Gespräch des Tages

Landesbanken - Verschobene Gewichtungen

Die Vorwürfe sind nicht neu. Sie haben aber im Zuge der Finanzmarktkrise eindeutig an Schärfe zugenommen. Kreditinstitute ohne ausreichendes Geschäftsmodell verdienen am Markt keine echte Überlebenschance. Mit dieser angriffslustigen Kernaussage prangern Kritiker die unverändert feste Verankerung der Landesbanken in der Einflusssphäre der öffentlichen Hand an und ermahnen die zuständige Landespolitik und/oder die verantwortlichen Gremien der verbliebenen Häuser zur Konsolidierung der Szene. Besonders heftig wurden solche Einlassungen seit der Aufdeckung immer neuer greifbarer Belastungen der Landesbanken seit Herbst vergangenen Jahres. In den frühen Runden dieser Aufklärungs- und Bereinigungsarbeit in Deutschland durfte man zuweilen den Eindruck haben, als wären - neben der IKB - allein sie von den Widrigkeiten betroffen. Dann haben sich über den Winter bis in das Frühjahr und den Sommer 2008 hinein die Gewichte der wahren Belastungen im internationalen Finanzgefüge kräftig relativiert. Es gab bekanntlich eine Welle von Kapitalerhöhungen, bemerkenswerte Übernahmen und Verkäufe von Unternehmensteilen sowie den Einstieg von Staatsfonds bei ehedem feinsten privaten Finanzadressen. Fast zeitgleich mit dem Herbstbeginn wurden dieser Tage dann binnen einer einzigen Woche die verbliebenen vier amerikanischen Investmentbanken vom Markt gefegt.

Mit einer gewissen Genugtuung mögen einige der so arg gescholtenen Landesbanken diese jüngsten Finanzmarktentwicklungen in den USA als ein notwendiges Zurechtrücken der Verhältnisse empfinden. Schließlich hat der Kapitalmarkt unter den aktuellen Gegebenheiten die Geschäftsmodelle eben jener Investmentbanken als untauglich bewertet, deren Renditekennziffern noch vor zwei oder drei Jahren als leuchtende Beispiele und Benchmark für einen kläglichen Landesbankensektor gefeiert wurden. Aber schadenfrohe Zwischenrufe aus diesem Kreis sind sicherlich fehl am Platze. Denn anders als die börsennotierten Aktienbanken müssen sich die sieben verbliebenen Landesbanken eben nicht der täglichen Bewertung der Aktienbörse mit all ihren spekulativen Elementen stellen. Sondern sie haben quasi eine institutionalisierte Schonfrist zur Anpassung ihrer Risikotragfähigkeit und ihrer Geschäftsmodelle. Der größte Konsolidierungsdruck, so hat man im sparkassenpolitischen Meinungsbildungsprozess den Eindruck, kommt derzeit aus der Behandlung der angemeldeten Verfahren zu den diversen Beihilfeprüfungen aus Brüssel.

Unruhe über die diesbezüglichen Eingriffe in die weitere strategische Ausrichtung der Sparkassenorganisation ist nicht nur in Hessen-Thüringen zu spüren (siehe ZfgK 18-2008), sondern wird bewusst lanciert oder öffentlichkeitswirksam recherchiert - bei nahezu jeder überregionalen S-Gremiensitzung deutlich. Die kürzlichen Spekulationen über eine Befassung des Dekabank-Verwaltungsrates mit wie auch immer gearteten Kooperationsüberlegungen mit der WestLB sind nur ein Beispiel von vielen. Von einer selbstverordneten Schweigepflicht ist jedenfalls angesichts divergierender Interessen auf verschiedenen Sparkassenebenen wenig zu spüren.

Angesichts des gerade von Seiten der Wettbewerber kritisierten Beharrungsvermögens der deutschen Landesbankenlandschaft und vieler spekulativer Sandkastenspiele der S-Branche selbst nähert sich die Redaktion auf einem anderen Wege möglichen Konstellationen an. Wenn sich die Vorstandsvorsitzenden der sieben verbliebenen Landesbanken im vorliegenden Heft zu ihren aussichtsreichen Wachstumsfeldern äußern, so die Hoffnung, lässt sich daraus vielleicht der eine oder andere Schluss auf die bevorzugte Grundausrichtung nach einer Konsolidierung ziehen. Betrachtet man vor diesem Hintergund die Kernaussagen der Landesbanker, so zeigen sich zumindest vier Auffälligkeiten.

Zum einen haben insbesondere die HSH Nordbank und die Nord-LB vergleichsweise deckungsgleiche Vorstellungen von ihren Wachstumsfeldern. Natürlich bekennen sich beide zum Sparkassengeschäft in ihren Regionen und dessen Begleitung ins Ausland, und die Nord-LB betont auch ihre historisch gewachsene Verankerung im Privatkundengeschäft in Braunschweig und Bremen. Aber ansonsten offenbaren sich in den Bereichen Schiff- und Luftfahrt, Infrastrukturinvestitonen sowie Erneuerbare Energien erhebliche Schnittmengen in den angestrebten Wachstumsfeldern. Zum zweiten wird seitens der LBBW, der Bayern-LB und der Helaba ausdrücklich die komplementäre Bedeutung des Retailgeschäftes betont und unter dem unterschiedlichen Blickwinkel der hauseigenen Schwerpunkte dessen weiterer Ausbau angekündigt. Privatkundengeschäft betreibt zum dritten in ihrer Sparkassenfunktion für den Standort Berlin auch die Landesbank Berlin. Aber ansonsten wird dort nicht unerwartet die Idee eines nützlichen Spezialdienstleisters für die gesamte S-Primärbankebene angesprochen. Seitens der aus Brüssel am stärksten geknechteten WestLB schließlich klingt die Suche und Abwägung der möglichen Lösungswege für die eigene Restrukturierung derzeit nach einer Absage an die Vertikalisierung und nach Hinwendung zu einer Kombination aus horizontaler Konsolidierung und Funktionalisierung.

Eine andere Grundsatzfrage für die künftige Entwicklung im Sparkassensektor bleibt in der aktuellen Diskussion freilich außen vor. Wurde noch vor wenigen Jahren auch an dieser Stelle von einem Sparkassensektor der Regionen geschrieben, so ist heute ein stärker zentralisierter Sparkassenansatz zu beobachten, wie er beispielsweise in dem Erwerb der LBB gipfelte. Auch dieser Paradigmenwechsel mag eine wesentliche Ursache für die derzeitigen Schwierigkeiten sein, eine gemeinsame Ausrichtung zu finden.

In der Schweiz beobachtet man das übrigens alles viel gelassener (siehe Beitrag Hess). Auch die dortigen Kantonalbanken legen allergrößten Wert auf ihren regionalen Bezug. Hinsichtlich ihrer größeren Spielräume bei der Ausgestaltung von Rechtsform, Staatsgarantie und Eigentumsverhältnissen fühlen sie sich damit aber weder in ihrem Selbstverständnis noch in ihren Möglichkeiten zur Marktausschöpfung ungebührend eingeengt. In Deutschland werden nun die Engagements bei Lehman Brothers einige der Landesbanken mit einem weiteren Bereinigungsbedarf konfrontieren. Und bis zum Erscheinungstermin dieser Ausgabe ist mit dem Vollzug der bayerischen Landtagswahl auch ein weiterer Störfaktor beseitigt. Eigentlich kann die Konsolidierung der Landesbanken jetzt in ihre entscheidende Phase treten.

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