Redaktionsgespräch mit Helmut Schleweis

"Wir brauchen eine höhere Verbindlichkeit in der Zusammenarbeit auf allen Ebenen"

Helmut Schleweis, Foto: DSGV

Die Corona-Krise hat Deutschland wirtschaftlich schwer getroffen. Ein dichtes Netz aus Banken und Sparkassen hilft jedoch dabei, KfW-Kredite in der Breite zu verteilen und ein Stück weit Sicherheit zu gewähren. Auch deshalb beteuert Helmut Schleweis im Interview, dass die drei Säulen des deutschen Bankensystems weiter erhalten bleiben müssen. Neben den Schwierigkeiten der ruckartigen Digitalisierung diskutiert er im Redaktionsgespräch die Notwendigkeit proportionaler Regulatorik, das Thema der Nachhaltigkeit und darüber, wie die Sparkassen aufgestellt sein müssen, um sicher durch die Krise zu kommen sowie nach ihr gestärkt den "Normalbetrieb" wieder aufnehmen zu können. Dabei betont er immer wieder die gewachsene Nähe zum Kunden, wie sie nur eine Hausbank vor Ort bieten könne und die nach wie vor ein entscheidender Teil des Geschäftsmodells bliebe. (Red.)

Herr Schleweis, wie erfüllt der Präsident des DSGV in diesen Tagen seine vielen Aufgaben?

Im Gegensatz zu früher hauptsächlich im Büro. Aber die Tage sind auch ohne Reisetätigkeit extrem ausgefüllt – Telefon- und Videokonferenzen wechseln sich ab. Nach dem Höhepunkt in der Corona-Pandemie, als es in erster Linie darum ging, die kreditwirtschaftliche Versorgung unserer Privat- und Firmenkunden sicherzustellen, kommen wir inzwischen Stück für Stück in den Regelbetrieb der sogenannten neuen Normalität. Das heißt, dass wir auf der einen Seite weiter mit dem Virus werden leben müssen - mindestens so lange, bis es einen wirksamen Impfstoff gibt. Auf der anderen Seite müssen wir uns darauf einstellen, die aufziehende Wirtschaftskrise so gut wie möglich abzufedern. Viele Geschäftsmodelle werden sich nicht mehr erholen, Kreditausfälle und Marktverwerfungen werden die Folgen sein.

Wo sind Sie am stärksten gefragt, was sind die Kernthemen, mit denen Sie sich derzeit am meisten beschäftigen?

In den vergangenen Wochen lag der Fokus der gesamten deutschen Kreditwirtschaft darauf, die Corona-Hilfsprogramme auf den Weg zu bringen. Gerade Sparkassen und Genossenschaftsbanken waren bei der Umsetzung besonders gefordert. Gemeinsam haben wir Geschäftsbeziehungen zu 80 Prozent der Unternehmen in Deutschland. Inzwischen können wir feststellen, dass es gelungen ist, die Mittel zügig an die Unternehmen durchzuleiten. Dabei hat unsere Gruppe ganz neue Formen der Zusammenarbeit erprobt. Jetzt tritt der Feuerwehrmodus wieder etwas in den Hintergrund. Neben der drohenden Wirtschaftskrise, die wir stemmen müssen, bleiben natürlich die historisch niedrigen Zinsen ein Problem - mit all ihren Folgewirkungen, wie zum Beispiel einer zunehmenden Einlagenflut, die gerade für Sparkassen und Genossenschaftsbanken zunehmend zur Herausforderung wird.

Daneben beschäftigen die Gruppe weiter die Themen Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Der eigentliche Wettbewerb in Zeiten der Digitalisierung findet um die Schnittstelle zum Kunden statt. Es geht um ständige Präsenz auf allen Kanälen. Und es geht sehr viel stärker als früher um Emotionen. Mindestens genauso wichtig ist der Gruppe das Thema Nachhaltigkeit. Erst vor wenigen Wochen hat sich der DSGV zur Unterstützung der sechs "Grundsätze für verantwortungsbewusstes Bankwesen" des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) verpflichtet. Die Institute der Sparkassen-Finanzgruppe stehen seit jeher für die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung ein. Das beinhaltet für uns selbstverständlich die Förderung sozialer, ökonomischer und ökologischer Nachhaltigkeitsgrundsätze.

Wie eng ist der Austausch mit der Politik, sind Sie als Gesprächspartner gefragt?

Der Austausch war in den vergangenen Wochen eng. Es gab die Runden mit Vertretern der gesamten Wirtschaft mit der Kanzlerin und zahlreiche Abstimmungsrunden mit verschiedenen Bundesministerien - sowohl auf Minister- als auch auf Staatssekretärsebene. Dadurch ist es gelungen, die unterschiedlichen Hilfsprogramme so auszugestalten, dass sie erfolgreich umgesetzt werden konnten. Es war allen Beteiligten klar, dass wir die Herausforderungen nur gemeinsam lösen können.

Wie sehr beunruhigt Sie die aktuelle Entwicklung, gerade mit Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung und die daraus entstehenden Folgen für die Sparkassen und Landesbanken?

Es kommt auf die nächsten Monate an. Schon jetzt zeigt sich, dass wir nicht mit einem sogenannten "V", also einem wirtschaftlichen Absturz auf den direkt eine kräftige Erholung folgt, aus der Krise kommen werden. Ich bin aber optimistisch, dass es ein "U" werden wird, wir also eine gewisse Talsohle zu durchschreiten haben. Wichtig ist, dass es ein möglichst schmales "U" wird. Trotzdem werden die Sparkassen erhebliche Kreditausfälle zu verzeichnen haben. Die Institute werden damit aber umgehen können, da sie in den vergangenen Jahren entsprechende Rücklagen bilden konnten.

Die Institute haben die vergangenen Jahre genutzt, um ordentlich zu thesaurieren und Eigenkapital aufzubauen. Trotzdem wäre ein längerer wirtschaftlicher Einbruch für einige verhängnisvoll, oder?

Im Durchschnitt werden die Sparkassen das gut verkraften können, da muss sich niemand Sorgen machen. Aber natürlich ist die Situation der einzelnen Häuser unterschiedlich und es wird sicher einige härter treffen als andere. Es macht derzeit aber keinen Sinn über die Höhe der Kreditausfälle durch die Corona-Krise zu spekulieren - es ist einfach noch zu früh, um das seriös abschätzen zu können

Worauf kommt es Ihrer Meinung nach für die Sparkassen-Finanzgruppe in der Zukunft besonders an?

Niemand kann Ihnen heute sagen, wie die Welt von morgen aussehen wird. Das bedeutet aber: Wir müssen uns auf schnellen Wandel, hohe Volatilität und häufigere Krisenerfahrungen einstellen. Wenn es jemals wichtig war, unsere Gruppe rundum wetterfest zu machen, dann jetzt. Und um die Resilienz zu verbessern, müssen wir zwingend die Dezentralität, also die Verantwortung vor Ort stärken; gleichzeitig brauchen wir eine höhere Verbindlichkeit in der Zusammenarbeit auf allen Ebenen im Verbund!

Die Sparkassen haben ihre Kunden in den vergangenen Jahren eng begleitet und mit Liquidität versorgt - rächt sich das starke Wachstum im Kundenkreditgeschäft nun?

Ich glaube nicht. Der klassische Bankkredit ist nach wie vor mit Abstand die wichtigste Finanzierungsquelle des Mittelstands. Und die verantwortungsvolle Kreditvergabe in der jeweiligen Region wiederum ist das Kerngeschäft einer jeden Sparkasse. 2019 haben die Sparkassen mit 537 Millionen Euro erstmals seit Jahren wieder eine nennenswerte Risikovorsorge im Kreditgeschäft ausgewiesen. Aber auch diese Summe war nur ein Fünftel dessen, was die Institute vor zehn Jahren zu verbuchen hatten. Natürlich werden die Auswirkungen der Corona-Pandemie jedoch deutliche Spuren in den Kreditbüchern der Sparkassen hinterlassen. Darauf müssen und werden wir uns einstellen.

Wie ist es um die Ertragslage bestellt, wo kann künftig noch Geld verdient werden?

Zunächst einmal muss man feststellen, dass man auf dem deutschen Markt entgegen anderslautender Gerüchte mit kreditwirtschaftlichen Dienstleistungen durchaus Geld verdienen kann. Das beweisen die Sparkassen Jahr für Jahr. Auch im vergangenen Jahr haben die Institute wieder ein Betriebsergebnis fast auf Höhe der Vorjahre erreicht. Das ist gelungen, weil die Institute mehr Geschäft mit ihren Kunden gemacht und den Verwaltungsaufwand einigermaßen stabil gehalten haben. Kraftanstrengungen dieser Art werden sich aber nicht beliebig wiederholen lassen. Der Ablauf höher verzinster Bestände wird auch bei steigendem Neugeschäft nicht aufzuhalten sein. Vor diesen Herausforderungen stehen alle in der Kreditwirtschaft.

Sparkassen haben aber in vielen Bereichen bessere Voraussetzungen als die meisten Mitbewerber. Sie haben immer noch die höchsten Vertrauenswerte und die mit Abstand breiteste Kundenbasis. Hier ist im Übrigen auch die EZB gefordert. Ein wesentliches Argument für die anhaltende Niedrigzinspolitik ist ja immer gewesen, die Kreditvergabe anzukurbeln. Ich glaube, die vergangenen Wochen der Corona-Pandemie haben eindrucksvoll bewiesen, dass die Kreditwirtschaft hier "geliefert" hat - nicht nur in Deutschland. Ich glaube, es ist an der Zeit, dass die Europäische Zentralbank die Grundsätze ihrer Geldpolitik überdenkt.

Die vergangenen Wochen haben im Grunde genommen gezeigt, dass Bankgeschäft auch mit weniger stationärer Präsenz funktionieren kann: Ist das nun das Modell der Zukunft auch für die Sparkassen? Schließlich kommt dem Kostenbewusstsein unverändert eine große Rolle zu.

Ich bin und bleibe ein Anhänger der Filiale, weil ich davon überzeugt bin, dass der persönliche Kontakt mit dem Berater, zumindest bei komplexen Finanzierungsfragen, durch nichts gleichwertig zu ersetzen ist. Aber natürlich nehmen wir wahr, dass sich das Verhalten der Kundschaft ändert und die Menschen viele Finanzgeschäfte mobil erledigen möchten. Das bedeutet für uns, dass wir selbstverständlich alle digitalen Zugangswege im Angebot haben. Die vergangenen Wochen waren eine Ausnahmesituation, die die Sparkassen mit unglaublichem Engagement und mit viel Leidenschaft bewältigt haben. Die Versorgung in der Fläche und ein dichtes Filialnetz überall in Deutschland stehen dazu nicht im Gegensatz.

Viele reden von einem Schub für die Digitalisierung in der Finanzindustrie durch die Pandemie, sehen Sie das auch so?

Es soll ja Stimmen gegeben haben, die meinten, wir hätten in Sachen Digitalisierung in wenigen Wochen aufgeholt, was wir in den Jahren zuvor versäumt hätten - aber im Ernst: die Ausnahmesituation der Corona-Pandemie hat gezeigt, wozu unsere Gruppe auch technisch in der Lage ist. Da wurden über einzelne Wochenenden digitale Antragstrecken gebaut, die am folgenden Montag reibungslos liefen. Institute und Verbände haben ihren Mitarbeitern in kürzester Zeit Möglichkeiten geschaffen, um von unterschiedlichen Standorten aus per Videokonferenz zusammenarbeiten zu können.

Die Nutzung der digitalen Kanäle durch die Kunden und auch die digitale Beratung und der digitale Abschluss durch den Kunden haben schon im vergangenen Jahr stark zugenommen. Seit Beginn der Corona-Pandemie hat sich dieses Wachstum auf Kundenseite weiter beschleunigt. Inzwischen werden 59 Millionen der 117,7 Millionen von der Finanz Informatik (FI) betreuten Konten online genutzt - knapp 5 Millionen mehr als 2018. Auch die Sparkassen-App, die bereits mehrfach Testsieger bei Stiftung Warentest war, verzeichnet eine steigende Anzahl aktiver Nutzer, Ende 2019 waren es rund 9 Millionen. Darüber hinaus haben wir in der Krise Maßnahmen ergriffen, die es Kunden erleichtert, ihr bestehendes Konto kurzfristig onlinefähig zu bekommen oder ein Konto komplett mobil oder online zu eröffnen.

Und wie wird sich diese Entwicklung auf Ihre Mitgliedsinstitute auswirken?

Das ist ja ein laufender Prozess - die Nutzung von modernen digitalen Arbeitsumgebungen, die die FI unter dem Dach von "Office neo" einführt, beschleunigt sich. Dazu gehört auch, dass viele Institute ihre Videoberatung ausbauen. Die vorhandenen modernen digitalen Arbeitsumgebungen haben es unserer Gruppe ermöglicht, quasi über Nacht die organisatorischen, aber auch technischen Voraussetzungen zu schaffen, die KfW-Anträge oder die Zins- und Tilgungsaussetzung über komplett digitale Antragsstrecken, einheitlich für alle Institute, umzusetzen. So etwas geht nur, wenn dafür eine einheitliche, standardisierte IT-Basis vorhanden ist und gleichzeitig alle Akteure handlungs- und kommunikationsfähig sind - egal von wo aus sie arbeiten.

Das war ein Kraftakt, den wir sehr gut gemeistert haben. Die digitale Entwicklung wird weitergehen und die Arbeit immer weiter beeinflussen. Und dennoch spüren wir, dass die Kunden inzwischen mehr und mehr auch wieder die persönliche Beratung in der Filiale suchen. Nur damit es da keine Zweifel gibt: Natürlich werden wir auch das stationäre Geschäft weiter unterstützen und fortentwickeln.

Es häufen sich auch Meldungen über IT-Ausfälle oder -Pannen. Ist das die Kehrseite der Medaille, wird man sich daran einfach gewöhnen müssen, wenn alles technischer/digitaler wird?

Nein, ich denke nicht. Auch wenn es in den vergangenen Monaten Attacken gegeben hat, waren Sparkassen davon nicht direkt betroffen. Die Attacken richteten sich in erster Linie gegen einzelne Informationsportale - auch solche unserer Gruppe. Diese Info-Seiten unterliegen naturgemäß keiner so hohen Sicherheitsstufe wie andere Funktionen. Die wirklich sensiblen Daten sind auf speziell abgesicherten Servern. Aber auch unser Informationsangebot im Netz ist inzwischen noch besser geschützt. Kunden sind heutzutage sehr sensibel und erwarten zu Recht, dass alle Angebote eines Dienstleisters - egal welcher Art - 24/7 störungsfrei funktionieren. Das nehmen wir sehr ernst und optimieren natürlich auch regelmäßig die Funktionsfähigkeit unseres Informationsangebotes.

Welche Maßnahmen mit Blick auf eine höhere IT-Stabilität und -Sicherheit muss die Sparkassen-Finanzgruppe Ihrer Meinung nach anschieben?

Die IT-Programme in der Sparkassen-Finanzgruppe entsprechen modernsten Anforderungen und sind grundsätzlich immer auf dem neuesten Stand der Sicherheitstechnik. Da muss nichts angeschoben werden, das sind fortlaufende Prozesse, die ständig optimiert werden. Dazu betreiben wir Marktbeobachtung oder adaptieren Verfahren, die bereits an einer Stelle im Verbund erfolgreich getestet wurden. Sowohl die Sparkassen als auch der gesamte Verbund investieren über die FI jährlich einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag in den weiteren Ausbau von IT-Sicherheit und Betriebsstabilität. Viele der erprobten Mechanismen beim Betrieb der hoch standardisierten Sparkassen-IT werden aktuell auch für den IT-Betrieb im Verbund adaptiert, der aus verschiedenen Gründen nicht so leicht zu standardisieren ist. Dort wird nach den Erfahrungen der vergangenen Monate, insbesondere der Schutz vor sogenannten Breitbandangriffen, auch DDoS-Angriffe genannt, verstärkt.

Wird die Arbeitsteilung in der Kreditwirtschaft zunehmen, werden wir bald tatsächlich nicht nur von Produktlieferanten, Dienstleistern und reinen Vertriebsbanken sprechen, sondern dieses Modell auch mehr und mehr sehen?

Wir stellen im Augenblick eine Parallelentwicklung fest: Auf der einen Seite gibt es immer mehr Spezialdienstleister, die einzelne Teile der Wertschöpfungskette für sich entdeckt haben und ihre Dienste erfolgreich am Markt anbieten. Auf der anderen Seite vertrauen die Menschen - gerade auch in Krisenzeiten - ihrer Hausbank. Wir müssen daran arbeiten, die Effizienz weiter zu erhöhen und wo möglich, Produktionsabläufe und einzelne Dienstleistungen weiter vereinheitlichen. Dabei werden wir aber natürlich an unserer Dezentralität in der Fläche festhalten. Ich bin überzeugt davon, dass die Kunden auch in Zukunft Finanzdienstleistungen "aus einer Hand" haben wollen - hier bieten sich für einen Allfinanzdienstleister, wie es die Sparkassen sind, große Chancen.

Hat das Regionalprinzip in einer digitalen Bankenwelt eine Zukunft?

Wie wichtig es ist, dass Kreditinstitute überall in Deutschland regionale Wirtschaftskreisläufe unterstützen und so die wirtschaftliche Entwicklung ganz Deutschlands vorantreiben, haben die vergangenen Wochen einmal mehr eindrucksvoll bewiesen. Es waren Sparkassen und Genossenschaftsbanken, die die Unternehmen schnell und unkompliziert mit den Fördermitteln von Bund und Ländern versorgt und somit die Auswirkungen der Corona-Pandemie abgefedert haben. Dies ist so nur möglich, wenn Kreditinstitute überall vor Ort die spezifische Situation ihrer Unternehmen kennen und individuelle Lösungen anbieten können. Schon deswegen bleibt das Regionalprinzip bei den Sparkassen auch in Zukunft unverzichtbar. Aber auch im Privatkundengeschäft bleibt die menschliche Nähe, die stabile Kundenbeziehung auf der Basis einer zeitgemäßen technischen Infrastruktur, ein entscheidender Teil unseres Geschäftsmodells.

Braucht es einen bundesweiten Antritt der Sparkassen-Finanzgruppe in Form einer Direktbank oder ist das auf Institutsebene besser aufgehoben?

Ich glaube, diese Frage stellt sich zurzeit nicht. Die aktuell 377 Sparkassen sind jeweils für sich auch immer eine Direktbank. Jeder Kunde erlebt seine Sparkasse so, wie er das möchte.

Die Corona-Krise hat die Gespräche über eine Bündelung der Kräfte auf Landesbankenebene vorerst auf Eis gelegt, ist schon abzusehen, wann ein guter Zeitpunkt wäre, diese wiederaufzunehmen?

Zurzeit ist es jedenfalls noch zu früh dafür. Es war richtig zu Beginn der Corona-Krise auf die "Pause"-Taste zu drücken. Die Gruppe hat ihre ganze Kraft darauf gerichtet, unseren Kunden durch die schwierige Krisenzeit zu helfen. Das hat uns extrem gefordert, aber wir waren da und haben geliefert. Jetzt müssen wir schauen, wie die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland vorangeht; kommen wir schnell aus dem Tal wieder heraus oder dauert es länger - mit all den Belastungen, die das dann auch für die Kreditwirtschaft insgesamt mit sich bringen würde. Ich glaube, dass wir die Gesamtsituation beobachten müssen. Aber das Thema liegt auf "Wiedervorlage".

Die BaFin hat eine Rückkehr zur "normalen" Aufsicht schon angekündigt und im Blick. Kommt das im Oktober nicht zu früh?

BaFin und Bundesbank haben sehr schnell auf die Krise reagiert und pragmatische Lösungen, für die sich aus dem Lockdown ergebenden Anforderungen, gefunden. Sowohl die nationale als auch die europäische Ebene haben dabei darauf geachtet, nur wirklich erforderliche, punktuelle und zielgerichtete Maßnahmen zu ergreifen, welche die Versorgung der Realwirtschaft mit Krediten und Liquidität sicherstellen. Diese Maßnahmen waren notwendig und die deutschen Banken und Sparkassen sind verantwortungsvoll und im Sinne der Kunden damit umgegangen. Es besteht nun aber die Gefahr, dass die Aufsicht ihre Maßnahmen zu früh und noch vor einer nachhaltigen Erholung der wirtschaftlichen Entwicklung zurücknimmt. Die Covid-19-bezogenen Aufsichtsmaßnahmen müssen daher so lange gelten, bis greifbare und nachhaltige Erholungszeichen sichtbar sind. Ich bin mir aber sicher, dass BaFin und Bundesbank dies im Blick haben.

Welche aufsichtlichen Erleichterungen hielten Sie für angemessen, was wäre nötig, um den Instituten zu helfen?

Wir sollten jetzt gemeinsam die Zeit nutzen, die aufsichtlichen Anforderungen kritisch zu durchleuchten und zu diskutieren, um dann festzuhalten, welche Maßnahmen sich als nachhaltig sinnvoll erwiesen haben. Damit meine ich beispielsweise die Möglichkeit, Objektbesichtigungen bei Immobilienfinanzierungen per Videoübertragung durchzuführen. Gerade für die kleinteilige private Baufinanzierung ist die Videobesichtigung eine risikoadäquate Möglichkeit, Ressourcen zu schonen. Dies sollte in der "neuen Normalität" beibehalten werden. Auch die Herausnahme coronabedingter Förderdarlehen aus regulatorischen Kennziffern - wie den Liquiditätsquoten und der Verschuldungsquote - ist unter Stabilisierungsgesichtspunkten sinnvoll.

Wir sollten allerdings verhindern, den Instituten zum aktuellen Zeitpunkt neue Regularien, wie zum Beispiel neue Meldeanforderungen, aufzubürden. Bei allem Verständnis für ein umfassendes Informationsbedürfnis der Aufsichtsbehörden zu den Auswirkungen der Krise ist aktuell wichtig, dass die Sparkassen alle ihre verfügbaren Ressourcen auf ihre Kunden und deren entsprechende Finanzierungserfordernisse konzentrieren.

Die Europäische Zentralbank und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht haben Kreditinstituten empfohlen, keine Ausschüttungen vorzunehmen und stattdessen das Eigenkapital zu stärken. Werden die Sparkassen diesem Wunsch überwiegend nachkommen oder haben sie aufgrund der Struktur ihrer Träger andere Verpflichtungen, denn auch die Finanzlage der Kommunen wird nicht besser?

Nach allem, was ich höre, werden da jeweils vor Ort die richtigen Entscheidungen getroffen. Die Sparkassen sind gerade in Krisenzeiten immer ein Stabilitätsanker für die wirtschaftliche Entwicklung; das hat sich einmal mehr in den vergangenen Wochen gezeigt. Neben der andauernden Niedrigzinsphase und den Regulierungsanforderungen werden die Institute in den kommenden Monaten die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise deutlich zu spüren bekommen - die Risikovorsorge wird steigen. Die Kommunen und Landkreise wissen aber, wie wichtig starke und stabile Sparkassen sind und werden die besonderen Herausforderungen der Institute berücksichtigen.

Die EZB hat Zweifel an der Stabilität der Institutssicherung und fordert zusätzliche Sicherungstöpfe. Zu Recht?

Noch nie in den vergangenen rund 50 Jahren hat ein Kunde der angeschlossenen Institute des Sicherungssystems der Sparkassen-Finanzgruppe einen Verlust seiner Einlagen erlitten oder musste entschädigt werden. Gleichwohl gehört es zu den regelmäßigen Aufgaben der europäischen und nationalen Aufsichtsbehörden, Sicherungssysteme zu überprüfen. Dabei liegt es in der Natur der Sache, dass die Beteiligten unterschiedliche Sichtweisen haben. Ich bitte um Verständnis, dass ich mich zu diesem Thema nicht weiter äußern werde, da die Gespräche aus guten Gründen vertraulich sind.

Das Drei-Säulen-Modell in Deutschland hat sich einmal mehr als stabil bewährt. Hoffen Sie, dass das nun auch endlich international anerkannt wird?

Wir werden auf jeden Fall weiter dafür werben. In der vergangenen Legislaturperiode hat die EU erstmals einen Schritt hin zu mehr Proportionalität in der Bankenregulierung gemacht und damit den Wert unterschiedlicher Geschäftsmodelle auch ein Stück weit anerkannt. Die Regulierung wird inzwischen besser nach Größe, Risikogehalt und Geschäftsmodell abgestuft. Das war ein wichtiger Schritt und in diese Richtung muss es weitergehen. Denn gerade in den vergangenen Wochen hat sich wieder gezeigt, dass der Bankkredit und gewachsene Hausbankbeziehungen für die Finanzierung der gewerblichen Unternehmen und des Mittelstands von enormer Bedeutung sind. In Deutschland sind es im Wesentlichen die dezentralen Verbünde der Sparkassen und Genossenschaftsbanken, die in diesem Bereich erfolgreich sind. Gemeinsam haben die beiden Finanzverbünde eine Geschäftsbeziehung zu rund 80 Prozent der Unternehmen in Deutschland. An diesen Zahlen kommen auch die Europäische Kommission und die Aufsicht nicht vorbei.

Helmut Schleweis Präsident, Deutscher Sparkassen- und Giroverband (DSGV), Berlin
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