Interview

Redaktionsgespräch mit Walter Rothensteiner / "Die regulatorischen Anforderungen sorgen für disproportionale Lasten bei kleineren und mittleren Banken"

Welchen Stellenwert hat die Genossenschaftsidee in Österreich? Und (wie) hat sich die gesellschaftliche Wertschätzung des Sektors im Zuge der jüngsten Finanzkrise verändert?

Genossenschaften und deren Unternehmen spielen eine wichtige Rolle im österreichischen Wirtschaftsleben. In der Bankenbranche sind wir Marktführer, seit mehr als 128 Jahren ist Raiffeisen finanzieller Nahversorger und verlässlicher Partner seiner Kundinnen und Kunden. Unsere Genossenschaftsstruktur war auch in schwierigen Zeiten stets Garant für Stabilität. Deshalb ist die Wertschätzung gerade in den letzten Jahren durchaus gestiegen.

Wie positioniert sich die österreichische Politik gegenüber der Kreditwirtschaft in Österreich?

Manchmal hat man den Eindruck, dass Politiker aus populistischen Erwägungen Banken als Feindbild skizzieren. Das könnte sich als Schuss ins eigene Knie erweisen, da Banken eine vitale Aufgabe im Blutkreislauf der Wirtschaft innehaben. Gleichzeitig haben wir hier in Österreich eine an die Substanz gehende Bankenabgabe. Das macht die Rahmenbedingungen für Banken nicht immer einfach.

Hat die RBG derzeit besonders wichtige Anliegen an die Politiker in Wien und/oder in Brüssel?

Aus unserer Sicht wäre Bankenregulierung mit Augenmaß wichtig. Die Banken dürfen nicht regulatorisch überfordert werden. Sonst laufen wir Gefahr, die Finanzierung der Realwirtschaft zu gefährden. Für grenzüberschreitend tätige Banken sind harmonisierte und klare Regelungen Voraussetzung für ein erfolgreiches Agieren im Binnenmarkt.

Lokal und regional tätige Banken bilden das Rückgrat der KMU-Finanzierung und stellen die Nahversorgung mit Finanzdienstleistungen sicher. Die Regulierung muss diese bewährten Strukturen entsprechend berücksichtigen.

Gibt es eine Interessenvertretung der RBG in Brüssel? Wie positioniert sich die Gruppe gegenüber der europäischen Politik? Werden gemeinsame Interessen mit ausländischen Genossenschaftsverbänden gebündelt?

Die Raiffeisen Bankengruppe ist seit Jahren durch das EU-Büro der Raiffeisen Zentralbank in Brüssel vertreten. Dadurch erhalten wir wichtige Informationen über neue regulatorische Entwicklungen und

können uns direkt einbringen. Wir sind zudem durch den EU-Verband der Genossenschaftsbanken gut vertreten, in dessen Rahmen wir aktiv mit unseren Kollegen etwa aus Deutschland, Frankreich und Italien zusammenarbeiten.

Wie hat sich das Verhältnis der österreichischen Bankenverbände seit der Finanzkrise entwickelt? Gibt es mehr Gemeinsamkeiten?

Die Interessensvertretung ist in der "Sparte Bank und Versicherung" in der Wirtschaftskammer Österreich gebündelt. Die Bankenverbände - in Österreich sind dies neben dem Fachverband der Raiffeisenbanken die Fachverbände der Banken und Bankiers, der Sparkassen, der Volksbanken und der Landes-Hypothekenbanken - haben ein weitgehend gemeinsames Interesse, auf dessen Basis sie gut zusammenarbeiten. Dies war bereits vor Ausbruch der Finanzkrise so und ist es seither umso mehr.

Konnte die Raiffeisen Bankengruppe Österreich auf der Ertragsseite mit dem Berichtsjahr 2013 zufrieden sein?

Das allgemein niedrige Zinsniveau, drückende regulatorische Vorgaben und Zusatzbelastungen wie die Bankenabgabe wirken sich spürbar auf unser Geschäft aus. Trotz dieses wirtschaftlich schwierigen Umfelds erzielte die Raiffeisen Bankengruppe auch 2013 ein respektables Ergebnis.

Das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit stieg um 48,1 Prozent auf 1,615 Milliarden Euro. Vom Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit müssen noch Steuern und Abgaben in Höhe von 448 Millionen Euro entrichtet werden. Belastend für das Ergebnis war auch die Bankenabgabe, von der alleine der Raiffeisen Zentralbank-Konzern 207 Millionen Euro entrichtet hat.

Wie ist die Gruppe im österreichischen Bankenwettbewerb positioniert. In welchen Segmenten sind die Marktanteile in den vergangenen Jahren gewachsen? Wo wird das größte Potenzial für die kommenden Jahre gesehen?

Die Raiffeisen Bankengruppe ist Marktführer in Österreich. Sie wird als "sicher, regional und nachhaltig" wahrgenommen. Die Marktanteile wachsen seit Jahren organisch - also ohne Zukäufe - sowohl im Einlagen- als auch im Kreditgeschäft. So erhöhte sich der Marktanteil bei Spareinlagen in den letzten zehn Jahren von 28,6 Prozent auf 32,9 Prozent und bei Direktkrediten von 22,3 Prozent auf 27,3 Prozent. Potenzial ist in fast allen Produktbereichen noch vorhanden.

Wer sind die größten Wettbewerber in den einzelnen Produkt- und Dienstleistungsbereichen?

Nach der Raiffeisen Bankengruppe haben Erste Bank und Sparkassen sowie die Uni-Credit-Tochter Bank Austria die größten Marktanteile in Österreich. Mit einigem Abstand folgen Bawag-P.S.K. und Volksbanken. Lokal und regional beziehungsweise nach Produktsparten gibt es ein jeweils spezifisches Wettbewerbsumfeld, das vom bundesweiten Gesamtbild deutlich abweichen kann.

Inwieweit gefährden die regulatorischen Anforderungen die Wettbewerbsposition oder gar das Geschäftsmodell der Ortsbanken beziehungsweise der gesamten RBG?

Die regulatorischen Anforderungen sorgen für außerordentliche Belastungen aller Banken. Sie nehmen an den international tätigen Großbanken Maß und sorgen deshalb trotz mancher Ausnahmeregelungen für disproportionale Lasten bei kleineren und mittleren Banken.

Dabei haben sich gerade diese - insbesondere jene in dezentralen Banksektoren mit starken sektoralen Sicherungseinrichtungen - als besonders krisenfest erwiesen. Wettbewerbsposition und Geschäftsmodell der lokal tätigen Raiffeisenbanken werden durch die regulatorischen Anforderungen aber nicht infrage gestellt, erfordern aber ein Zusammenrücken im Verbund, um ihnen weiter gewachsen zu sein.

Welche Auswirkungen hat die Niedrigzinspolitik der EZB auf die Wettbewerbsfähigkeit der Raiffeisen Bankengruppe?

Die niedrigen Zinsen sorgen für ein belastendes Marktumfeld. Allerdings wirkt dieses nicht spezifisch auf die Raiffeisen Bankengruppe, sodass die Auswirkungen weitgehend wettbewerbsneutral bleiben.

Gibt es eventuelle Effizienzreserven in der Arbeitsteilung zwischen den Raiffeisenbanken, den Raiffeisenlandesbanken (RLB) und der Raiffeisen Zentralbank?

Die Zusammenarbeit in der dreistufigen Raiffeisen Bankengruppe ist gut etabliert und funktional. Aber natürlich gibt es gerade in gewachsenen Organisationsstrukturen immer auch Effizienzsteigerungspotenzial. Wir orten dieses insbesondere in den Abläufen und Prozessen sowie der IT. Hier wollen wir die Zusammenarbeit intensivieren und Effizienzpotenziale heben. So bündeln wir gerade auf der Bundesebene die Stabstellen und Abwicklungsbereiche.

Stichwort Vertrieb: Welche Bedeutung hat der richtige Mix zwischen stationärem Vertrieb und Online-Vertrieb im künftigen Bankenwettbewerb?

Wer erfolgreich sein will, braucht beides, nämlich "bricks" und "clicks". Das Angebot im Web und an den Vertriebspunkten, insbesondere den Filialen, muss gut ineinander greifen und den Kundenwünschen und -bedürfnissen entsprechen. Wir sind hier auf einem guten Weg und auch im Online-Banking Marktführer in Österreich.

Bringt die Positionierung als Allfinanzanbieter für die Raiffeisen Bankengruppe Vorteile im Wettbewerb um die Kunden oder ist sie unter regulatorischen Gesichtspunkten sogar ein Nachteil?

In Österreich ist das Gros der Banken als Universalbank tätig. Deshalb heben sich eher die Spezialisten ab. Raiffeisen unterscheidet sich von den anderen Universalbanken durch die sprichwörtliche Nähe zum Kunden und die Verankerung in der Region. Raiffeisen wird - nicht zuletzt wegen der starken Wertebasis und sektoralen Sicherungseinrichtungen - als besonders sicher und nachhaltig wahrgenommen.

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