Gespräch des Tages

Südosteuropa - Ungebrochener ökonomischer Konvergenztrend

Dietmar K.R.Klein, Bundesbankdirektor a.D., Frankfurt am Main, schreibt der Redaktion: "Zum sechsten Male hatte ein Veranstalter zu einer regionalen Finanz- und Investitionskonferenz für Südosteuropa nach Dubrovnik eingeladen. Mit den Jahren ist die Teilnahme europäischer und amerikanischer Banken, Investoren und Analysten sowie von Politikern aus Südosteuropa an diesem Treffen ständig gewachsen. Verständlich ist daher das besondere Bemühen des Gastgeberlandes Kroatien, sich für eine baldige Aufnahme des Landes in die EU herauszuputzen, nachdem das Nachbarland Slowenien bereits seit Mai 2004 Mitgliedsland der EU ist und am 1. Januar 2007 den Euro als offizielle Landeswährung einführt.

Überholt worden ist Kroatien auch von Bulgarien und Rumänien, die 2007 EU-Vollmitglieder werden, obgleich die Europäischen Gremien in Brüssel ihre Zustimmung nur unter bestimmten Auflagen erteilt haben. Das kroatische Realeinkommen pro Kopf auf Kaufkraftbasis beträgt 11 450 Euro (2005), das sind rund 52 Prozent mehr als in Bulgarien und 40 Prozent mehr als in Rumänien, jedoch knapp die Hälfte des Durchschnitts der EU-25. Auch bei den fortgeschrittenen Beitrittsverhandlungen in Brüssel, bei denen rund 31 Politikfelder im Rahmen der Kopenhagener Kriterien zur Diskussion stehen, glaubt man in Zagreb, sich gegenüber Sofia und Bukarest keinesfalls verstecken zu müssen. Daher hofft man inständig, dass es Kroatien erlaubt werden wird, sozusagen ,unter dem Zaun' hindurchzuschlüpfen, nachdem sich in der EU unter dem Eindruck der ungelösten Verfassungskrise und einiger populistisch gefärbter Politikquerelen in Budapest, Warschau und Prag eine gewisse Erweiterungsmüdigkeit breit macht.

Auch die Vertreter der übrigen Staaten Südosteuropas, das heißt der westlichen Balkanländer, und die dort tätigen Universal- und Investmentbanken konnten durchweg von guten volkswirtschaftlichen Daten und Geschäftsperspektiven berichten, natürlich ausgehend von einem niedrigen Ausgangsniveau. Dies gilt nicht zuletzt für Serbien, das wirtschaftspolitisch seit etwa drei Jahren auf einen liberalen Reformkurs eingeschwenkt ist. Grundsätzlich hat jedoch Serbien, das vor allgemeinen Wahlen steht, eine neue politische Rolle im westlichen Balkan noch nicht gefunden, nachdem es seine Vormachtstellung im früheren Jugoslawien ebenso verloren hat wie Montenegro und faktisch die Provinz Kosovo. Die bevorstehende Unterzeichnung eines multilateralen Freihandelsabkommens zwischen den Nicht-EU-Mitgliedern und fortschreitende ,Euroisierungstendenzen' sollten nicht über die fehlende politische Stabilität in dieser Region infolge ethnisch bedingter politischer Zersplitterung hinwegtäuschen. Von 2002 bis 2006 hat das durchschnittliche Wachstumstempo Südosteuropas zwischen fünf Prozent und sechs Prozent per annum gelegen. Die Aussichten bis 2010 sind ähnlich gut, eine schockfreie Wirtschaftsentwicklung vorausgesetzt. Damit liegt das Wachstum in Südosteuropa noch um einiges höher als in Zentraleuropa, so dass der ökonomische Konvergenztrend im Verhältnis zur EU-25 ungebrochen ist.

Finanzminister wie Notenbankgouverneure bestreiten, dass die mehr oder minder hohen Leistungsbilanzdefizite (Ausnahme Slowenien) eine Gefahr darstellen könnten. Zukünftig würden ausländische Direktinvestitionen im Zuge der Privatisierung von Finanzinstituten und anderen Unternehmen vermehrt durch Greenfield-Investitionen ersetzt. Positiv zu werten sei auch, dass der Reformdruck unabhängig von der Aussicht auf einen EU-Beitritt anhalten werde. Dieser Optimismus wurde jedoch unter Hinweis auf anhaltend hohe Fiskaldefizite (siehe die politischen Unruhen in Budapest), hartnäckige Inflationstendenzen und ungenügende Investitionen in die regionale Infrastruktur nicht allgemein geteilt.

Während die Investmentbanken und die Private-Equity-Firmen ihre Geschäftsaussichten als Folge der Zersplitterung der Märkte als begrenzt ansehen, ist der Regionalisierungsprozess bei den Retailbanken durch die Mehrheitsbeteiligungen ausländischer Banken weit vorangeschritten (etwa Kroatien 91 Prozent, Serbien 75 Prozent). Diese werden durch die EU-Beitrittsperspektive, die hohen Wachstumsraten des nominalen BIP, die schnell zunehmende Monetarisierung der Volkswirtschaften und die hohe Kreditnachfrage sowie durch immer noch ansehnliche Kreditmargen angelockt. Exemplarisch dafür ist die Entwicklung der italienischen Unicredit-Gruppe. Ursprünglich 1998 und 1999 aus dem Zusammenschluss privater Banken wie Credito Italiano sowie führender oberitalienischer Sparkassen entstanden, ist die Gruppe nach der Übernahme der HVB zur weitaus größten Auslandsbank in Mittel-, Ost- und Südosteuropa aufgestiegen. Sie bündelt und leitet ihr Retailgeschäft in diesen Regionen weitgehend über die miterworbene Bank Austria-Creditanstalt in Wien. Mit 7 000 Filialen und 149 000 Beschäftigten ist sie nun in 21 Ländern flächendeckend vertreten.

Aus der Sicht eines deutschen Beobachters ist ferner bemerkenswert, dass die Wiener RZB-Gruppe über die börsennotierte Raiffeisen International Bank-Holding AG mit dem markanten Giebel-Kreuz und den zwei stilisierten Pferdeköpfen mittlerweile in 15 europäischen Ländern mit 2 740 Zweigstellen tätig ist. Der Raiffeisen-Zentralbank in Wien gehören 70 Prozent des Aktienkapitals, der IFC 3,2 Prozent und der EBRD 2,8 Prozent. Die führende Retailbank Mitteleuropas mit dem bekannten Sparkassen-Logo, die börsennotierte Erste Bank der österreichischen Sparkassen AG (siehe Kreditwesen 17-2005) mit einer konsolidierten Bilanzsumme von 160 Milliarden Euro, 2 700 Filialen und 48 000 Mitarbeitern in 2005, ist in Südosteuropa vor allem in Slowenien, Kroatien, Serbien-Montenegro und seit 2006 über die neu erworbene Banca Comerciala Romana in Rumänien tätig."

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