Absichern oder nicht absichern? - das ist die Frage in Bezug auf das Zinsänderungsrisiko

Robert Tipp, Foto: PGIM Fixed Income

Der Anstieg der langfristigen US-Zinsen und der Aktienkurse hatte den Deckungsgrad der leistungsorientierten Pensionspläne von US-Unternehmen zuletzt auf fast 93 Prozent erhöht. Angesichts dieser Deckungssituation und des Zinsniveaus stellten sich laut dem Autor viele Pensionskassen die Frage, ob das ein guter Zeitpunkt sei, um die Zinsabsicherungsquote für Verbindlichkeiten zu erhöhen. Es gebe aber einen einfachen Ansatz, um die Auswirkungen der Absicherung des Zinsrisikos von Verbindlichkeiten auf die Rendite zu ermitteln. Hierfür werden die zukünftigen Renditen von Bareinlagen und die von langlaufenden An leihen miteinander verglichen. Angesichts der niedrigen zukünftigen Cash-Renditen und der steil verlaufenden Zinskurve ist laut Tipp davon auszugehen, dass momentan für institutionelle Investoren ein guter Zeitpunkt sein dürfte, um die Absicherung des Zinsrisikos zu erhöhen. (Red.)

Vielleicht erinnert man sich noch an die Inversion der US-Treasury-Renditekurve Ende 2018 und 2019. Es handelt sich zwar um eine weit zurückliegende Angelegenheit, aber vor der Covid-Pandemie haben sich die Märkte und Medien über ein Jahr lang auf die inverse Zinskurve fixiert.

Die aktuellen 3-Monats-Forward-Rates für US-Treasuries Quellen: PGIM Fixed Income und Bloomberg (März 2021)
Die aktuellen 3-Monats-Forward-Rates für US-Treasuries Quellen: PGIM Fixed Income und Bloomberg (März 2021)

Neutraler Realzins niedriger als in der Vergangenheit

Nach der Finanzkrise brauchte die US-Notenbank sieben Jahre, um den Leitzins wieder von Null anzuheben und ein weiteres Jahr für eine zweite Zinserhöhung innerhalb dieses Zyklus. Als der Leitzins in den USA Ende 2018 die 2,5-Prozent-Marke erreichte, war die Renditekurve folglich invers. Warum hat sich die Kurve gedreht? Der Markt signalisierte, dass der Zinserhöhungszyklus des Fed-Vorsitzenden Jerome Powell weit davon entfernt war, wieder einen neutralen Zinssatz zu erreichen.

Trotz einer niedrigen US-Arbeitslosenquote von 3,6 Prozent, einem prozyklischen Steuerstimulus in Höhe von einer Billion Dollar und einem über dem Durchschnitt liegenden Bruttoninlandsprodukt blieb die Inflation hartnäckig niedrig. Die Umkehrung der Zinskurve deutete somit darauf hin, dass der neutrale Realzins heute wahrscheinlich viel niedriger ist als in der Vergangenheit.

Das Basisszenario von PGIM Fixed Income geht davon aus, dass die Fed mit dem Tapering schließlich im vierten Quartal dieses Jahres beginnen wird. Ein alternatives Szenario könnte sein, dass die Fed wartet, bis die Arbeitslosenquote wieder in den Bereich von 4 Prozent fällt, bevor sie mit dem Tapering-Prozess beginnt. In Bezug auf die Summary of Economic Projections der Fed könnte es durchaus zu einer Anpassung der Inflations- und Arbeitslosenratenprognosen der US-amerikanischen Zentralbank kommen, aber vermutlich gibt es eher wenig Spielraum für eine Anpassung der Wachstumsprognosen.

Schließlich erkannte die Fed, dass sie den neutralen Zinssatz überschritten hatte, und senkte den Leitzins auf 1,75 Prozent, noch bevor die Pandemie einsetzte.

Langfristige Anleiherenditen bei Pensionsverpflichtungen

Verbindlichkeiten werden mit den Renditen erstklassiger Unternehmensanleihen bewertet, die in Treasury-Renditen und einen Credit Spread zerlegt werden können. Im Laufe der Zeit erzeugt eine positiv geneigte Treasury-Kurve also sowohl Carry- als auch Rolldown-Renditen für die Pensionsverbindlichkeit.

Die Entscheidung, das Zinsrisiko abzusichern, hält die Zinskurve steil, während die Entscheidung, die Zinskurve nicht abzusichern, dem Rolldown einer Barinvestition entspricht. Die Absicherung der Zinskurve kann die Barinvestition übertreffen und so den Finanzierungsstatus eines Pensionsplans verbessern, sofern die Barterminsätze nicht realisiert werden. Umgekehrt kann eine nicht abgesicherte Zinskurve zu einer Outperformance führen, wenn der Anstieg der kurzfristigen Terminzinsen die zukünftigen Zinssätze übersteigt.

Die Gegenüberstellung von zukünftige Cash-Renditen und Long-Bond-Renditen ist eine Möglichkeit, die Entscheidung über die Zinsabsicherungsquote zu vereinfachen. Dementsprechend lohnt sich der Blick auf die aktuellen Terminzinsen, um die Wahrscheinlichkeiten abzuwägen, ob ein Terminkurs erreicht werden kann.

Die Zinskurve für Treasuries ist seit Ende 2020 deutlich steiler geworden. Die Abbildung zeigt, dass die aktuelle Steigung der Zinskurve 3-Monats-Terminsätze von einem Prozent in drei Jahren, zwei Prozent in fünf Jahren und über drei Prozent für fast alle der folgenden 25 Jahre enthält.

Es ist sehr unwahrscheinlich, dass dieser Pfad für die kurzfristigen Zinssätze in den nächsten 30 Jahren zu irgendeinem Zeitpunkt erreicht wird und mit ziemlicher Sicherheit auch nicht danach. Dies liegt daran, dass diese Terminzinssätze nicht nur die vom Markt erwartete Entwicklung der kurzfristigen Zinssätze abbilden. Die Terminsätze und die Neigung der Zinskurve enthalten auch Laufzeitrisikoprämien, die eine Kompensation für das Eingehen des Durations-Risikos darstellen. Für einen LDI-Investor ist dies eine Entschädigung für die Minimierung des Haftungszinsrisikos. Bei Investitionen ist es immer gut, für die Reduzierung des Risikos bezahlt zu werden.

Niedrigere Spitzenwerte des Zinserhöhungszyklus

Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass die Fed eher dazu geneigt sein wird, ihren Leitzins bei oder in der Nähe der Nullmarke zu halten. Angesichts ihrer neuen Regelung des flexiblen durchschnittlichen Inflationsziels dürfte eine derartige Vorgehensweise auch nach dem Ende der Rezession aufrechterhalten werden. Zwischen den Rezessionen wird der Zinserhöhungszyklus wahrscheinlich wie der Zyklus zwischen den Jahren 2015 und 2019 aussehen, das heißt ziemlich gedämpft in Bezug auf die Amplitude und die Dauer. Wenn es der Fed dabei gelingt, den Leitzins über Null anzuheben, dürfte es jedoch länger dauern. Außerdem dürften dann die Spitzenwerte des Zinserhöhungszyklus viel niedriger ausfallen als in der Vergangenheit.

Mit dem gegenwärtigen Anstieg der Preise, insbesondere der Erzeugerpreise, ist ein globales Phänomen aufgrund der starken Verknappung und Störung des globalen Handelsgütersektors zu sehen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass sich dieses Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage mit der Zeit wieder verringern wird, wenn der massive Anstieg der Verbrauchernachfrage nachlässt und Produzenten und Hersteller die Probleme in der Lieferkette lösen.

Normalisierung der Dienstleistungspreise

Eine weitere inflationäre Kraft, die man beobachten kann, ist die Normalisierung der Dienstleistungspreise. Fluggesellschaften, Hotels und andere Dienstleistungssektoren sind während der Pandemie zusammengebrochen und einige Unternehmen boten hohe Rabatte an, um Kunden zu halten. Die Normalisierung in den Dienstleistungssektoren weltweit könnte das Inflationsniveau zumindest auf kurze Sicht hoch halten.

Obwohl die Inflation in den kommenden Monaten eher hoch sein wird, gibt es eine mögliche Lösung dieser temporären Nachfrage- und Angebotsprobleme, die die Inflationsrate wieder auf das Niveau vor der Pandemie zurückbringen sollte. Es ist zu erwarten, dass die strukturellen Probleme, die in den letzten zehn Jahren zu einer schwachen Inflation beigetragen haben, hohe Verschuldung und technologischer Fortschritt, sich in den kommenden Quartalen und Jahren durchsetzen werden.

Wie die inverse Renditekurve im Jahr 2019 andeutete, ist der neue neutrale Realzins heute viel niedriger als in der Vergangenheit, was den zukünftigen Anstieg der risikofreien Zinssätze in Grenzen halten wird. Da die Fed Funds Rate in den letzten zehn Jahren im Durchschnitt nur 60 Basispunkte betragen hat, mag solch eine Zinsprognose unvernünftig klingen. Denn selbst im Jahrzehnt vor der Finanzkrise lag die Fed Funds Rate im Durchschnitt bei lediglich 2 Prozent.

Durchschnittliches Zinsniveau sinkt

Doch wie sieht es in Zukunft aus? Bei all den fiskalischen Anreizen und der aggressiven Geldpolitik müssen doch höhere Zinsen in Aussicht gestellt werden, oder? Leider waren die vergangenen Jahrzehnte durch immer aggressivere fiskalische Anreize und geldpolitische Reaktionen gekennzeichnet, nur um dann in einer niedrigeren Inflation und geringeren Zinssätzen als vor der Krise zu enden.

Die Ursache ist vermutlich eher in der langfristigen anstatt in der zyklischen Entwicklung zu finden. Im Laufe der Zeit drückt die demografische Alterung und das nachlassende Arbeitskräftewachstum in Verbindung mit einer steigenden Schuldenlast die Gleichgewichtszinsen auf ein immer niedrigeres Niveau. Infolgedessen ist es wahrscheinlicher, dass das durchschnittliche Zinsniveau in der Zukunft niedriger und nicht höher als die historischen Durchschnittswerte sein wird. Vor diesem Hintergrund erscheint ein Forward-Rate-Pricing, das den Leitzins nachhaltig höher ansetzt als in der vergangenen Generation, als unpassend.

Steile Renditekurve festschreiben

Dies lässt den Schluss zu, dass es sich für die meisten Pensionskassen als eine gute langfristige Entscheidung erweisen könnte, die aktuell sehr steile Renditekurve durch eine Erhöhung der Absicherungen festzuschreiben. Eine solche Entscheidung könnte darüber hinaus auch die Volatilität des Deckungsgrades reduzieren. Anlageentscheidungen, welche die Rendite erhöhen und gleichzeitig das Risiko reduzieren, sind seltene Gelegenheiten und sollten immer sorgfältig geprüft werden.

Der aktuelle Zeitpunkt dieser Entscheidung mag sich für einige gefährlich anfühlen, wenn man bedenkt, dass die Zinssätze seit Anfang 2021 gesunken sind und es bald weitere positive Nachrichten über die wirtschaftliche Erholung geben könnte. Aber ähnlich wie beim Kauf von Aktien im März 2020 ist der Zeitpunkt, der sich am gefährlichsten anfühlt, um eine bestimmte Aktion am Markt durchzuführen, oft der Richtige.

Robert Tipp Head of Global Bonds, PGIM Fixed Income, Newark, USA
Robert Tipp , Head of Global Bonds , PGIM Fixed Income, Newark, USA

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