Gespräch des Tages

Kapitalmarkt - Völliger Kurswechsel bei "Tarp"

Michael Altenburg, Luzern, schreibt der Redaktion: "Hank Paulson, (noch) US Treasury Secretary, hat in einer Pressekonferenz am 12. November 2008 bekannt gegeben, dass er das von ihm im September vorgeschlagene und Anfang Oktober gesetzlich verabschiedete Troubled Assets Relief Program (Tarp) über 700 Milliarden US-Dollar nicht, wie vorgesehen, zum Einsammeln von Toxic Waste, also Subprime Paper, einsetzen wird, sondern zur Rekapitalisierung angeschlagener Banken. Das ist eine recht weitherzige Auslegung der ihm vom US-Congress eingeräumten Vollmachten.

Er begründet diesen 'Wechsel der Prioritäten', den man auch als 180 Grad Kurswechsel bezeichnen könnte, mit 'neuen Fakten', die er sich zu berücksichtigen genötigt gesehen habe. Gleichzeitig räumt er Schwierigkeiten bei der Bewertung der Troubled Assets ein. Das kann man auch so interpretieren, dass Paulson ein Risiko sieht, den angeblichen Toxic Waste nur zu einem Kursniveau einsammeln zu können, das den Banken Zuschreibungen in Milliardenhöhe auf bereits extrem wertberichtigte Aktiva erlauben könnte. Das wäre natürlich der Gipfel der Verhöhnung der Steuerzahler, die derartige Windfall Profits zu finanzieren hätten.

Da macht der staatliche Einschuss von Beteiligungskapital bei den Banken mit Upside-Potenzial für die Steuerzahler in der Tat mehr Sinn. Denn wenn, wie Paulson nicht auszuschließen scheint, die mechanische Anwendung des Fair-Value-Prinzip durch Orientierung an dem durch das Shorten von Hedgern deprimierten Subprime ABX Index zu einer substanziellen Unterbewertung von Subprime geführt hat, landet der Windfall beim Steuerzahler.

Wer war der Schurke im Stück? Eigentlich niemand. Aber die von den Wirtschaftsprüfern ausgetüftelten Bewertungsvorschriften waren einfach zu neunmalklug und realitätsfremd in ihrer blinden Gleichgewichtsgläubigkeit. Wenn der Markt nun einmal nicht immer, sondern sozusagen nur ausnahmsweise rational bewertet und zwischen manisch-depressiven Über- und Unterbewertungen oszilliert, muss Marking-to-Market exzessiv prozyklisch wirken. Es ist hohe Zeit, die sämtlich nobelpreisprämierten Gleichgewichtsillusionen der neoklassischen Wirtschaftstheorie aufzugeben und die endogene Instabilität des Finanzmarktes im Sinne von Hyman Minsky stärker zu berücksichtigen. Minsky - und Hank Paulson geht es dabei keineswegs um eine neue Austarierung des Kräfteverhältnisses von Markt und Staat, wie das in Deutschland und in der EU ärgerlicherweise zunehmend Mode zu werden scheint, sondern um die Einführung marktkonformer Mechanismen, die dessen irrationale Oszillationen zu dämpfen geeignet sind."

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