Aufsätze

Zweite Konsultation: Überarbeitung der Handelsbuchregulierung für interne Modelle

Ende Oktober 2013 hat der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht das zweite Konsultationspapier zur umfassenden Überarbeitung der Handelsbuchregelungen vorgelegt ("Fundamental review of the trading book").1) Vorausgegangen waren zahlreiche Kommentare und mitunter kontroverse Diskussionen der Marktteilnehmer zum ersten Konsultationspapier aus dem Jahr 2012.2) Als übergeordnete Zielsetzung der Überarbeitung ist zunächst die Schaffung eines holistischeren Ansatzes zur Kategorisierung und Unterlegung von Marktrisiken zu nennen. Methodik sowie Anforderungen für den Standardansatz und die interne Marktrisikomodellierung sollen harmonisiert werden. Zudem ist eine objektivierte Abgrenzung zwischen Handels- und Anlagebuch vorgesehen, um regulatorische Arbitrage einzuschränken. Schließlich verfolgt die Überarbeitung das Ziel, Schwächen in der bisherigen Risikomessung zu beseitigen. Das Papier ergänzt und modifiziert damit die als erste Reaktion auf die globale Finanzkrise im Rahmen von Basel 2.5 beziehungsweise CRD III eingeführten Veränderungen zum Handelsbuch.3)

Kommentare der Marktteilnehmer zum vorliegenden zweiten Konsultationspapier wurden bis zum 31. Januar 2014 erwartet. Aktuell ist wie üblich die Durchführung einer quantitativen Auswirkungsstudie (QIS) vorgesehen. Nach Prüfung der Kommentare und Auswertung der QIS ist mit dem finalen Regelungstext zu rechnen. Dieser Beitrag beleuchtet die vom Baseler Ausschuss im zweiten Konsultationspapier konkretisierten wesentlichen Änderungen in Bezug auf die interne Modellierung.

Abgrenzung von Handels- und Anlagebuch

Die derzeitige Abgrenzung von Handelsund Anlagebuch sieht der Ausschuss als bedeutende Schwäche des aktuellen Rahmenwerks. Die Handelsabsicht als zentrales Zuordnungskriterium hat sich als subjektiver Maßstab erwiesen, welcher - getrieben durch erhebliche Unterschiede in der Kapitalunterlegung zwischen Handels- und Anlagebuch - Möglichkeiten zu regulatorischer Arbitrage eröffnet. Daher soll die Abgrenzung zukünftig auf Basis objektiverer Kriterien erfolgen. Dazu werden zum einen Anforderungen definiert, nach denen ein Instrument zwingend dem Handelsbuch zuzuordnen ist (zum Beispiel kurzfristig beabsichtigter Weiterverkauf). Zum anderen hat der Ausschuss Kriterien festgelegt, nach denen eine Zuordnung zum Handelsbuch angenommen wird (beispielsweise im externen Rechnungswesen zu Fair Value bewertete Instrumente). Abweichende Zuordnungen sind zu begründen und von der Aufsicht im Einzelfall zu genehmigen.

Schließlich gibt der Ausschuss konkrete Instrumente vor, die aufgrund fehlender Liquidität nicht dem Handelsbuch zuzuordnen sind (zum Beispiel Immobilien). Die Umwidmung von Instrumenten soll nur in Ausnahmefällen nach expliziter Genehmigung durch die Aufsicht möglich sein. Sollte sich durch die Umwidmung eine geringere Kapitalanforderung ergeben, so darf das Institut davon nicht profitieren und der Unterschiedsbetrag ist weiterhin mit Kapital zu unterlegen. Gleichzeitig wird aufgrund der Angleichung der Kreditrisikounterlegung für Handels- und Anlagebuch der Anreiz für Regulierungsarbitrage sinken.

Abnahme und Validierung interner Marktrisikomodelle

Nach einer wie bisher praktizierten übergeordneten Modellabnahme auf Ebene des gesamten Handelsbuchs soll in einem zweiten Schritt zusätzlich eine quantitative Modellüberprüfung auf Ebene einzelner Handelstische erfolgen (siehe Abbildung 1). Damit wird es zukünftig möglich werden, sowohl die Verwendung des internen Risikomodells insgesamt wie auch selektiv die interne Modellierung für einzelne Handelstische zu untersagen. Für nicht zugelassene Handelstische beziehungsweise für solche Handelstische, für die das Institut keine interne Modellierung anstrebt, wäre die Anwendung des Standardansatzes erforderlich. Konstituierend für das interne Marktrisikomodell ist damit die organisatorische Abbildung der Handelstische. Der Ausschuss nennt dazu objektive Kriterien, auf deren Basis Handels tische abzugrenzen sind.

Die Funktionsfähigkeit des internen Modells auf Ebene der Handelstische soll durch drei separate Prüfungen nachgewiesen werden. Wie bisher sind zunächst Backtesting-Analysen auf Basis des (1-Tages-)Valueat-Risk vorgesehen. Diese sollen ergänzt werden durch Analysen der Differenz zwischen theoretischer und realisierter P&L. Als weitere Maßnahme ist nach den neuen Vorschlägen des zweiten Konsultationspapiers die Einführung einer modellunabhängigen Risikobegrenzung beabsichtigt. Überschreitet für einen Handelstisch das Verhältnis von regulatorisch berechnetem Kapital und Gesamtengagement4) einen noch festzulegenden Grenzwert, ist der Handelstisch nach dem Standardansatz zu kapitalisieren.5) Die Grenz werte sollen nach Durchführung der QIS handelstischspezifisch nach Komplexität und Liquidität der gehandelten Instrumente kalibriert werden. Für einen zur internen Modellierung zugelassenen Handelstisch i muss somit gelten:

Formel

Mit dieser Maßnahme sollen Handelstische vom internen Modell ausgeschlossen werden, für die das berechnete Kapital offenbar zu gering im Vergleich zum absoluten Risiko des Tisches ist. Als besonders gefährdet sind hier Handelstische einzustufen, die komplexe illiquide Instrumente in großen Volumina handeln. Insofern ist diese Maßnahme auch als eine Sicherheitsvorkehrung gegen Liquiditätsrisiken zu sehen.

Ähnlich der mit Basel III eingeführten Leverage Ratio entsteht damit ein einfaches, nicht risikobasiertes Korrektiv, das eine Untergrenze für die modellierten risikobasierten Eigenkapitalanforderungen definiert und damit vor negativen Folgen zu hoher Komplexität - insbesondere Modellrisiken - schützt. Aufgrund der handelstischabhängigen Festlegung des Grenzwertes wäre diese Maßnahme im Handelsbuch gegenüber der Leverage Ratio risikosensitiver.

Bei erfolgter Zulassung eines Handelstischs zur internen Risikomodellierung sind in einem dritten Schritt die zu modellierenden Risikofaktoren festzulegen. Die Risikokapitalbestimmung mittels internen Risikomodells soll ausschließlich für solche Risikofaktoren erlaubt sein, für die belastbare Transaktionspreise beziehungsweise Quotes regelmäßig verfügbar sind. Für nicht modellierbare Risikofaktoren sind jeweils Kapitalaufschläge auf Basis eines Stress-Szenarios zu berechnen, welche ohne Berücksichtigung von Diversifikationseffekten zur Kapitalanforderung der modellierbaren Risikofaktoren addiert werden. Mit der vorgeschlagenen Modellabnahme und -validierung auf Ebene der Handelstische würden sich die Komplexität und der Aufwand gegenüber der derzeitigen Vorgehensweise erheblich erhöhen. Da sich Fehler auf der Ebene einer Teilmenge des Handelsbuchs nun nicht mehr im gesamten Handelsbuch ausgleichen, müssen zukünftig höhere Anforderungen an die Modellierung auf Handelstischebene gestellt werden beziehungsweise eine konservativere Vorgehensweise zur Erfüllung der Backtesting-Anforderungen gewählt werden. Ceteris paribus ist daher mit einer Erhöhung der Kapitalunterlegung zu rechnen - nicht zuletzt auch aufgrund der diskutierten modellunabhängigen Risikobegrenzung. Zudem wird die Organisationsstruktur der Handelstische künftig das Risikokapital beeinflussen.

Risikomessung mittels Expected Shortfall

Der Ausschuss bleibt bei der im ersten Konsultationspapier in Aussicht gestellten Änderung des Risikomaßes. Die Messung von Marktpreisrisiken soll zukünftig auf Basis des Expected Shortfall vorgenommen werden. Der Ausschuss folgt damit der in der Literatur vornehmlich vertretenen Ansicht, dass der Expected Shortfall dem Value-at-Risk als Risikomaß methodisch überlegen ist.6) Insbesondere berücksichtigt der Expected Shortfall auch die Bereiche der Verlustverteilung jenseits des Quantils und damit das Ausmaß extremer Verluste. Damit ermöglicht dieser gegenüber dem Value-at-Risk eine bessere Abbildung von "Tail-Risiken".

Darüber hinaus erweist sich der Expected Shortfall für stetige Verteilungsfunktionen als subadditiv, das heißt die Summe der Expected-Shortfall-Werte von zwei einzelnen Positionen ist nicht kleiner als der Expected Shortfall des Portfolios beider Positionen. Damit besteht bei Limitierungen beziehungsweise bei der Kapitalunterlegung nach dem Expected Shortfall auf Basis der Einzelpositionen nicht die Gefahr, dass sich diese auf Ebene des Gesamtportfolios als nicht ausreichend erweisen. Mit der Eigenschaft der Subadditivität erfüllt der Expected Shortfall - im Gegensatz zum Value-at-Risk - alle Anforderungen, die allgemein an ein kohärentes Risikomaß, das heißt an ein zur Bestimmung der Risikokapitalunterlegung geeignetes Maß, gestellt werden.

Den methodischen Vorzügen - insbesondere bezüglich der Berücksichtigung des Tail-Risikos - stehen Schwierigkeiten bei der Kalibrierung und Überprüfung des Expected-Shortfall-Modells gegenüber. So erfordert die Berücksichtigung extremer Verluste jenseits des Konfidenzniveaus die Modellierung extrem seltener Ereignisse, womit gegenüber dem Value-at-Risk höhere Anforderungen an die Modellierung sowie an die Verfügbarkeit historischer Daten gestellt werden. Diesen auch in den Kommentaren zum Konsultationspapier geäußerten Bedenken will der Ausschuss durch Absenkung des Konfidenzniveaus auf 97,5 Prozent begegnen. Beim Backtesting des Expected-Shortfall-Modells geht der Ausschuss einen pragmatischen Weg, indem dieses auch weiterhin auf Basis des Value-at-Risk erfolgen soll (zu mehreren Konfidenzniveaus).

Wie sich die neue Risikomessung und das veränderte Konfidenzniveau auf die Kapitalunterlegung auswirken, hängt von der Form der Verlustverteilung ab und lässt sich nur für den Einzelfall angeben. Unterstellt man normalverteilte Risikofaktoren, so entspricht der Value-at-Risk zu einem Konfidenzniveau von 99 Prozent ungefähr dem Expected Shortfall für ein Konfidenzniveau von 97,5 Prozent. Bei Verteilungen mit schwerem Tail fällt der Expected Shortfall entsprechend größer aus. Schließlich ist abzuwarten, inwieweit eine Anpassung des Skalierungsfaktors vorgenommen wird. Durch die Inkonsistenz zwischen Risikomessung und Backtesting würde zukünftig allerdings nicht immer ersichtlich werden, ob eine adäquate Modellierung erfolgt ist. Zudem ist fraglich, ob das Backtesting mittels an Stressperioden kalibrierter Value-at-Risk-Größen zur zielgerichteten Analyse des internen Modells geeignet ist - Ausreißer sollten hier in gewöhnlichen Marktphasen sehr selten auftreten.

Kalibrierung auf Basis einer Stressperiode

Die Modellkalibrierung soll zukünftig generell anhand von Daten einer Periode mit signifikantem Stress erfolgen. Damit würde die mit Basel 2.5 gewählte Vorgehensweise ersetzt, den auf Basis der vergangenen "gewöhnlichen" Marktphase berechneten Value-at-Risk additiv mit einem zusätzlich zu berechnenden Stress-Value-at-Risk zu ergänzen. Dies ist aus konzeptioneller Sicht insofern zu befürworten, als die derzeitige Vorgehensweise zu einer Doppelerfassung von Risiken führen kann. Der Ausschuss erkennt dabei das Problem, dass die Stresskalibrierung erhebliche Herausforderungen an die Identifikation der Stressperiode stellt. Die praktische Anforderung, unter Berücksichtigung aller Risikofaktoren innerhalb eines längeren Zeitraums eine entsprechende Stressperiode zu finden, die den Expected Shortfall maximiert, ist mit erheblichem Rechenaufwand verbunden und erfordert mitunter signifikante Approximationen (etwa wenn Risikofaktoren des aktuellen Portfolios historisch nicht zu beobachten sind). Der Ausschuss schlägt daher eine vereinfachte Stresskalibrierung auf Basis einer reduzierten Anzahl von Risikofaktoren vor.7) Nach Kalibrierung der Risikofaktoren an die Stressperiode werden diese auf das aktuelle Portfolio angewandt und ein Stress-Expected Shortfall ESR,S für die reduzierte Anzahl an Risikofaktoren bestimmt. In einem zweiten Schritt wird dieser skaliert - mittels Verhältnis von Expected Shortfall ES V,A für das volle Set an Risikofaktoren sowie Expected Shortfall ESR,A für das reduzierte Set an Risikofaktoren, bezogen auf die aktuellen Beobachtungen der Risikofaktoren:

Formel

R,A Die Verwendung eines gestressten Expected Shortfall wird die Volatilität der Kapitalanforderungen reduzieren, da die Kalibrierung nicht an sich kontinuierlich ändernde Daten anzupassen wäre. Die Vorgehensweise hätte allerdings Auswirkungen auf die Bank steuerung, denn die Risikokapitalunterlegung würde vom aktuellen (wahrgenommenen) Risiko entkoppelt und stets auf ein Worst-Case-Szenario abstellen.

Behandlung von Migrations- und Ausfallrisiken

Der Ausschuss beabsichtigt, die Behandlung von Kreditrisiken - welche bisher mittels separatem Modell durch den Incremental Risk Charge (IRC) kapitalisiert werden - näher an die Regelungen im Anlagebuch zu rücken. Für Kreditrisiken, die nicht aus Verbriefungen stammen, sollen Migrationsrisiken zukünftig in das Marktrisikomodell integriert werden. Ausfallrisiken dagegen sollen separat als sogenanntes Incremental Default Risk (IDR) modelliert werden. Für dessen Modellierung ist die dezidierte Vorgabe eines Zweifaktormodells vorgesehen. Die Risikomessung soll dabei - um Konsistenz mit dem Anlagebuch zu gewährleisten - abweichend vom Expected Shortfall auf Basis des Value-at-Risk für ein Konfidenzniveau von 99,9 Prozent und einer Haltedauer von einem Jahr erfolgen.

Signifikante Veränderungen ergeben sich für Kreditrisiken aus Verbriefungen. Der Ausschuss äußert hier erhebliche Bedenken an der Qualität der internen Modellierung zur Erfassung dieser Risiken. Entsprechend sollen Risiken aus Verbriefungen zukünftig vollständig mit dem Standardansatz berechnet werden; die Anwendung eines internen Modells ist nicht mehr vorgesehen. Bezüglich der mit Basel III eingeführten Credit Valuation Adjustments (CVA) für Kontrahentenrisiken aus OTC-Derivaten sind keine Anpassungen vorgesehen. Marktpreisrisiken aus CVA-Schwankungen sollen auch weiterhin über die CVA-Charge als separate Zuschläge berücksichtigt werden.

Mit den modifizierten Vorschlägen rückt der Ausschuss wie erwartet von der im ersten Konsultationspapier geäußerten Idee ab, Kreditrisiken vollständig in das Marktrisikomodell zu integrieren. Angesichts der methodischen Schwierigkeiten bei der Integration diskreter Risiken erscheint dies als pragmatischer Ansatz.

Risikoaggregation

Da sich Korrelationen in Stressphasen als instabil erwiesen haben, soll die Risikoaggregation zukünftig unter konservativeren Diversifikationseffekten erfolgen. Dies will der Ausschuss durch zwei Maßnahmen erreichen: Zum einen soll die Schätzung der Korrelationskoeffizienten - analog zur Kalibrierung des Expected-Shortfall-Modells - auf Basis einer Periode mit signifikantem Stress erfolgen. Zum anderen ist vorgesehen, Diversifikationseffekte bei der Kapitalaggregation über Risikoklassen aufsichtsrechtlich zu beschränken. Dazu soll die Kapitalanforderung IMCC(C) unter Berücksichtigung von Diversifikation mit den Werten für die Einzel-Anforderungen IMCC(Ci) der Risikoklassen i gemittelt werden. Damit ergibt sich als Kapitalanforderung IMCC für die modellierbaren Risikofaktoren der zugelassenen Handelstische:

Formel

Der Gewichtungsfaktor p für das Risikokapital IMCC(C) unter Berücksichtigung von Diversifikation soll nach Analyse der QIS kalibriert werden. Die Gesamtkapitalanforderung für die zugelassenen Handelstische vor Berücksichtigung von Ausfallrisiken ergibt sich damit als Summe von IMCC sowie der Kapitalanforderung aus nicht modellierbaren Risikofaktoren, skaliert mit einem Multiplikator, der wie bisher einen festgelegten Mindestwert haben soll und durch die Aufsicht in Abhängigkeit von der Modellperformance (VaR-Backtesting) erhöht werden kann. Zur Berechnung der Gesamtkapitalanforderung auf Handelsbuchebene sind schließlich der Ausfallrisikozuschlag sowie die Kapitalanforderungen der unter dem Standardansatz kapitalisierten Handelstische durch einfache Addition zu berücksichtigen. Aufgrund der Beschränkung der Diversifikation über die Risikoklassen sowie der konservativeren Schätzung von Korrelationskoeffizienten auf Basis von Stressperioden ist ceteris paribus von höheren aggregierten Kapitalanforderungen auszugehen.

Differenzierung nach Liquidationshorizonten

Weitreichende Neuerungen bei der Risikokapitalbestimmung sehen die Vorschläge des Ausschusses im Zusammenhang mit Liquiditätsrisiken vor. Hintergrund ist die Feststellung, dass besonders in Stressperioden Positionen oftmals nur mit erheblichen Marktwertabschlägen innerhalb der derzeit implizit vorgesehenen Haltedauer von zehn Handelstagen geschlossen beziehungsweise gehedgt werden können.

Zukünftig sollen fünf Liquidationshorizonte in der Länge von zehn, 20, 60, 120 und 250 Tagen eingeführt werden. Unter einem Liquidationshorizont versteht der Ausschuss die notwendige Zeitdauer, um eine offene Position für einen Risikofaktor in einem gestressten Markt durch eine Transaktion zu schließen - ohne den Preis für das verwendete Instrument zu bewegen. Die Zuordnung soll, anders als zunächst im ersten Konsultationspapier vorgesehen, nicht für einzelne Instrumente, sondern auf Ebene von Risikofaktoren erfolgen.

Um eine objektive Zuordnung zu gewährleisten, hat der Ausschuss 24 Risikofaktor-Kategorien mit zugeordneten Liquidationshorizonten definiert. Damit ist ein Mapping der institutsspezifischen Risikofaktoren auf die regulatorischen Kategorien erforderlich. Die Kategorien sollen laufend beobachtet und an veränderte Marktbedingungen angepasst werden. Zur Berechnung des liquidationsspezifischen Expected Shortfall sind die Risikofaktoren entsprechend der tatsächlichen Horizonte zu modellieren - im ersten Konsultationspapier wurde als Alternative noch eine Skalierung des 1-Tages-Expected-Shortfall erwogen. Um eine Berechnung aus historischen Daten für längere Horizonte zu ermöglichen, will der Ausschuss für die Schätzung überlappende Beobachtungen zulassen.

Gegenüber den Ideen des ersten Konsultationspapiers erscheinen die modifizierten Vorschläge erheblich praktikabler. Durch Abstellung auf Risikofaktoren wird der Aufwand gegenüber einer Berücksichtigung einzelner Instrumente erheblich reduziert; die Vorgabe regulatorischer Faktoren mit zugeordneten Liquidationshorizonten objektiviert die Abgrenzung der Horizonte. Auch die im ersten Konsultationspapier erwogenen Ideen zu weiteren Zuschlägen für Sprünge in den Liquiditätsprämien bei illiquiden Instrumenten sowie für "endogene Liquiditätsrisiken" werden nicht weiter verfolgt. Aufgrund der im Mittel längeren Liquiditätshorizonte implizieren auch diese Regelungen ceteris paribus steigende Risikokapitalanforderungen. So würde bereits eine Zuordnung zum nächstgrößeren Horizont von 20 Tagen die Kapitalanforderung gegenüber der aktuellen Berechnung für zehn Tage um rund 40 Prozent ansteigen lassen.

Parallele Anwendung des Standardansatzes

Der Ausschuss hält an seiner im ersten Konsultationspapier geäußerten Idee fest, von Modellbanken eine parallele Durchführung des Standardansatzes zu verlangen. Diese Maßnahme soll auf Ebene einzelner Handelstische erfolgen, um über eine sofortige Rückfalloption für den Fall zu verfügen, dass die interne Risikomodellierung als nicht adäquat eingestuft wird. Die Aufsicht besitzt damit eine glaubhafte Drohung, die Zulassung des internen Modells (partiell) zu widerrufen. In einem neuen Vorschlag des zweiten Konsultationspapiers fordert der Ausschuss darüber hinaus, die Ergebnisse der Standardansatz-Berechnung auf Ebene der Handelstische zu veröffentlichen. Damit wäre den Interessengruppen ein besserer Vergleich zwischen Instituten möglich; gleichzeitig liefert die Standardansatz-Berechnung eine einheitliche Benchmark zur Beurteilung der Ergebnisse des internen Modells.

Dieser Vorschlag ist im Kontext der allgemeinen Überlegungen des Ausschusses zum Spannungsfeld von Einfachheit, Vergleichbarkeit und Risikosensitivität zu sehen. Im Rahmen des hierzu im Juli 2013 veröffentlichten Konsultationspapiers wird - neben einer Reihe noch deutlich weitreichenderer Maßnahmen - eine generelle Einführung von Standardansatzberechnungen für Modellbanken in Erwägung gezogen.8) Weiterhin offen lässt der Ausschuss die Einführung von Kapitaluntergrenzen, die auf einem bestimmten Prozentsatz (< 100 Prozent) des gemäß Standardansatz ermittelten Risikokapitals basieren oder durch einen Aufschlag auf das nach dem internen Modell ermittelten Kapital festgesetzt werden könnten. Diese Maßnahme würde Modellrisiken sowie einer zu aggressiven Modellierung entgegenwirken. Gleichzeitig besteht allerdings die Gefahr, dass der Anreiz zur Weiterentwicklung des internen Modells verringert wird, wenn Banken sich der Untergrenze nähern. Eine Entscheidung über die Einführung einer solchen Untergrenze soll daher erst nach Auswertung der QIS getroffen werden.

In jedem Fall bedingen die Änderungen zusätzlichen Aufwand für solche Institute, die sich für eine interne Modellierung entscheiden. Diese hätten nicht nur höhere Belastungen aus deren Umsetzung (Modellvalidierung auf Ebene der Handelstische, Beachtung von Liquiditätshorizonten), sondern darüber hinaus wäre eine vollständige zweite Modellrechnung auf Basis des Standardansatzes durchzuführen.

Die wesentlichen Elemente der neuen Struktur zur Abbildung von Marktrisiken im Handelsbuch auf Basis interner Modelle sind in Abbildung 2 im Überblick dargestellt. Unter dem Handelsbuch sind zukünftig drei Ebenen wesentlich: Zunächst ist für die Prüfung und Abnahme des internen Marktrisikomodells die Struktur der Handelstische zu beachten, die in Abbildung 2 in Form exemplarischer Tische abgebildet ist. Darunter folgt die Ebene der Risikoklassen und diesen zugeordneten Risikofaktoren (RF).

Als nicht modellierbar eingestufte Risikofaktoren sind durch separate Aufschläge auf Basis von Stressszenarien zu berücksichtigen. Während Migrationsrisiken in das Handelsbuchmodell integriert werden sollen, sind Ausfallrisiken weiterhin separat als Incremental Default Risk (IDR) abzubilden. Risikofaktorspezifische Liquidationshorizonte bilden die dritte Ebene, wobei hier institutsindividuelle Risikofaktoren auf regulatorische Faktoren zu mappen sind.

Die Komplexität der Handelsmodellierung wird durch die neuen Vorschläge erheblich zunehmen. Flankierend führt der Baseler Ausschuss allerdings auch weitreichende Maßnahmen ein, um die Risiken der zusätzlichen Komplexität zu begrenzen. Hervorzuheben sind in diesem Kontext die Vorschläge zur Stresskalibrierung, die nicht risikosensitive Kapitaluntergrenze auf Ebene von Handelstischen, die Beschränkung von Diversifikationseffekten sowie die vollständige Rücknahme interner Modelle für Kreditrisiken aus Verbriefungen. Diese Maß nahmen implizieren jedoch auch eine Abkehr vom bisher praktizierten Use-Test, den der Ausschuss in der aktuellen Form bereits mehrfach zur Disposition gestellt hat.9)

Business Case überprüfen

Die Implementierung der neuen Anforderungen wird für die betroffenen Institute mit erheblichem Aufwand verbunden sein. Dies gilt sowohl für die erstmalige Einführung als auch für den laufenden Betrieb des Modells. Gleichzeitig sinkt aufgrund (ceteris paribus) steigender Kapitalanforderungen der vermeintliche Vorteil interner Modelle gegenüber dem zukünftig deutlich risikosensitiver ausgestalteten Standardansatz. Damit wird der Business Case des internen Marktrisikomodells im Vergleich zum Standardansatz zu überprüfen sein.

Fußnoten

1) Vgl. Basel Committee on Banking Supervision, "Fundamental review of the trading book - Consultative document", Basel, Oktober 2013.

2) Vgl. Basel Committee on Banking Supervision, "Fundamental review of the trading book - Consultative document", Basel, Mai 2012. Zur Kommentierung siehe auch Tallau, "Regulatorische Änderungen zum Handelsbuch: Anforderungen an interne Marktrisikomodellierung steigen", Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, 17-2012, S. 878-883.

3) Vgl. Basel Committee on Banking Supervision, "Revisions to the Basel II market risk framework, updated as of 31 December 2010", Basel, Februar 2011.

4) Das Gesamtengagement soll analog zur Vorgehensweise im Rahmen der Leverage Ratio bestimmt werden. Vgl. Basel Committee on Banking Supervision, "Revised Basel III leverage ratio framework and disclosure requirements", Basel, Januar 2014.

5) Da dazu die modellierbaren Risikofaktoren festgelegt sein müssen, ist dieser Prüfungsschritt erst nach Schritt 3 vorzunehmen (vgl. Abb. 1).

6) Vgl. Artzner/Delbaen/Eber/Heath, Thinking Coherently. Risk 10, No. 11, 1997, S. 68-71 sowie Baule/ Tallau, "Neue Wege in der regulatorischen Messung des Marktrisikos: Expected Shortfall statt Value-at-Risk", Risiko Manager 24/2012, S. 1-11.

7) Die Risikofaktoren sollen nach derzeitigen Überlegungen mindestens 75 Prozent der gesamten Expected-Shortfall-Streuung erklären können.

8) 9) Vgl. Basel Committee on Banking Supervision, "The regulatory framework: balancing risk sensitivity, simplicity and comparability", Basel, Juli 2013.

Prof. Dr. Christian Tallau , Direktor , Institut für ­Kreditanalyse, Münster
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