Gespräch des Tages

Sparkassenorganisation - Drei Handlungsstränge

Als die Bundesregierung am 15. Februar dieses Jahres bis fast auf die letzte Minute zäh mit den Eigentümern der WestLB verhandelt und dann gleich drei Vorschläge zur Neuordnung der WestLB nach Brüssel abgeliefert hatte, ist den Beteiligten in der Öffentlichkeit zu Recht pures Unverständnis entgegengeschlagen. Wieso haben sich Bundespolitik, Eigentümer und der Rest der Sparkassenorganisation nicht auf eine einzige Lösung einigen können und haben die Verantwortung zur Zukunft der Düsseldorfer Landesbank einfach nach Brüssel abgeschoben? Seither durfte und darf man sich wundern, wieso es auf diese berechtigte Frage hin in Brüssel so ruhig blieb und allenfalls andeutungsweise gewisse Präferenzen für die sogenannte Verbundbank-Lösung geäußert wurden. Ende März/Anfang April haben dann mit der WestLB sowie den beiden Sparkassenverbänden in Westfa-len-Lippe und im Rheinland gleich drei Parteien Aufklärung gebracht, weshalb es diese lange Sendepause aus Brüssel gegeben hat. Der Grund sind schlicht und einfach die verwickelten Handlungsstränge, in die sich alle Beteiligten seit Beginn des Beihilfeverfahrens hineinmanövriert haben.

Da ist zunächst die Brüsseler Beihilfeentscheidung vom 12. Mai 2009, die der WestLB zur Auflage machte, ihre Aktiva um 50 Prozent zu reduzieren, sich auf die Geschäftsfelder Transaction Banking, Verbund/Mittelstand sowie Firmenkunden, Kapitalmarkttätigkeiten und strukturierte Finanzierungen zu beschränken und in einem öffentlichen Bieterverfahren bis Ende 2011 eine Änderung der Eigentümerstruktur herbeizuführen. Gegen diesen Beihilfebescheid hat übrigens der Sparkassenverband Westfalen-Lippe im November 2009 vor dem EuGH geklagt, unter anderem, weil er mit Blick auf andere Unterstützungsfälle von Kreditinstituten die Gleichbehandlung verletzt sieht und viele Anklagepunkte für juristisch angreifbar hält. Dem üblichen Turnus entsprechend wird in diesem Verfahren noch in diesem Jahr auf die mündliche Verhandlung gewartet. Am 5. November vergangenen Jahres hat die EU-Kommission dann das Beihilfeverfahren gegen die WestLB erweitert. Wegen unterschiedlicher Auffassung mit allen WestLB-Eignern einschließlich dem Bund über die richtigen Wertansätze bei der Auslagerung von Portfolios in die Erste Abwicklungsanstalt (EAA) wurden weitere 3,4 Milliarden Euro als Beihilfe deklariert. Brüssel verlangt seither die Rückzahlung dieses zur Disposition stehenden Betrages oder weitere Umstrukturierungen.

Neben diesen beiden noch nicht abgeschlossenen Beihilfeverfahren gibt es drittens seit 15. Februar dieses Jahres eine politische Abrede zwischen dem zuständigen EU-Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia und Finanzminister Wolfgang Schäuble, die darauf hinausläuft, die unerfreulichen Beihilfeverfahren durch einen dritten Weg gütlich zu beenden. Auf dieser Handlungsebene ist die in den vergangenen Wochen viel diskutierte Idee einer Verbundbank entstanden, in die das Sparkassengeschäft und andere geeignete Teile der WestLB ausgegliedert werden sollen, verbunden mit einem Verkauf von anderen Geschäftseinheiten am Markt sowie einer zusätzlichen Nachbefüllung der EAA mit dem unverkäuflichen Rest der heutigen West-LB. Das Grundmodell dieses dritten Weges hat die Bundesregierung der EU-Kommission am 15. Februar präsentiert und sich dabei mit Brüssel geeinigt, bis Mitte April in Abstimmung mit der Sparkassenorganisation ein detailliertes und tragfähiges Konzept der Verbundbanklösung vorzulegen.

Unabhängig von diesem Vorschlag zur Güte, so haben es die beiden Sparkassenverbände in Nord-rhein-Westfalen bei ihrer Jahresberichterstattung 2010 ausführlich dargelegt, müssen die laufenden Beihilfeverfahren abgearbeitet werden. Entsprechend wurden am 15. Februar 2011 in Brüssel zusätzlich der Statusbericht zum Verkaufsverfahren auf Basis des Bescheids vom Mai 2009 sowie - als Reaktion auf das erweiterte Beihilfeverfahren vom November 2010 - der Umstrukturierungsplan mit weiterer Reduktion der Bilanzsumme um ein Drittel gegeben. Wer drei Pizzen bestellt, bekommt auch drei geliefert, hat deshalb SWL-Präsident die komplexe Gemengelage gewohnt offensiv interpretiert und dabei ähnlich wie sein RSGV- Kollege Michael Breuer eine ganze Reihe höchst berechtigter Fragen aufgeworfen. Wer soll die WestLB als Ganzes kaufen, solange noch Beihilfeverfahren anhängig sind, die für einen potenziellen Erwerber zu Belastungen in unbekannter Höhe führen können? Welche Verantwortung übernehmen die Beteiligten für die verbliebenen Mitarbeiter? Inwieweit tangieren die angedachten Lösungen das Haftungsgefüge im gesamten Sparkassenbereich? Mit welchem Geschäftsmodell kann eine Verbundbank nachhaltig auskömmliche Erträge generieren?

All diese Fragen mögen im Nachhinein erklären, weshalb die Neuordnung der WestLB mit dem 15. Februar 2011 längst noch nicht abgeschlossen sein konnte. Aber all die bestehenden Handlungsstränge sind von den Beteiligten so nicht offengelegt worden. Und wirklich Bewegung ist in all diesen Dingen nicht wirklich zu erkennen. Bei allem Verständnis für komplexe Zusammenhänge: Das unendliche Taktieren nervt - nicht nur Brüssel.

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