Aufsätze

HR- und Vergütungsmanagement in Banken: Quo vadis?

Betrachtet man die Gewinnveröffentlichungen für das Geschäftsjahr 2010, so scheint der Großteil der Banken in Deutschland und weltweit die Finanzkrise durchgestanden zu haben. So schreiben einige Institute bereits deutlich schwarze Zahlen. Andere hingegen sind noch durch Staatshilfen belastet, deren Rückzahlung eine weitere Herausforderung darstellt. Im Zuge des Aufschwungs konnte ein Teil der geretteten Banken die Hilfsgelder bereits wieder zurückzahlen (Abbildung 1).

Ein Blick auf die Kursentwicklungen seit der Krise stellt den Banken jedoch ein anderes Zeugnis aus. Der Bankenindex Stoxx Global 1800 erreichte auf dem Krisenhöhepunkt 2008 sein Allzeittief. Während sich die Kurse der Unternehmen über alle Branchen hinweg erholt und sogar wieder ein vorkrisennahes Niveau erreicht haben, befindet sich der Finanzsektor nach einem schnellen Turnaround seit 2009 in einer andauernden Seitwärtsbewegung. Ob darauf ein Aufschwung, eine dauerhafte Konsolidierung oder gar ein Rückschritt folgt, ist derzeit offen.

Regulierung mit wettbewerbsrelevanter Auswirkung

Die weitere Entwicklung wird insbesondere davon abhängen, wie erfolgreich die Banken die aktuellen Herausforderungen meistern werden. Dies kann nur gelingen, wenn es die Institute schaffen, qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen, diese bestmöglich zu motivieren und sie langfristig an das Unternehmen zu binden. Daher lauten die zentralen Fragestellungen für das Personal- und Vergütungsmanagement in Banken: Wie lassen sich im neuen Rahmen der strengeren regulatorischen Vorschriften für die Vergütung wirksame Motivationsanreize für Mitarbeiter und Führungskräfte setzen? Wie kann das Institut im Wettbewerb um die Top-Talente bestehen?

In den zurückliegenden zwei Jahren waren Banken stark mit der Implementierung neuer regulatorischer Anforderungen beschäftigt. So brachte die Eigenkapitalanforderungsrichtlinie des Europäischen Parlaments (CRD III) im Sommer 2010 nicht nur verschärfte Eigenkapitalanforderungen, sondern auch restriktivere Vergütungsregeln für Führungskräfte und Vorstände mit sich.

Über die CRD III hinaus wurden von der EU-Kommission weitere Regulierungsinitiativen angestoßen. Ein Grünbuch der EU-Kommission zur Corporate Governance in Finanzinstituten und Vergütungspolitik wurde bereits im Juni letzten Jahres zur Konsultation vorgelegt. Zentrale Fragestellungen des Papiers betreffen die Rolle des Verwaltungsrats, externer Revisoren und der Aufsichtsbehörden. Darüber hinaus werden spezifische Fragen zur Vergütung gestellt, insbesondere zur Vergabe und steuerlichen Behandlung von Aktienoptionen, Abfindungen sowie die Rolle der Aktionäre und Beschäftigten bei der Gestaltung der Vergütungspolitik.

"Schattensektor" mit größeren Spielräumen

Es bleibt abzuwarten, ob die Kommission in diesen Punkten aktiv wird und einheitliche Regelungen für alle Mitgliedsländer schaffen möchte, herrschen doch in einigen Punkten erhebliche Unterschiede im Ländervergleich vor. Aktienoptionen sind beispielsweise in Großbritannien sehr verbreitet, während sie in Deutschland fast keine Rolle mehr bei der Vergütung von Führungskräften spielen. Die diskutierte stärkere Beteiligung der Beschäftigten an der Gestaltung der Vergütungspolitik ist in Deutschland über die Mitbestimmungsorgane bereits gewährleistet; in den anderen EU-Staaten bestehen überwiegend keine vergleichbaren Strukturen. Bislang hat die Kommission noch keine offiziellen Maßnahmen auf Basis der Konsultationsergebnisse getroffen (Stand 1. Juni 2011).

Im Ergebnis ziehen die regulatorischen Vorschriften wettbewerbsrelevante Auswirkungen nach sich. Im "War for Talents" erleiden Banken Nachteile, da ihre Wettbewerber zum Teil über erheblich größere Spielräume bei der Gestaltung der Vergütung verfügen. Unterschiede in der Dichte und Strenge der Regeln bestehen zum einen zwischen Banken und dem "Schattensektor", wozu Kapitalanlagegesellschaften und Anlagefonds zählen. Ursächlich haben die Regulatoren primär die Eigenkapitalvorschriften der Banken entwickelt und in Verbindung damit auch die Vergütung zu regeln versucht, andere Sektoren jedoch zunächst nicht berücksichtigt. Laufende Regulierungsinitiativen deuten daraufhin, dass diese Lücke geschlossen werden soll.

Darüber hinaus sind die Märkte weltweit nicht einheitlich reguliert. Die Vergütungsregeln in der europäischen Union sind derzeit weitaus restriktiver als im Rest der Welt. In Asien hat es kaum Initiativen zur Regulierung gegeben, in den USA arbeiten die Aufsichtsbehörden noch an der Umsetzung. Es bleibt abzuwarten, ob die zuständigen Behörden zeitnah ein einheitliches Regelwerk erarbeiten werden und wie streng dieses ausfallen wird. Bisher ist nicht zu erwarten, dass diese Vergütungsregeln deckungsgleich mit den europäischen Vorgaben sein werden. Folglich wird auch in der nahen Zukunft eine transatlantische Regulierungslücke bestehen.

Einfluss der demografischen Entwicklung

Der Wettbewerb um talentierte Mitarbeiter wird sich durch die demografische Entwicklung noch weiter verstärken. Europa sieht sich im weltweiten Vergleich als einziger Kontinent mit einem erheblichen Rückgang der Bevölkerung im Alter zwischen 15 und 64 Jahren konfrontiert. Bis 2050 wird dieser Bevölkerungsanteil um 27 Prozent schrumpfen.1) Innerhalb Europas belegt Deutschland im Vergleich der führenden westeuropäischen Industrienationen mit Abstand den letzten Rang - und das, während andere Länder sogar ein Bevölkerungswachstum erwarten können.2)

Der Wettbewerb um Toptalente im Finanzsektor hat sich also verschärft und wird noch weiter zunehmen. Durch die restriktiven Vergütungsregeln haben die Unternehmen nun weniger Spielraum im Einsatz von Vergütungsinstrumenten zur Gewinnung und Bindung von Mitarbeitern. Gerade Vergütungselemente wie zum Beispiel Garantie- und Retentionboni wurden bisher genutzt, um Schlüsselmitarbeiter auch in wirtschaftlich schwierigen Phasen zu halten und um Führungskräfte anzuwerben.

Talentmanagement als zentrales Instrument für Mitarbeiterbindung

Nach der in Deutschland geltenden Instituts-Vergütungsverordnung dürfen in großen Instituten nun nur maximal 30 Prozent der variablen Vergütung für bestimmte Mitarbeiter unmittelbar in bar ausgezahlt werden, bei Vorständen sogar nur 20 Prozent. Die übrigen Anteile werden erst verzögert nach drei bis fünf Jahren gezahlt, wobei diese sich in der Höhe sogar bis zum Totalausfall - verringern können. Weiterhin wurden garantierte Zahlungen der variablen Vergütung eingeschränkt. Zwar zeigt eine aktuelle Befragung deutscher Banken durch Towers Watson im Frühjahr 20113), dass die Institute dies an vielen Stellen durch Erhöhungen der Grundvergütungen ausgeglichen oder "entschädigt" haben. Jedoch hat die variable Vergütung ihre Anreizwirkung zum Teil eingebüßt. Damit verliert ein wesentlicher Baustein für die Mitarbeitergewinnungs- und Bindungsstrategie vieler Institute an Bedeutung.

Vor dem Hintergrund der verschärften regulatorischen Rahmenbedingungen und der demografischen Entwicklung müssen deutsche Banken auf neue Angebote im Wettbewerb um Toptalente setzen und ihre Strategien für die Mitarbeiterbindung breiter aufstellen als bisher. Neben der Vergütung wird dabei künftig auch ein wirksames Talent- und Karrieremanagement eine wesentliche Rolle spielen.

Im Finanzsektor ist eine wettbewerbsfähige Vergütung zwar der wichtigste Faktor für die Mitarbeitergewinnung, wie die Global Workforce Study 2010 von Towers Watson zeigt. An zweiter und dritter Stelle folgen jedoch Aufstiegs- und Karrieremöglichkeiten sowie eine interessante und herausfordernde Tätigkeit.4) Für das Mitarbeiterengagement verliert die Vergütung an Bedeutung und andere Aspekte treten stärker in den Vordergrund (Abbildung 2).

Für Mitarbeiterbindung und Mitarbeiterengagement gewinnt die Karriereentwicklung zukünftig erheblich an Relevanz. Karrierechancen werden im Finanzsektor sogar noch höher geschätzt als in anderen Branchen, wie die Studie zeigt. An dieser Stelle sollten Banken daher ansetzen, wenn sie ihre Mitarbeiterbindungsstrategie überarbeiten. Entscheidend für Unternehmen ist es, intern die wichtigsten Führungskräfte und Mitarbeiter zu identifizieren, für weitere Karriereschritte auszubilden und weiterzuentwickeln sowie attraktive Bedingungen für Bewerber zu bieten. Dazu gehören auch mehr Möglichkeiten für Frauen.

Um eine wirksame Talentmanagement-Strategie zu entwickeln, sollten Banken dabei zunächst ihre Unternehmensstrategie spezifizieren. Mit welchem Leistungsversprechen hebt sich das Institut von anderen Instituten ab und welche Aufgabenbereiche sind wesentlich, um dieses Leistungsversprechen einzulösen? Hier knüpft ein wirksames Talentmanagement an. Es identifiziert Schlüsselfunktionen und Leistungsträger. Diesen werden gezielt Möglichkeiten zur Weiterentwicklung der erfolgskritischen Fähigkeiten und Aufgabenbereiche angeboten. Hier zeigt sich, dass ein systematisches Talentmanagement nicht nur der Mitarbeiterbindung dient, sondern dem Institut vielmehr einen wesentlichen Wettbewerbsvorteil verschaffen kann - sowohl im Wettbewerb um Kunden als auch um Mitarbeiter (Abbildung 3).

Neue Akzente

Aufgrund der Krise und den darauf folgenden regulatorischen Anforderungen ist deutlich geworden, dass Banken in Zukunft nicht mehr allein über Vergütungsmanagement im Wettbewerb um die besten Mitarbeiter und Führungskräfte der Branche bestehen können. Zwar bleibt die Vergütung nach wie vor ein wichtiger Bestandteil im Rahmen der Strategie zur Mitarbeitergewinnung und -bindung, der nicht vernachlässigt werden sollte, die Akzente werden jedoch künftig im Talentmanagement und in der Karriereentwicklung gesetzt. Nur Institute, die es schaffen, ihren Mitarbeitern und Führungskräften interessante und realistische Perspektiven aufzuzeigen, werden auch künftig erfolgreich arbeiten.

Fußnoten

1) UN Department of Economic and Social Affairs/Population Division, "World Population to 2300", New York 2004.

2) Eurostat, "Population and social conditions", Statistics in focus 72/2008.

3) Towers Watson Pulse Survey Banken, März 2011. 4) Im Rahmen der Towers Watson Global Workforce Study 2010 wurden weltweit 20[000] Arbeitnehmer in 27 Ländern befragt.

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