Interview

Redaktionsgespräch mit Sabine Lautenschläger - "Aufseher müssen um Geduld werben, sonst sind Auswirkungen auf die Realwirtschaft nicht auszuschließen"

Frau Lautenschläger, kommt Basel III zum 1. Januar 2014 und, wenn ja, kommt es verbindlich für alle Banken weltweit?

Der Zeitplan ist ambitioniert, aber ich halte es dennoch für wahrscheinlich, dass Basel III Anfang kommenden Jahres zumindest in der EU eingeführt wird. Damit es klappt, müssen aber nicht nur der Rat und das Europäische Parlament noch offiziell zustimmen, sondern bis Ende Juni die Gesetzestexte im Amtsblatt der EU veröffentlicht werden. Das ist sicherlich sportlich, aber machbar.

Ist es denn richtig, ein solch großes Projekt unter Hochdruck durchund umzusetzen?

Basel III ist das Kernprojekt, das Banken krisenfester machen wird. Auch wenn damit deutschen Banken etliches abverlangt wird, empfinde ich den Druck für die Kreditwirtschaft nicht als unangemessen. Die Institute haben einige Jahre Zeit, stufenweise in die neuen Anforderungen hineinzuwachsen. Nichts von dem, was zum 1. Januar 2014 kommen wird, ist eine große Überraschung. Die Vorbereitungen für Basel III laufen seit rund zwei Jahren, die Rahmenbedingungen sind im Wesentlichen seit Ende 2010 bekannt. Viele Institute haben sich dementsprechend darauf eingestellt. Selbstverständlich muss man den Banken genügend Zeit geben, die Technik auf die Anforderungen einzustellen, aber dafür sollte ein halbes Jahr ausreichen.

Aber beispielsweise systemrelevante Banken wis sen doch noch gar nicht, was an zusätzlichen Eigenkapitalaufschlägen auf sie zukommt?

Das ist so nicht ganz richtig. Derzeit stuft der Baseler Ausschuss 28 Banken als global systemrelevant ein. Für diese stehen die Kapitalaufschläge praktisch fest; sie liegen zwischen 1,0 und 2,5 Prozentpunkten, und auch hier gewährt der Baseler Ausschuss ja Übergangsfristen. Noch offen ist dagegen, mit welchen Zuschlägen die "Other SIFIs", also die Banken, die "lediglich" national systemisch relevant sind, rechnen müssen. Keine Aufsicht der Welt wird verlangen, dass diese Aufschläge von heute auf morgen vorzuhalten sind. Sollten die Kriterien später festgelegt werden, weil beispielsweise auf europäischer Ebene noch bestimmte Leitlinien gesetzt werden sollen, werden die Institute auch mehr Zeit bekommen, um die Auflagen zu erfüllen. Man wird nichts Unmögliches verlangen.

Es bleibt also auch unter den neuen Rahmenbedingungen bei einer Aufsicht mit Augenmaß und mit Verständnis?

Augenmaß ja. Verständnis ist der falsche Begriff. Aufgabe der Aufsicht ist es, Missstände in der Kreditwirtschaft zu beseitigen, die die Finanzstabilität in Deutschland und darüber hinaus gefährden könnten. Entscheidend ist vielmehr, dass der Bankensektor funktionsfähig ist, das heißt, dass er die Dienstleistungen, die die Realwirtschaft benötigt, erbringen kann. Deswegen müssen wir international und national bei der Regelsetzung immer auch im Blick haben, wie strenge Regeln auf die Funktionsfähigkeit der Kreditwirtschaft und damit auf die Realwirtschaft wirken. Dabei spielen die Interessen der Banken selbst nur eine untergeordnete Rolle, es gibt also streng genommen kein Verständnis, nur Verstehen.

Sie sagten, für Europa sei der Zeitplan für Basel III ambitioniert, aber erfüllbar, was ist mit dem Rest der Welt?

Damit es funktioniert, müssen alle wesentlichen Finanzplätze Basel III einführen. Ziel ist es, die Widerstandsfähigkeit der Bankenindustrie weltweit zu stärken und die identifizierten Schwächen zu beseitigen. Das kann nur dann erfolgreich sein, wenn in allen Finanzzentren die gleichen Regeln herrschen. Die Krise hat uns ja deutlich vor Augen geführt, wie verflochten und damit abhängig die Marktteilnehmer untereinander sind. Es nützt also nichts, wenn in Europa beispielsweise widerstandsfähige Banken geschaffen werden, in anderen Kontinenten dagegen nicht.

Darüber hinaus können wir als Aufsicht nur erfolgreich sein, wenn wir Möglichkeiten zur Regulierungsarbitrage minimieren. Denn das Geschäft wandert dorthin, wo es weniger stark beaufsichtigt wird und dementsprechend geringere Kosten verursacht. Wenn beispielsweise Verbriefungsstrukturen in Europa sehr teuer werden, in den USA dagegen nicht, ist wenig gewonnen. Von daher ist der von den G20 im Jahr 2008 eingeschlagene Weg, ein weltweites "Level Playing Field" zu schaffen, der einzig richtige.

Nun gibt es aber von den USA immer noch kein ganz klares Signal: Auf einer Skala von "1 - glaube ich nicht" bis "10 - glaube ich voll", wie würden Sie die Wahrscheinlichkeit einschätzen, dass die USA doch noch mitziehen?

8! Die USA können sich dem weltweiten Druck nicht entziehen. Alle wesentlichen Finanzplätze von Tokio über Singapur bis Brasilien haben erklärt, Basel III umzusetzen. Ob die USA Basel III allerdings schon zum 1. Januar 2014 umsetzen, weiß ich nicht.

Verfehlt die Regulierung nicht ihr Ziel? Eine Lehre aus den vergangenen Erlebnissen war doch, dass Banken zu groß sind. Gerade in den USA sind die Banken infolge der Krise aber eher gewachsen, denn geschrumpft. Und die Marktbereinigung erfolgte nicht etwa bei den großen Häusern, sondern bei den kleinen und mittleren.

In Deutschland ging die Krise vor allem mit einem Schrumpfungsprozess einher. Bei vielen großen deutschen Häusern sind Strukturen heute weniger komplex, ausländische Töchter wurden verkauft und die Bilanzsummen sind gesunken.

Und zum Stichwort Marktbereinigung ist zu sagen: Ja, es sind oft kleinere Institute, die aus dem Markt ausscheiden. Das liegt auch an den mitunter sehr komplexen Rechtsverhältnissen, mit denen Aufseher vor allem bei international tätigen Instituten konfrontiert sind. Es ist ausgesprochen schwierig, ein Institut abzuwickeln und die Gläubiger zu schützen, wenn ein Teil nach deutschem, ein anderer Teil nach englischem, japanischem oder US-amerikanischem Recht zu behandeln ist. Das deutsche Restrukturierungsgesetz macht an den deutschen Grenzen halt. Und es ist auch nicht einfach auf andere Länder übertragbar, was mitunter behauptet wird. Die Rechtssysteme sind unterschiedlich, haben andere Ziele und sind selbst in der Art des Handelns nicht miteinander vergleichbar. Um diese Unterschiede auszugleichen, braucht es ein globales Insolvenzrecht.

Nun sind aber nicht nur die Rechtssysteme, sondern die kreditwirtschaftlichen Strukturen selbst höchst unterschiedlich in den verschiedenen Ländern. Deutsche Bankengruppen weisen darauf immer wieder hin und wollen Erleichterungen beziehungsweise Ausnahmen. Kann man das verstehen, und wie viele Ausnahmen verträgt ein einheitlicher Rechtsrahmen?

Das ist so ziemlich die schwierigste und drängendste Frage in der europäischen Regelsetzung. Zunächst werden im Baseler Ausschuss einheitliche Regeln für international tätige Banken aufgestellt. Über die Fußnoten, und davon gibt es einige im Regelwerk, wurde den Unterschieden in den Markt- und Rechtsstrukturen der Systeme aber durchaus Rechnung getragen. Für Deutschland erinnere ich an dieser Stelle nur an die Genossenschaftsanteile oder an bestimmte sparkassentypische Kapitalinstrumente. Bei der europäischen Gesetzgebung werden dann ein weiteres Mal die Besonderheiten der jeweiligen Märkte berücksichtigt. Es wird aber nie gelingen, allen Besonderheiten in den 27 Mitgliedstaaten der EU Rechnung zu tragen. Ich kann daher einige, aber bestimmt nicht alle Forderungen deutscher Bankengruppen nachvollziehen.

Was hätten Sie gerne noch geändert, was bislang nicht ausreichend berücksichtigt ist?

Mit den Konzentrationsrisiken haben wir uns meines Erachtens noch nicht genug beschäftigt. Dazu gehören auch weltweit gültige Regeln über Großkredite; hier arbeitet der Baseler Ausschuss an einem neuen Standard. Betrachte ich die deutschen Besonderheiten, dann fallen einige "Spezifika" zu Recht weg, einigen anderen trauere ich nach. Ein Beispiel für Letzteres sind die stillen Reserven nach § 340 f HGB.

Diese werden im europäischen Kontext künftig nicht mehr als Eigenkapital anerkannt. Für einen Aufseher hatten diese "stillen" Reserven aber auch etwas Gutes - die Banken waren nach außen weniger anfällig für Ergebnisschwankungen.

Die wirkliche Herausforderung wird aber die Entwicklung der technischen Standards zu CRD IV sein, mit denen die EBA beauftragt wurde. Dies sind rund 70, die viele, in Basel III mit Absicht grob formulierte Regeln, konkretisieren werden. Hier müssen wir darauf achten, dass Gleiches gleich und Ungleiches ungleich behandelt wird.

Welche Einflussmöglichkeiten hat die Deutsche Bundesbank, die deutsche Aufsicht an dieser Stelle?

Generell hat Deutschland eine Stimme bei der EBA. Die Abstimmung über die technischen Standards erfolgt jedoch nach den Grundlagen des "Lissabon-Vertrags": Das Stimmengewicht hängt damit von der Bevölkerungszahl der Mitgliedsländer ab. Deutschland hat gemeinsam mit Frankreich, Großbritannien, Italien sowie Spanien und Polen die höchste Stimmenzahl. Wir müssen also für die Berücksichtigung der deutschen Interessen nach wie vor viel Überzeugungsarbeit leisten.

Transparenz versus geringere Volatilität - was ist Ihnen als Aufseherin lieber?

Das kann ich nicht eindeutig beantworten. Als Aufseher schätze ich den kleinen Puffer, der Volatilitäten ausgleicht und letztendlich für stabilere Verhältnisse sorgt. Auf der anderen Seite wird über eine verstärkte Transparenz ein gewisses Maß an Marktdisziplin erreicht, die ein Ins trument der Aufsicht sein kann und ebenfalls einen Beitrag zur Systemstabilität leistet.

Bei dieser Diskussion darf man aber nicht unterschätzen, wie wichtig es ist, in welcher Tradition und in welcher gewachsenen Kultur sich die Unternehmen bewegen. Angelsächsische Kunden und Investoren reagieren auf Volatilitäten aufgrund jahrhundertelanger Kapitalmarkterfahrung anders, sehr viel gelassener als beispielsweise deutsche. Auch das sollte für die Regeln eine Rolle spielen.

Egal für was man sich entscheidet, mehr Transparenz und damit mehr Volatilität oder andersherum, es ist wichtig, dass das Rechtssystem insgesamt in der Balance ist, Zielkonflikte erkennt und einem bestimmten Ziel deutlich den Vorrang gibt. Verstärkte Transparenz hat Investorenschutz zum Ziel, geringere Volatilität zielt dagegen vornehmlich in Richtung Instituts- und Gläubigerschutz. Wenn das zugrunde liegende Gesetz den Gläubigerschutz als Ziel definiert, einige Regeln aber klar und eindeutig auf den Investorenschutz zu geschnitten sind, dann entstehen Ziel konflikte. So wurden in Deutschland Teile des angelsächsischen Gedankens des Shareholder-Value und Investorenschutzes über nommen, aber der größte Teil der Rechtsgrundlagen nach KWG zielt auf den Gläubigerschutz. Das passt nicht immer.

Wenn man folgende Tatbestände als einige der wesentlichen Auslöser der Krise festmacht - hohe Liquidität im Markt, hohe Abhängigkeit von externen Ratings, undurchschaubare Finanzprodukte, ein unregulierter Schattenbanksektor - so gewinnt man den Eindruck, gegen diese Probleme wurden bislang zu wenig Maßnahmen ergriffen. Warum?

Dieser Eindruck ist falsch, auch wenn Sie die Wahrnehmung, dass noch nicht viel passiert ist, mit vielen in der Öffentlichkeit teilen. Basel 2.5 hat Geschäfte, deren Risiko unterschätzt wurde, um einiges teurer gemacht. Als Reaktion haben sich einige Banken aus diesen Geschäften zurückgezogen. Diese Maßnahme war also erfolgreich, vielleicht sogar zu erfolgreich, denn es wird bereits wieder über Änderungen diskutiert. Basel III macht Banken widerstandsfähiger gegen externe Effekte, dies gilt erst recht für die sogenannten G-SIFIs, die noch höhere Puffer vorhalten müssen.

Zudem hat sich auch die Aufsichtspraxis erheblich verändert. Mit dem Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktaufsicht aus dem Jahre 2009 gibt der deutsche Gesetzgeber der Aufsicht eine andere Stoßrichtung und Instrumente in die Hand, mit denen durchgegriffen werden kann. Wir können jetzt sehr viel früher eingreifen, nämlich nicht erst dann, wenn sich das Risiko schon fast realisiert hat. Wir prüfen die Tragfähigkeit der Geschäftsmodelle, auch mit Hilfe von Notfallplänen und Stresstests - auch wenn BaFin und Bundesbank die Geschäftspolitik der Institute weder genehmigen noch ablehnen. Vielmehr haben Handlungen der Banken immer auch veränderte Anforderungen der Aufsicht zur Folge. Wenn also ein neues Geschäftsfeld bearbeitet wird, dann informieren wir uns im Detail über die Umfeldbedingungen, die Wettbewerbssituation und darüber, in welchem Bereich das betroffene Institut einen komparativen

Vorteil aufweisen kann. Es muss eben nicht nur ausreichend Kapital, sondern auch Personal im Risikomanagement und auf der Abwicklungsseite vorhanden sein. Da gibt es viele Ansatzpunkte nachzufragen. In dieser neuen Rolle diskutieren die Aufseher die Pläne mit Vorständen und Aufsichtsräten hinsichtlich Plausibilität und ihren Ambitionen.

Schließlich war eine Lehre aus der Krise, dass bei der Einzelinstitutsaufsicht die makroökonomischen Risiken nicht ausreichend berücksichtigt worden sind. Durch eine stärkere Verknüpfung von makroökonomischen Erkenntnissen mit der Institutsaufsicht können risikobehaftete Entwicklungen besser und früher erkannt werden. Stellen diese eine Gefahr für das Finanzsystem dar, gilt es, entsprechende Gegenmaßnahmen auszuarbeiten und zu kommunizieren. Dies geschieht im neu geschaffenen Ausschuss für Finanzstabilität, der aus Vertretern des Bundesministeriums für Finanzen, der BaFin und der Bundesbank besteht.

Es ist also sehr viel passiert, was die Finanzsysteme deutlich sicherer macht. Aber das meiste sind Maßnahmen, die so von der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen worden sind und werden. So entsteht manchmal der Eindruck, es wurde nichts getan.

Hätte eine bei der EZB angesiedelte, übergeordnete europäische Aufsicht gerade mit Blick auf die Ratingagenturen, die Schattenbanken und die Finanzprodukte mehr Durchschlagskraft als das Konglomerat aus nationalen Aufsehern?

Reicht Ihnen das zusätzliche Aufsichtsmandat für die EZB nicht? Meines Erachtens sollte die EZB erst einmal alle Energie in die Errichtung der europäischen Bankenaufsicht stecken. Das wird komplex genug. Aber auch die Beaufsichtigung des Schattenbankensektors ist schwieriger als zunächst gedacht. Da es zu wenige Informationen über diesen Sektor und die Schnittstellen zu "gewöhnlichen" Banken gibt, ist es bisher kaum möglich, die wirkungsvollsten Maßnahmen zu identifizieren. Da es keinen Sinn macht, ins Blinde hinein zu regulieren, gilt es daher erst einmal, alle Schnittstellen und Verbindungen zwischen beiden Sektoren auszuloten und Informationen darüber zu sammeln. Dafür bedarf es konkreter Meldepflichten, denen alle relevanten Akteure unterliegen sollten. Deren Einführung kann man aber nur auf globaler Ebene erfolgreich koordinieren, also über die G20 und das Financial Stability Board. In Europa koordiniert der ESRB die Initiativen zur makroprudenziellen Überwachung.

Sie haben die Vielfältigkeit der Schattenbankaktivitäten angesprochen, aber selbst für die normalen Banken gibt es inzwischen eine Fülle an Regelungen: Macht das das Finanzsystem wirklich sicherer oder entstehen nicht neue Risiken durch noch nicht absehbare gegenläufige Wirkungen?

Basel 2.5 und Basel III sind die Kernpakete und für stabilere Finanzsysteme unerlässlich. Auch der Zuschlag für besonders systemrelevante Banken ist richtig. Die Leverage Ratio ist eine Ergänzung, sollte aber nicht die treibende Kraft sein, da sonst Anreizstrukturen entstünden, die sich nicht am Risiko des Geschäftes orientieren.

Mit Blick auf all die anderen Maßnahmen halte ich nahezu jede einzelne von ihnen isoliert betrachtet für gerechtfertigt. Es ist allerdings noch nicht eindeutig erkennbar, wie sich die Summe der einzelnen Bausteine auf die Kreditwirtschaft und damit auch auf die Fähigkeit der Kreditwirtschaft auswirken wird, der Realwirtschaft zu dienen. Deswegen sollte das Beschlossene nicht nur konsequent umgesetzt, sondern auch die Wirkungen sehr genau beobachtet werden.

Bekommt man dafür die Zeit, angesichts ständig neuer Skandalmeldungen aus den Banken oder wollen Politiker nicht vielmehr ganz schnell Handlungsfähigkeit beweisen?

Dafür müssen wir werben, denn sonst sind auch negative Auswirkungen der Bankenregulierung auf die Realwirtschaft nicht auszuschließen.

Seit Kurzem gibt es nun auch strenge Vorgaben hinsichtlich der Gehälter von Managern und den Boni-Regelungen auf europäischer Ebene? Wie beurteilt das eine Aufseherin, macht die Einschränkung von leistungsabhängigen Bezügen Geschäfte wirklich unattraktiver und damit das Finanzsystem stabiler?

Eine Beschränkung der Boni war schon aus politischen und gesellschaftlichen Gründen notwendig; alles andere wäre schlicht nicht konsensfähig gewesen. Den größten Erfolg werden wir aber nur dann verzeichnen, wenn wir auch in den Vergütungsregeln das richtige Anreizsystem implementieren - das heißt, dass Risiken, die sich erst nach einem gewissen Zeitraum realisieren, zulasten der zurückgehaltenen Boni gehen müssen. Und da könnten die Zeiträume, in denen vor allem hohe Boni zurückgehalten werden, durchaus noch verlängert werden. Und damit das Ganze optimal greift, braucht es eine weltweite Vereinbarung der wesentlichen Finanzzentren.

Welche Wirkungen würde ein Trennbankensystem haben?

Das kommt darauf an, wie es konkret ausgestaltet ist und auf welche Marktstrukturen es trifft. Für Angelsachsen ist ein Trennbankensystem mit ganz anderen Auswirkungen verbunden als für Kontinentaleuropäer, da in angelsächsischen Ländern der Anteil der Finanzierung durch Banken sehr viel geringer und das ganze Geschäft insgesamt kurzfristiger ausgerichtet ist.

Auch spielt es eine Rolle, was Sie mit der Trennung bezwecken. Dem deutschen Vorschlag gelingt es beispielsweise, einen Teil der mit der Abwicklung von Instituten verbundenen Fragen zu beantworten. Die Abwicklung von Instituten wird mit ihm etwas einfacher werden, weil er Komplexität reduziert.

Wie kann das konkret funktionieren, bestehende Banken aufzuspalten?

Im Kern geht es darum, das Eigengeschäft der Institute vom Kundengeschäft und den sehr risikoreichen Geschäften zu separieren. Damit wollen wir verhindern, dass zum Beispiel gesicherte Einlagen spekulative Handelsgeschäfte quersubventionieren - und im Fall der Fälle zur Deckung von Verlusten aus solchen Geschäften herangezogen werden müssen. Welche konkreten Modelle dafür infrage kommen, muss sich erst noch herausbilden.

Wäre es nicht viel einfacher, die riskanten Eigengeschäfte über höhere Kosten in Form von Eigenkapital unattraktiver zu machen?

Das würde in eine Richtung wirken; damit würde die Abwicklungsfähigkeit allerdings nicht verbessert und die Kundeneinlagen weiterhin als Refinanzierungsmittel für die Eigengeschäfte der Banken zur Verfügung stehen.

Wie beurteilen Sie aktuell die Lage der deutschen Banken - was stimmt Sie zuversichtlich, was beunruhigt Sie?

Die wirtschaftliche Lage der Kreditwirtschaft befindet sich in einer Seitwärtsbewegung. 2012 war kein schlechtes Jahr, aber es war auch nicht überragend. Der Blick auf die Ertragskomponenten zeigt, dass die weniger volatilen operativen Erträge im Durchschnitt zurückgegangen sind. Der Zinsüberschuss war aufgrund des niedrigen Zinsumfeldes rückläufig, die Provisionsüberschüsse leiden unter der Zurückhaltung der Anleger.

Dafür waren die Handelsergebnisse spürbar besser, was zu dieser Seitwärtsbewegung führt. Betrachtet man noch die Bewertungsergebnisse, sind diese zwar leicht gestiegen, die Vorsorge liegt aber noch immer deutlich unter dem, was in früheren Jahren im Schnitt üblich war.

Der Wettbewerb um Kunden auf der Aktiv- und Passivseite der Bilanz wird in den nächsten Jahren nicht abnehmen; ob Handels- und Bewertungsergebnisse weiterhin so erfreulich bleiben, darf zumindest bezweifelt werden. Von daher ist das Hauptthema der Institute, die Kostenstrukturen zu senken und zu optimieren. Daran hängt die Frage, ob es für knapp 2 000 Mittelstandsbanken ausreichend Kunden gibt. Daher gehe ich davon aus, dass auch der Konsolidierungsdruck zunehmen wird.

Der Wettbewerb um die Einlagen deutscher Sparer ist voll entbrannt, die deutsche Aufsicht sieht es nicht gerne, wenn diese Mittel zur Refinanzierung internationaler Konzerne aus dem Ausland verwendet werden. Wie kann Sie das verhindern?

Diese Aussage ist mir zu pauschal. Sie wollen auf die gruppeninternen Kredite hinaus, die von allen verantwortlich handelnden Aufsehern einer näheren Betrachtung unterzogen werden. Da jedes einzelne Institut für sich allein genommen die bankaufsichtlichen Vorschriften wie die zur Risikotragfähigkeit einhalten muss, gibt es hier sowohl über die Säule 1 als auch über die Säule 2 durchaus Eingriffsmöglichkeiten, ohne ein "Group Treasury" generell infrage zu stellen oder gar zu verbieten.

Das niedrige Zinsumfeld führt zu einer Zunahme der Sichteinlagen und gleichzeitig dem verstärkten Wunsch der Kunden nach langfristiger Finanzierung: Aus dieser Fristentransformation entstehen Risiken - sind die beherrschbar?

Die beschriebene Entwicklung führt zu zwei Arten von Risiken: Einmal einem Liquiditätsrisiko, das ich für deutsche Banken derzeit nicht sehe. Sie profitieren aktuell davon, dass Deutschland als sicherer Hafen angesehen wird.

Daneben gibt es die aus den unterschiedlichen Fristigkeiten entstehenden Zinsänderungsrisiken. Diese können über verschiedenste Instrumente gesteuert und beispielsweise durch Swaps abgesichert werden.

Das kostet aber wiederum Geld und geht zulasten des Zinsüberschusses.

Das ist völlig richtig, aber notwendig, wenn Institute das daraus entstehende Risiko nicht tragen können.

Um die Auswirkungen von Zinsanstiegen abzuschätzen, werden in den Häusern Zinsschocksimulationen durchgeführt. Bei Instituten, die bei einer Änderung des Zinses um 200 Basispunkte mehr als 20 Prozent ihrer Eigenmittel verlieren würden, erfolgt eine engere Begleitung durch die Aufsicht. Wir nehmen dann die Steuerung der Bank, die Risikotragfähigkeit und die Geschäftspolitik genau unter die Lupe.

Stimmt die Arbeitsteilung zwischen der BaFin und der Bundesbank und was würde ein europäisches Aufsichtsregime verändern?

Die Arbeitsteilung funktioniert sehr gut.

Wie wichtig ist auch unter einem europäischen Aufsichtsregime der gedankliche Ansatz einer Allfinanzaufsicht?

Durch den Übergang der Bankenaufsicht auf die europäische Ebene wird dieser Grundgedanke zunächst einmal ein Stück weit durchbrochen. Und viele sind der Auffassung, dass das Allfinanzmodell sich nicht bewährt hat. Ich sehe immer noch Vorteile darin, den Markt und die Marktteilnehmer aus einer Gesamtperspektive zu betrachten. In der Bundesbank bringen wir über ein anderes System die Erkenntnisse aus verschiedenen Disziplinen zusammen:

Die makroökonomischen Entwicklungen über unsere volkswirtschaftliche Abteilung, die Marktkenntnisse über die Kollegen, die am Markt teilnehmen, die Informationen zu den Banken aus der laufenden Aufsicht, Analysen zum Zahlungsverkehr und über die gute Zusammenarbeit mit der BaFin auch Informationen aus dem Versicherungssektor. Das ermöglicht einen Gesamtüberblick über die Stabilität des Finanzsystems.

Ab wann muss sich eine Aufsichtsbehörde auch mit Internetdienstleistern oder Telefonunternehmen näher beschäftigen?

Die Aufsicht beschäftigt sich mit solchen Unternehmen spätestens dann, wenn sie zur Wertschöpfungskette einer Bank gehören, sei es als Anbieter von Bankdienstleistungen oder als Spezialanbieter im Outsourcing. Wir werden aber schon vorher aktiv, wenn erkennbar ist, dass Banken durch ihre Geschäftsverbindungen mit Internetdienstleistern oder Telefonunternehmen wesentliche Risiken entstehen.

Eine abschließende Frage: Sind Sie auch in zehn Jahren noch Bankenaufseherin oder gibt es dann nichts mehr zu beaufsichtigen, weil es keine Banken mehr gibt?

Es wird auch in zehn Jahren noch Bankenaufseher geben, denn selbst wenn sich die Strukturen massiv verändern werden, wird es immer noch Unternehmen geben, die Einlagen entgegennehmen und die Volkswirtschaft mit Krediten versorgen. Egal wie diese Unternehmen heißen, sie müssen auf jeden Fall beaufsichtigt werden. Denn dass die Selbstkontrolle des Marktes nicht klappt, wissen wir inzwischen zur Genüge.

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