Asset-Management-Trends bei Versicherern - ungelistete Infrastrukturanleihen im Fokus

Marcus Severin, Leiter des Versicherungsgeschäfts in Deutschland, BlackRock, Frankfurt am Main Dass das derzeit niedrige Zinsniveau für die Versicherungsbranche eine immense Herausforderung darstellt, mündet seit geraumer Zeit in einer deutlich vernehmbaren Kritik an der Geldpolitik der Notenbanken seitens der Verbände und auch einzelner Unternehmen. Für die konkrete Ausrichtung ihrer Geschäftspolitik wählen die einzelnen Versicherer indes Maßnahmen, die in ihrem eigenen Einflussbereich liegen, nämlich die Anpassung ihrer Vermögensaufstellung an die neuen Gegebenheiten am Finanzmarkt. Der Autor gibt sich dabei zuversichtlich, mit kluger Diversifikation das Risiko in bestimmten Segmenten des Portfolios erhöhen zu können und gleichzeitig das Gesamtrisiko des Portfolios beizubehalten. Als geeignetes Instrument dafür hat er unter anderem ungelistete Vermögenswerte identifiziert. Deren Zuspruch ist in der Branche zuletzt zwar schon enorm gewachsen, er sieht aber Emittenten, Politiker und Regulierer in der Pflicht, für verlässliche Rahmenbedingungen zu sorgen. (Red.)

Morgens Anleihen kaufen, nachmittags die Beine hochlegen. So lautete früher fast schon die Devise im Asset Management der Versicherer. Denn Zinssätze von etwa vier Prozent auf deutsche Staatsanleihen bescherten Erträge, mit denen die laufenden Verbindlichkeiten sich komfortabel decken ließen. Doch niedrige Zinsen und steigende Kosten bewegen die Versicherer dazu, ihre Anlagestrategien zu überdenken: Weniger klassische Staatsanleihen, mehr höher rentierliche Vermögenswerte, lautet die Devise. Vor allem ungelistete Infrastrukturanleihen eignen sich sehr gut, um die Chance-Risiko-Profile der Portfolios zu optimieren.

Anpassungsbedarf erkannt

Die anhaltend niedrigen Zinsen sorgen für hohe Unsicherheit unter den Versicherern. Dies hat eine Umfrage der European Intelligence Unit (EIU) im Auftrag von Black Rock ergeben. Die EIU hat im Juni und Juli 2014 weltweit 243 Topmanager von Versicherern aus den Bereichen Leben, Gesundheit, Sachwerte sowie Rückversicherer und Mischanbieter befragt, die zusammen rund 6,2 Billionen Dollar verwalten.

Demnach birgt dieses Phänomen für 54 Prozent der Befragten das größte Marktrisiko auf Sicht der kommenden drei Jahre. Denn zum einen gehen die Niedrigzinsen mit geringen laufenden Erträgen einher, die mitunter nicht ausreichen, um laufende Verbindlichkeiten zu decken. Zum anderen können steigende Zinsen, die aufgrund des aktuellen Niveaus wahrscheinlicher ge worden sind, die Vermögenswerte in den Bilanzen belasten. Denn steigende Zinsen gehen in der Regel mit sinkenden Kursen einher.

Ein Großteil der Versicherer hat die Zeichen der Zeit erkannt und plant, die Vermögensaufstellung den neuen Gegebenheiten am Finanzmarkt anzupassen. Ein wichtiger Schritt in diesem Zusammenhang ist es, sich von tradierten Anlagemaßstäben, die im Wesentlichen die klassischen Anleihenbereiche umfassen, zu lösen.

Immer mehr Versicherer wollen die Qualität ihrer Erträge der Umfrage zufolge anhand der absoluten Renditen messen. 45 Prozent der Befragten planen, innerhalb der nächsten drei Jahre entsprechende Absolute-Return-Konzepte zu nutzen, die im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten größere Freiheiten erlauben. Um höhere Erträge zu erzielen, würde jeder dritte Befragte in den kommenden drei Jahren höhere Risiken in Kauf nehmen. Die meisten wollen damit ihre laufenden Erträge steigern, andere versprechen sich eine breitere Risikostreuung. Doch mit 51 Prozent ist die Mehrheit daran interessiert, ihr derzeitiges Risikoprofil mittelfristig beizubehalten. Für diese Gruppe ist es umso wichtiger, zu schauen, wie die Erträge sich bei weitgehend konstantem Risiko optimieren lassen. Denn es ist möglich, das Risiko in bestimmten Segmenten des Portfolios zu erhöhen und gleichzeitig das Gesamtrisiko des Portfolios beizubehalten. Dabei spielen unter anderem Diversifikationseffekte eine Rolle.

Ausschau nach Alternativen

Daher erscheint es plausibel, dass die Versicherer insgesamt - nicht nur jene, deren Risikobereitschaft steigt - über den Tellerrand ihres bisherigen Anlageuniversums hinausschauen. In den vergangenen drei Jahren haben sie noch verbreitet an Übergewichten in klassischen Investmentgrade-Staatsanleihen festgehalten.

Die Umfrage lässt in dieser Beziehung jedoch einen Paradigmenwechsel erkennen: Immer mehr Versicherer halten nach Alternativen Ausschau. In diesem Zusammenhang rücken vor allem ungelistete Vermögenswerte, die nicht öffentlich an Börsen gehandelt werden, in den Blickpunkt. 56 Prozent der Befragten halten diesen Bereich für eine sehr interessante Option zu herkömmlichen Anlagen. 50 Prozent sind der Ansicht, dass ungelistete Vermögenswerte eine Rendite- und Risikoquelle bieten, die dabei hilft, das Anlagerisiko zu streuen.

Insofern ist es nachvollziehbar, dass die Verantwortlichen sich diesem Bereich stärker zuwenden wollen. Hatten vor drei Jahren nur etwa sechs Prozent der Versicherer mehr als 15 Prozent in ungelistete Vermögenswerte investiert, sind es gegenwärtig 26 Prozent. In den kommenden drei Jahren dürfte dieser Anteil sich noch einmal auf fast 46 Prozent verdoppeln, legen die Umfrageergebnisse nahe.

Der Infrastruktursektor erscheint den Versicherern besonders attraktiv. Der Umfrage zufolge planen 34 Prozent der Teilnehmer, ihr Engagement in diesem Bereich in den kommenden drei Jahren zu erhöhen. Dabei lohnt vor allem ein Blick auf ungelistete Infrastrukturanleihen. Dafür sprechen fünf Gründe.

Fünf Gründe für ungelistete Infrastrukturanleihen

Erstens passen ungelistete Infrastrukturanleihen sehr gut zum Anlagehorizont der Versicherer. Denn wer langfristige Zahlungsverpflichtungen eingeht, braucht langfristig kalkulierbare Erträge. Eine hohe Liquidität, welche die ständige Verfügbarkeit des Investments ermöglicht, tritt dagegen in den Hintergrund.

Infrastrukturprojekte und ihre Finanzierungen sind in der Regel langfristig angelegt. Dadurch verfügt der Sektor im Allgemeinen über eine stabile Kundenbasis mit solider Nachfrage, was sich in langfristigen Ertragsströmen niederschlägt. Dass die Kapitalbindungsdauer bei ungelisteten Investments im Vergleich zu klassischen Anleihen höher liegt, sollte für die Versicherer kein Nachteil sein, sondern die notwendige Berechenbarkeit bieten.

Zweitens bieten Infrastrukturanleihen attraktive Renditechancen. Momentan sind bei ungelisteten Investments im Schnitt 50 bis 100 Basispunkte Rendite pro Jahr mehr möglich als bei gelisteten Anleihen von Unternehmen derselben Branche. Hintergrund dafür ist die geringere Liquidität der Investitionen, die mit der erwähnten Kapitalbindung und dem gering ausgeprägten Sekundärmarkt einhergeht. Um dies zu kompensieren, erhalten Investoren bei ungelisteten Vermögenswerten Illiquiditätsprämien. Es bietet sich an, wenn Versicherer aus ihren Ertragsströmen jene herauslösen, die keiner Liquidität bedürfen. Anschließend können sie diese zur Renditeoptimierung aufgrund von Illiquiditätsprämien nutzen.

Drittens bergen ungelistete Infrastrukturanleihen eine geringe Ausfallwahrscheinlichkeit. Eine Untersuchung von Moody's hat ergeben, dass die Default-Quote im Vergleich zu Unternehmensanleihen niedriger ist. Zudem liegt die Rückzahlungsquote im Falle eines Defaults höher.

Geringe Korrelation mit anderen Anlageklassen

Viertens weisen ungelistete Infrastrukturanleihen eine geringe Korrelation mit anderen Anlageklassen auf. Dabei spielen neben der Illiquidität die Konjunkturresistenz und die hohe Wertstabilität des Sektors eine Rolle. Aufgrund ihrer geringen Korrelation mit anderen Anlageklassen können ungelistete Infrastrukturanleihen dazu beitragen, das Risiko des Gesamtportfolios zu streuen. Dieser Diversifikationseffekt kann bewirken, dass das Risiko des Gesamtportfolios konstant bleibt, obwohl der Versicherer in einigen Bereichen seines Portfolios höhere Risiken eingeht. Dies dürfte der großen Gruppe jener Befragten entgegenkommen, die ihr aktuelles Risikoprofil mittelfristig beibehalten wollen.

Fünftens erlaubt das breite Spektrum des Infrastruktursektors, je nach Präferenz des Investors passende Anlagemöglichkeiten zu erschließen. Denn mit Objekten wie Straßen, Stromnetzen, Flughäfen, Schulen und Krankenhäusern ist der Bereich sehr vielfältig. In den kommenden Jahren dürfte diese Vielfalt weiter zunehmen: Die Gesellschaft für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung schätzt den Bedarf an Infrastrukturinvestitionen bis zum Jahr 2018 weltweit auf etwa drei Billionen Dollar.

Die knappen öffentlichen Kassen können diese Investitionen allein nicht stemmen. Und Banken stehen immer seltener zur Verfügung, um die entsprechenden Projekte zu finanzieren, denn angesichts neuer Regulierungsvorschriften kürzen sie ihre Bilanzen. Versicherer könnten diese Lücke füllen.

Emittenten, Politiker und Regulierer in der Pflicht

Trotz dieser positiven Eigenschaften und ihrer grundsätzlichen Bereitschaft, in Infrastruktur zu investieren, zögern einige Versicherer mit der Umsetzung. Der Grund dafür sind verschiedene Hürden, mit denen die Betroffenen sich konfrontiert sehen. 40 Prozent der Befragten fehlt es an geeigneten Zugängen zu Infrastrukturinvestments. Ebenso viele halten sich aufgrund von Bedenken hinsichtlich der Preisgestaltung und generellen Transparenz zurück. Und 33 Prozent zögern angesichts der Unsicherheit, wie die Regulierer entsprechende Investitionen bewerten würden.

Vor diesem Hintergrund gilt es, die Parameter ungelisteter Infrastrukturanleihen ebenso wie das regulatorische Umfeld noch besser mit den Erfordernissen der Versicherer in Einklang zu bringen. Dazu gehört auf der Seite der Emittenten, dass bestimmte Kriterien bei Versicherern eher im Fokus liegen als bei Banken - zum Beispiel lange Laufzeiten, der Ausschluss vorzeitiger Rückzahlungen durch die Emittenten, feste Ausschüttungen und dass die Kapitalunterlegung den Investmentgrade-Status beibehält. Auf der Seite der Politiker und Regulierer gehören entsprechende Solvenzkapital-Anforderungen ebenso dazu wie ein stabiles Regulierungsumfeld, in dem die Infrastrukturbranche sich entfalten kann.

Was die Suche nach geeigneten Zugängen zu Investitionsmöglichkeiten sowie die Bewertung von Preisen und Transparenz angeht, so können ungelistete Infrastrukturanleihen tatsächlich einen höheren Aufwand erfordern als herkömmliche Anlageklassen. Wer nicht über die dafür notwendigen Ressourcen verfügt, kann auf externe Anbieter zurückgreifen. Einige Asset Manager haben in den vergangenen Jahren Infrastrukturplattformen aufgebaut, die entsprechende Dienstleistungen für Dritte anbieten.

Chance für eine Win-win-Situation

Sollten die Beteiligten sich darauf verständigen, wie sie die beschriebenen Hürden entsprechender Investitionen abbauen können, dürften ungelistete Infrastrukturanleihen in absehbarer Zeit eine noch größere Rolle in den Portfolios von Versicherern spielen. Die Versicherer könnten auf diese Weise den niedrigen Zinsen entkommen und ihre Ertragsströme verbessern. Der Gesellschaft dürfte eine solche Entwicklung zugutekommen, indem dringend notwendige, aber kostenaufwendige Infrastrukturprojekte umgesetzt werden können. Insofern gilt es, die Chance für eine Win-win-Situation zu nutzen.

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