Der Anteil der Mittelständler mit Anlagebedarf ist seit Durchführung der ersten Studie der FH des Mittelstands in Bielefeld (FHM) in 2009 erstmals signifikant rückläufig. Gegenwärtig haben nur noch 39 Prozent der befragten Unternehmen Anlagebedarf (Vorjahr: 57 Prozent). Das durchschnittliche jährliche Anlagevolumen hat von 4,7 Mio. Euro im Jahre 2016 auf 3,6 Mio. Euro abgenommen. Während gemäß den Angaben für die 2016er-Umfrage nur große Mittelständler ihren Anlagebedarf reduziert haben, gilt das in der aktuellen Studie nun für die Breite der mittelständischen Unternehmen. Die Gründe dafür sind vielfältig: Es wurden Investitionen in das Anlage- und Umlaufvermögen vorgezogen, sodass jetzt weniger Liquidität zur Verfügung steht. Zudem wurden langfristige strategische Beteiligungsinvestitionen und Übernahmen getätigt. In anderen Betrieben haben Gewinnausschüttungen und höhere Personalkosten die Liquidität verringert. Schließlich will man auch Guthabengebühren vermeiden.
Im Vergleich dazu hat die geforderte Mindestverzinsung gegenüber dem Vorjahr trotz weiter gefallener Marktzinsen um 0,5 Prozent auf 3,5 Prozent zugenommen. Dies stellt zugleich den höchsten Wert seit 2009 dar. Die gestiegene Erwartung kann unter anderem damit erklärt werden, dass Mittelständler als Anlagerendite nicht den Marktzinssatz, sondern stattdessen eher die Gewinnerwartung an das eigene Unternehmen als Orientierungspunkt sehen. Andere Unternehmen benötigen eine höhere Verzinsung, um ihre Verpflichtungen zu erfüllen. Während die Mittelständler bisher jedoch trotz hoher Renditevorstellungen nicht bereit waren, ihr Risikoverhalten nachhaltig zu adjustieren, zeigt die Studie erstmals leichte Veränderungen in der Risikobereitschaft. So ist rund ein Drittel der Befragten bereit, für einen Ertrag zwischen 1 und 2 Prozent überschaubare Kursschwankungen in Kauf zu nehmen. Für einen Ertrag von 3 Prozent sind 22 Prozent der Befragten bereit, sogar stärkere Kursschwankungen zu akzeptieren. Das geht einher mit der Suche der Befragten nach innovativen Investmentlösungen wie etwa nachhaltigen Anlagevehikeln oder Produkten, durch die sich bestimmte Zahlungsströme abbilden lassen. „Bisher war die hohe Risikoaversion oftmals ein Hemmnis beim Erwerb renditestarker und innovativer Anlagelösungen. Bereits mit etwas höherer Risikobereitschaft, etwa durch Verlängerung des Anlagehorizonts, lassen sich attraktive Anlageformen nutzen“, so Gernot Kleckner, Leiter Corporate Sales Firmenkunden der Commerzbank.
Als kritischen Punkt benennt die Studie außerdem die Ausfinanzierung von Pensionsverpflichtungen – darüber verfügen nur 43 Prozent der Befragten. Rund die Hälfte davon sind nicht oder nicht ausreichend finanziert. Die Studie zeigt zudem, dass Mittelständler offen für technische Beratungslösungen sind. Während die Anlageberatung traditionell durch Firmenkundenberater in Filialen oder Beratungszentren stattfindet, setzt sich auch hier die Technik zunehmend durch. So sind über 50 Prozent der befragten Unternehmen Fragebogen-gestützte Onlinedialoge bekannt. Die Videoberatung ist ebenfalls für rund 50 Prozent der Befragten vorstellbar. „Im Zuge der voranschreitenden Digitalisierung, neuer Kommunikationsmittel sowie technikaffiner Entscheider werden vermehrt auch innovative Beratungslösungen nachgefragt werden“, so Prof. Dr. Volker Wittberg von der FHM.