Aufsätze

Investment Banking in volatilen Märkten - Wie wichtig ist der globale Kapitalmarktzugang?

Das Gesicht der internationalen Kapitalmärkte wird nach wie vor von ungelösten strukturellen Problemen im Euroraum und einer sich nur langsam erholenden Wirtschaft in den USA geprägt. Regelmäßige Schlagzeilen zu neuen Rettungspaketen, Rating-Abwertungen und anhaltende Schwierigkeiten einiger südeuropäischer Staaten, insbesondere Griechenlands, verunsichern Anleger und Unternehmer weiterhin. Der Ausblick für die Realwirtschaft ist ungewiss, und Kapitalmärkte reagieren sehr sensibel auf Wirtschaftsmeldungen, die derzeit häufig einen größeren Einfluss auf die Börsenentwicklung haben als Fundamentaldaten der Unternehmen.

Direkter Zugang zu Investoren weltweit

Dieses Umfeld erschwert langfristiges Planen und Investieren. Durch hohe Liquidität und Anlagedruck institutioneller Anleger getriebene Kursrallyes wechseln sich mit makrogetriebenen Rückschlägen an den Börsen ab. Finanz- und Kapitalmärkte und das internationale Investment Banking waren schon immer zyklisch. Gleichwohl ist zu beobachten, dass diese Zyklen in letzter Zeit deutlich kürzer werden und die Volatilität in diesen Märkten insgesamt stark zugenommen hat. Für die Refinanzierung von Unternehmen stellt sich die Frage, ob der direkte Zugang zu Investoren weltweit - also auch außerhalb Europas und Nordamerikas - erschlossen werden sollte.

Während Europa derzeit an die Grenzen seines Wachstums und seiner Leistungsfähigkeit zu stoßen scheint, sind ehemalige Entwicklungsländer, allen voran China, die neuen Motoren des globalen Wachstums. Positive demografische Fundamentaldaten, riesige Investitions- und Bauprojekte sowie die fortschreitende Urbanisierung zunehmend auf Konsum orientierter Gesellschaften sind die Wachstumstreiber.

Ein Phänomen, das vor diesem Hintergrund zu beobachten ist, ist ein zunehmender Paradigmenwechsel im M&A-Markt. Hier kehren sich derzeit Investitionsströme vielfach um. Während noch vor einem Jahrzehnt amerikanische und europäische, dabei nicht zuletzt deutsche Unternehmen, durch Investitionen in Schwellenländern versucht haben, sich den lokalen Marktzugang zu erschließen und auch Produktionskapazitäten auszulagern und Kosten zu senken, zeichnet sich aktuell großes Interesse vor allem asiatischer, aber auch südamerikanischer Investoren an europäischen Unternehmen ab. Im Vergleich zum Vorjahr hat hier im Jahr 2011 die Aktivität, gemessen am Anteil von Transaktionen, bei denen ein nicht-europäisches Unternehmen ein europäisches Unternehmen erworben hat, abermals zugenommen und macht inzwischen nahezu 30 Prozent des gesamten europäischen M&A-Volumens aus. Damit setzt sich ein Trend fort, der bereits seit einigen Jahren zu beobachten ist - allein in den letzten drei Jahren hat sich dieser Anteil mehr als verdoppelt.

Substanz des deutschen Mittelstandes

Gerade in der aktuellen Krise in Europa wird Deutschland als der "Fels in der Brandung" wahrgenommen. In diesem Kontext ist insbesondere die enorme Substanz des deutschen Mittelstandes hervorzuheben, der sich sehr erfolgreich der Globalisierung stellt und über die Jahre durch umsichtiges Wirtschaften eine zunehmend kompetitive Kostenposition und eine sehr gute Eigenkapitalausstattung aufgebaut hat.

Neben einer soliden volkswirtschaftlichen Situation des deutschen Heimatmarktes interessieren sich ausländische Investoren vor allem für das technologische Knowhow und die weltweit führenden Brands deutscher Unternehmen - gerade im Investitionsgütermarkt. Das klassische deutsche Ingenieurswesen und das Gütesiegel "Made in Germany" werden hier in hohem Maße wertgeschätzt. Diese Stärken können dann zur Erschließung des Marktpotenzials auf dem asiatischen Heimatmarkt genutzt werden.

Vor Jahren herrschte hingegen vielfach zu Recht die Sorge vor, dass asiatische Investoren Kapazitäten aus Deutschland und Europa einfach nur nach Asien transferieren. Heute sind Investoren vielfach speziell darauf bedacht, deutsche technologische Markennamen und das damit verbundene Kapital zu erhalten. Das ist nur mit einem Erhalt beziehungsweise mit dem Ausbau der hiesigen Kapazitäten möglich. Vor dem Hintergrund des enormen Wachstumspotenzials und der langfristigen strategischen Relevanz stehen die Kosten von Akquisitionen vielfach weniger im Vordergrund.

In diesem Zusammenhang ist auch die Investition des chinesischen Baumaschinenherstellers Sany Heavy Industry in den schwäbischen Betonpumpenhersteller Putzmeister eine interessante Fallstudie: Putzmeister, ehemals mit Abstand Weltmarktführer für Betonpumpen, hatte lange vor allem auf seinen europäischen Heimatmarkt sowie den bis 2008 sehr starken amerikanischen Markt gesetzt und war dabei so erfolgreich, dass das Unternehmen an seiner Kapazitätsgrenze produziert hatte. Als infolge der Lehman-Pleite und der anschließenden Immobilienkrise in den USA der Markt für Bauprojekte in den USA, aber auch in weiten Teilen Europas quasi über Nacht austrocknete, halbierte sich Putzmeisters Umsatz zwischen 2007 und 2009. Dank eines disziplinierten Restrukturierungsprogramms konnte das Unternehmen die folgenden Jahre erfolgreich bewältigen und in die Profitabilität zurückkehren.

Strategischer Investor gesucht

Ende 2011 war dennoch der Entschluss gefasst worden, einen strategischen Investor zu gewinnen, um Putzmeister als Teil eines größeren Ganzen insbesondere den Marktzugang in China zu sichern. China macht inzwischen annähernd 80 Prozent des Weltmarktes für Betonpumpen aus. Putzmeister hatte zusammen mit der beratenden Investmentbank Morgan Stanley bereits frühzeitig chinesische Unternehmen als attraktivste Erwerber identifiziert und den Verkaufsprozess auf diese Zielgruppe "maßgeschneidert". Neben der komplementären geografischen Präsenz - Sany ist Marktführer für Betonpumpen in China, Putzmeister weltweit mit Ausnahme von China - ist aus chinesischer Sicht die bereits erwähnte deutsche Qualität, technisches Know-how und das "Made in Germany"-Gütesiegel hochgradig attraktiv. Insofern sind die Vorzeichen für diese deutsch-chinesische Partnerschaft in jeder Hinsicht ermutigend, sodass die Voraussetzungen geschaffen sind, dass auch die operative Umsetzung nach dem Closing erfolgreich sein wird.

Diese Transaktion ist nur ein Beispiel für einen sich abzeichnenden Trend im Investment Banking - der zunehmenden Bedeutung von Investoren außerhalb Europas und der USA. Um in diesem Umfeld erfolgreich agieren zu können, ist es für Investmentbanken entscheidend, ein starkes globales Netzwerk zu besitzen und so Investoren und Kapitalsuchende international zusammenführen zu können.

Gerade, um erfolgreich chinesische Investoren einbinden zu können, ist es wichtig, die landesspezifischen Besonderheiten zu verstehen und Teams mit den Kontakten zu den Entscheidungsträgern vor Ort zu haben. Neben kulturellen Aspekten ist ein exzellentes Verständnis der Entscheidungsprozesse und des regulatorischen Umfelds Bedingung. In China ist beispielsweise häufig die Zustimmung der NDRC-Behörde (National Development and Reform Commission) für Investitionen von chinesischen Unternehmen im Ausland erforderlich, teils auf nationaler Ebene, teils durch eine der NDRC-Behörden der unterschiedlichen Provinzen. Es gilt aber auch, auf deutscher Seite Aufklärungsarbeit zu leisten, die Chancen eines Investments durch einen asiatischen Partner aufzuzeigen und gegebenenfalls Vorurteile abzubauen, die häufig noch insbesondere gegenüber chinesischen Investoren bestehen.

Die Putzmeister-Transaktion hat deutlich belegt, dass dies nicht der Fall sein muss. Ganz im Gegenteil: Sany hat ein deutliches Bekenntnis zum Standort Deutschland und seiner Belegschaft abgegeben und will diesen sogar weiter ausbauen und in seiner Verantwortung stärken. Gleiches gilt für das Putzmeister-Management. Aus Deutschland heraus werden in Zukunft sämtliche Sany-Aktivitäten außerhalb Chinas koordiniert, die Putzmeister-Geschäftsführung rückt in den globalen Sany-Vorstand auf. Insgesamt lässt sich rückblickend auf 2011 festhalten, dass grenz- und kontinentüberschreitende Investitionen eine zentrale Rolle im deutschen M&A-Markt gespielt haben und vor allem Asien hierbei ein hohes Gewicht zukommt. Diese Entwicklung wird sich auf absehbare Zeit weiter fortsetzen.

Globale Finanzierungsquellen erschließen

Ähnliche Trends lassen sich auch im Kapitalmarkt beobachten. Zunehmend global operierende Unternehmen wollen sich globale Finanzierungsquellen erschließen, nicht zuletzt, um kongruente Zahlungsströme in den unterschiedlichen Währungen zu realisieren und damit das Wechselkursrisiko zu managen. Für europäische Emittenten bietet sich als Alternative zum Börsengang in Europa zunehmend auch Hongkong als attraktiver Börsenplatz an, wie die erfolgreichen Börsengänge von Samsonite und Prada belegen, die hier zu sehr attraktiven Konditionen emittieren konnten.

Erfolgsfaktoren sind neben einer kritischen Mindestgröße vor allem ein attraktiver Sektor mit Relevanz für die jeweilige Region. Im Falle von Prada und Samsonite ist Asien inzwischen der wichtigste Absatzmarkt, und die regionale Nachfrage treibt die Wachstumsstory beider Unternehmen.

Besonders im Bereich der Eigenkapitalfinanzierung haben die jüngsten Entwicklungen die Wichtigkeit einer globalen Finanzierungsperspektive im derzeitigen makroökonomischen Umfeld bestätigt. Der Börsengang (IPO) des niederländischen Kabelnetzbetreibers Ziggo ist unumstritten der derzeit wichtigste Meilenstein für die europäischen Aktienemissionsmärkte. Diese Transaktion wird von Unternehmen, Investoren und Investmentbanken als wichtiger Test für die Aufnahmebereitschaft von Eigenkapitaltransaktionen gesehen.

Im Laufe des Ziggo-IPO-Prozesses war die Nachfragedynamik insbesondere von angloamerikanischen und britischen Investoren geprägt. Diese Konstellation, ein verhaltenen Interesses der kontinentaleuropäischen Fonds-Manager, ist jedoch nichts Neues: Nach längeren, durch Volatilitätsschocks entstandenen "Dürreperioden" an Emissionsaktivität haben internationale Investoren üblicherweise nach wie vor die Preis- und Meinungsführerschaft und sind die maßgeblichen Treiber der Nachfrage.

Hongkong als Finanzierungsmarkt

In ähnlich prominenten Transaktionen, welche in Phasen von vergleichbar anspruchsvollen Marktkonditionen seit dem Jahr 2000 erfolgreich durchgeführt werden konnten, wurden im Durchschnitt zirka 65 Prozent der Gesamtnachfrage von angloamerikanischen und britischen Investoren generiert. Ein entsprechendes Bild zeichnet sich auch bei kürzlich erfolgten Blocktransaktionen ab, welche aufgrund der ausgeprägten Investorennachfrage nach besonders liquiden Titeln erfolgreich außergewöhnlich nahe am jeweils vorherrschenden Marktpreis platziert werden konnten. Asiatische Fondsmanager sind in europäischen Emissionen noch nicht sonderlich prominent aufgetreten, aber deren Interesse an europäischen Titeln insbesondere im Sekundärmarkt entwickelt sich sehr positiv. In der Roadshow-Aktivität sollten deutsche Unternehmen daher durchaus Asien in Erwägung ziehen - insbesondere dann, wenn sie über starke Marken verfügen und die asiatischen Absatzmärkte hinreichend relevant sind.

Wie beschrieben verfügt bekanntlich Hongkong als der bedeutendste Finanzierungsmarkt im asiatischen Raum über einen für internationale Investoren und Emittenten offenen Kapitalmarkt. Nun ist es auch geplant, dass sich auch die chinesischen Festlandmärkte für ausländische Emittenten öffnen. Für das Jahr 2012 wird erwartet, dass der China International Bond Market sein Debüt feiert. Selbiger wird es internationalen Unternehmen in bislang nicht dagewesenem Ausmaß ermöglichen, Anleihen in Renminbi in China zu begeben. Aktuelle Einschätzungen gehen davon aus, dass der notwendige regulatorische Rahmen innerhalb der nächsten ein bis zwei Monate geschaffen sein wird, sodass diese Plattform noch in der ersten Jahreshälfte zur Verfügung stehen kann.

Dies trifft auch für das China International Board zu. Dieses wird ausländischen Unternehmen erlauben, eine Zweitnotierung an der Shanghai Stock Exchange zu erhalten und so die starke Nachfrage der wachsenden chinesischen Mittelschicht, die nach Anlagemöglichkeiten sucht, zu bedienen. Diese Zweitnotierung wird erwartungsgemäß Unternehmen vorbehalten sein, die eine starke Marke, globale Präsenz und eine entsprechende Größe, defensive Qualitäten, solide Finanzdaten und inklusive attraktive Dividendenpolitik mit einem chinesischen "Blickwinkel" vereinen.

Es bleibt abschließend festzustellen, dass auch deutsche Unternehmen vor dem Hintergrund der ungelösten strukturellen Probleme im Euroraum gut beraten sind, sich auch im Finanzierungskontext global aufzustellen. Deutsche Unternehmen sind heute insgesamt strategisch in so guter Verfassung wie lange nicht - das Interesse von Investoren nach Anlagemöglichkeiten hierzulande ist insofern ungebrochen.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X