Die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken bleiben im ersten Halbjahr 2020 auf Kurs, wie der Genossenschaftsverband Bayern (GVB) mitteilt. Die Geschäfte haben sich demnach solide entwickelt und blieben bislang weitgehend unberührt von den Folgen der Corona-Krise. Wie der GVB bei der Vorstellung der Halbjahreszahlen für die Kreditgenossenschaften im Freistaat mitteilte, stieg die Bilanzsumme um vier Prozent oder 7,1 Milliarden Euro von 175,7 Milliarden Euro (Dezember 2019) auf 182,8 Milliarden Euro (Juni 2020).
"Der weitere Ausblick bleibt aber von wirtschaftlichen Unwägbarkeiten geprägt", kommentierte GVB-Präsident Jürgen Gros das Zahlenwerk. "In welchem Maße sich der konjunkturelle Einbruch vom Anfang des Jahres in der zweiten Jahreshälfte beziehungsweise im kommenden Jahr in den Zahlen niederschlagen wird, ist noch nicht absehbar", sagte Gros. Erst 2021 lägen die Jahresabschlüsse der gewerblichen Kunden für das laufende Jahr vor. Schwer abzuschätzen sei zudem die Entwicklung im Wertpapierbereich. Viel hänge davon ab, wie sich die Pandemie weiter entwickele, ob die konjunkturelle Erholung nachhaltig sei und ob es zu einem weiteren Lockdown komme.
"Die Volksbanken und Raiffeisenbanken gehen aus einer Position der Stärke in eine unsichere Phase", stellte Gros fest. Nach derzeitigem Stand erwartet Gros für die genossenschaftliche Bankengruppe in Bayern für das laufende Jahr ein weiterhin deutlich positives Ergebnis – wenn auch unter dem Niveau des Vorjahres, das stark von Sondereffekten geprägt war. Die gute Entwicklung an den Wertpapiermärkten führte laut GVB damals zu Zuschreibungen im Depot der Banken sowie zu einem überdurchschnittlichen Provisionsgeschäft. Diese Sondereffekte werden sich laut GVB 2020 umkehren. Die starken Kursschwankungen und die unklare Pandemieentwicklung würden keinen gesicherten Ergebnisausblick zulassen. Gleichwohl blieben die bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken auf dem Wachstumspfad.
Das Kreditvolumen ist laut GVB in den ersten sechs Monaten auf Vorjahresniveau gewachsen. Zum Stichtag 30. Juni 2020 lag der Kreditbestand demnach bei 112,1 Milliarden Euro - eine Zunahme um 3,3 Milliarden Euro seit 31. Dezember 2019. Die Zunahme liegt mit drei Prozent knapp über dem Wachstum des ersten Halbjahres 2019 (2,7 Prozent). Bei Firmenkunden stieg die Kreditvergabe um vier Prozent oder knapp 2,3 Milliarden Euro auf rund 59,2 Milliarden Euro. Das Kreditvolumen an Privatkunden wuchs um 1,9 Prozent oder 941 Millionen Euro auf einem Gesamtbestand von knapp 49,5 Milliarden Euro.
Wesentlicher Treiber bei der Kreditvergabe waren laut GVB weiterhin Immobilienkredite. Seit Jahreswechsel haben die Kreditgenossenschaften im Freistaat rund zwei Milliarden Euro (plus 3,3 Prozent) mehr an Krediten für Wohnungsbau ausgereicht. Wohnungsbaukredite an Privatkunden legten um 2,6 Prozent beziehungsweise 1,13 Milliarden Euro auf insgesamt knapp 44 Milliarden Euro zu. Kredite für den Wohnungsbau an Firmenkunden stiegen um 4,7 Prozent beziehungsweise 850 Millionen Euro auf insgesamt knapp 19 Milliarden Euro. "Die Immobilienbranche ist bisher von den Folgen der Corona-Krise weitgehend unberührt geblieben", kommentierte Gros diese Entwicklung.
Gewachsen sind die bayerischen Genossenschaftsinstitute auch auf der Einlagenseite. Der Zuwachs an Kundengeldern belief sich laut GVB in der ersten Jahreshälfte auf 2,2 Milliarden Euro beziehungsweise 1,6 Prozent auf jetzt 138,8 Milliarden Euro. Das Einlagenwachstum fand demnach ausschließlich im Bereich der liquiden Sichteinlagen statt, die auch durch Umschichtungen aus anderen Anlageklassen um 4,1 Prozent beziehungsweise 3,6 Milliarden Euro auf knapp 91 Milliarden Euro steigen. "Die Kunden wollen in unsicheren Zeiten ein Maximum an Flexibilität erhalten", sagte dazu Verbandspräsident Gros.
Während der Corona-Krise hat das Hausbankprinzip laut GVB eine weitere Bewährungsprobe bestanden. "Die Nähe zu den Kunden und den Märkten hat sich als große Stärke und als vertrauensstiftend erwiesen", sagte Gros. "Die Banken haben ihre Kunden umfänglich beraten, auch zu staatlichen Hilfsprogrammen, und sie haben mit individuellen Lösungen bei Krediten und Stundungen ihren Privat- und Geschäftskunden verlässlich zur Seite gestanden. Das zeigt: Das Vertrauen in die Hausbank ist ungebrochen." Zudem sei die Versorgung mit Bankdienstleistungen und Bargeld jederzeit gewährleistet.
"Die Banken waren in der Krise eine wichtige Stütze für die Realwirtschaft", stellte der GVB-Präsident fest. Jedoch habe sich die Regulatorik nicht als krisenfest erwiesen. "Sollte es erneut zu einer Krise kommen, müssen die Banken arbeiten können, ohne sich mit ständigen Anpassungen des regulatorischen Rahmens befassen zu müssen." Gros wiederholte seine Forderung nach einem Fitnesscheck. "Es muss auf den Prüfstand, was sich an regulatorischen und gesetzlichen Vorgaben bewährt hat und was nicht. Es kann nicht darum gehen, jetzt einfach zu sagen, 'wir müssen die regulatorischen Zügel wieder anziehen'. Entscheidend ist, eine zukunfts- und krisenfeste Regulatorik zu bekommen." Dazu müssten alle an einen Tisch: Politik, Aufsicht, Banken und Realwirtschaft. Zudem müsse verhindert werden, die Banken fortwährend mit neuen regulatorischen Anforderungen zu belasten. "Was zum Beispiel unter dem Deckmantel 'Green Finance' auf die Kreditinstitute zukommt, bedeutet aber eine erhebliche Mehrbelastung", mahnte Gros.