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Weltweite Finanzierung von Großunternehmen: Können Banken das (künftig) überhaupt noch?

International tätige Großbanken spielen heutzutage eine kritische Rolle in der Finanzierung von weltweit agierenden Unternehmen. Aufgrund der zunehmenden Exportorientierung und Nutzung von Kapitalmarktprodukten wird der Bedarf an komplexeren internationalen Finanzdienstleistungen auch in Zukunft weiter steigen. Aufgrund der Auswirkungen der momentanen Finanzkrise und Regulierungsänderungen stellt sich die Frage, inwieweit Banken auch in der Zukunft in der Lage sind, diese Bedürfnisse zu erfüllen.

Vielzahl an Finanzdienstleistungen

Großunternehmen benötigen heutzutage eine Vielzahl an Finanzdienstleistungen, die sie in der Regel von international tätigen Großbanken beziehen, um weltweit erfolgreich ihre Geschäfte abzuwickeln. Diese beinhalten:

- Finanzierung über Kredite oder Kapitalmarktprodukte, wie zum Beispiel Anleihen- oder Aktienemissionen am Kapitalmarkt.

-Liquiditätsmanagement, Dienstleistungen zum internationalen Zahlungsverkehr sowie Handelsfinanzierungen.

- Risikomanagement, zum Beispiel von Wechselkurs-, Kredit- und Zinsrisiko durch Hedges, Swaps und Futures.

- Beratung bei der Umsetzung externer Wachstumsstrategien (M&A) und der Entwicklung gesamtheitlicher Finanzierungskonzepte.

Um Dienstleistungen zum internationalen Zahlungsverkehr oder Handelsfinanzierungen zu minimalen Transaktionskosten und höchster Qualität anbieten sowie großvolumige internationale Finanzierungen durchführen zu können, um komplexe Finanzierungsstrukturen zu entwerfen oder den Zugang zu internationalen Kapitalmärkten zu ermöglichen als auch Finanzierung in verschiedenen Währungen mit unterschiedlichen Laufzeiten und Risikoprofilen zu optimieren, bedarf es einer ausgebauten aufwendigen hausinternen Infrastruktur und eines globalen Netzwerkes von Niederlassungen. Notwendig ist eine tiefe Einbindung in die internationalen Finanzmärkte, lokale Präsenz und Kenntnisse in den jeweiligen Absatzmärkten, Zugang zu Zahlungs-, Abwicklungs- und Handelssystemen sowie Spezialisten mit tiefer Expertise in den jeweiligen Märkten, Währungen und Finanzierungsstrukturen. All dies führt zu einer hohen Fixkostenbasis für Banken. Ein umfangreiches Geschäftsvolumen ist erforderlich, um die damit verbundenen erheblichen Investitionen zu rechtfertigen. Daher werden diese Dienstleistungen nur von relativ wenigen international tätigen Großbanken angeboten.

Weiter zunehmender Bedarf

In Zukunft wird der Bedarf an komplexen und internationalen Finanzdienstleistungen voraussichtlich weiter zunehmen. Schon heute fließen 50 Prozent deutscher Investitionen im Ausland in Länder außerhalb der Eurozone, welche erheblichen Wechselkursrisiken ausgesetzt sind. In Zukunft wird die internationale Vernetzung der deutschen Wirtschaft voraussichtlich weiter zunehmen, da laut Erwartung des Internationalen Währungsfonds (IWF) Exporte weiterhin mit vier bis acht Prozent pro Jahr und damit stärker als die Gesamtwirtschaft1) wachsen werden. Dieses Wachstum wird den Bedarf von Unternehmen für die relevanten Finanzdienstleistungen weiter erhöhen.

Ähnlich ist die Lage bei Kapitalmarktfinanzierungen. Diese schon heute wichtige Finanzierungsquelle für Großunternehmen kann in den kommenden Jahren noch attraktiver werden, falls Kreditfinanzierungen verteuert werden. Bei Kapitalmarktemissionen greifen Unternehmen heute stark auf Banken mit internationaler Platzierungskompetenz zurück. Dies zeigen zum Beispiel Statistiken zu Emissionen von Eigenkapital und Unternehmensanleihen von Großunternehmen in Deutschland sehr deutlich - hier waren über die letzten fünf Jahre allein die Deutsche Bank und die Commerzbank als deutschstämmige Banken unter den Top-10-Banken vertreten.2)

Die Fähigkeit von deutschen Kreditinstituten, auch weiterhin Großunternehmen im heutigen Maße zu finanzieren, wird stark von der weiteren Regulierung des Bankensektors abhängen. Bisher war die Verfügbarkeit von Kreditfinanzierung für deutsche Unternehmen selbst während der ersten Finanzkrise in den Jahren 2008/09 nicht beeinträchtigt. Im Gegenteil, in 2009 nahmen deutsche Unternehmen zirka zehn Prozent mehr Kredite bei Banken auf als im Jahr vor der Finanzkrise in 20073). Auch 2011 ist die Kreditverfügbarkeit auf einem hohen Niveau geblieben und ist außerdem zu durchschnittlich 100 Basispunkten günstigeren Konditionen als in 2007 erhältlich.4) Dies könnte sich jedoch ändern.

Selbstverständlich müssen aus der Finanzkrise von 2008/09 die richtigen Lehren gezogen und das globale Finanzsystem gegen zukünftige Krisen abgesichert werden. Aus diesem Grund wurden unter anderem vom Baseler Komitee eine Reihe von Veränderungen vereinbart (Basel 2.5 und Basel III). Beispielsweise werden Eigenkapitalanforderungen insbesondere für risikoreichere Geschäftsfelder im Investmentbanking angehoben. Banken werden zudem dazu verpflichtet, ihre Aktiva und Passiva im Bezug auf deren Laufzeit besser aufeinander abzustimmen mit dem Ziel, die Liquidität von Banken im Falle von Krisensituationen zu gewährleisten.

Höhere Kosten für Unternehmenskredite

Diese Maßnahmen haben zur Folge, dass sich für eine Reihe von Bankprodukten die Kosten erhöhen werden. Laut einer Studie der Unternehmensberatung McKinsey & Company5) kann dies die Kosten für Unternehmenskredite um 45 bis 50 Basispunkte und für komplexere Produkte wie zum Beispiel Handels- und Projektfinanzierungen um bis zu 60 Basispunkte erhöhen. Die Auswirkung hängt aber stark vom Einzelprodukt ab: Für gezogene Unternehmenskredite werden sich die Kapitalanforderungen weniger erhöhen als für ungezogene Kreditlinien oder Kredite an Finanzunternehmen, für die die Kapitalanforderungen erheblich steigen werden.

Die an manchen Stellen diskutierte Aufspaltung von Großbanken würde zusätzliche negative Auswirkungen auf die Verfügbarkeit von Finanzprodukten vor allem für Großunternehmen haben. Eine Trennung (ringfencing) von Corporate und Investmentbanking vom Retail Banking, wie sie momentan in Großbritannien und seit Kurzem auch auf europäischer Ebene diskutiert wird, würde zur Folge haben, dass Banken nicht mehr die Vorteile einer gemischten Finanzierungsstruktur aus Einlagen, Kapitalmarktfinanzierung und Eigenkapital für Kredite an Unternehmen nutzen können, sondern sich stattdessen noch stärker am Kapitalmarkt finanzieren müssen. Dies wäre mit zusätzlichen Kosten verbunden, die sich notgedrungen in den Kosten und der Verfügbarkeit von Firmenkrediten widerspiegeln würden.

Risiko einseitig eingeführter Regulierungen

Insbesondere Regulierungen, die nicht in allen G20-Staaten, sondern nur in Deutschland oder der EU eingeführt werden, verzerren den Wettbewerb und erschweren es einheimischen Marktteilnehmern, der deutschen Industrie weiterhin attraktive Konditionen zu bieten. Belastend wirkt bereits die eingeführte Bankenabgabe, die an der Bilanzgröße ansetzt, wie auch die in Europa im Vergleich zu den USA beschleunigte Einführung von Basel III. Die momentan in Deutschland diskutierte Einführung einer Transaktionssteuer würde je nach Ausgestaltung Finanzdienstleistungen wie Währungssicherungsgeschäfte, aber auch das Anlagemanagement erschweren.

Werden deutsche Finanzinstitute geschwächt, wird das bedeuten, dass es für deutsche Unternehmen schwieriger wird, ihre weltweiten Finanzbedürfnisse bei deutschen Banken abzudecken, die sowohl den Heimatmarkt als auch die Absatzmärkte verstehen, und das Unternehmen ganzheitlich bei deren Finanzierung beraten können. Dies hätte besonders starke Auswirkungen auf bestimmte Produkte wie zum Beispiel die Kapitalmarktfinanzierung. Wie zuvor erwähnt sind hier nur noch zwei deutsche Banken unter den Top 10 in Deutschland vertreten. Eine Schwächung von Großbanken wird daher nicht kleineren deutschen Kreditinstituten zugute kommen, sondern Unternehmen zwingen, sich noch stärker an ausländische Finanzinstitute zu wenden.

Kapitalmarktfinanzierungen attraktiver

Banken werden in den kommenden Jahren ihre Geschäftsmodelle den geänderten Rahmenbedingungen anpassen. Das wird zur Folge haben, dass einzelne Banken ihren Fokus auf verschiedene Geschäftsbereiche ändern werden, und es damit zu Verschiebungen im Wettbewerb und Veränderungen im Bezug auf die angebotenen Finanzierungsdienstleistungen kommen wird. Möglicherweise wird sich dadurch auch die Kundennachfrage nach bestimmten Bankprodukten anpassen. So dürften die derzeitigen Veränderungen zum Beispiel dazu führen, dass Großunternehmen sich in Zukunft weniger über Bankkredite und vermehrt am Kapitalmarkt finanzieren, da die Kosten der Kapitalmarktfinanzierung im Vergleich zu Bankkrediten attraktiver werden.

Unter den geänderten Rahmenbedingungen werden Banken auch in Zukunft weiter innovativ nach Lösungen suchen, um die Finanzbedürfnisse ihrer Kunden zu erfüllen. Es ist aber wichtig, dass die Rahmenbedingungen so gesetzt werden, dass deutsche Banken auch weiterhin in der Lage sind, im internationalen Wettbewerb zu bestehen und Unternehmen zu unterstützen.

Fußnoten

1) Internationaler Währungsfonds (IWF), World Economic Outlook database, September 2011.

2) Dealogic November 2011 basierend auf Aktien- und Anleiheemissionen der Dax 30 Unternehmen zwischen 2007 und 2011.

3) Deutsche Bundesbank, Monatsbericht, November 2011.

4) Deutsche Bundesbank, Effektivzinssätze deutscher Banken für Kredite (Bestände) an nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften mit Ursprungslaufzeit über fünf Jahre. 5) McKinsey & Company, "Basel III and European Banking: Its impact, how banks might respond, and the challenges of implementation", November 2010.

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