Aufsätze

Implikationen von strukturierten Finanzierungen auf das Workout-Management der Banken

Strukturierte Finanzierungen werden in diesem Beitrag als eine konsortiale Fremdmittelfinanzierung verstanden, deren Umfang, Ausgestaltung und Besicherung sich unmittelbar an den künftigen, verfügbaren Cash-Flow-Strömen eines Unternehmens ausrichtet. Diese Finanzierungsform nimmt in der Unternehmensfinanzierung einen immer breiteren Raum ein. War sie bis vor wenigen Jahren eine fast ausschließlich bei großen Unternehmen, beziehungsweise Akquistionsfinanzierungen eingesetzte Finanzierungsvariante, so wird sie heute auch zunehmend in der klassischen Mittelstandsfinanzierung verwendet.

Die Vorteile für den Kunden: - Konzentration der Kreditverhandlungen auf einen Bankpartner (Lead-Agent beziehungsweise Konsortialführer), - einheitliche Finanzierungsbedingungen in Bezug auf Sicherheiten, Laufzeit, Rückführungs- und Konditionenstruktur, - mehrjährige Laufzeit ohne Notwendigkeit der alljährlichen Neuverhandlung/Prolongation, und damit weitgehende Planungssicherheit für die Passivseite.

Erhebliche zusätzliche Risiken

Allerdings birgt die Standardisierung der Kreditdokumentation sowie die strikt Cash-Flow-orientierte Ausgestaltung der Rückführungsbedingungen im Falle von Störungen in der planmäßigen Geschäftsentwicklung im Vergleich zu konventionellen, bilateralen Kreditvereinbarungen auch erhebliche zusätzliche Risiken für das Unternehmen, auf die hier näher eingegangen werden soll.

Kommt es zu Unterschreitungen bei im Kreditvertrag vereinbarten wirtschaftlichen Kennzahlen (Covenants) des Unternehmens, müssen diese vom Konsortium mit definierten Mehrheitsverhältnissen "sanktioniert" werden. Anderenfalls steht die gesamte Finanzierung möglicherweise umgehend zur kompletten Rückzahlung fällig. Das Risiko in wirtschaftlichen Schwächephasen einen einzelnen Finanzierungspartner zu verlieren, wird durch strukturierte Finanzierungsformen auf die gesamte Fremdfinanzierung potenziert, und bedroht damit existenziell den Fortbestand des Unternehmens.

Im Hinblick auf eine notwendige Restrukturierung des Unternehmens ergeben sich hieraus weitere Unwägbarkeiten im Vergleich zu bilateralen Finanzierungskonstrukten.

Kommunikation mit dem Konsortialführer

Die Kommunikation Unternehmen/Bank beschränkt sich bei strukturierten Finanzierungen maßgeblich auf den Konsortialführer, der wiederum alle beteiligten Syndizierungspartner periodisch, und in weitgehend standardisierter Form über die Unternehmensentwicklung informiert. Ein enger, und vertrauenswürdiger Austausch zwischen Unternehmen und den einzelnen Konsortialpartnern findet daher in der Regel nicht statt. Dies hat unmittelbar Auswirkungen im Krisenfall, da den meisten Finanzierungspartnern damit auch das nur im Zeitverlauf und durch regelmäßigen persönlichen Austausch entstehende Grundvertrauen in die Unternehmung sowie das Management fehlt. Da viele Syndizierungspartner auch oft nicht in unmittelbarer lokaler Nähe zum Unternehmen stehen, fehlt zusätzlich auch das in gewachsenen Hausbankenbeziehungen vorhandene und zunächst auch belastbare Verantwortungsbewusstsein in Bezug auf den Fortbestand der Unternehmung oder das Schicksal der betroffenen Mitarbeiter beziehungsweise der Region.

Das zuvor geschilderte typische Verhalten von eher "anonymen" Konsortialfinanzierern in der Krise, führt auch bei notwendigen Restrukturierungsverhandlungen zu zusätzlichen Problemen, da derartige Verträge nahezu durchgängig sogenannte Syndizierungsklauseln enthalten, die in der Regel einen jederzeitigen Weiterverkauf des Kredites ohne zusätzliche Genehmigungen des Kreditnehmers beziehungsweise des Konsortiums an Dritte ermöglichen.

So laden standardisierte und im Wesentlichen auch für Außenstehende oft leicht zu überblickende Konsortialfinanzierungsformen die immer lebhafter entstehenden Kredithandelsplattformen bei negativen Entwicklungen zu einer frühzeitigen Intervention ein. Die Chance, dass im Rahmen gewachsener bilateraler Hausbankbeziehungen eine gemeinsam getragene Sanierungsanstrengung aller betroffenen Stakeholder (Finanzierer, Management, Gesellschafter, Mitarbeiter) zur Rettung des Unternehmens gelingt, wird in der eher anonymen Konsortialfinanzierung durch kurzfristigen Kreditverkauf (gegen entsprechenden Abschlag vom Nominalwert) einzelner Konsorten an außenstehende Investoren (Investmentbanken, Hedgefonds) wesentlich unterminiert.

Veränderungen des internen Gleichgewichts der Fremdkapitalgeber

Durch das Hinzutreten von neuen, nicht zum Nominalwert engagierten Finanzierungspartnern, wird das interne Gleichgewicht der Fremdkapitalgeber nachhaltig verändert, beziehungsweise die Interessenlagen der an der Sanierungsanstrengung Beteiligten fallen maßgeblich auseinander. So ist beispielsweise in der Praxis vermehrt zu beobachten, dass die neu hinzugekommenen Investoren mit Hilfe ihrer zum Discount erworbenen Kreditforderungen oft einen sogenannten Debt-to-Equity-Swap anstreben (Tausch des Fremdkapitals in Eigenkapital), um die gesellschaftsrechtliche Kontrolle über das Unternehmen, und damit die unternehmerische Führung zu übernehmen. Sofern die neuen Investoren durch Zukäufe innerhalb des Konsortiums über entsprechende Sperrminoritäten verfügen, können dadurch beispielsweise konventionelle, nur auf die Wiederherstellung der notwendigen Schuldendienstfähigkeit abzielende Sanierungskonzepte, potenziell obstruiert werden.

Mehrheitsverhältnisse innerhalb eines Finanzierungskonsortiums können sich somit durch den aktiven (Sekundärmarkt-)Handel der zugrunde liegenden Kredite nahezu täglich verändern, wodurch auch die Stabilität und Verlässlichkeit von Sanierungsgemeinschaften immer weniger planbar beziehungsweise kalkulierbar werden. Dies wiederum führt beispielsweise bei der Entscheidung über für die Sanierung benötigte Zusatzkredite (Fresh-Money) zu schwierigen Abwägungen bei den potenziellen Kreditgebern, da man kaum einschätzen kann, ob das Konsortium in der bestehenden Zusammensetzung längerfristig erhalten bleibt.

Definition von Spielregeln für Kreditverkäufe

Ein zusätzliches Kreditengagement wird unter diesen Umständen für den jeweiligen Kreditgeber weitgehend unkalkulierbar, da er sich gegebenenfalls gegenüber später neu hinzukommenden Partnern immer stärker exponiert. Dies kann zwar grundsätzlich auch bei bilateralen Kreditverhältnissen nicht ganz ausgeschlossen werden, aufgrund der aber jeweils individuellen Ausgestaltung der einzelnen Kredit- und Sicherheitenverträge und nicht durchgängig vorhandener Syndizierungsklauseln wird die natürliche Zutrittsbarriere für Se-kundärmarkt-Investoren allerdings erhöht.

Die Kreditinstitute haben inzwischen auf diese neuen Herausforderungen in Sanierungssituationen reagiert, und versuchen zunehmend unmittelbar nach Eintritt der Krisensituation Spielregeln für die Behandlung möglicher Kreditverkäufe zu definieren. Dabei können entweder für einen bestimmten Zeitraum sogenannte "Stillhalteperioden" vereinbart werden, während derer sich die Beteiligten verpflichten, die Kredite nicht zu veräußern, oder aber zumindest gewisse Genehmigungsprozesse des Konsortiums beziehungsweise interne Vorkaufsrechte festgelegt werden. Da allerdings auch derartige Vereinbarungen einen bestimmten zeitlichen Vorlauf voraussetzen, bieten sie zu Beginn einer Restrukturierung kaum wirksamen Schutz vor schnellen und unkontrollierten Kreditverkäufen einzelner Konsorten.

Neben den zuvor dargelegten allgemeinen Besonderheiten von strukturierten Finanzierungsformen in der Krise, sollte auch die insgesamt komplexe Ausgestaltung dieser Kredite nicht unterschätzt werden. Dabei soll beispielhaft auf unterschiedliche Kreditklassen (Senior, Mezzanine, Nachrang und gegebenenfalls Mischformen), Rangfolgen der Besicherung sowie Zinsgestaltungen (Cash-wirksam, nicht Cashwirksam) hingewiesen werden. Da nicht alle Finanzierer in den gleichen Instrumenten/Kreditklassen engagiert sind, werden sich in Krisensituationen automatisch mehrere unterschiedliche Interessengruppen formieren, deren individuelle Sanierungsziele möglicherweise sehr weit auseinander driften.

Unter diesen Voraussetzungen zu einer gemeinsam tragfähigen Sanierungsstrategie zu gelangen, verlangt nicht nur einiges Geschick des Konsortialführers, sondern auch deutlich mehr Vorlauf- und Entscheidungszeit, als dies bei konventionellen Bankfinanzierungen gewöhnlich der Fall ist. Dies kann in besonders zeitkritischen Unternehmenssituationen zu bedrohlichen Engpässen führen, und eine außergerichtliche Sanierung insgesamt hochgradig gefährden.

Höherer Zwang zu gerichtlich geregelten Insolvenzverfahren

Der Zwang zu gerichtlich geregelten Insolvenzverfahren ist daher bei strukturierten Finanzierungsformen, und gerade auch nach durch Kreditverkäufe erfolgten Gleichgewichtsverschiebungen im Konsortium, grundsätzlich höher anzusehen als bei konventionellen Finanzierungen. Dies erklärt sich aus der nahe liegenden Konsequenz, dass bei zunehmend unvereinbarer, und gegenläufiger Sanierungsziele der unterschiedlichen Gläubigergruppen eine konsensuale Verhandlungslösung nicht mehr möglich ist, und letztlich eine übergeordnete Instanz, die Sanierungslasten und -beiträge im Sinne der formaljuristischen Rangfolgen der jeweiligen Gläubigergruppen per Gesetz regeln muss.

Strukturierte Finanzierungsformen bergen in der Krise grundsätzlich erhebliche Risiken für eine erfolgreiche Unternehmenssanierung und bedürfen daher auch einer differenzierten Herangehensweise der Sanierungsbeteiligten.

Während in Krisensituationen in der bilateralen Finanzierung der Wegfall eines unkooperativen Finanzierungspartners zumeist kompensiert, beziehungsweise von den verbleibenden Instituten verkraftet werden kann, stellt der ungeheilte Covenantbruch bei strukturierten Finanzierungen unmittelbar die Gesamtfinanzierung eines Unternehmens und somit den Fortbestand insgesamt in Frage. Die Verteilung des Finanzierungsrisikos auf mehrere, vertraglich voneinander unabhängige Kreditgeber, ist daher unter Klumpenrisiko-Aspekten zunächst grundsätzlich vorteilhafter.

Darüber hinaus eignen sich strukturierte Kreditfinanzierungen aufgrund der hohen Standardisierung und Konditionentransparenz in hohem Maße für den kommerziellen Kredithandel und bilden somit die Grundvoraussetzung für den Eintritt von Sekundärmarkt-Investoren in bestehende Kreditkonsortien.

Neue Mittel zur Weiterentwicklung des Unternehmens

Es soll aber auch nicht unerwähnt bleiben, dass der Eintritt von neuen Investoren durchaus auch positive Aspekte in Sanierungssituationen mit sich bringen kann. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn ein Investor die gesamte Fremdfinanzierung durch Übernahme der Kredite in eine Hand überführt, und darüber hinaus zusätzliche (Eigen-/Fremd-)Mittel für die Restrukturierung des Krisenunternehmens bereitstellt. Da die bisherigen Kreditgeber aufgrund ihrer Ausgangsposition möglicherweise nicht bereit gewesen wären, zusätzliche Fremdmittel in die (ungewisse) Sanierung zu investieren, wird durch den Kreditverkauf mit entsprechendem Abschlag überhaupt erst die ökonomische Basis für den Investor geschaffen, zusätzliche, ausschließlich der Weiterentwicklung des Unternehmens dienende Mittel einzubringen.

Die in der strukturierten Finanzierung gebundenen Banken müssen in jedem Fall unmittelbar nach Ausbruch der Krise entscheiden, welche Rolle sie in der Restrukturierung übernehmen wollen und ob ihre eigenen Sanierungsziele, im möglicherweise durch Kreditverkäufe verändertem Konsortium, noch umsetzbar sind. Grundsätzlich bleiben die Alternativen Mitwirkung an der konzeptionellen Arbeit der treibenden Kräfte innerhalb des Konsortiums (und vielleicht sogar Übernahme der Führungsrolle) oder schneller Verkauf und damit kalkulierbarer Exit aus der Restrukturierungssituation (aber damit auch aus der Kundenbeziehung! ). Je geringer die laufende Kundenbeziehung (und Cross- Selling-Aktivität) während der Dauer der strukturierten Finanzierung war, umso größer wird im Krisenfall die Bereitschaft sein, das Engagement durch einen schnellen Kreditverkauf zu kalkulierbaren Bedingungen zu beenden. Es liegt damit auch am Unternehmen selbst, welche Qualität seine Finanziererbeziehungen am Ende haben, und welche Loyalitäten sich dadurch im Krisenfall gegebenenfalls aktivieren lassen.

Persönliche Anonymität und mangelnder regelmäßiger Austausch mit den Finanzierern sind daher die größten Gefahrenquellen, denen sich Unternehmen bei der Entscheidung für eine strukturierte Finanzierung gewöhnlich aussetzen. Die eingangs geschilderten unzweifelhaften Vorteile dieser effizienten Finanzierungsform, kehren sich somit möglicherweise im Krisenfall ins Negative um.

Aktives Beziehungsmanagement zu den Finanzierungspartnern

Ein regelmäßiges, aktives Beziehungsmanagement zu allen beteiligten Finanzierungspartnern, verbunden mit einer zeitnahen und transparenten Kommunikation, sind daher unersetzliche Bestandteile einer intakten Finanzierungsstruktur. Dies gilt in besonderem Maße für strukturierte Finanzierungsformen, die die Abhängigkeiten des Unternehmens gegenüber seinen Finanzierern multiplizieren und daher in der Krise grundsätzlich anfälliger sind, als über lange Jahre gewachsene bilaterale Verbindungen.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X