Zeit für Selbstvertrauen - Bausparkassen im Umfeld niedriger Zinsen und hoher Immobilienpreise

Jörg Münning, Foto: LBS West (Dirk Egelkamp)

Die Bausparsummen der Neuverträge steigen laut Autor und auch die Finanzierungen nehmen zu. Allerdings sieht er bei den Preisen für die Immobilien langsam eine Schmerzgrenze erreicht. Trotz weiterhin sehr niedriger laufenden Kosten steige jedoch die Zahl potenzieller Erwerber seit Längerem nicht mehr an. Eine Schuld daran sieht Münning bei der Geldpolitik der EZB, da es ohne Zinsen schwierig sei, Kapital aufzubauen. Er sieht die Politik daher in der Verpflichtung, die staatliche Sparförderung weiter zu modernisieren. Der Autor hält insgesamt ein Plädoyer für das Produkt Bausparen und mahnt, dass die Aufsicht die Branche gleich vor mehrfache Herausforderungen stelle. Zum einen begleite sie den Prozess der Weiterentwicklung des Geschäftsmodells Bausparen nur zögerlich und gleichzeitig schieße sie in der Regulatorik durch mangelnde Differenzierung manchmal über das Ziel hinaus. (Red.)

Es gibt Produkte, die haben so viele Generationen und Wirtschaftsphasen erlebt, dass man an ihren Konjunkturen sehr viel ablesen kann über den Zustand der Gesellschaft und ihrer Wirtschaft. Bausparen ist ein solches Produkt. Es ist wie ein Seismograf für den Immobilien- und Baufinanzierungsmarkt und die Wohnungspolitik des Landes. Der Wiederaufbau nach den Weltkriegen, die Inflation der 70er und 80er, der Wiedervereinigungseffekt Anfang der 90er und die Zuversicht der frühen 2000er-Jahre - all das spiegelt sich in den wechselnden Konjunkturen des Produktes Bausparen, das in allen Zeiten und Marktlagen seinen Wert bewiesen hat.

Im Moment vermeldet der Seismograf wieder deutliche Signale: Im Immobilienmarkt steht ein Wandel bevor. Die Bausparsummen der Neuverträge steigen und auch die Finanzierungen nehmen zu. Die - nachfragebedingt - zum Teil sehr hohen Immobilienpreise haben für Erwerbswillige und für Baufinanzierer in vielen Regionen individuelle Schmerzgrenzen erreicht.

Herausforderungen und Chancen der LBS West Quelle: LBS West
Herausforderungen und Chancen der LBS West Quelle: LBS West

Wohneigentumsbildung durch Eigenkapitalkluft gehemmt

Dabei ist die Situation durchaus skurril: Denn während Finanzierungen weiterhin mit im Zeitvergleich sehr geringen laufenden Kosten verbunden sind, steigt die Zahl potenzieller Erwerber bereits länger nicht mehr an. Breiten Schichten der Bevölkerung fehlt es zunehmend am notwendigen Eigenkapital - eine Folge der gestiegenen Preise und damit unter anderem der Geldmarktpolitik der Europäischen Zentralbank.

Und die Eigenkapitalkluft wächst. Diese Lage war absehbar - unter anderem am Geschäftsverlauf der Bausparkassen in den vergangenen Jahren. Die "Abschaffung" der Sparzinsen, eingeleitet durch die Zins- und Anleihepolitik der Notenbanken infolge der Finanzkrise 2008, hat sich über mittlerweile anderthalb Dekaden hinweg Stück für Stück in die Geldanlage der Bürger gefressen. Mittlerweile gibt es Nachwuchsgenerationen von Kunden und auch Finanzberatern, die in ihrem Leben nie den Effekt einer Sparverzinsung selbst erlebt haben, sondern nur aus Lehrbüchern oder aus Erzählungen der Eltern kennen.

Diese Generation erntet so wenig Guthabenzins, dass sich der Wert von klassischen Sparprodukten nicht wie früher auf den ersten Blick erschließt. Trotzdem legen die Bürger viel Geld zurück, wie immer wieder Studien zeigen. Nur wächst das Geld nicht mehr wie früher durch Zinseszins-Effekte. In dieser Situation müssen Sparer entscheiden, mehr Risiken einzugehen, um Rendite zu erwirtschaften oder ihr Geld weitgehend zinslos in klassischen Sparformen zu parken. Sie sind die Leidtragenden der Niedrigzinspolitik.

Die Folge: Die Eigenkapitalkluft wächst weiter und mit jedem Monat, jedem Jahr wird die Lage schwieriger, denn zielgerichtetes Ansparen war von jeher eine Bergetappe mit Gipfelankunft und kein Ausrollen ins Tal mit Sprints. Wer nicht tritt und nichts tut, kommt nicht voran, sondern fällt zurück. Guthaben, das über Jahre nicht zielgerichtet aufgebaut wurde, lässt sich nicht so einfach herbeizaubern.

Eine kurzfristige Maßnahme hat die Große Koalition in der vergangenen Legislaturperiode dann doch ergriffen: So war das Baukindergeld eine Notlösung für die von der Eigenkapitalkluft Betroffenen. Wie über eine Behelfsbrücke konnten damit immerhin über 300 000 Familien trotz mangelndem Eigenkapital die Schwelle ins Wohneigentum überschreiten. Die Förderung war zielgenau, weil sie speziell Familien mit Kindern unterstützte - eine Gruppe, bei der sowohl der Wunsch nach Wohneigentum als auch die Eigenkapitalproblematik überdurchschnittlich ausgeprägt sind. Dennoch geht gerade in dieser Gruppe die Eigentumsquote sogar zurück, und das, wo Deutschland im europäischen Vergleich ohnehin schon nur knapp die rote Laterne verfehlt.

Lösungen wie das Baukindergeld können dabei nur eine Seite der Medaille sein, denn sie beheben die Problematik nicht strukturell. Dafür ist es nötig, Familien selbst zu befähigen, Finanzmittel für ihr Ziel zurückzulegen. Das gelang in den 80er-, 90er- und frühen 2000er-Jahren noch optimal mit Ansparförderungen wie der Wohnungsbauprämie und der Arbeitnehmersparzulage für vermögenswirksame Leistungen. Vermögensbildung mit staatlicher Förderung hatte Konjunktur. Das Eigenkapital, das in den Jahren seit der Finanzkrise zunehmend in den Immobilienmarkt geflossen ist, ist vielfach durch diese Förderungen erst entstanden. Ein wesentlicher Vorteil: Die Förderungen flossen in standardisierte, etablierte und konservativ-sichere Produkte wie Bausparverträge. Diese Wertbeständigkeit und Sicherheit ist gerade in der privaten Immobilienfinanzierung ein nicht zu unterschätzender Garantiefaktor.

Modernisierung der Sparförderung

In dieser gilt es für die Politik, die staatliche Sparförderung zielgerichtet weiter zu modernisieren, so wie es in einem ersten Schritt mit der Verbesserung der Wohnungsbauprämie bereits geschehen ist. Die Eigenkapitalkluft ist auch eine Folge der Passivität der Politik in der Sparförderung des letzten Jahrzehnts; um im Bild zu bleiben: Auch sie ist auf dem Weg zur Bergankunft stehengeblieben. In Sorge um die Leistungsfähigkeit der öffentlichen Haushalte wurden bewährte Förderinstrumente nicht laufend an die veränderten Gegebenheiten angepasst, sondern brachliegen gelassen. So versäumte ein wesentlicher Teil der nun 28- bis 40-Jährigen - insbesondere Schwellenhaushalte - die Chance, zielorientiertes Sparen und vorübergehenden Konsumverzicht für große Investitionen zu lernen.

Das darf und wird mit der nun nachrückenden Erwerbergeneration nicht passieren. Sie sind prädestinierte Bausparer. Und das nicht nur, weil sie vorausschauender agieren als die jetzigen Erwerber, sondern auch, weil die Kollektiv-Idee des Bausparens zu ihnen optimal passt. Ein Immobilien-Crowdfunding wie das Bausparen ist in seinem Grundsatz ein nachhaltiges Finanzierungsmodell und trifft damit den Nerv der Zeit. Finanzexperten mögen renditestärkere Produkte als Bausparverträge interessanter finden, Menschen mit hoher Affinität zu Finanzthemen mögen am Markt noch attraktivere Finanzierungsprodukte als ein Bauspardarlehen finden - aber die Kombination von beiden Komponenten, zielorientierter Eigenkapitalaufbau und Zinssicherheit, bleibt das Schweizer Taschenmesser für die Immobilienfinanzierung - eine Sicherheit für alle Fälle, lösungsorientiert und absolut massentauglich. Anders als die 2010er-Jahre kommt die aktuelle Markt- und Wirtschaftslage dem Bausparen sehr entgegen. Während die letzte Dekade und die zugehörige Generation Y zunehmend von Sorglosigkeit, kurzfristiger Wunscherfüllung, aber auch Überfluss und Passivität geprägt waren, sind die aktuelle Dekade und ihre Generation durchaus zukunftsorientiert und engagiert und gehen mit Ressourcen bewusster um.

Die Selbstverständlichkeiten der Jahre davor sind neuen Unsicherheiten gewichen. Dazu haben sowohl die Klimadiskussion als auch die Corona-Pandemie entscheidend beigetragen. Für einen Vorstand einer Bausparkasse ist der aktuelle Ausschlag des Seismografen daher ein gutes Signal. In unsicheren, bewegten Zeiten wächst traditionell die Bedeutung des Bausparens als Element der Sicherheit. Insbesondere der Trend zur Eigeninitiative, zur Beschäftigung mit dem eigenen Zuhause als Rückzugort, als Arbeitsplatz im Homeoffice und als erster Ansatzpunkt für einen eigenen Beitrag zum Klimaschutz liefert die beste Basis, um das Leistungsspektrum einer Bausparkasse zum Einsatz zu bringen. Die vertriebliche Perspektive für das Kernprodukt ist also positiv. Und nicht nur das: Auch die Ertragssituation ist anspruchsvoll, aber steuerbar. Weil Bausparkollektive sehr langfristig und konservativ kalkuliert sind, bringen sie auch in einem langanhaltenden Nullzinsumfeld bei entsprechender Unternehmensstrategie positive Wertbeiträge. So verdient zum Beispiel die LBS West derzeit mit allen am Markt befindlichen Tarifen Geld.

Weiterentwicklungen im Köcher

Bedauerlich aus Sicht der Bausparkassen ist allerdings, dass auch die Aufsicht in zweierlei Hinsicht die Branche vor Herausforderungen stellt. Zum einen, weil sie den Prozess zur Weiterentwicklung des Geschäftsmodells Bausparen nur sehr verhalten begleitet und zum anderen, weil in der Regulatorik durch mangelnde Differenzierung manchmal über das Ziel hinausgeschossen wird. In Sachen Produktentwicklung hat die LBS-Gruppe die Motivation, sich nicht auf den Lorbeeren auszuruhen und vorhandene innovative Ansätze zur Marktreife zu entwickeln. Damit spielt sie eigentlich der Aufsicht in die Karten, die ihrerseits nicht müde wird, Finanzinstitute dazu anzuhalten, ihre Geschäftsmodelle anzupassen. Es wäre dann allerdings auch wünschenswert, dass die Aufsicht diese Weiterentwicklungen mit entsprechenden personellen Ressourcen konstruktiv begleitet, anstatt sie frühzeitig im Keim zu ersticken.

Die derzeit geplante Erhöhung der Blanko grenzen in der außerkollektiven Kreditvergabe ist richtig, aber eher eine Justierung an die Marktgegebenheiten als ein grundlegender Fortschritt. In Sachen Regulatorik dagegen ist der Gestaltungswille der Aufsicht ungebrochen. Für Institute wie Bausparkassen, die in der Finanzkrise und danach jederzeit ein Hort der Stabilität waren und sind und über ein ohnehin eng reguliertes Geschäftsmodell verfügen, ist das Ausmaß der Auflagen und Einschränkungen häufig an der Grenze des Nachvollziehbaren. Wenn Bausparkassen derselben Logik wie Großbanken unterzogen werden und immer neue Kapitalpuffer aufzubauen haben, nimmt das betriebswirtschaftliche Gestaltungsräume und damit hart erarbeitete Marktchancen.

Nicht nur aus diesem Grund haben sich die Bausparkassen schon vor Jahren aufgemacht, ihre interne Effizienz kontinuierlich zu optimieren. So hat die LBS West ihrerseits früh die Produktivität zu einer der wesentlichen strategischen Größen erhoben und in diesem Bereich die Branchenführung übernommen. Durch die intensive Beschäftigung mit interner Effizienz hat die LBS West ihre wesentlichen Steuerungsparameter klar herausgearbeitet und kann aus dieser Position he raus stetig weiter optimieren.

Effizienz und Vernetzung

Potenziale stecken dabei weiterhin in IT und digitalen Prozessen, aber auch und vor allem in Kooperationen mit anderen Landesbausparkassen. Hier ist die LBS West bereits in der Bearbeitung des Spargeschäfts Dienstleister für die LBS Hessen-Thüringen und hat weitere Potenziale im Blick. Ein weiterer strategischer Schwerpunkt der Landesbausparkassen besteht in der Vernetzung und Ausweitung des eigenen Ökosystems rund um das Thema Wohnen. Hier gilt es ebenfalls, konsequent Effizienzen zu heben - sowohl im Verbund mit den Sparkassen als auch mit weiteren Partnern.

Die Landesbausparkassen betreiben gemeinsam mit dem Burda-Verlag ein Onlineportal zum Thema Wohnen und erschließen sich dort, aber auch in den Kanälen des Sparkassenverbunds sukzessive weitere Cross- und Upselling-Potenziale und weitere Ertragsfelder. Mit ihrer Rolle als Baufinanzierungs- und Immobilienspezialisten im Verbund können die LBS den Sparkassen wichtige Marktpotenziale erschließen und das Produktangebot abrunden. Mit der Pooling-Gesellschaft FORUM, die freie Baufinanzierungsvermittler an den Sparkassenverbund bindet, haben die Landesbausparkassen in den vergangenen Jahren bereits sehr erfolgreich eine Marktlücke für den Verbund erschlossen und einen weiteren Teil der Wertschöpfungskette geschlossen.

Digitalisierung kein Selbstzweck

Im digitalen Vertrieb und im Plattformgeschäft liegen auch in Zukunft weitere Potenziale. Dabei ist allerdings auch klar, dass kein Kunde auf digitales Bausparen gewartet hat und es nicht darum geht, das Geschäftsmodell eins zu eins zu digitalisieren. Es gibt weiterhin große Kundensegmente, die in zentralen Lebensentscheidungen wie dem Immobilienkauf und dessen Finanzierung hohen Wert auf persönliche Beratung legen. Es gibt auch hinreichend Studien, die belegen, dass Kunden bei Finanzentscheidungen rund zehn Kontaktpunkte durchlaufen, bevor sie die Kaufentscheidung treffen. Und einige dieser Kontaktpunkte sind eindeutig offline. Allerdings zeigt dieselbe Studie auch, dass Online-Kontaktpunkte auf dem Entscheidungsweg zwingend dazugehören. Und allein deshalb ist es unverzichtbar, für diesen Teil der Kundenreise und auch insbesondere für den Teil der jungen Kunden, der vorrangig digital agiert, Angebote und Kontaktpunkte bereitzuhalten. Niemand braucht digitales Bausparen, aber wenn Bausparen nicht auch digital erlebbar und verfügbar ist, findet es in der Lebenswirklichkeit der Generation Z schlicht nicht statt. Deswegen ist weitere Digitalisierung unverzichtbar, aber sie ist kein Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck.

Es lohnt sich, den Blick in die Zukunft mit großem Selbstvertrauen zu werfen. Zu lange haben sich die Bausparkassen in den letzten Jahren zurückgenommen. Sicher auch mit zum Teil gutem Grund, denn die Bereinigung des Bestands um die alten Tarife mit vergleichsweise hoher Guthabenverzinsung hat viele langjährige Kunden enttäuscht und Bausparkassen zum Teil defensiver werden lassen, als es gerechtfertigt war. Nun, wo durch die Absenkung der Durchschnittsverzinsung im Bestand das Kollektiv nachhaltig gestärkt ist, sollte diese Stärke für die Bausparkassen ein Aufbruchsignal sein.

Der eingangs erwähnte Seismograf ebenso wie die relevante Nachwuchs-Erwerbergeneration versprechen Rückenwind für die kommenden Bausparjahrgänge. Wie beim Bausparen üblich wird das kein Orkan sein, sondern eher ein steter Wind, aber er bläst aus der richtigen Richtung. Und die Landesbausparkassen sind zunehmend gut aufgestellt, um im Verbund mit den Sparkassen davon zu profitieren.

Jörg Münning , Vorstandsvorsitzender , LBS Landesbausparkasse NordWest, Münster und Hannover

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