Münzgeld: ein teures Sorgenkind?

Stefan Hardt, Leiter Zentralbereich Bargeld, Deutsche Bundesbank, Frankfurt am Main - Gerade Gewerbetreibende sind mit den derzeitigen Gegebenheiten im Münzkreislauf nicht zufrieden und auch die Deutsche Bundesbank registriert in ihrem Selbstverständnis als Großhändler für den Spitzenausgleich eine Diskrepanz zu ihrer tatsächlichen Rolle im Alltagsgeschäft. In seiner Bestandsaufnahme verweist der Autor auf einen zumindest partiell gestörten Münzkreislauf und regt einen runden Tisch mit allen Beteiligten an. Von einem solchen Austausch verspricht er sich eine deutliche Verbesserung der Effizienz im Münzkreislauf, wie er sie beim Banknotenkreislauf schon erreicht sieht. (Red.)

Eine weitere Perspektive des Bargeldes sind die Münzen beziehungsweise der Münzkreislauf. Auch bei Münzen ist ein genaues Hinsehen angebracht. Denn rund 30 Prozent aller umlaufenden Euromünzen sind von der Deutschen Bundesbank in Verkehr gegeben worden. Das sind immerhin rund 34 Milliarden Stück mit einem Gesamtwert von rund 8 Milliarden Euro.

Weniger Aufmerksamkeit als Banknoten

Statistisch gesehen verfügt somit jeder Deutsche über rund 400 Münzen. Wie viele Münzen jeder Deutsche tatsächlich besitzt, lässt sich weder direkt noch indirekt in Erfahrung bringen, weil sich niemand über die Größe seines bewusst oder auch gelegentlich angelegten Münzhortes im Klaren ist. Befragungen der Deutschen Bundesbank zum Zahlungsverhalten haben aber ergeben, dass die Bürger durchschnittlich 5,73 Euro in Münzen im Portemonnaie mit sich tragen. Trotz des immensen Münzumlaufs und der damit verbundenen wirtschaftlichen und auch logistischen Bedeutung führt die Münze oft ein gewisses Nischendasein! Das gilt wohl auch deshalb, weil sie im Vergleich zur Banknote einen relativ geringen Wert besitzt und daher weit weniger Aufmerksamkeit auf sich zieht als die große Schwester, die "Banknote".

Aber die Münze hat es in sich. Kaum hat die Münze, wunderbar glänzend als prägefrisches Produkt die Münzstätte verlassen und sich im Umlauf klimpernd bemerkbar gemacht, verblasst ihr anfänglicher Glanz recht schnell und wird oft nur noch als Last und Sorgenkind wahrgenommen. Daran ändert sich auch nichts, selbst wenn man sich daran erinnert, dass die Verbraucher mehrheitlich dem Sprichwort zustimmen, das die Ehrung der kleinsten Münze außer Frage steht. Gibt man im Internet das Wort "Münzgeld" als Suchbegriff ein, stößt man schnell auf die Sorgen und Nöte der professionellen Bargeldakteure, die mit den Münzen einherzugehen scheinen.

Die Münzen und der Münzkreislauf sollten also etwas genauer in Augenschein genommen werden. Lässt man andere zu Wort kommen, die tagtäglich mit Münzen zu tun haben, beispielsweise Gewerbetreibende, die vor dieser Konferenz um eine Stellungnahme gebeten wurden, wird deutlich, dass aus deren Sicht beim Münzgeld etwas im Argen liegt (verdeutlicht durch eine Filmeinspielung - Red.).

Doch zunächst zu einer kurzen Skizze des Münzgeschäftes: Wie beim Banknotenkreislauf auch ist die Deutsche Bundesbank der Ausgangspunkt. Sie gibt die Münzen quasi als Agentin des Bundesministeriums der Finanzen in den Umlauf. Die Ausgabe erfolgt in sortenreinen Normcontainern, die mit Münzrollenpackungen befüllt sind. Ein Normcontainer kann je nach Stückelung bis zu 5 000 Münzrollen enthalten, bis zu 640 kg wiegen und einen Wert von bis zu 150 000 Euro aufweisen. Andere Ein- und Auszahlungsgebinde gibt es in den Filialen der Bundesbank - zumindest für professionelle Bargeldakteure - nicht.

Großhändler für den Spitzenausgleich

Mit der Einführung des Normcontainers vor einigen Jahren als einzigem Ein- und Auszahlungsgebinde hat die Bundesbank ihr Leistungsangebot konsequent auf die Rolle abgestellt, die sie im Münzkreislauf einzunehmen gewillt ist: die eines Großhändlers, der für den Spitzenausgleich zur Verfügung steht. Die angestrebte und bereits sehr frühzeitig kommunizierte Aufgabenteilung Zentralbank = Großhändler, mit der Kreditwirtschaft als Kunden und Geschäftsbank = Einzelhändlerfunktion, mit Gewerbetreibenden und Automatenbetreibern als Kunden ist auch international Gepflogenheit. Der eigentliche Münzkreislauf findet regelmäßig vor den Toren der Notenbank statt.

Kreditinstitute und mit ihnen die Wertdienstleister haben bei dieser Arbeitsteilung die Aufgabe, tagtäglich den Münzbedarf und -überschuss zu managen, das heißt für die körperliche Bereitstellung und die damit einhergehende Verrechnung zu sorgen. Es sollten - so die seinerzeitige Erwartung - Geschäftsmodelle entwickelt werden, bei denen diese Akteure kleinteilige Münzmengen entgegennehmen, diese zu Normcontainern verdichten und im Gegenzug Münzcontainer portionieren, also bedarfsgerechte kleinteilige Münzmengen dort zur Verfügung stellen, wo sie gebraucht werden. Haben sich diese Erwartungen erfüllt? Wie man den Stellungnahmen der Gewerbetreibenden entnehmen konnte, scheinen diejenigen, die Münzen benötigen oder abzugeben haben, mit dem Status quo nicht wirklich zufrieden zu sein. Die Ursachen für diese Unzufriedenheit zu identifizieren ist wichtig, um die Problemlösung angehen zu können. Folgende Ursachen können ausgemacht werden:

- Viele Kreditinstitute wollen das aus ihrer Sicht leidige und defizitäre Münzmanagement nicht übernehmen und beklagen sich über Anhalte- und Prüfpflichten aufgrund gesetzlicher Vorgaben. Zunehmend werden eigene gewerbliche Kunden mit ihren Münzüberschüssen oder Münzbedarfen an einen Wertdienstleister oder sogar die Konkurrenz verwiesen. Einige sind sogar bereit, ihrer Kundschaft die bei der Konkurrenz anfallenden Gebühren zu erstatten.

- Es lässt sich beobachten, dass vermehrt Kleingewerbetreibende, die eine Bundesbankfiliale in der Nähe haben, im Jedermanngeschäft an die Bundesbank-Schalter kommen, um Münzen in Banknoten zu tauschen und umgekehrt. Auf Rückfrage ist zu hören, dass es inzwischen Kreditinstitute gibt, die ihren Kunden Flyer mit Wegbeschreibungen zur nächsten Bundesbankfiliale aushändigen. Für Kleingewerbetreibende ist das Dienstleistungsangebot im Jedermanngeschäft der Bundesbank allerdings weder gedacht noch ausgelegt.

- Zunehmend werden altersschwache Münzein- und -auszahlungsautomaten, die insbesondere von Kleingewerbetreibenden genutzt werden, ohne Ersatzbeschaffung stillgelegt. Durch die damit einhergehende Reduzierung der Infrastruktur werden die Ver- und Entsorgungsmöglichkeiten der Kunden weiter eingeschränkt.

- Wertdienstleister können ohne Verrechnung über ein eigenes Konto keinen eigenständigen Ausgleich zwischen ihren Kunden herbeiführen und sind darauf angewiesen und damit auch abhängig, sogenannte "Partnerschaften" mit Kreditinstituten oder Zahlungsinstituten einzugehen. Viele Wertdienstleister bedienen dabei - je nach Kundenstruktur und Kundenpräferenz - gleich mehrere sogenannte Partnerbank- oder Kooperationsmodelle, sodass in einem Cash-Center meist mehrere getrennte Münzbestände vorgehalten werden müssen, was ineffizient und teuer ist. Laut Angaben aus Branchenkreisen hat sich die Münzgeldversorgung um zirka 30 Prozent verteuert. Der Preis einer Rolle Kleinmünzen liegt nicht selten über ihrem Nominalwert.

- Auch wenn die empirische Evidenz fehlt, so ist doch von einzelnen Bargeldakteuren zu hören, dass es günstiger sei, sich mit neuen Kleinmünzen bei der Notenbank einzudecken, als die im Keller liegenden Münzbestände für die weitere Verwendung/Wiederinverkehrgabe aufzubereiten.

Bestrebungen der Vergangenheit, das Münzgeschäft effizienter zu machen, haben nicht selten später zu neuen Verwerfungen geführt:

- So führt ein höherer Automatisierungsgrad im Handel in Form von Münz-SB- Geräten beispielsweise dazu, dass der Einzelhandel statt wie in der Vergangenheit Münzrollen nunmehr verstärkt lose Münzen zur Befüllung der Münzspeicher nachfragt. Eine Nachfrage, die die Bundesbank bisher insbesondere von Automatenbetreibern gewohnt war.

- Lose Münzen werden aber in Deutschland nicht standardmäßig gehandelt, da das Eurosystem die Münzrolle zum entgeltfrei erhältlichen Standardprodukt erklärt hat. Die Handelsware ist somit die entgeltfreie Münzrollenpackung, wie sie der Münzrollenstandard definiert. Das hat zur Folge, dass derjenige, der einen Überschuss an Münzen hat, diesen nur in eine andere Geldform transformieren kann, wenn er aus losen Münzen auf eigene Kosten Münzrollen fertigt. Derjenige, der einen Bedarf an Münzen hat, bekommt Münz rollen - von geringen Transaktionskosten abgesehen - zum Nennwert.

Es ist also zu fragen, ob der deutsche (und für viele andere Länder wegweisende) Münzrollenstandard im heutigen Münzgeldkreislauf, in dem lose Münzen anfallen und vermehrt nachgefragt werden, noch seine Berechtigung als alleinige Handelseinheit hat. (Es sind Fälle bekannt, in denen lose Münzen ausschließlich für die Bestandserfassung und Bestandsrevision durch die Eigentümer rolliert wurden.)

Und natürlich muss auch kritisch hinterfragt werden, ob wirklich alle regulatorischen Regelungen, die jede für sich sicherlich gut begründbar ist, in dieser Tiefe und mit dieser Reichweite zwingend erforderlich sind. Zusammenfassend bleibt festzuhalten: Der Münzrollenstandard trägt der steigenden Bedeutung der losen Münzen wahrscheinlich nicht mehr umfassend Rechnung. Das Münzgeschäft ist - nicht zuletzt auch aufgrund regulatorischer Vorgaben - nicht durchgängig effizient organisiert. Der Münzkreislauf ist zumindest partiell gestört. Die Deutsche Bundesbank beobachtet die Marktentwicklungen sehr aufmerksam. Und natürlich fragt sie sich, wie der Münzkreislauf verbessert werden kann. Ein Blick über die Ländergrenze hinweg zeigt, dass die Probleme nicht singulär sind, aber einfache, allen Beteiligten nur Vorteile gewährende Lösungsansätze eben auch nicht zur Verfügung stehen. Allen Verantwortlichen für die Bargeldversorgung, sei es aufgrund des gesetzlichen Sorgeauftrages oder weil die Kunden dies erwarten, kann es nicht egal sein, wenn sich Einzelhändler zu den Münzen so äußern, wie es zu Beginn des Vortrags im Einspielfilm zu sehen war.

Einladung zu einem runden Tisch

Alle beteiligten Akteure sind deshalb ausdrücklich zu einem runden Tisch eingeladen, damit gemeinsam erörtert werden kann, wie die bestehende Unwucht im Münzgeschäft beseitigt werden kann. Dabei ist jeder aufgerufen, seine Ideen einzubringen. Alle Beteiligten sollten zusammenkommen und offen alle Möglichkeiten und Optionen diskutieren. Nach fester Überzeugung der Bundesbank wird es am Ende gelingen, den Münzkreislauf entscheidend weiterzuentwickeln.

Auf die Frage des Vortragstitels "Münzgeld: ein teures Sorgenkind?" steht noch eine Antwort aus: Ja! Während in Deutschland guten Gewissens, weil empirisch belegt, gesagt werden kann, dass ein sehr sicherer und sehr effizienter Banknotenkreislauf organisiert worden ist, kann dies vom Münzgeldkreislauf in dieser Absolutheit nicht behauptet werden. Mit dem Fehlen der Effizienz im Münzgeldkreislauf ist leider davon auszugehen, dass Münzgeld folglich auch teuer ist. Was aber in gemeinsamen Anstrengungen beim Banknotenkreislauf gelungen ist, sollte auch im Münzkreislauf möglich sein.

Dieser Beitrag basiert auf einer Rede des Autors beim Bargeldsymposium 2016 der Deutschen Bundesbank am 13. Juni 2016 in Frankfurt am Main. Zwischenüberschriften sind teilweise von der Redaktion eingefügt.

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