Redaktionsgespräch mit Holger Mai

"Private Wealth ist kein skalierungsfähiges Geschäft"

Holger Mai, Foto: Frankfurter Bankgesellschaft Schweiz AG

Im Redaktionsgespräch mit Holger Mai betont dieser, dass es alles andere als ein Nachteil für einen Private Wealth Manager sei, ein Teil der Sparkassen-Finanzgruppe zu sein. Im Gegenteil: Die Mittelständler, die von der Frankfurter Bankgesellschaft (FBG) angesprochen würden, stünden oft bereits seit 20 oder mehr Jahren in einer vertrauensvollen Geschäftsbeziehung zu ihrer Sparkasse, was die Ansprache erleichtere. Obwohl sich die FBG langsam der Maximalzahl an Kooperationssparkassen nähert, sieht Mai noch großen Spielraum für Wachstum: Bis 2030 soll sich das Anlagevolumen auf 50 Milliarden Euro verdreifachen. Erreicht werden soll das über eine systematische Zusammenarbeit mit den Sparkassen. Einen Beitrag soll auch die M&A-Beratungsgesellschaft IMAP liefern, die 2020 mehrheitlich übernommen wurde. Schließlich müsse der Verkaufserlös nach Unternehmensverkäufen auch angelegt werden. (Red.)

Herr Mai, Wealth Management ist ein Geschäftsfeld, das für sehr vermögende Kunden Vermögen verwaltet. Hat man da als Wealth Manager aus der Sparkassengruppe, die ja eigentlich bekannt ist für ihre Verwurzelung im Geschäft mit der breiten Bevölkerung, einen Startnachteil gegenüber Mitwettbewerbern?

Nein, das Gegenteil ist der Fall. Erstens: Wenn die Sparkassen uns zu ihren vermögenden Kundinnen und Kunden bringen, hat das oft einen Überraschungseffekt, weil diese uns in der Regel nicht kennen. Es ist oft nicht bekannt, dass zur S-Finanzgruppe eine der großen Privatbanken in Deutschland mit Sitz in Zürich und Frankfurt gehört. Das wird von den Kundinnen und Kunden und Familienunternehmerinnen und -unternehmern meist sehr gut aufgenommen, weil die Sparkassen ja, wie viele Befragungen ergeben haben, die höchsten Vertrauenswerte aller Finanzdienstleister in Deutschland aufweisen. Wir kommen oftmals zu einem Mittelständler, der bereits seit zehn oder 20 Jahren vom Firmenkundenbetreuer seiner Sparkasse betreut wird. Wenn dieser seiner Kundschaft von uns erzählt, zieht das in der Regel nur positive Reaktionen nach sich. Es ist also kein Nachteil, sondern hat nur Vorteile, auf der vertrauensvollen Geschäftsverbindung zwischen Sparkassen und vermögenden Kundinnen und Kunden in anderen Feldern wie dem Kreditgeschäft aufzubauen.

Das vergangene Geschäftsjahr war ja auch dementsprechend das erfolgreichste in der Geschichte der Frankfurter Bankgesellschaft Gruppe. Das verwaltete Vermögen ist um 4 Milliarden Euro auf fast 17 Milliarden Euro angewachsen. Wie viel vom Zuwachs war Nettomittelzufluss und wie viel kam durch Anlageerfolg zustande?

Das Verhältnis lag in etwa bei eins zu drei. Eine Milliarde Euro kam von der Performance und die restlichen 3 Milliarden Euro waren Netto-Neugeschäft.

Wie weit kann die Gruppe Ihrer Einschätzung nach noch wachsen? Gibt es natürliche Wachstumsgrenzen innerhalb der Sparkassengruppe?

Nein, die gibt es eigentlich nicht. Also, das Wachstumspotenzial ist natürlich grundsätzlich nicht unbegrenzt. Aber die Sparkassen-Finanzgruppe hat um die 1 500 Milliarden Euro Bilanzsumme. Der Großteil davon sind natürlich Einlagengeschäft auf der Passivseite und Kredite auf der Aktivseite. Zusätzlich sind die Sparkassen Marktführer im mittelständischen Firmenkundengeschäft, wo nun Tausende Unternehmen davorstehen, entweder in die nächste Generation übertragen oder veräußert zu werden. Unsere Ziele bis 2030, die wir anstreben, sind im Verhältnis zum Potenzial sehr gut erreichbar. Da ist nur die Frage, wie wir es schaffen. Aber das Potenzial der Gruppe ist gigantisch!

Wie lautet denn das mittelfristige Ziel, das Sie gerade erwähnt haben?

Wir haben für 2030 als Ziel für das Anlagevolumen 50 Milliarden Euro ausgerufen. Damit wären wir dann in diesem Segment entweder die zweit- oder drittstärkste der relevanten Privatbanken in Deutschland. Das würde einen Provisionsertrag für die Frankfurter Bankgesellschaft Gruppe in Höhe von circa 200 Millionen Euro bedeuten. Der Nutzen für die Sparkassen würde in diesem Fall pro Jahr zwischen 100 und 150 Millionen Euro liegen. Unser Ergebnis vor Steuern ist für 2030 mit rund 50 Millionen Euro geplant. Die Cost Income Ratio soll am Ende zwischen 70 und 80 Prozent liegen. All dies wären Bestmarken am deutschen Markt in dem relevanten Marktvergleich. Bezogen auf das Anlagevolumen entspräche das gegenüber dem Status quo einer Verdreifachung. Die ist auch bereits zu einem nennenswerten Teil mit Vertriebs-Commitments der Sparkassen unterlegt. Das sind zwar keine Verträge, aber wir vereinbaren mit Sparkassen gemeinsame Ziele. Und ein Großteil des geplanten Wachstums ist durch Ziele hinterlegt.

Können Sie da eine Prozentzahl nennen?

Im Wealth Management sind es in der Summe um die 70 Prozent.

Sie arbeiten derzeit bereits mit 287 der - Stand 2021 - 370 Sparkassen zusammen. Allein 2021 sind weitere 13 Institute hinzugekommen. Halten Sie es für machbar, auf eine Quote von 100 Prozent zu kommen?

Nein. Es gibt wenige Sparkassen, die uns sagen, dass sie nicht mit uns kooperieren werden - zum Beispiel weil sie eine eigene Vermögensverwaltung haben. Das wird es auch weiterhin geben. Daher sehen wir die strategische Maximalzahl bei rund 85 Prozent aller Sparkassen. Daneben stünde auch der Aufwand für die Akquisition nicht unbedingt in einem sinnvollen Verhältnis zum potenziellen gemeinsamen Geschäft.

Also auch von Ihrer Seite sind 100 Prozent nicht angestrebt?

Genau, auch wenn wir uns darüber freuen würden. Für uns ist es wichtig, dass wir mit den Sparkassen, mit denen wir arbeiten, systematisch zusammenarbeiten und nicht nach dem Motto: "Wenn ich mal einen vermögenden Kunden sehe, rufe ich euch an". Wir sind erfolgreich, wenn wir systematisch und nicht opportunistisch vorgehen. Unsere Beraterinnen und Berater werden oft quasi als eigene Mitarbeitende der Sparkasse wahrgenommen , weil sie regelmäßig vor Ort sind. Und wenn sie so oft da sind, werden sie und die Sparkasse auch Erfolg haben.

Die "weißen Flecken" auf der Landkarte hat die Frankfurter Bankgesellschaft vor allem im Osten der Republik. Woran liegt das? Gibt es dort einfach zu wenige sehr vermögende Kunden oder hat dies andere Gründe?

Wir haben auch dort Sparkassen, bei denen das Geschäft mit individueller Vermögensverwaltung sehr gut läuft. Aber das ist bisher noch nicht flächendeckend der Fall. Allerdings haben wir erst ab 2018/19 die Frankfurter Bankgesellschaft (Deutschland) AG mit neuen Standorten und neuen Beraterinnen und Beratern deutlich erweitert, denen neue Sparkassen zugeschlüsselt wurden. Wir konnten nicht alles auf einmal abdecken. Der Osten ist daher für uns ein Potenzialfeld. Aber das werden wir in Ruhe angehen. Es gibt keinen Grund, warum wir da nicht hinwollen, sondern wir haben uns bislang auf die Regionen fokussiert, in denen wir neue Niederlassungen eröffnet haben: Hamburg, Düsseldorf und jetzt haben wir im Saarland das Private-Banking-Geschäft von der Saar-LB übernommen. Dazu kommt München sowie natürlich von Zürich aus Süddeutschland. Nun schauen wir uns in Ruhe auch den Osten an. Wir haben dort aber auch jetzt schon Sparkassen, über die wir im Jahr 20 bis 25 Millionen Euro Neugeschäft gemeinsam akquirieren.

Sie sehen dort also keine strukturellen Schwächen, die Ihrer Branche im Weg stehen?

Nein. Vor zehn Jahren wäre das noch anders gewesen. Damals gab es im Osten noch wenige Unternehmensverkäufe, das war einfach ein zu kurzer Zeitraum zum Vermögensaufbau. Doch jetzt haben wir auch dort Unternehmensverkäufe, bei denen 30 bis 80 Millionen Euro Verkaufserlös erzielt werden.

Wo sehen Sie vor allem zukünftiges Wachstumspotenzial für die Gruppe?

Unser klarer Fokus wird auch die nächsten Jahren auf der Anlage von Geldern liegen, also insbesondere der Vermögensverwaltung. Dazu haben wir natürlich noch das ergänzende Dienstleistungsangebot, das M&A-Geschäft mit IMAP und strategische Begleitung mit unserem Family Office. Diese haben das Ziel, das umfangreiche Dienstleistungsangebot der Frankfurter Bankgesellschaft Gruppe zu erweitern und natürlich auch zur Erhöhung des Anlagevolumen beizutragen. Mit den zusätzlichen Dienstleistungen von IMAP und vom Family Office wollen wir die gesamte Wertschöpfungskette als Angebot für den Mittelstand und die vermögende Kundschaft haben. Da greifen die Räder ineinander. Aber die primäre Zielgröße ist "Assets under Management".

Die Frankfurter Bankgesellschaft hat ja auch die White-Label-Lösung "VermögensVerwaltung für Sparkassen" (VVS) seit einigen Jahren im Programm. Wie läuft da das Geschäft?

Sehr gut! Wir sind hier ja erst vor ein paar Jahren gestartet. Allein im vergangenen Jahr ist das Volumen um über eine Milliarde Euro auf 2,5 Milliarden Euro gewachsen. Die Sparkassen haben damit eine eigene Vermögensverwaltung, die ist im vertrauten Sparkassenrot. Wo und in welcher Intensität wir als Vermögensverwalter genannt werden, kann jede Sparkasse individuell entscheiden. Manche schreiben schon auf das Titelblatt "Gemanagt von der Frankfurter Bankgesellschaft", andere erwähnen uns auf Seite 8 im Kleingedruckten. Wichtig war uns damals, als wir das Angebot für die Sparkassen aufgebaut haben, dass die Sparkassen vor Ort eine eigenständige Kompetenzvermutung für Geldanlage in Wertpapieren bekommen können. Dazu soll die White-Label-Dienstleistung beitragen.

Die Sparkasse berät den Kunden, erhält die Provision und bezahlt uns quasi für die Auslagerung der Dienstleistung Vermögensverwaltung. Dieses Modell hat perfekt funktioniert. Allerdings handelt es sich dabei regulatorisch um eine Auslagerung zu uns. Dafür ist eine gewisse Größe einer Sparkasse notwendig. Wir definieren die mit circa 2 Milliarden Euro Bilanzsumme. Von daher können wir in diesem Segment nicht auf die gleiche Quote kommen wie im Wealth Management. Dort kann uns selbst die kleinste Sparkasse einem vermögenden Kunden empfehlen. In der "VermögensVerwaltung für Sparkassen" liegt unsere Grenze wahrscheinlich bei maximal 100 Sparkassen. Das sind die Sparkassen ohne eigene Vermögensverwaltung oder - das hatten wir jetzt auch ein paar Mal - solche, die ihre Vermögensverwaltung an uns übergeben, weil es regulatorisch für sie immer komplexer wird. Aktuell arbeiten wir für 66 VVS-Sparkassen.

Betreibt die Frankfurter Bankgesellschaft eigentlich auch Geschäft außerhalb des Verbunds?

Nein. In Deutschland ist das den Beraterinnen und Beratern verboten. Deshalb führen wir beispielsweise auch keine eigenen Werbekampagnen durch, durch die Potenzialkundinnen und -kunden animiert werden könnten, direkt zu uns zu kommen. Es ist vertraglich mit unseren Kooperationssparkassen vereinbart, dass wir uns nicht an den Sparkassen vorbei an den Markt wenden. Eine Ausnahme haben wir in der Schweiz. Dort gibt es ja keine Sparkassen. Daher akquirieren wir in der Schweiz ausgewanderte Deutsche als Kundinnen und Kunden. Es gibt in der Schweiz, gerade in der Region Zürich, rund 20 000 ausgewanderte Deutsche. Viele davon sind auch vermögend, wissen aber gar nicht, dass wir da sind. Wir verstehen ihre Bedürfnisse beim Thema Vermögensanlage besser als jeder andere und haben daher dort eine kleine Einheit, die sich direkt an den Schweizer Markt richtet.

Wie sieht es in anderen europäischen Ländern auch mit nichtdeutschen Kunden aus? Gibt es Bestrebungen, dort tätig zu werden?

Nein. Wir nehmen grundsätzlich seit Jahren keine neuen Kundinnen und Kunden aus dem Ausland an. Eine Ausnahme kann sein, wenn beispielsweise eine bestehende deutsche Kundin oder ein deutscher Kunde zum Beispiel im Ruhestand den Lebensmittelpunkt in eine enge Auswahl von Ländern wie beispielsweise Italien verlegt, also innerhalb der EU bleibt. Im Crossborder-Geschäft beschränken wir uns auf das, was wir beherrschen: Deutschland und die Schweiz. 97 Prozent unserer Kundschaft in der Gruppe sitzen in Deutschland, der Rest sind ausgewanderte Deutsche.

Im Jahr 2020 haben Sie ihr Geschäftsfeld erweitert mit der Übernahme der M&A-Beratungsgesellschaft IMAP M&A Consultants. Ist die Integration in die Gruppe mittlerweile vollständig, also nicht nur rechtlich und technisch, sondern vor allem auch in puncto Unternehmensphilosophie, abgeschlossen?

Durch die Corona-Pandemie war es 2020 natürlich etwas schwierig mit physischen Vorstellungen. Aber wir haben die IMAP-Kolleginnen und Kollegen über unsere Betreuerinnen und Betreuer mittlerweile bei rund 130 Sparkassen vorgestellt. Da gibt es auch tolle Praxisbeispiele: Ein Vorstand einer Sparkasse sagt uns, er habe einen Kunden, der sein Unternehmen verkaufen möchte. Wir übergeben das dann an IMAP, die dann wiederum pitcht und den Beauty-Contest gewinnt. Dann führt sie den Verkaufsprozess durch, und wir legen im Anschluss den Verkaufserlös für den Kunden an und begleiten ihn bei der Strukturierung seines Vermögens, zum Beispiel durch die Suche nach passenden Anlageimmobilien im Family Office.

Erst heute Morgen habe ich erneut aus dem Family Office gehört, dass es einen Unternehmerkontakt an die IMAP weitergereicht hat. IMAP hat dann das Unternehmen für einen hohen Erlös verkaufen können. Und wir als Frankfurter Bankgesellschaft legen auch einen Teil des Verkaufserlöses an. Das ist genau das, was wir uns vorgestellt haben von dieser breiten Dienstleistungsangebotspalette für den deutschen Mittelstand: Das Family Office berät zu Familien- und Vermögensstrategie. Wenn sich in diesem Prozess herausstellt, dass es keine geeignete Nachfolgelösung in der Familie gibt, begleitet IMAP den Verkaufsprozess, und wir legen am Ende die Erlöse an und gegebenenfalls finanziert die Sparkasse oder die Helaba den Käufer.

Wir haben das Dienstleistungsangebot bewusst erweitert, weil wir davor Fälle hatten, in denen zum Beispiel ein Vorstandsvorsitzender einer Sparkasse mich anrief und sagte, "Herr Mai, ich wusste gar nicht, dass Herr XY verkaufen wollte. Jetzt kommen da 100 Millionen Euro aufs Konto. Was machen wir damit?" Doch wenn erst mal 100 Millionen Euro auf dem Konto sind, ist es durchaus möglich, dass sich der Verkäufer schon Gedanken darüber gemacht hat, was er mit dem Geld macht. Und es kann ja nicht sein, dass wir als Sparkassen-Finanzgruppe den Mittelstand über Generationen nach oben pflegen mit Krediten und anderen Bankprodukten - und dann bei der Veräußerung des Unternehmens nicht erste Wahl sind.

Daher haben wir die IMAP in unsere Gruppe geholt, um das Dienstleistungsangebot strategisch zu erweitern. Wir können sagen: Das ist im Moment wohl eines der leistungsfähigsten Angebote für den deutschen Mittelstand. Aber das ist ja auch nur folgerichtig, denn die Sparkassen-Finanzgruppe ist der Marktführer im deutschen Mittelstand. Wer außer uns sollte es da besser hinbekommen?

Sie haben auf der Jahrespressekonferenz eine Umstrukturierung bekannt gegeben, um die Aufbauorganisation an das Wachstum der Bank anzupassen. Dazu soll der Hauptsitz der Frankfurter Bankgesellschaft Gruppe bis 2024 von Zürich nach Frankfurt verlegt werden. Will die Helaba als Eigentümerin dadurch ihren Einfluss auf die Gruppe sicherstellen?

Das ist nicht vorgesehen. Das ist von uns getrieben. Wir haben eine Aufbauorganisation gesucht, die auch 50 Milliarden Euro Anlagevolumen aushält. Wir haben vor 15 Jahren die Idee gehabt, die Privatbank der Sparkassen zu bauen. Damals gab es nur die LB (Swiss) Privatbank. Dann haben wir das organisch aufgesetzt und die Bank eigentlich geführt wie ein Familienunternehmen. Aber wenn wir auf 50 Milliarden Euro Anlagevolumen wachsen wollen, brauchen wir andere Strukturen. Deshalb wird auch nicht der Hauptsitz verlegt, sondern letztendlich nur die Steuerung der Gruppe. Nur Funktionen wie das Beteiligungscontrolling, die Markenführung und die Sparkassenbetreuung wechseln in die Holding, die kein operatives Geschäft betreibt. Die vier operativen Einheiten sollen also eine einzige Steuerungseinheit bekommen, die die Marken pflegt, natürlich auch das Controlling bei sich hat und den Aufsichtsratsvorsitz aller Gesellschaften übernimmt.

Lässt Ihnen die Helaba grundsätzlich strategisch freie Hand oder wird "durchregiert"?

Bei allem, was aufsichtsrelevante Überwachung betrifft, sind wir vollständig in das System der Helaba integriert. In der Markt-, Produkt- und Vertriebssteuerung der Gruppe, also bei allem, was mit Kundenkontakt, Anlagestrategie, Produktgestaltung, Marketing et cetera zu tun hat, verantwortet dies das Management der Frankfurter Bankgesellschaft Gruppe. Bei überlappenden Kundenbedürfnissen arbeiten wir gern zusammen. Und das ist schon seit 15 Jahren so.

Wäre für Ihre ganz spezielle Gruppe von Kunden ein Sitz in der Schweiz nicht vertrauenserweckender? Auch wenn es nur der Sitz der Holding ist ...

Aber in der Holding passiert ja nichts: Niemand kann Kundin oder Kunde der Holding werden, sondern wir haben mit der Frankfurter Bankgesellschaft (Schweiz) AG weiterhin eine der großen und erfolgreichen Auslandsbanken in der Schweiz. Die ist neutral, da sie einen Verwaltungsrat mit drei deutschen und drei Schweizer Teilnehmern hat. Sie ist das, was die Kundschaft möchte: eine autarke Schweizer Bank. Wir steuern die Vermögensverwaltung für die Gruppe heute aus der Schweiz und das wird auch so bleiben. Zürich ist nun mal in Europa und sicherlich auch in der Welt der stärkste Finanzplatz für Vermögensverwaltung. Unser Chief Investment Officer sitzt und bleibt auch in Zürich. Der Standort Zürich ist wichtig, weil er auch die Kompetenzvermutung für Kundinnen und Kunden noch einmal verstärkt.

Durch den Wechsel des Hauptsitzes wechselt auch die Aufsicht von der Finma zu BaFin und Europäischer Zentralbank. Wird es da für die Frankfurter Bankgesellschaft fundamentale Unterschiede im Aufsichtsregime geben?

Dieser Wechsel betrifft die Gruppenaufsicht; die Schweizer Bank wird weiterhin von der Finma beaufsichtigt. Die Frankfurter Bankgesellschaft (Deutschland) AG wurde bisher bereits von BaFin/EZB beaufsichtigt. Es gibt aus meiner Sicht keine elementaren Änderungen. Ich kann auch keine Unterschiede beim Aufsichtsniveau erkennen. Wir haben natürlich auch ein risikoarmes Geschäftsmodell: Wir haben kein nennenswertes Kredit-Exposure, sondern sind ein Vermögensverwalter.

Kommen wir nun ganz allgemein zum Private-Wealth-Geschäft. Was sind hier derzeit die großen regulatorischen Themen?

Da ist natürlich vor allem das Thema Nachhaltigkeit. Die regulatorischen Rahmenbedingungen ändern sich rasant, ohne dass der Markt vollständig in der Lage ist, auch über Dienstleister die entsprechenden Informationen zu bekommen. Wenn Sie ESG-Ratings für Unternehmen haben wollen, kann das ein Problem sein, weil beispielsweise manche amerikanische Unternehmen das noch nicht anbieten. Doch wir sind verpflichtet, das schon einzuhalten und machen das auch konsequent.

Wir haben gerade 140 regulatorische Projekte, die parallel laufen. Manche, wie ESG, betreffen uns stärker, andere eher weniger stark. Aber die Regulatorik ist insgesamt schon eine Herausforderung.

Halten Sie die Taxonomie der EU für ausreichend scharf abgegrenzt oder erschwert Ihnen die Unklarheit das Geschäft?

Die Taxonomie ist noch nicht so klar. Wir sind aber schon gespannt: Ab August müssen wir Kundinnen und Kunden ja auch fragen, ob sie nachhaltige Anlagen haben wollen. Bisher bekommen sie diese von uns einfach ungefragt, weil wir uns schon mit den Ausschlusskriterien als nachhaltig kategorisiert haben. Ich habe selbst diverse Gespräche mit sehr vermögenden - meist älteren - Kundinnen und Kunden geführt. Diese fragen dann, ob sie das mitmachen müssen. Wir erklären ihnen dann, dass sie es machen sollten beziehungsweise müssen. Denn auf lange Sicht werden Unternehmen, die nicht nachhaltig sind, einfach von den Empfehlungslisten verschwinden, höhere Zinsen für ihre Anleihen bezahlen oder gar keine oder nur noch verteuerte Kredite mehr bekommen. Von daher führt kein Weg daran vorbei, sich auf ESG-konforme Unternehmen zu fokussieren. Nur diese werden in den nächsten Jahren performen.

Verwirrend ist natürlich die Diskussion, was nachhaltig ist, Stichwort Atomenergie oder Waffen seit dem Beginn des Ukraine-Konfliktes.

Welche Rollen spielen für einen Private-Wealth-Anbieter die derzeit allgegenwärtigen Schlagwörter der Bankenwelt wie Digitalisierung, Robot Process Automation (RPA) oder Künstliche Intelligenz? Das Geschäft mit sehr vermögenden Kunden ist doch viel zu individuell für den Einsatz solcher Technologien, oder?

Wir sind sehr stark in der Digitalisierung - für alles, was nach dem persönlichen Beratungsgespräch kommt. Alle internen Prozesse werden auf verstärkte Digitalisierung geprüft und weiterentwickelt. Aktuell sind wir bereits sehr effizient. Vorn im Kontakt mit Kundinnen und Kunden ist unser Slogan "eine Spur persönlicher". Das bedeutet, dass wir einen gut ausgebildeten, qualifizierten und auch empathischen Menschen zu einer Kundin oder einem Kunden senden, die zum Beispiel ihr Lebenswerk gerade verkauft haben oder verkaufen wollen.

Sie können mit Robo Advisory nicht die Gefühle vermögender Menschen erkennen. Wir sind mehrfach ausgezeichnet worden für das beste Beratungsgespräch aller deutschsprachigen Banken. Unsere Stärke ist ja auch, dass wir lange zuhören, um dann einen "maßgeschneiderten Anzug" bieten zu können. Deswegen können wir ja auch erst bei siebenstelligen Vermögen anfangen. Daher führt für uns an einer Betreuung im persönlichen Gespräch vor Ort - die zwei Pandemie-Jahre waren jetzt eine Ausnahme - nichts vorbei.

Wie heben Sie dann Effizienzgewinne? Oder ist eine Margensteigerung ausschließlich über die Ertragsseite machbar? Die Frage ist ja auch bei dem Ziel, die Cost Income Ratio von derzeit 80 Prozent auf 70 Prozent bis 2030 senken zu wollen, nicht ganz unerheblich ...

Die Branche - oder die externen Beratungen - haben früher gesagt, man brauche zehn Milliarden Euro Volumen, um gut profitabel zu sein. Doch mittlerweile sind das 20 Milliarden Euro, weil die Bereiche wie Compliance, Regulatorik, Abwicklung, Dokumentationen und so weiter gigantisch zugenommen haben.

Das bedeutet, wir brauchen mehr als 20 Milliarden Euro. Auf diesem Weg sind wir jetzt. Wir glauben aber nicht, dass wir die Margen deutlich steigern können. Wir sind, gemessen daran, wie in Deutschland gepreist wird, in guter Gesellschaft und vollständig kostentransparent. Wir müssen einfach über Prozessoptimierungen die Marktfolge wirtschaftlich sinnvoll steuern. Aber wir können nicht überziehen bei der Relation, wie viele Kundinnen und Kunden eine Beraterin beziehungsweise ein Berater betreut - dann würden wir die Qualität verlieren. Private Wealth ist kein skalierungsfähiges Geschäft, wie es beispielsweise unsere "Vermögensverwaltung für Sparkassen" ist.

Hat die ausufernde Inflation zu veränderten Anlagewünschen der Kunden geführt? Ist das ein großes Thema in den Gesprächen mit den Kunden?

Ja, das hat dazu geführt, dass die Aktienquoten gestiegen sind. Man kriegt jetzt zwar auch wieder mit Unternehmensanleihen zwei bis vier Prozent Rendite, aber das ist real gesehen bei sieben bis acht Prozent Inflation natürlich immer noch eine negative Realrendite, weswegen die Kundschaft dann lieber in Aktien investiert. Unsere Aktienquote hat bereits in den vergangenen zwei bis drei Jahren im Verhältnis zugenommen. Ich habe erst vorletzte Woche mit unserem Chief Investment Officer gesprochen, der nahezu alle Neuabschlüsse sieht. Demnach sind über 75 Prozent aller Neumandate solche mit mehr als 50 Prozent Aktien - viele davon sogar 100-prozentige Aktienmandate.

Das heißt, deutsche Anlegerinnen und Anleger, die ja eigentlich historisch eher Zinserträge wünschen und nie aktienfreundlich waren, wenden sich nun verstärkt der Aktie zu. Ein langfristiger Erhalt von Vermögen ist ohne Aktien nicht mehr möglich. Und diese Erkenntnis setzt sich durch.

Holger Mai , Vorsitzender der Geschäftsleitung , Frankfurter Bankgesellschaft Gruppe, Zürich
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