XIX. Bankentag - Interview

Redaktionsgespräch mit Stefan Krause - "Auch in dieser neuen Welt ist eine Eigenkapitalrendite von 25 Prozent vor Steuern möglich."

Was muss ein guter Bank-Chief-Financial-Officer heute an fachlichen und persönlichen Voraussetzungen mitbringen? Ein CFO sollte sich in drei Bereichen auszeichnen. Erstens muss er eine gute technische Basis haben. Dazu gehört ein genaues Verständnis der verschiedenen Regelwerke, denn am Ende trägt er die Verantwortung für deren richtige Anwendung. Über das Berichtswesen hinaus muss er das Instrumentarium der Planung und Steuerung beherrschen. Daraus leitet sich die zweite Anforderung an ihn ab, nämlich die fundierte Kenntnis der Geschäfte seines Unternehmens. Der CFO muss die wesentlichen Treiber der Geschäfte und damit der Wertentwicklung kennen und sich auf Augenhöhe mit den operativen Spezialisten bewegen können. Nur dann findet er unternehmensweit die nötige Akzeptanz. Drittens braucht ein guter CFO breite Schultern und eine hohe strategische und operative Führungskompetenz. Auf der persönlichen Ebene muss ein CFO natürlich genug Selbstvertrauen und Selbstsicherheit haben, da er ja oft für unpopuläre Entscheidungen geradestehen muss. Es geht also in hohem Maße darum, den Mitarbeitern alle Schlechtigkeiten dieser Welt auszutreiben ... So darf man das nicht sehen. Es waren nicht schlechte Menschen, die in die Krise geführt haben, sondern - betrügerische Aktivitäten einmal ausgeschlossen - falsche Markteinschätzungen und Lücken im Regelwerk. Zunächst wurden Kredite und Kreditprodukte herausgegeben, die sich als nicht werthaltig erwiesen haben. Die Beschleunigung der Krise resultierte dann aber vereinfacht gesagt, letztlich aus dem Zusammenwirken von zwei Regeln, die im Zusammenspiel zu den bekannt fatalen Konsequenzen geführt haben. Welche waren das aus Ihrer Sicht? In der Welt der internationalen Bilanzierung ist die Bewertung des Vermögens zu Marktpreisen gefordert. Das ist isoliert betrachtet ein richtiger Ansatz. Gleichzeitig aber fordert die Bankenaufsicht, eine Mindestkapitalquote zu halten. Auch das ist für sich genommen vernünftig und nachvollziehbar. Als nun aber in Folge des Vertrauensverlustes an den Märkten Marktmechanismen außer Kraft gesetzt wurden und deshalb die Vermögensgegenstände abgewertet werden mussten, sind Eigenkapitalquoten ebenfalls dramatisch unter Druck geraten. Banken mussten in Folge der Einhaltung der Mindestkapitalquoten massiv Vermögensgegenstände an den Markt geben, um ihre Eigenkapitalquote halten zu können. Das wiederum belastete die Preise, was zu erneuten Abwertungen und dadurch wiederum zu neuem Druck auf die Eigenkapitalquoten führte. Diese Abwärtsspirale konnte letztlich nur durch die Kapitalzusagen der Regierungen und kurzfristigen Veränderungen im Rechnungswesen gestoppt werden. Dabei hat sich an dem Wert eines Finanzinstituts eigentlich gar nichts geändert, was im Übrigen auch daran zu erkennen ist, wie schnell sich nach dem staatlichen Eingreifen alles wieder korrigiert hat. Es ist also das Zusammenwirken von zwei Regeln gewesen, die die Krise beschleunigt haben und deutlich vor Augen führen, wie sehr man auf das Zusammenspiel der selbst gesetzten Regeln achten muss. Das sage ich nicht zuletzt mit Blick auf den Baseler Ausschuss, auf das neue IFRS-Instrumentarium, auf das Bilanzmodernisierungsgesetz und auch auf die Steuergesetzänderungen, in denen und durch die im Zuge der Krisenbewältigung zahlreiche neue Regeln formuliert werden. Unbeabsichtigte Wechselwirkungen zwischen regulatorischen, buchhalterischen und fiskalpolitischen Bedingungen könnten aber wieder ähnliche Schwierigkeiten hervorrufen wie sie zu der Beschleunigung der Finanzkrise geführt haben. Das sehen Sie und wahrscheinlich alle, die sich in der Praxis damit auseinandersetzen. Warum aber fällt es so schwer, den Regelsetzern die Komplexität des Zusammenspiels und mögliche kontraproduktive Wirkungen zu erklären? Das hängt mit dem funktionalen, sehr auf Expertentum getrimmten Aufbau unserer Welt zusammen. Jeder sieht zunächst seinen Verantwortungsbereich. Deshalb machen die diversen Regeln, jede für sich selbst betrachtet, durchaus Sinn. So werden die Standardsetter der Rechnungslegung aber nicht sämtliche Details des neuen regulatorischen Regelwerks berücksichtigen und auch nicht alle finanz- und steuerpolitischen Ambitionen der nationalen Regierungen im Blick halten können. Dies gilt im Umkehrschluss natürlich auch für die Aufsichtsbehörden, die Politik und die Steuerbehörden. Außer den Instituten, die all diese Regelungen einhalten müssen, gibt es keine übergreifenden Institutionen, die sich mit dem Problem der Komplexität und der unerwünschten Nebenwirkungen auseinandersetzen. Müsste man also ein übergeordnetes Komitee schaffen, um die Wechselwirkungen zwischen all den vorgeschlagenen und angedachten Maßnahmen zu beurteilen? Ein solches Gremium würde eine sinnvolle Möglichkeit darstellen. Aber man darf die praktischen Schwierigkeiten einer solchen Idee nicht verkennen. Im Moment erwarte ich deshalb, dass zunächst allen Gefahren zum Trotz das vielfältige System der neuen Regeln umgesetzt wird, um in der Folge dann dort wieder nachzukorrigieren, wo in der Praxis Schwachstellen und unerwünschte "Nebenwirkungen" erkannt werden. Soweit sich das heraushören lässt, sind Sie also ein Anhänger von wohldosierten und abgestimmten pauschalen Regeln mit Freiräumen? Es muss natürlich ein klares und eindeutiges Regelwerk geben. Doch dieses muss noch beherrschbar sein - und zwar von allen Beteiligten, also den Unternehmen, den Wirtschaftsprüfern und den Aufsichtsbehörden. Ein Mehr an Regeln führt nicht zwangsläufig zu besseren Ergebnissen, sprich weniger Ausfällen und Krisen. Man sollte mit den derzeit diskutierten beziehungsweise bereits verabschiedeten neuen Regelwerken nun nicht die Erwartung verbinden, dass Aufseher und Prüfer immer alles sehen, erfassen und verhindern können. Nehmen Sie beispielsweise den vollständigen Bericht des Wirtschaftsprüfers zum noch ganz frischen Jahresabschluss der Deutschen Bank. Dieser umfasst rund 2500 Seiten. Der hohe Umfang ist Resultat der Anforderungen, welche die Aufsichtsbehörden an den Bericht stellen. Aber niemand sollte aus dem Auge verlieren, dass die gelieferten Informationen anschließend auch von unseren Aufsichtsräten und den Aufsehern, wie der BaFin verarbeitet werden müssen. Es klingt sehr ungewohnt, wenn ein Banker die BaFin in Schutz nimmt ... Die ständige Kritik an der BaFin ist unfair. Das hat nichts damit zu tun, dass wir in der Sache öfters unterschiedlicher Meinung sind, doch das Aufstellen von immer mehr Verkehrsschildern garantiert noch lange keine besseren Autofahrer, sondern verlangsamt nur den Verkehr. Selbiges gilt für Standardsetter und Steuerbehörden. Aus diesem Grund bin ich ein großer Freund einer Verschlankung dieser Regeln. Findet die Deutsche Bank in Deutschland überhaupt noch geeignete "Verbündete" und Gesprächspartner für ihre Anliegen? Die Deutsche Bank arbeitet im Inland aktiv im Bundesverband deutscher Banken und auf internationaler Ebene im internationalen Bankenverband IIF mit. Daneben gibt es natürlich spezielle Anliegen. Schwächt eine solche Alleinstellung nicht die Position Ihres Institutes gegenüber der deutschen Politik? Wenn es immer wieder die Deutsche Bank ist, die etwas "Besonderes" möchte, sieht das schnell nach Einzelbehandlung aus. Hunderte von Sparkassen und Volks- und Raiffeisenbanken können hier einen anderen Druck erzeugen. Wir müssen mit Qualität überzeugen. Noch einmal zu dem angesprochenen Zusammenspiel all der Bestimmungen und Regeln: Wie soll es grundsätzlich funktionieren, auf der einen Seite mehr Eigenkapital vorhalten zu können, gleichzeitig die Bilanzsumme herunterzufahren und dann noch mehr Kredit zu geben? An mehr Eigenkapital führt kein Weg mehr vorbei. Wenn das nur über Einhaltung von Eigenkapitalquoten erreicht wird, dann verkürzt das die Bilanzen. Doch die Wirtschaft braucht Finanzierungsmittel und wird sie sich suchen. Es besteht eine große Gefahr, dass viele Finanzierungsformen in das sogenannte Schattenbankensystem abwandern. Um nur ein Beispiel zu geben: Ein auf der Bankbilanz stattfindendes ABS-Geschäft wird es bei den vorgesehenen Kapital-Belastungen künftig kaum noch geben. Doch die Welt braucht ABS-Strukturen. Diese werden außerhalb der Banken und damit im nichtregulierten Bereich stattfinden. Ich frage Sie, ist das zielführend? Darüber hinaus wird es aber, und das ist positiv zu bewerten, zu veränderten Finanzierungsnachfragen kommen. Finanzierungen, die einen eindeutigen Zugriff auf die dahinterliegenden Sicherheiten gewährleisten, werden tendenziell eine Stärkung erfahren. Das zeigt nicht zuletzt der deutsche Pfandbrief. Auch diese Überlegungen sollte man berücksichtigen, bevor man ein kontraproduktives Gesamtpaket an Regularien schnürt. Sie haben von den zwei Krisenbeschleunigern gesprochen. Glauben Sie, dass die Stabilität und das Vertrauen in den Märkten schon wieder hoch genug sind? Brauchen wir den Puffer Regierung nicht mehr? Sofern keine neuen Störungen auftreten, glaube ich das derzeit schon. Aber bei einem neuen Vertrauenseinbruch am Interbankenmarkt würden die gleichen Regeln sofort wieder in die gleiche Richtung wirken. Die Reklassifizierung von Vermögensgegenständen hat seinerzeit bekanntlich heftige Kritik hervorgerufen, da man wähnte, hier würden Verluste verschleiert. Ich vertrete die Auffassung, sie wurde zu Recht vorübergehend erlaubt, um als Bremse den Abwärtsmechanismus der Marktbewertung zu stoppen. Wie löst man als CFO den Konflikt zwischen klaren Regeln einerseits, die in gewissen Marktsituationen kritische Reaktionen auslösen können, und erleichternden Wahlrechten andererseits, die nur befristet gelten und ständigen Diskussionen ausgesetzt sind? Wahlrechte können nicht beliebig und kurzfristig geändert, sondern müssen über mehrere Jahre durchgehalten werden. Von daher hängt die Entscheidung des CFO nicht von taktischen, sondern von langfristigen Überlegungen ab. Im konkreten Fall der Reklassifizierung war das Wahlrecht unbedingt notwendig, da mit dem vorgegebenen "mark-to-market-Ansatz" die Abwärtsspirale unnötigerweise immer weiter gegangen wäre. Banken haben für die generelle Änderung der Standards, in diesem Fall des IAS 39 plädiert, um eine dauerhafte Notbremse anzuziehen, wenn keine validen Marktwerte vorliegen. Bis heute ist dieses Problem der Bewertung bei illiquiden Märkten nicht gelöst. Es fehlt nach wie vor ein Mechanismus, der den Krisenzustand ausruft und damit die Marktbewertung aussetzen kann. Eine solche Lösung ist zweifelsohne schwierig, wirft sie doch viele Fragen auf: Wer darf diesen Zustand ausrufen? Nach welchen Kriterien hat das zu erfolgen? Und für wen gilt das und für wen nicht? Die Beantwortung dieses komplexen Sachverhaltes durch Politiker, Aufseher und Standardsetter steht bislang aus. Stattdessen wird die "mark-to-market-Bewertung" künftig von der grundsätzlichen Ausrichtung einer Bank abhängig gemacht. Handelshäuser müssen mehr Vermögensklassen ständig zu Marktpreisen bewerten als andere Institute. Die Deutsche Bank, die grundsätzlich ein Handelshaus ist, muss also mehr Vermögenswerte unter Marktbewertung stellen als vorher. Das führt zu Wettbewerbsverzerrungen, wenn Konkurrenten ihr Vermögen anders klassifizieren dürfen und verbessert die Gesamtsituation nicht. Der Druck auf die großen systemrelevanten Banken weltweit, die mit zahlreichen Fi-nanz-Instrumenten wichtige Teile der Wirtschaft begleiten und finanzieren, nimmt zu - mit allen negativen Folgen einer Abwanderung von Geschäft in Schattenbankensysteme. Wie ist mittlerweile die Abgrenzung zwischen CFO, Risk-Manager und Treasury? Ist die Verbindung angesichts der zunehmenden Komplexität der Anforderungen enger geworden? Die enge Zusammenarbeit gab es in der Deutschen Bank schon immer. Gleichzeitig ist die Trennung von Finanz- und Risikomanagement auch auf Vorstandsebene sinnvoll und gut, wurde damit doch quasi ein Vieraugenprinzip der gegenseitigen Überwachung installiert. Bis auf die Transaktionsebene ist immer die Finanz- und die Risikoseite beteiligt, jedes Geschäft wird also von zwei Seiten und damit aus den jeweiligen Blickwinkeln betrachtet. Sie persönlich kommen nicht aus dem Bankensektor, sondern aus der Realwirtschaft. Ist es ein Vorteil, beide Seiten gut zu kennen? Oft ja, und manchmal auch nein. Natürlich hat ein CFO mit Bankhintergrund eine ganz andere Erfahrung im operativen Geschäft. Aber andererseits braucht man in einem Vorstands- oder Führungsteam eine Vielfalt von unterschiedlichen Perspektiven, die ich an der einen oder anderen Stelle besser einbringen kann, weil ich die Deutsche Bank auch als Firmenkunde erlebt habe. Darüber hinaus habe ich ja ein großes Finanzdienstleistungsgeschäft über Jahre geleitet. Wenn Sie ein Ranking von Vorstandspositionen aufstellen müssten, wo würden Sie den CFO von seiner Bedeutung her einordnen? Diese Frage ist schwierig zu beantworten. Unser Vorstand besteht aus sieben Mitgliedern, die gemeinsam diese Bank führen. Der Vorstandsvorsitzende steht auf Rang 1. Die Behörden geben dem CFO den zweiten Platz - so zumindest will es die SEC bei der Unterschrift der wesentlichen Dokumente. Aber das ist nur ein Aspekt. Von der Bedeutung des Geschäfts sind es andere. Ich denke das Team kommt an zweiter Stelle. Sie wirken dennoch sehr zufrieden mit Ihrer Aufgabe? Der Job des CFO ist absolut faszinierend. Daher habe ich ihn mir auch ausgesucht. Wie macht man einem Investor zurzeit ein Bankinvestment schmackhaft? Zum einen steigen die Bedingungen an das zur Verfügung gestellte Eigen- oder Fremdkapital, zum anderen sind noch einige Details der künftigen Regulierung offen. Hinzu kommt, dass sich auch der Bankensektor verändert. Da mit anderen Kapitalunterlegungen gearbeitet werden muss, werden sich auch die Strukturen und die Geschäfte verändern. Banken werden weniger Risiko nehmen können und werden Geschäfte an Handelsplattformen oder andere Spezialisten abgeben. Das geht zulasten der Erträge. Gleichzeitig fordern auch die Staaten ihren Obolus für die Rettungsmaßnahmen in Form von Steuern und Abgaben. All das zusammen wird Profitabilität kosten. Aber all diese Faktoren sind bekannt und haben bereits zu erheblichen Abschlägen in den Aktienkursen geführt. Sie sind eingepreist. Deshalb sind Bankinvestments inzwischen durchaus wieder attraktiv. Denn auch in dieser neuen Welt ist eine Eigenkapitalrendite von 25 Prozent vor Steuern möglich. Zum einen gibt es Geschäftsfelder mit hervorragenden Ertragsperspektiven. Zum anderen ist in Teilen der Bankenwelt generell das Kostenbewusstsein nicht annähernd mit der Industrie vergleichbar. Das wird sich ändern. Was heißt das für die künftige Kapitalallokation der Deutschen Bank? Bedeutet das eine Verlagerung von Kapital beispielsweise nach Asien mit negativen Konsequenzen für den Heimatstandort? Klar ist, es wird künftig weniger flexibles verfügbares Kapital geben und dieses wird dort eingesetzt werden, wo die höchsten Returns zu erwarten sind. Dieses Grundprinzip gilt global, da wird es keine Ausnahmen geben. Im Übrigen ist Deutschland aus unserer Sicht nach wie vor ein guter und auch lukrativer Standort. Im Retail-Geschäft sind trotz des hohen Wettbewerbs durchaus international vergleichbare Renditen von 20 Prozent und mehr zu erzielen. Das hat die Deutsche Bank bewiesen, und auch die Postbank liegt im operativen Geschäft deutlich über diesen Marken. Das ist nur mit einem straffen Management zu erzielen, und da liegt wie gesagt immer noch unausgeschöpftes Potenzial. Man kann die Parallele zur Autoindustrie ziehen. Wir Banken müssen einfach besser werden und den vorhandenen Spielraum im System nutzen. Das erinnert sehr an einen berühmten Vergleich eines früheren Vorstands Ihrer Bank mit der Stahlbranche ... Der Vergleich ist ja auch nicht falsch. Die Bankindustrie kommt aus einem Umfeld hoher Margen und muss sich jetzt an den Wettbewerbsdruck gewöhnen. Diesen Prozess haben andere Industrien früher beginnen müssen. Zurück zum Thema Eigenkapitalbeschaffung: Die Deutsche Bank ist das Thema Kapitalerhöhung im September vergangenen Jahres vergleichsweise früh angegangen. Würde die Bank das heute auch noch so problemlos schaffen? Eindeutig ja! Die Stärke dieser Bank ist und war immer die Passivseite der Bilanz. Auf Grundlage der umfangreichen Einlagenposition konnte sie sich stets günstig refinanzieren. Die angesprochene Kapitalerhöhung von rund zehn Milliarden Euro war aufgrund der Akquisition der Postbank nötig. Wichtig für den Markt ist immer die eindeutige Botschaft, was mit den Mitteln geschehen soll. Lautet die Ansage lediglich, Ziel sei es, die Kapitalbasis zu stärken, kann das kontraproduktiv sein. Denn dann kommt schnell die Vermutung auf, es seien irgendwelche Verluste oder Risiken zu verkraften. Das schafft Unsicherheit, die Kapitalmaßnahmen tendenziell erschwert. Neben Akquisitionen kann auch eine Restrukturierung vom Markt als ein sinnvoller Kapitaleinsatz gesehen werden, wenn diese nachweislich zu besseren Erträgen in der Zukunft führt. In der Deutschen Bank laufen derzeit drei Steigerungssprogramme: der Umbau des Bereichs Corporate und Investment Bank (CIB), die Integration von Postbank und Sal. Oppenheim in die Segmente Private and Business Clients und Private Wealth Management sowie eines zur Reduzierung der Komplexität im administrativen Bereich. In jedes dieser Programme wird investiert. Ziel ist es dann, in künftigen Jahren Kosten einzusparen. Das verstehen die Investoren. Führt gerade das Thema Refinanzierung in der Kreditwirtschaft nicht zu einer Zwei- oder Dreiklassengesellschaft, weil sich nicht jedes Haus vergleichsweise mühelos Kapital besorgen kann? Unterschiede hat es immer gegeben. Entscheidend ist das Geschäftsmodell. Wichtig in Hinblick auf die Refinanzierung ist auch die Regelung der Einlagensicherungssysteme. Denn nur dann kann es einen fairen Wettbewerb um Einlagen geben. Daran wird richtigerweise gerade auf Ebene der EU gearbeitet. Eine viel größere Gefahr ist die Zunahme geografisch bedingter Wettbewerbsverzerrungen. Sollten gewisse Regionen beispielsweise Basel III nicht umsetzen oder ihre Banken nicht als systemisch wichtige Finanzinstitute deklarieren, würden diese Institute einen immensen Vorteil erlangen. Die USA haben bis heute Basel II nicht eingeführt. Bei den neuen Regelungen wird es einen erheblichen Interpretationsspielraum für nationale Behörden bei der Umsetzung geben. Das kann unter Umständen dazu führen, dass in bestimmten - weil schärfer regulierten - Regionen manche Geschäfte nicht mehr von Banken betrieben werden können, da sich diese aufgrund der Eigenkapital- und Liquiditätsanforderungen nicht mehr lohnen. Solche Tendenzen bereiten natürlich Sorge. Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang die Einführung einer Leverage Ratio? Eine Festsetzung der Leverage Ratio kann mehr Risiko in die Bankenwelt hineinbringen. Zum einen muss künftig ein höheres Risiko gefahren werden, um eine adäquate Eigenkapitalrendite zu erzielen. Daneben schert die Leverage Ratio alles über einen Kamm, bewertet nur die Gesamtsumme und sieht keine Berücksichtigung für abgesicherte und damit risikoreduzierte Geschäfte vor. Die Deutsche Bank beispielsweise sichert einen großen Teil ihrer Kredite ab. Damit reduziert sie natürlich das Risiko, verzichtet aber auch auf Erträge. Da die Versicherungen und Absicherungsgeschäfte die laufenden Erträge aus dem Kredit in etwa aufwiegen, bleibt als Ertrag primär die Einmal-Provision bei Abschluss. Aber so ist es möglich, mit einem Kapital von 35 Milliarden Euro eine Bilanz von zwei Billionen Euro zu fahren. Die Leverage Ratio macht solche unter dem Strich risikoarmen Geschäftsmodelle unmöglich. Wieso findet diese Argumentation keine Gnade bei den Regulatoren? Da durch das risikoärmere Geschäftsmodell Erträge fehlen, braucht es einfach eine längere Bilanz, um eine gleiche Verzinsung für die Investoren zu erzielen. Darauf wurde natürlich von uns und anderen immer wieder hingewiesen. Leider ist das bislang von den Regulatoren so nicht akzeptiert worden, doch immerhin hat man sich zunächst mit der Berichtspflicht einer Leverage Ratio begnügt. Darüber hinaus besteht eine gewisse Bereitschaft, diese Zusammenhänge noch einmal näher beleuchten zu wollen. Wie geht man als CFO mit den noch bestehenden Unsicherheiten bezüglich der Regularien um? Sind an diesen Stellen Puffer für den Kapitalbedarf der Deutschen Bank vorgesehen? Alle bestehenden Regeln gelten erst einmal bis die neuen Regeln kommen. Insofern operiert man im Tagesgeschäft in einem bekannten Regelwerk. Zudem gibt es relativ lange Übergangsfristen. Dadurch können die Banken sich auf die Veränderungen einstellen, können Modellrechnungen anstellen und Handlungsalternativen abwägen. Zum Thema Basel III beispielsweise hat die Deutsche Bank vor zwei Jahren mit einer Kapitalplanung begonnen, die im Zeitablauf mit immer konkreteren Vorgaben belastbarer wird. Was halten Sie von den Stresstests? Machen sie das System wirklich sicherer und stärken sie das Vertrauen der Investoren und der Öffentlichkeit? Die Antwort ist differenziert. Natürlich macht es Sinn, die Auswirkung gewisser Annahmen, auch unter einer Worst-Case-Betrachtung, auf die Kreditwirtschaft und die Stabilität des Finanzsystems, zu prüfen. Allerdings müsste das im Stillen und hinter verschlossenen Türen stattfinden, damit keine negativen Konsequenzen für einzelne Teilnehmer an den Märkten zu befürchten sind, bevor diese die Möglichkeit zur Abhilfe erhalten haben. Aber das ist erfahrungsgemäß unrealistisch. Denn die Stresstest sollen ja nicht zuletzt angekündigt werden, um Handlungsfähigkeit von Politik und Aufsicht zu demonstrieren und so für Vertrauen zu sorgen. Eine Ankündigung ohne die Veröffentlichung würde zu erheblichen Spekulationen führen, die in der Summe wahrscheinlich belastender wäre als die Veröffentlichung der Ergebnisse selbst. Also wird veröffentlicht, was aber wiederum zu Risiken führt. Schwache Banken haben es noch schwerer, an Kapital zu kommen. Wie lange braucht Stefan Krause, um aus einem Jahresabschluss Rückschlüsse auf die Qualität einer Bank zu ziehen? Bei Vorlage des gesamten Abschlusses kann man einen ersten Eindruck bereits in rund einer Stunde gewinnen. Dabei würde ich mir zunächst die Bilanzstruktur ansehen, um die Grundstruktur der Bank zu verstehen. Daraus sind diejenigen Bereiche abzuleiten, in die man anschließend im Anhang tiefer einsteigen sollte. Da gilt es dann, Marktbewertungen zu prüfen und dahinterstehende Bilanzpositionen und Vermögenswerte zu erkennen.

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