Gespräch des Tages

Konjunktur - Anleihe beim Fußball

Die Commerzbank hat Anfang November angekündigt, massive Kosteneinsparungen umsetzen und gleichzeitig spürbar in (technische) Neuerungen investieren zu wollen. Auf den ersten Blick klingt dieses Konzept widersprüchlich oder zumindest halbherzig. Aber mit dieser Art ihrer strategischen Ausrichtung liegt die Frankfurter Großbank offenbar im aktuellen Trend der deutschen Wirtschaft. Darauf deuten jedenfalls die Ergebnisse einer Befragung von Chief Financial Officers durch die Beratungsgesellschaft Deloitte hin, deren Ergebnis mit dem aus dem Fußball übernommenen Schlagwort von der "kontrollierten Defensive" umschrieben sind. Als strategische Prioritäten für die nächsten zwölf Monate bauen die CFOs bei allem wachsenden Pessimismus hinsichtlich der Konjunkturentwicklung nicht nur auf defensive Elemente in Form von Kostensenkungen (63 Prozent), sondern gleich an zweiter und vierter Stelle auf die Einführung neuer Produkte und Dienstleistungen (51 Prozent) und die Expansion in neue Märkte (32 Prozent), also durchaus offensive Varianten. Dass als besondere Herausforderung im eigenen Verantwortungsbereich eine Verbesserung der Strategieumsetzung (47 Prozent) und der Entscheidungsunterstützung gesehen wird, unterstreicht auch vom eigenen Selbstverständnis her einmal mehr den Wandel des CFO von einer Kontrollinstanz zu einem strategischen Sparringspartner für den CEO.

Im September und Oktober 2012 nach den aktuellen Konjunkturaussichten und ihren Erwartungen und Planungen für die absehbare Zukunft befragt, haben sich die CFOs von 125 großen deutschen Unternehmen in ihrer Grundhaltung zur Konjunkturentwicklung gegenüber der Frühjahrbefragung eindeutig pessimistischer geäußert. Eine sehr hohe Zahl von 91 Prozent - das sind noch einmal stattliche elf Prozentpunkte mehr als in der Frühjahrsumfrage - stuft das Niveau der Unsicherheit als überdurchschnittlich ein. Und quer über alle Branchen hinweg werden das instabile Finanzsystem (43 Prozent), gefolgt von einer schwächeren Inlandsnachfrage (37 Prozent) und steigenden Energiekosten als größter Risikofaktor gesehen.

Bei aller Skepsis über die Erfolgsaussichten einer Griechenland-Rettung ist die akute Gefährdung der Eurozone derzeit nicht mehr die Kernursache für den wachsenden Pessimismus der Unternehmensführer, sondern es sind nach dem mehr oder weniger deutlichen politischen Bekenntnis zu einem Verbleib von Hellas eher die fundamentalen Entwicklungen. Strukturreformen (98 Prozent) und Haushaltskonsolidierung (96 Prozent) stehen auf der Agenda zur Lösung der Euro-Krise ganz oben. Auch der Weg zu einer EU-Fiskalunion mit zentralisiertem Budgetrecht (61 Prozent) findet noch eine Mehrheit bei den Befragten. Und bei allem Appell an die Selbstverantwortung erreichen daneben Konjunkturprogramme für die Krisenländer (78 Prozent) eine vergleichsweise breite Zustimmung.

Der im halbjährlichen Turnus erstellte CFO-Survey wird mit teilweise deckungsgleichen oder ähnlichen Fragen international in mehreren Ländern erhoben. Ob sich seine Auswertung für Deutschland neben dem Ifo Geschäftsklimaindex und den ZEW Konjunkturerwartungen als dritter Frühindikator für die wirtschaftliche Entwicklung etablieren kann, hängt im heutigen Entwicklungsstadium nicht zuletzt davon ab, ob der Initiator jene Eigenschaft aufweist, die in der Finanzbranche derzeit so sehr vermisst wird - den Mut und das Durchhaltevermögen zu langfristiger Aufbauarbeit.

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