Nachhaltigkeit

Epische Ausmaße

Quelle: pixabay.com

Auch wenn die Welt derzeit nicht arm an großen Problemen ist, bleibt ein Thema, das durch Corona, Inflation und Angriffskrieg auf die Ukraine zuletzt manchmal etwas hintanstehen musste, nach wie vor ein dringendes Anliegen: die nachhaltige Transformation. Dementsprechend hat der Asset Manager der genossenschaftlichen Finanzgruppe, Union Investment, Mitte Mai zu einer großen und auch prominent besetzten Nachhaltigkeitskonferenz geladen - ganz nachhaltig im rein digitalen Format durchgeführt. Warum das Thema gerade bei der Union auch immer wichtiger wird, verdeutlichte eine vorab veröffentlichte Pressemitteilung: Demnach berücksichtigen mittlerweile 83 Prozent der institutionellen Investoren bei ihrer Anlageentscheidung Nachhaltigkeitskriterien, wie die jährliche Investorenbefragung von Union Investment ergab. Es ist der höchste Wert seit Beginn dieser Befragung im Jahr 2010. Erstmals ist laut Union zudem der am häufigsten genannte Grund für die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien die eigene Überzeugung (21 Prozent). Durch regulatorische Anforderungen wurden deutlich weniger Befragte (14 Prozent) motiviert.

Besonders spannend und auch prominent besetzt war die Eröffnungsdiskussionsrunde mit Joe Kaeser, Ex-Siemens-Vorstandschef, dem Schweizer Ökonom Thomas Straubhaar und dem Journalist Jan Fleischhauer zum Thema: "Transformation - ein Kollateralschaden?" Die Frage stellen tatsächlich viele gerade angesichts ausufernder Inflation und Versorgungsengpässen durch Corona und Ukraine-Krieg und nun auch der zweiten ausgerufenen Eskalationsstufe des Notfallplans Gas: Können wir es uns da noch erlauben, Atomkraftwerke abzuschalten, wenn auch gleichzeitig das Gas knapp wird? So viel vorweg: Natürlich waren sich alle einig, dass die nachhaltige Transformation kein Kollateralschaden sein darf.

Einen größeren Raum als sonst haben bei der Diskussion allerdings die ethischen Dimensionen der ESG-Debatte eingenommen. Es wurde schnell klar, dass die Situation hier für die Unternehmen immer komplexer werden wird. Ex-Siemens-Chef Kaeser war es selbst, der den Zwiespalt der Unternehmen mit dem Beispiel verdeutlichte, dass die Regenbogenflagge im Gay-Pride-Monat Juni bei Siemens überall zu sehen war - in Europa und den USA. In Ägypten beispielsweise, wo Siemens jüngst den größten Einzelauftrag seiner Geschichte im Volumen von mehr als 8 Milliarden Euro eingetütet hat, und anderen arabischen Ländern, war die Flagge nicht zu sehen. Noch viel größer könnte der Konflikt zwischen Absatz und Moral in China werden, nachdem der Umgang mit den Uiguren anhand geleakter Videos für immer mehr Empörung sorgt. Für Konzerne werden solche Themen mit der Einführung des Lieferkettengesetzes im nächsten Jahr noch akuter werden. Janne Werning, Leiter der Gruppe ESG Capital Markets bei Union Investment, verdeutlichte, dass der Weg da noch weit ist. Demnach hatte Pricewaterhouse Coopers im vergangenen Jahr die menschenrechtliche Berichterstattung bei den DAX-Unternehmen auszeichnen wollen. Da jedoch kein einziges DAX-Unternehmen die Anforderungen erfüllt hatte, wurde der Preis einfach nicht vergeben.

Lieferkettenstörungen, Rohstoffmangel, Energiekrise, Inflation, Krieg in Europa, Personalmangel allenthalben und dann auch noch die strengen Anforderungen für den nachhaltigen Wandel beim Thema Klimaschutz, aber auch bei der angesprochenen ethischen Nachhaltigkeit - die Liste der Belastungen und komplexen Anforderungen für die deutsche Wirtschaft (und natürlich auch andere) hat längst epische Ausmaße angenommen. Allerdings birgt ein solcher Wandel auch immer große Chancen für Unternehmen, die die richtigen Antworten finden. Einen Lösungsansatz hat dazu der Ökonom Straubhaar in die Runde geworfen: "Natürlich haben wir rasend viele Chancen, aber wir müssen uns lösen von einem Modell, das primär auf Quantität setzt, hin zu einem Modell, das mehr auf Qualität setzt." Amen.

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