmedium fließend. Die Anforderungen der Kunden in den einzelnen Phasen des Customer Buying Cycle sind für Versicherungs- oder Vorsorgeprodukte ebenso unterschiedlich wie für klassische Bankprodukte (siehe Abbildung).

Dabei sind unterschiedliche Parameter wesentlich für die Bereitschaft des Kunden, sich über ein Vorsorgeprodukt im Internet zu informieren oder dieses dort gar direkt abzuschließen:

Verpflichtung: Bei einer Pflichtversicherung (zum Beispiel Kfz-Haftpflicht) möchte der Kunde das Produkt in der Regel möglichst schnell abschließen. Hier ist seine Bereitschaft, dies online zu tun, größer als bei Versicherungen, die er aus eigener Motivation abschließen möchte.

Laufzeit: Kurze Laufzeiten eines Versicherungsprodukts und überschaubare Kündigungsmöglichkeiten reduzieren aus Sicht des Kunden die negativen Konsequenzen fehlerhafter Entscheidungen.

Konfiguration: Die Möglichkeit, Produkte nachträglich flexibel in einzelnen Parametern anzupassen, erleichtert den Onlineabschluss dieser Produkte. Aus Sicht des Kunden kann eine eventuelle Fehlkonfiguration leichter behoben werden.

Die genannten Parameter treffen insbesondere beim Vertrieb eines Altersvorsorge-Produkts zu. Die Komplexität eines Alters-vorsorge-Produkts kann durchaus als hoch angesehen werden, resultierend aus dem Beratungsbedarf des Kunden, der im Kontext der Altersvorsorge besonders stark ausgeprägt ist, sowie aus einer gewissen Anzahl an zu erfassenden beziehungsweise zu berücksichtigenden Daten.

Da Produkte im Bereich der Altersvorsorge vor allem von langfristiger Natur sind, trägt das durch den Kunden wahrgenommene hohe Risiko einer Fehlentscheidung beim Produktabschluss - bedingt durch die langfristige Vertragsbindung - zur Steigerung des Beratungsbedarfs bei. Auch wird der Kunde in der Regel nicht auf Erfahrungswerte bereits getätigter Produktabschlüsse zurückgreifen können. Eine optimale Unterstützung der Kaufentscheidung im Internet ist demnach ebenso wichtig wie die optionale Zuschaltung unterstützender Vertriebskanäle und Ansprechpartner (zum Beispiel Call-Center, persönlicher Vertrieb).

Mängel bei der Beratungsqualität

Insgesamt werden bei der Beurteilung der Altersvorsorge die geforderten Kriterien von den Internetangeboten zu durchschnittlich 48 Prozent erfüllt. Während sich bei der Beurteilung der Nutzerfreundlichkeit keine auffälligen Unterschiede zwischen den untersuchten Websites ergeben und die Anforderungen in der Regel gut erfüllt sind, ist dies bei Beurteilung der Kategorie Beratungsqualität nicht der Fall.

Hier erreichen die bewerteten Institute im Durchschnitt nur 35 Prozent der Gesamtanforderungen. Es kann plakativ festgestellt werden: Nach der Phase Anregung ist Schluss beim Internetvertrieb von Alters-vorsorge-Produkten. Diese Phase wird am besten unterstützt - im Durchschnitt mit 59 Prozent Zielerreichung. In den folgenden Phasen Evaluation, Kauf und After Sales werden allerdings nur 31 Prozent, 18 Prozent beziehungsweise lediglich 13 Prozent der Anforderungen umgesetzt.

Es zeigen sich dabei durchaus Unterschiede zwischen den einzelnen Websites. Während die besten zehn Prozent der untersuchten Institute bei der Beratungsqualität im Durchschnitt 53 Prozent der Anforderungen erfüllen, sind es bei den schlechtesten zehn Prozent der Institute nur 22 Prozent der Kriterien, die umgesetzt werden. In den einzelnen Phasen der Beratungsqualität ergeben bei den Zielerreichungsgraden zudem Spannweiten von über 30 Prozent zwischen den Besten und den Schlechtesten. So erfüllen zum Beispiel in der Phase After Sales/Cross-Selling selbst die besten Institute weniger als ein Drittel aller angesetzten Kriterien, die schlechtesten sogar nur fünf Prozent.

Produktzentrierte oder bedarfsorientierte Kaufanregung

Beispielhaft werden im Folgenden zunächst die produktzentrierte und die bedarfsorientierte Anregung des Kunden beim Besuch einer Bankenwebsite im Kontext der Altersvorsorge beschrieben.

Auch wenn es sich bei Versicherungsprodukten um erklärungsbedürftige Dienstleistungen handelt, kann davon ausgegangen werden, dass sich auch bereits gut informierte Kunden auf der Website der Bank einfinden. Diese sind sich ihres Bedarfs bewusst und auf der Suche nach einem konkreten Produkt. Die schnelle und gezielte Auswahlmöglichkeit des gewünschten Produkts sollte daher mit einer direkten Überleitung in die Phase der Evaluation einhergehen.

Wichtig ist dabei zum Beispiel die Ausgestaltung und Verortung von produktzentrierten Kampagnen, vertrieblich aufbereiteten Informationsflächen, die Darstellung der Produktvorteile sowie die ausdrückliche Überleitung in das Evaluationstool, den Antragsprozess oder zur Terminvereinbarung.

Unter Umständen hat der Kunde allerdings noch keine genaue Vorstellung seiner Bedarfe. Dann dient die Phase der Anregung der Problemerkennung und dem Wecken des konkreten Bedarfs nach finanzieller Absicherung beim Kunden. Die Ansprache erfolgt zunächst produktunabhängig, als Ausgangspunkt dient ein elementarer Wunsch oder ein Bedürfnis des Kunden.

Die bedarfsorientierte Anregung im Kontext von Versicherungsprodukten setzt bei grundlegenden Bedürfnissen des Kunden nach Ruhe, Freiheit von Angst, Erhaltung der Erwerbstätigkeit und Alterssicherung an. Neben der Sicherung der Existenz und sozialen Bedürfnisse wie zum Beispiel die Sicherheit der Familie kann durch kapitalbildende Versicherungsprodukte ein gewisser sozialer Status erreicht oder gefestigt werden. Geeignet zur Befriedigung dieses letztgenannten Bedürfnisses sind Produkte der Altersvorsorge. Bei der bedarfsorientierten Anregung gilt es daher festzustellen, in welcher Situation sich der Kunde derzeit befindet und welche Produkte sich zur Abdeckung seiner Bedarfe ableiten lassen.

Im Internet stellt dabei ein interaktives Tool eine geeignete Möglichkeit dar, über entsprechende Dateneingabe des Kunden die individuelle Bedarfssituation abzuleiten und auf passende Produkt- beziehungsweise Leistungsangebote überzuleiten. Dabei kann es sich zum Beispiel um einen Versorgungslückenrechner handeln, der über die Erfassung der persönlichen Situation, einer Rentenschätzung und einem Rentenwunsch eine monatliche Versorgungslücke aufdeckt.

Online-Abschluss nur selten angeboten

Nachdem der Produktwunsch des Kunden geweckt werden konnte, ist es Ziel der Phase Evaluation, die Konfigurationen zu konkretisieren - ausgehend vom individuellen Bedarf des Kunden. Entscheidend für diese Phase ist, dass die erforderlichen Informationen des Interessenten über ein Tool in Erfahrung gebracht werden. Im Anschluss daran erfolgt regelbasiert die Einstufung der Komplexität des individuellen Falles.

Bei einem standardisierten, online abzuschließenden Produktwunsch kann die Anleitung des Kunden durch den Kaufentscheidungsprozess bis hin zum Produktabschluss erfolgen.

Bei hoher Komplexität der Anforderungen und damit nicht mehr online zu bearbeitenden Fällen erfolgt die Überleitung des Kunden in die persönliche Beratung mit entsprechenden Hinweisen zum Zusammenhang von erfassten Parametern und Vertriebsprozess, um für diesen Weg zu sensibilisieren.

Nachdem der Kunde in der Evaluationsphase das Produkt beziehungsweise Leistungsbündel konfiguriert hat, beginnt der Einstieg in die Phase Kauf mit dessen Absicht und der Entscheidung, das Angebot zu erwerben. Von besonderer Bedeutung ist hierbei die Darstellung der umfassenden Informationen und nötigen Prozessschritte. Ebenfalls entscheidend für die Kaufphase sind eine einfache und sichere Abwicklung sowie die Transparenz über den Vorgang.

Sowohl beim abschließenden Onlineabschluss als auch im Falle einer Überleitung zu einem anderen Vertriebskanal sollten dem Kunden die weiteren erforderlichen Schritte bis zum Produktabschluss strukturiert erläutert werden.

Der Produktkauf selbst kann auf unterschiedliche Weise unterstützt werden: Unterstützung des E-Mail-Kontakts:

Hier kann der Kunde im Idealfall über ein entsprechendes Formular die Kontaktaufnahme produktspezifisch anstoßen und an das Institut übermitteln.

Unterstützung der elektronischen Anfrage: Der Vertragsabschluss wird durch eine automatische Übernahme der in vorangehenden Evaluationsphase erfassten Kundendaten vorbereitet und an das Institut übermittelt. Das Institut reagiert entsprechend der vorliegenden Daten und sendet bei Erfüllung aller Voraussetzung die entsprechenden Vertragsunterlagen zur Unterschrift beziehungsweise zur Legitimation zurück.

Abschließender Onlineabschluss: Alle vom Kunden eingegebenen Daten werden in ein Antragsformular übernommen, mit Angaben zu Geschäftsbedingungen und Voraussetzungen angereichert und dem Kunden für Ausdruck, Unterschrift und Legitimation direkt zur Verfügung gestellt.

Die Ergebnisse des Ibi Website Rating 2009 spiegeln deutlich wider, dass in der Produktkategorie Altersvorsorge/Riester Rente zumeist auf Produktinformation und Überleitung zur persönlichen Beratung gesetzt wird, der Online-Kauf wird in der Regel nicht angeboten.

Auch der Kundenkontakt nach einem Produktabschluss beschränkt sich derzeit meist auf das Zusenden von Informationen zum Vertragsstand und die Zahlung der Prämien. Allerdings muss sich die Kommunikation im Internet nicht auf das eigentliche Kernprodukt beschränken. Vielmehr kann eine bewusste und kundenorientierte Betreuung durch den Anbieter stattfinden. So kann sich ein Kreditinstitut auch in der Phase After Sales durch die Ausgestaltung der Website als kompetenter Partner für weitere finanzielle Fragen positionieren.

Bei einem erneuten Produktbedarf sucht der zufriedene Kunde zudem mit einer hohen Wahrscheinlichkeit die Website des Anbieters noch einmal auf. Ziel ist es dabei, aus der Phase After Sales in die Anregungsphase eines neuen Kaufentscheidungsprozesses zu gelangen. Dadurch können der Gesamtbedarf des Kunden umfassend befriedigt und gleichzeitig weitere Produktabschlüsse für das Institut ermöglicht werden.

Altersvorsorge und Internet kein Widerspruch

Die Darstellung des komplexen und erklärungsbedürftigen Themas Altersvorsorge ohne eine persönliche Beratung schien bislang kaum möglich zu sein. Durch die Weiterentwicklung entsprechender Anregungs- und Evaluationstools mit interaktiven und multimedialen Elementen ist allerdings der Weg zur Online-Altersvorsorge beschritten, auch wenn die Studienergebnisse zeigen, dass viele Institute hier noch am Anfang stehen.

Dessen ungeachtet ist es von größter Bedeutung, den Themenbereich der Altersvorsorge im Online-Kanal abzubilden. Für viele Kunden ist es mittlerweile die Regel, sich im Vorfeld eines Produkterwerbs zunächst auf den Webseiten von Anbietern zu informieren. Ein immer größer werdender Kundenanteil ist anschließend durchaus bereit, auch komplexe Bankprodukte online abzuschließen.

Dr. Anja Peters , Geschäftsführerin , ibi research an der Universität Regensburg GmbH
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