Aufsätze

Kapitalaufnahme von Banken in volatilen Märkten

Die aktuelle Finanzkrise führt eindrucksvoll die Risiken des Bankgeschäfts vor Augen. Eine hohe Bilanzintensität und ein vergleichsweise hoher Verschuldungsgrad sind charakteristisch für Banken. Dies macht sie gegenüber starken Wertschwankungen und eventuellen Wertberichtigungen ihrer Forderungs- und Wertpapierbestände in besonderem Maße anfällig. Banken halten deshalb in der Regel mehr Eigenkapital als vom Gesetzgeber gefordert. Die Sicherung eines für das jeweilige Geschäftsmodell und dessen Refinanzierungsbedarf notwendig erachteten externen Ratings sowie der Aufbau eines wirtschaftlichen Verlustpuffers sind dabei vorrangige Motivation.

Kapitalmaßnahmen für Banken

Bekanntlich können Banken ihren Kapitalkoeffizienten über die Reduzierung von Risikopositionen oder die Erhöhung ihrer Kapitalbasis stärken. Wenngleich risikoreduzierende Maßnahmen (zum Beispiel Verkauf/Risikotransfer von Bestandsaktiva) von Banken durchgeführt werden, soll im Folgenden nicht weiter darauf eingegangen werden.

Im Hinblick auf die Wertberichtigung gewisser Aktiva sind insbesondere die Möglichkeiten zur Kernkapitalbeschaffung von großem Interesse. Die folgenden Kapitalmarktmaßnahmen können dem Kernkapital zugerechnet werden, auch wenn sie nicht immer explizit in den gesetzlichen Vorschriften einzelner europäischer Länder aufgeführt sind:

- Kapitalerhöhung,

- nicht-kumulierende Vorzugsaktien (Non Cumulative Preference Shares),

- Hybridkapital (Tier 1),

- Hybrid Wandelanleihe (Tier 1 Convertible),1)

- Pflichtwandelanleihe (Mandatory Convertible).2)

Aufgrund der vielen Vorteile sind kapitalmarktfähige Banken typischerweise bestrebt, die zulässigen Höchstgrenzen für Hybridkapital stark auszunutzen. Vor allem der deutliche Kostenvorteil gegenüber herkömmlichen Kapitalmaßnahmen war bislang der Grund für das rasante Wachstum des Markts für Hybridkapital.

Auf europäischer Ebene sind Banken momentan unterschiedlich flexibel hinsichtlich der Nutzung der Kernkapitalinstrumente, was zum Großteil auf verschiedene regulatorische Anrechnungsgrenzen zurückzuführen ist. Die aktuellen Vorschläge der CEBS3), die eine Anrechnung von Hybridkapital bis zu 50 Prozent des gesamten Kernkapitals vorsehen, würden zu einer Harmonisierung auf europäischer Ebene führen (Abbildung 1).4)

Kernkapitalbestandteile in den USA

In den USA sind die Bestandteile des Kernkapitals anders definiert als in den meisten europäischen Ländern. Neben den klassischen "harten" Komponenten des bilanziellen Eigenkapitals dürfen unter Berücksichtigung eventueller regulatorischer Abzüge folgende Kapitalmarktinstrumente dem Kernkapital zugeordnet werden:5)

1. Trust Preferred Securities: Diese haben eine Mindestlaufzeit von 30 Jahren und dürfen bis zu einem Volumen von 15 Prozent des gesamten Kernkapitals berücksichtigt werden.

2. Pflichtwandelanleihen (Mandatory Convertibles): Diese können sowohl die Form

von kurzfristigen (bis zu drei Jahren) als auch längerfristigen Instrumenten annehmen, die allerdings bei Fälligkeit in eine Form von Aktien der Bank gewandelt werden müssen. Dabei sind Strukturen erlaubt, die entweder eine Pflichtwandlung in Stammaktien oder in stimmrechtslose Vorzugsaktien vorsehen. Mandatory Convertibles dürfen bis zu 25 Prozent des gesamten Kernkapitals (beziehungsweise weiteren zehn Prozent nach voller Ausnutzung des Trust Preferred Limits) berücksichtigt werden.

3. Nicht-Kumulierende Vorzugsaktien (Perpetual Non Cumulative Preferred Stock): US-amerikanische Vorzugsaktien sind Aktien, die gewisse Elemente von festverzinslichen Wertpapieren beinhalten. Investoren haben einen Anspruch auf eine feste Dividende, wenn diese zahlbar ist, und haben einen vorrangigen festen Anspruch gegenüber Stammaktionären im Liquidationsfall. Emittenten verfügen üblicherweise über ein Kündigungsrecht, was allerdings aus regulatorischen Gründen frühestens nach fünf Jahren gewährt werden darf. Damit sind die Instrumente den europäischen Hybridkapitalinstrumenten sehr ähnlich. Perpetual Non Cumulative Preferred Stock darf bis zu 50 Prozent des Kernkapitals unter Berücksichtigung der unter 1. und 2. beschriebenen Instrumente betragen.

An dieser Stelle soll darauf hingewiesen werden, dass neben der regulatorischen Anerkennung für einige Banken die Behandlung von individuellen Hybridkapitalinstrumenten als auch die Anrechnungsgrenzen dieser Instrumente durch die Ratingagenturen eine wichtige Bedeutung haben. Hybridkapitalinstrumente werden dementsprechend so strukturiert, dass sie unter regulatorischen und Ratinggesichtspunkten eine optimale Anrechnung erfahren, gleichzeitig aber kosteneffizient bei Investoren platziert werden können.

Aktuelle Herausforderungen für Banken Banken sehen sich im Hinblick auf ihre Eigenkapitalausstattung gegenwärtig mit mehreren Herausforderungen konfrontiert:

1. Neben den tatsächlichen Abschreibungen sind es vor allem Bewertungsverluste von an sich gesunden Aktiva, die an der Eigenkapitalbasis zehren (Abbildung 2). Viele Banken befürchten, dass dieser Effekt durch die Einführung von IFRS aufgrund der höheren Bewertungsvolatilität im Vergleich zu nationalen Standards zunehmen könnte. Eine hohe Schwankungsbreite der Aktiva ist insbesondere für diejenigen Banken relevant, die unter den gesetzlichen Vorschriften negative Neubewertungsreserven vom Kernkapital abziehen müssen. Positive Neubewertungsreserven dürfen sie aber nur als Ergänzungskapital anrechnen, und dieses sogar nur teilweise.

2. Der Rückgang des Verbriefungsmarktes ist eine weitere Herausforderung. Die Verbriefung von Portfolios mit anschließendem Verkauf stellt für viele Banken ein Mittel zur aktiven Steuerung ihres Ausfallrisikos und damit auch der erforderlichen Eigenkapitalausstattung dar. Die Nachfrage nach tranchierten Kreditrisiken ist im Zuge der Krise jedoch stark rückgängig. So ist der europäische Verbriefungsmarkt im 4. Quartal 2007 gegenüber den Vorquartalen um mehr als 80 Prozent eingebrochen. Oftmals wurden dabei Transaktionen nicht mit der Motivation, einen tatsächlichen Risiko-Transfer zu bewirken, sondern mit der Ziesl etzung durchgeführt, Bestandsaktiva in zentr albankfähige Wertpapiere umzuwandeln.

3. Daneben gibt es weitere Gründe wie zum Beispiel die regulatorische Hinzurechnung von Asset Backed Conduits oder die aufgrund der Marktsituation fehlende Möglichkeit zur Ablösung von Unternehmenskrediten durch Anleiheemissionen, die zur aktuellen knappen Eigenkapitalausstattung im Bankensektor beitragen.

Entwicklungen auf den Märkten für Kernkapital

Neben den Eigenkapitaleffekten, die sich durch die Finanzkrise ergeben, stellt die Umsetzung von Basel II eine weitere Anforderung an das Kapitalmanagement einer Bank. Die damit voranschreitende Angleichung des regulatorischen an das wirtschaftliche Eigenkapital hat zur Folge, dass die Risikoposition einer Bank stärker als bisher volkswirtschaftliche Entwicklungen reflektieren wird (Pro-Zyklizität).

Die wichtigsten Märkte für Kernkapital haben sich über die letzten Monate durch erhöhte Volatilität und weniger attraktive Finanzierungskosten ausgezeichnet. Während europäische Bankaktien über die letzten neun Monate durchschnittlich um zirka 40 Prozent gefallen sind, haben sich Risikoprämien für Hybridkapital von Banken über denselben Zeitraum um zirka 300 Basispunkte erhöht (Abbildung 3). Gleichzeitig ist das Neuemissionsvolumen für Hybridkapital in Europa signifikant zurückgegangen.

Der Rückgang ist zum einen nachfrageseitig auf die aktuelle Kaufzurückhaltung institutioneller Investoren, zum anderen aber angebotsseitig teilweise auf die prozentuale Beschränkung des hybriden Kernkapitals am gesamten Kernkapital einer Bank zurückzuführen. Daher muss jede Bank folgende Aspekte bei der Aufnahme weiteren Kernkapitals berücksichtigen: Vorhandene regulatorische Limite, Rating-Kapazitäten und Investorennachfrage für die einzelnen Kernkapitalinstrumente sowie deren relative Kostenvorteilhaftigkeit.

Banken haben bisher unterschiedlich auf die veränderten Marktbedingungen reagiert. Insbesondere Banken und Investmenthäuser in den USA haben recht schnell verstärkt Kapital sowohl auf den Kapitalmärkten als auch bei einigen Großinvestoren aufgenommen. Begünstigt wurden die Kapitalmarktmaßnahmen durch ein hohes Kaufinteresse amerikanischer Investoren. Insbesondere Retail-Investoren traten als große Käuferschicht bei Hybridemissionen auf.

Verbreitertes Spektrum bei US-amerikanischen Banken

Die Aktivitäten der US-amerikanischen Banken verdeutlichen dabei, dass das Spektrum der angewendeten Kernkapitalinstrumente in den letzten Monaten breiter geworden ist (Abbildung 4). Die Entscheidungen einzelner Institute für die gewählte Kapitalmaßnahme sind vor dem Hintergrund der noch jeweils vorhandenen regulatorischen Hybridkapital-Kapazität als auch der Behandlung durch Ratingagenturen zu verstehen.

Im Gegensatz zu US-amerikanischen Instituten haben sich europäische Banken in der zweiten Jahreshälfte 2007 eher zurückhaltend hinsichtlich der Kapitalaufnahme verhalten. In dieser Zeit ließen sich zwar noch einige große Kapitalmaßnahmen beobachten, doch waren diese entweder zeitlich zum großen Teil auf wenige Wochen im September und Oktober sowie im Dezember beziehungsweise auf bestimmte Märkte wie dem US-Retailmarkt begrenzt.

Es ist dabei anzumerken, dass ein Großteil der Aktivitäten durch Finanzierungsbedürfnisse für Akquisitionen, insbesondere für ABN Amro, geprägt war. So hat zum Beispiel die Royal Bank of Scotland Kapital in einem Gesamtvolumen von mehr als 6,1 Milliarden Euro in verschiedenen Hybrid-Märkten aufgenommen. Die kurzfristigen Marktfenster waren dabei Emittenten mit starkem Rating vorbehalten.

Allerdings hat sich schon 2007 gezeigt, dass ähnlich wie in den USA das Spektrum der gewählten Kapitalinstrumente breiter geworden ist. Neben "klassischen" Alternativen wie Kapitalerhöhungen und der Emission von Hybridkapital wurden zunehmend Strukturen auf Basis von Wandelanleihen verwendet. Dabei spielten neben der regulatorischen Behandlung in den jeweiligen Ländern auch Überlegungen zu den Ratingagenturen und der Investorenbasis eine Rolle (Abbildung 5).

Die Aktivitäten auf den Kapitalmärkten in 2008 sind bisher begrenzt gewesen. Dieses ist sowohl auf die volatilen Marktbedingungen, insbesondere in den institutionellen Fixed-Income-Märkten, als auch die noch nicht veröffentlichten testierten Jahresergebnisse einiger Banken für 2007 zurückzuführen. Allerdings lässt sich bereits jetzt wiederum der Trend erkennen, dass auf ein breites Spektrum an Kapitalmaßnahmen zurückgegriffen wird (Abbildung 6).

An dieser Stelle soll darauf hingewiesen werden, dass weitere Kreditinstitute ihre Kapitalbasis bereits erhöht beziehungsweise entsprechende Schritte eingeleitet haben. Diese Maßnahmen wurden aber nicht auf Basis einer öffentlichen Trans aktion durchgeführt respektive es wurden dazu keine neuen Investoren auf Basis einer Privatplatzierung angesprochen.

Suche nach dem günstigen Marktfenster

Die oben genannten Beispiele zeigen, dass im momentanen Marktumfeld die jeweils beste Lösung von der bankenspezifischen Situation abhängt. Dabei spielen die individuellen Ziele hinsichtlich regulatorischen Kapitalbedarfs, Ratings und Investorenakzeptanz eine wichtige Rolle. Es kann unter Umständen bei einzelnen Kreditinstituten Einschränkungen hinsichtlich der Verfügbarkeit bestimmter Instrumente aufgrund regulatorischer Limite und Beschränkungen seitens Ratingagenturen geben.

Mit Blick auf ihr Emissionsverhalten werden sich Banken der anhaltenden Marktvolatilität weiter anpassen müssen und noch stärker dazu übergehen, eher opportunistisch günstige Marktfenster zur Kapitalaufnahme zu nutzen.

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