Gespräch des Tages

ING-Diba - Wettbewerbsschelte

Im offiziellen Statement auf Pressekonferenzen ist es an sich üblich, sich mit Kommentaren über einzelne Wettbewerber zurückzuhalten. Eine Ausnahme hat sich seit langem eingebürgert: Die ING-Diba, von den Filialbanken unisono als eine der stärksten Bedrohungen ihres Geschäftsmodells ausgemacht, wird seit Jahren namentlich als lästiger Störenfried genannt. Wenn man denn schon von beträchlichen Tagesgeld-Abflüssen zu berichten hatte, wurde nur zu gerne die Gelegenheit genutzt, dies als vorübergehendes Phänomen darzustellen und auf Schwächen im Geschäftsmodell des nur allzu erfolgreichen Wettbewerbers hinzuweisen. Laute Klagen, etwa über die unterstellte Quersubventionierung des Tagesgeld-Zinssatzes bei der Diba, sind noch in lebhafter Erinnerung. Seit viele Platzbanken - nun schon zum zweiten Mal in Folge - wieder von nennenswerten Rückflüssen von "Extra- Konten" bei der ING-Diba berichten, mischt sich nun immer häufiger eine gewisse Häme in derartige Kommentare, ganz als ob die Direktbank nun endlich auf dem absteigenden Ast sei.

Tatsächlich sind die Einlagen auf den "Extra-Konten" der ING-Diba 2006 bei weiter gestiegener Kontenzahl erstmals zurückgegangen - von 51,6 auf 49 Millionen Euro. Doch ist das eine Entwicklung, die angesichts steigender Zinsen im Markt generell zu beobachten ist: Die Kunden parken ihr Geld weniger kurzfristig auf Tagesgeld-Konten, sondern schichten zunehmend in Festgelder oder allgemein höher Verzinslichtes um. Dass die ING-Diba mit mittlerweile über 60 Milliarden Euro Einlagen außerdem schlicht an ein Mengenproblem stößt, das es immer schwieriger macht, einen deutlich über dem Marktdurchschnitt liegenden Zins zu bieten, steht außer Frage. Daraus zu schließen, dass die Kunden nun massenhaft zurück zu Sparkassen und Genossenschaftsbanken liefen, wäre dennoch blauäugig. Denn ähnlich wie die Discount-Broker in den letzten Jahren neben dem Wertpapiergeschäft weitere Standbeine aufgebaut haben, haben sich auch Ben Tellings und Kollegen nicht allein auf dem Tagesgeld ausgeruht. So hat die Bank etwa 2006 als Reaktion auf die Nachfrage am Markt ein Festgeldprodukt eingeführt. Vor allem aber rückt neben Einlagen und Baufinanzierung das Wertpapiergeschäft immer mehr in den Vordergrund. Dass die Direct-Mail-Aufwendungen der ING-Diba speziell für das Brokerage nach Angaben von Nielsen Media Research neben Norisbank (alt) und Dresdner Bank über alle Branchen hinweg die höchste absolute Steigerung aufweist, spricht für sich.

Bei allem Erfolg, den die hiesige ING-Tochter auch mit Produkten neben ihrem klassischen Zugpferd hat, scheint die Haut der Verantwortlichen doch ein wenig dünner geworden zu sein. Wurden die - im hauseigenen Medienspiegel stets sorgfältig erfassten - Anwürfe aus den Filialbanken bislang stets mit vornehmer Zurückhaltung geschluckt, dreht man den Spieß jetzt erstmals herum. So wie vor gar nicht langer Zeit das "Extra-Konto" vielfach als "Lockangebot" gebrandmarkt wurde, kritisiert Ben Tellings nun einen "Schaufensterwettbewerb", der zwar immer günstigere Konditionen in den Vordergrund stellt, diese aber mit unzähligen Sternchen und Fußnoten garniert. Man habe den Eindruck, "dass speziell die Kollegen aus den Verbünden von einer regelrechten Panikstimmung erfasst sind", heißt es da - garniert mit konkreten Beispielen, die als "wildes Treiben" dargestellt werden. Die Mitarbeiter der Sparkassen und Genossenschaftsbanken können sich über ein Lob freuen, das bei allen negativen Testberichten über Beratung und Service vor Ort sicher gut tut - gerade weil es von einem der schärfsten Wettbewerber kommt. Sie machten "tagaus, tagein einen soliden Job", bescheinigt der Diba-Chef. Und dafür hätten sie "ein qualifizierteres Führungspersonal - auch auf Verbandsebene - verdient". Das sitzt.

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