Vermerkt

Zwischen den Fronten

ho. - Es war auch nicht daran zu denken, dass nach der Übernahme der Mehrländerbörse Euronext durch die Nyse und der vermeintlichen Liaison zwischen der britischen LSE und der Nasdaq die Schlacht um die europäische Börsenkonsolidierung und damit der Verbündungskampf der Deutschen Börse erst einmal an einem Ruhepunkt angekommen sein würde. Letztere kämpft nämlich weiterhin - und das gleich an einer ganzen Reihe von Fronten. Zum ersten ringt sie mit der Nasdaq um die spanische Börsenholding Bolsas y Mercados Españoles (BME). Die Gespräche zwischen den Frankfurtern und den Madrilenen sind dem Vernehmen nach dabei bereits weit fortgeschritten. Mit ihrem feindlichen Übernahmeversuch der London Stock Exchange hat sich die US-Technologiebörse bekanntlich schon in London keine Freunde gemacht, in Madrid dürfte sie daher auch nicht sonderlich willkommen sein.

Dass sich eine Übernahme der BME dabei für keinen Interessenten einfach gestalten würde, haben die spanischen Behörden vor deren Börsengang im Juli 2006 sichergestellt: Um einen nennenswerten Anteil an der Börsenholding zu erwerben, müssen sowohl Börsenaufsicht wie auch Wirtschaftsministerium zustimmen. Für eventuelle "Strukturen sichernde" Bestrebungen bleibt damit eine ganze Menge Spielraum.

An der zweiten Front steht die Deutsche Börse den Hedgefonds gegenüber. So fordert die US-"Heuschrecke" Atticus Capital die Separation von Clearstream (rein gesellschaftsrechtlich, hat der Fonds angemerkt), um den Anteilseignern noch mehr vom Speck der Börsengesellschaft abzutreten. Das bisherige Auskehrprogramm an die Aktionäre (zu fast 80 Prozent übrigens angelsächsischer Herkunft) sei "zu konservativ" - dabei werden per Mai dieses Jahres inklusive der Dividende für 2006 im Rahmen des seit einiger Zeit laufenden "Capital Management Programms" stolze 1,9 Milliarden Euro freigesetzt worden sein und damit mehr als die gesamten Umsatzerlöse im zurückliegenden Geschäftsjahr. Geht es nach Atticus, sollen 20 Prozent der Aktien im Wert von rund drei Milliarden Euro zurückgekauft werden. Irgendwann wird sich die Börse die Frage stellen müssen, ob die Gelder nicht sinnvoller in organisches Wachstum investiert würden. Auf lange Sicht bringt das auch den Aktionären mehr.

Drittens muss sich die Börse einige misstrauische Blicke der interessierten Öffentlichkeit gefallen lassen. Denn Kurt Viermetz, der Aufsichtsratsvorsitzende, hat zwei Tage vor der Verkündung des (vorläufigen) Ergebnisses des Geschäftsjahrs 2006 privat Aktienzertifikate auf den Handelskurs der Börsen-Aktie gekauft und mit diesen gewettet, dass letzterer in einem Jahr nicht von gegenwärtig 163 auf unter 142 Euro fällt. Das mag vielleicht Vertrauen in den strategischen Weg signalisieren. Aber bei solchen Aktionen muss der Käufer auch immer mit der Frage leben, ob er im Rahmen einer guten Corporate Governance und mit dem möglichen Wissen über kursanfachende Äußerungen nicht besser davon abgesehen hätte.

Und zum Vierten kämpft(e) der Handelsplatzbetreiber dem Vernehmen nach auch gehörig mit sich selbst: Da behaupten Medienberichte, es habe in den Führungsetagen des Glaspalasts im Frankfurter Stadtteil Hausen erhebliche Grabenkämpfe gegeben. Das "Problem" scheint mittlerweile gelöst, die beiden Seifert-Leute Mathias Hlubek, Finanzvorstand und zwischenzeitlicher kommissarischer Chef, und Matthias Ganz, Chief Operating Officer, sitzen nicht mehr in dem Gremium.

Ersterer hatte auf der Bilanz-Pressekonferenz schon einmal vorsichtig Resümee gezogen.

Trotz der Scharmützel der letzten Monate hat die Frankfurter Börsenorganisation das zurückliegende Geschäftsjahr mit dem besten Ergebnis der Unternehmensgeschichte abgeschlossen: So stiegen die Umsatzerlöse um 14 Prozent auf 1,85 (1,63) Milliarden Euro. Zusätzlich sind dem Unternehmen 150,7 (112,7) Millionen Euro an Nettozinserträgen aus dem Bankgeschäft zugeflossen. Aufgrund des Umsatzwachstums in allen Marktbereichen und eines wirkungsvollen Kostenmanagements, so heißt es entsprechend selbstbewusst, stieg das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Wertminderungsaufwand für Geschäfts- oder Firmenwerte (Ebita) überproportional um 45 Prozent auf 1,03 (0,71) Millionen Euro an, der Konzern-Jahresüberschuss für das Jahr 2006 lag bei 668,7 (427,4) Millionen Euro.

Anlass zum Feiern gab es übrigens an anderer, historisch bedeutsamer Stelle: Denn gerade wurde mit einigem Brimborium das renovierte Parkett der Frankfurter Wertpapierbörse wiedereröffnet (siehe Bilder). Auch wenn der Präsenzhandel in Frankfurt dem Volumen nach im Vergleich zum elektronischen Handel heute fast in die Bedeutungslosigkeit verschwindet - dem ein oder anderen Börsianer wird das Schwelgen in Erinnerungen an frühere, beständigere, vielleicht simplere Zeiten sicherlich gut getan haben..

Noch keine Bewertungen vorhanden


X